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Dresdner Nachrichten : 01.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19221001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19221001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-10
- Tag 1922-10-01
-
Monat
1922-10
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 01.10.1922
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Da» Gefeh gegen -ie Not -er Presse. v«rlt«. 20. Sept. Der LSirtschaftSpolttlsche Ausschuß de» RelchSwtrtschastSrates beschäftigte sich heute mit drin Entwürfe der »Verordnung gegen die wirtschastlichc Not lage der Presse. Einstimmig wurde folgende Fassung deö 8 14 vorgeschlagen: Rückvergütungen aus Dructpapierprcisc sind an die Verleger der deutschen Zeitungen und Zeit schriften. die politischen und wissenschaftlichen Charakter tragen, wie der deutschen religiösen Sonntags- blakt er zu zahlen. Unterstützungsberechtigt sind ferner die offiziellen Organe der allgemeinen und sachlichen Be- ruf-vrrtretunaen, soweit sie nicht durch Anzeigen oder andere Quellen ihre Selbstkosten decken. In Zweifels, fällen entscheidet der Verwaltungsrat über die llnter- ftützungöberrchttgung endgültig Ferner wurde beschlossen, Laß außer den in der Verordnung Genannten der Börsen- veretn de» deutschen Buchhandel» einen Vertreter und ferner der Reichswirtschaftsrat im Einvernehmen mit den betreffenden Organen se einen Vertreter der Fachpresse und der wissenschaftlichen Zeitschriften tv den Vcrwaltungs- rat zu entsenden hat. Mit allen gegen 8 Stimmen wurde folgende Ent schließung Bernhard angenommen: „Auf Rückvergütungen haben nur solche Verleger Anspruch, die dir Verpflichtungen au» den Lohntartfcn der Arbeiter, Angestellten und Redak teure erfüllen." Mit diesen Abänderungen wurde die Ver ordnung einstimmig gebilligt. Vertreter der Arbeitgeber und von der Negierung ernannte Mitglieder brachten dabei zum Ausdruck, daß sie das besetz »ach wie vor für eine wtrtschaftspolittsch verfehlte Maßnahme betrachten, weil nichtwtrtschastlich arbeitende Gewerbe durch Beihilfen nicht gehalten werden können. Da» Gutachten de» Untersuchungsausschusses für Land wirtschaft und Ernährung vom 22. September über den Ent wurf einer Verordnung über den Verkehr mit Zucker tm BetriebSsahre 1022/28 wurde mit der Aendernng bestätigt, -aß die Kopfauotc von 1 Kilogramm Verb rancher zucker zunächst auf N4 Kilogramm erhöht werden soll. Sin Atlfsausschub fllr die veulschen FournaNslen. Berlin, 20. Sept. Der Verein deutscher ZeitungSverlegcr hat bei der kürzlich begründeten RetchSarbcitsgrmeinschaft der deutschen Presse angeregt, diese möge beschleunigt die erforderlichen Schritte ergreife», um die in Krage kommen den Kreise der deutschen Gesamtwirtschast zur Mitarbeit bei der Neueinstcllung der infolge der Not der Presse ent lassenen K raste aufzuruse». Gedacht ist an die Grün dung eines HtlssauZchuffcs sür die deunchen Journaltsten, der in Zusammenfassung der deutschen Wirtschaft und der deutschen Presse unverzüglich seine Arbeit ausnehmcn soll. (W. T. v.) Tagung der deutschen Vodenreformer. Karlsruhe, 20. Sept. Die 27. Hauptversammlung des Bundes deutscher Vodenreformer, zu der über 800 Personen aus allen Teilen Deutschlands sich cingesunde» habe», ist heute mit einer Ansprache des Vorsitzenden Dr. Damaschke eröffnet worden. lW. T. B.) Die Aot -er Kln-erreichen. Berlin, 30. Sept. Ter Vizekanzler Bauer hat letzt hin die in der Prvtestversammlung im Zirkus Busch ge wählte Abordnung des Bundes der Kinderreichen aus allen Gauen Deutschlands in Anwesenheit von Vertretern der Ministerien empfange». Nachdem ei» Vertreter deö Bun des die furchtbare Not der kinderreichen Familien geschildert und die von vielen Tausenden von Kinderreichen im Zirkus Busch einstimmig angenommene Entschließung verlesen hatte, sowie de» dringendsten Forderungen zur sofortigen Linderung der Not der Kinderreichen Ausdruck gegeben hatte, betonte der Vizekanzler, daß cs der Regierung nicht möglich sei, so zu Helsen, wie sie gern mochte. Zweck mäßig sei cs vielleicht, mit den Parteien Fühlung zu »eh meu und au den Reichstag heranzutretcu. Die Ministerien würden gern mit der Organisation der kinder reichen Familien, die sich zur Erreichung ihrer Ziele zu sammcnschließen sollten, zusammcnarbcitcn. tW. T. B.) Umsatz- und Grunderwerbssteuerverwaltung. Sin Prolefl des sächsischen Vemeindeiages. Drotz der wiederholten dringenden Vorstellungen des Sächsischen GemetndetageS wie auch des Deutschen Stüdte- tage» ist vom Neichsfinanzminister die Uebernahme der Verwaltung der Umsatz- und Grunderwerbssteuer in Sachsen — mit Ausnahme einiger weniger Städte — end gültig für den 1. Oktober d. Js. angcvrdnet worden. Diese Anordnung hat in den sächsischen Gemeinden eine außer ordentliche Erregung hervvrgerufen. Der Sächsische Gemetndetag hat al» Vertretung der Gesamtheit der säch sischen Gemeinden nochmals in einer Eingabe an das ReichSftnanzmtnisterium alle die Gründe zusammengefabt, die gegen die Uebertragung der Verwaltung, vor allem der Umsatzsteuer, auf die Rctchsftnanzbehürden sprechen. Mit aller Dringlichkeit ist zunächst darauf hingcwicsen worden, Laß die staatlichen Finanzämter mit Arbeit bereits der art überlastet sind, daß eine reibungslose Verwaltung der beiden Steuerarten, wie sic bei den gemeindlichen Steuerämtern gewährleistet ist, nicht möglich erscheint. Das ist allen mit den Verhältnissen vertranten Stellen seit langem zur Genüge bekannt und kann auch von dem Reichs- sinanzmintsterium ernstlich nicht bestritten werden. Wie richtig diese Behauptung ist, beweist die Tatsache, daß die Veranlagung der R e t ch s c i n k o m m c n st c u e r — sehr zum Schaden der breiten Oesfentlichkett — noch immer mit einem wesentlichen Teile im Rückstände ist und daß vor allem aus de» Beträgen der Körperschasts- steuer, die in vielen Jndustrtegemeinde» beinahe das Soll der Reichöetnkommensteuer erreicht, den Gemeinden noch nichts hat überwiesen werden können. Dabei handelt es sich meist um außerordentliche Beträge für die Gemeinden. Es wird von keiner Seite verstanden wer den, wenn angesichts dieser die allgemeine» Stcnerinteresscn aufs schwerste schädigenden Verhältnisse die Finanzämter gerade im gegenwärtigen Zeitpunkte noch mit neuen be trächtlichen Aufgaben belastet werden. Auch ans die zweifellps allerorten anftauchenden ganz erheblichen R a u m s ch w i c r i g k c i t e n ist nochmals nachdrücklich hingewiesen worden. Gerade deshalb, weil, wie das Reichs finanzministerium stets als Begründung seiner Entschlie ßung betont, die Umsatzsteuer mit ihrem künftig ans mehr als 24 Milliarden Mark geschätzten Ertrag eine der wich tigsten Reichosteuern bildet, erscheint es dringend erforder lich, ihre Verwaltung auch in Zukunft in den Hände» der Gemeinden zu belasse» bezw. ihnen wieder zu übertragen, da nach der festen Uebcrzengung der Gemeinden nur diese in der Lage sind, aus Grund ihrer viel besseren und gründ licheren Kenntnis der gänzlich verchiedcnen ältlichen Ver hältnisse eine restlose Erfassung der Steuer auch tatsächlich z» verbürgen. Aus zahlreichen vorliegenden Eingaben geht hervor, daß von den Finanzämtern die Unmöglichkeit einer Veranlagung der Umsatzsteuer selbst eingesehen wird. Be- zeichncnderwetse ist von einer Seite sogar geäußert wor den, daß mit dem Augenblick der Uebernahme die weitere Bearbeitung der Umsatzsteuer zunächst erledigt sei. Die Gemeinden haben bisher sür die Verwaltung der Umsatzsteuer eine Erhcbuags- gcbiihr von 4 Prozent des Auskommens erhalten, die ihnen wesentliche Einnahmen gebracht haben. Angesichts der Ver sprechungen, die von dem NeichSsinanzminister vor kurzem erst wegen einer Linderung der Notlage der Gemeinden gemacht worden sind, die aus eine größere Beteiligung der Gemeinden an den großen Reichsstcuern hinauslausen, ist es in der Tat schwer zu verstehen, wie anderseits den Ge meinden eine wichtige Einnahmequelle von rcichswegcn wieder entzogen werden kann. Eine schwere Schädigung der Gemeinden ist auch durch die weitere Anordnung des Neichssinanzininisters ein- gctrcten, nach der die Gemeinde» in Zukunst nicht mehr be rechtigt sein sollen, von den von ihnen uereinna h m t e n V v r a u s z a ü I u n g S b e t r ä g e n ans die Umsatz steuer de» ihnen zustehenden Gcmeindeantcil in Höhe von 8 Prozent des Umsatzsteuer- aufkvmmcns zu kürz e n. Auch diese Verordnung hat aus die ohnehin denkbar ungünstige Finanzlage der Ge meinden die nachteiligste Wirkung. Die lausenden Ein- nahmebcträgc ans der Umsatzsteuer waren bisher die einzige fliehende Einnahmeguelle der Gemeinden, die sich dem dauernd sinkenden Geldwerte am ehesten anpaßte und aus der die Gemeinden einen wesentlichen Teil ihrer Aus gaben decken konnten. Alle Maßnahmen des Ncichs- finanzministeriums zur Linderung der Notlage der Ge meinden, so notwendig sie auch sind, verfehlen letzten Endes ihren Zweck völlig, wenn den Gemeinden auf der anderen Seite so wichtige Einnahmegnellen wieder entzogen werden wie die laufenden Beträge ans der Umsatzsteuer. Der Borstand des Sächsischen GemeinöetageS hat daher nochmals in letzter Stunde das Neichssinanziiiiiiisteruim im Interesse der Gesamtheit der sächsischen Gemeinden gebeten, die vor kurzem getroffene Anordnung, nach der die Ver waltung der Umsatz- und Grunderwerbssteuer in Sachsen durch das Reich sür den 1. Oktober 1022 vorgesehen ist, sofort wieder aufznhcben und auch den Gemeinden, denen die Verwaltung schon früher entzogen worden ist, diese Ver waltung wieder zu übertragen, weiter auch die Verordnung voni lO. Juli d. I. wieder aufzuhcben und dadurch den Ge meinden auch weiterhin zu gestatten, die Anteile von 5 Pro zent von den auf die Umsatzsteuer geleisteten Voraus zahlungen zu kürzen bzw. ihnen, wenn cs trotz dieses noch maligen nachdrücklichen Protestes bei der Uebernahme der Verwaltung am 1. Oktober verbleiben sollte, laufende monatliche Vorschüsse auf die ihnen zustchcndcu Umsatz- stcueranteilc zu gewähren. Oerlliches «n- SSchsifches. Die Linksparteien und die soziale Not. In der letzten Sitzung des Stadtverordnete n- kollegtums gab es ein eigenartiges Schauspiel, aus dem sich wieder einmal mit aller Deutlichkeit zeigte, wie wenig es den in dieser Körperschaft sitzenden Vertretern der Links- Parteien in Wirklichkeit daraus ankommt, der sozialen Not zu steuern, wenn es sich um Bevölkerungskreiie handelt, von denen nicht ganz gewiß ist, ob sic auf das sozialdemokra tische Parteiprogramm eingcschwvren sind. In dieser Sitzung stand zur Verhandlung Sin NalSbeschluß, nach dem den Mitgliedern des Bundes der Kinderreichen auf ihr An- suchen der Ankauf von Kartoffeln erleichtert werden sollte. Das sollte dadurch geschehen, dasi der Rat die Bürgschaft sür Kredite beim Händler oder Erzeuger übernähme, oder, soweit solche Kredite nicht zu erlangen sind, den Mitgliedern bare Vorschüsse gewähre. Mit Genugtuung muß sestgestellt werden, daß der Rat diesen Beschluß einstimmig gefaßt hat. Also auch die ihm angehürigen Sozialdemokraten, haben dem Beschluß zugesiimmt, wie es ganz selbstverständlich ist. Der gute Ster», der bisher über der Angelegenheit ge schwebt hatte, erlosch plötzlich, als sie an den Vcrwaltungs- cmsschuß des Ltadtvervrdiictcnkvllegiums gelangte. Hier wurden merkwürdigerweise allerlei Einwände erhoben. Ge wiß sei die Not der Kinderreichen anzuerkennen, aber der Bund sei politisch nicht neutral, er beschränke sich auf seine Mitglieder, es stünden andere Mittel zur Abhilfe der Not zur Verfügung nsw. Sv kam ein Mehrheitsautachten im Ausschuß zustande, das die Ablehnung des Ratsbcschlusses beantragte. Dagegen hatte sich der Stadtverordnete Böscn- berg ein Minderheitsgutachten Vorbehalten, das sich für die Zustimmung zu dem Natöbeschlusie einictztc. Oberbürger meister Blühcr und eine ganze Reihe Redner der bürger lichen Parteien sprachen warm sür den Bund der Kinder reichen, und es wurde von ihnen immer und immer wieder betont, daß die Bercchtiaung der Notstandsmaßnahme außer allem Zweifel stehe, daß die Organisation des Bundes in durchaus vertrauenswürdigen Händen ruhe, daß der Bund politisch völlig uuorientiert sei und daß der Rat im übrigen gar kein Risiko cingehe. TaS nutzte aber alles nichts. Das Minderheitsgutachten, also der Ratsbeschluß, wurde nbge- lehnt. Dir Annahme eines sozialistischen Zusatzantragrs, die bedürftigen Kinderreichen mit in die in der vorletzten Sitzung beschlossene Hilfsmaßnahme zugunsten der Minder bemittelten ctnzubeziehen, ist nur ein schwacher Ersatz, denn bei der großen Zahl der hier in Frage kommenden Personen dürste geraume Zeit vergehen, ehe er in Wirksamkeit tritt, während es sich bei dem Anträge zugunsten der Kinder reichen darum handelt, dasi sehr schnell geholfen wird. Der Bund der Kinderreichen hat sich also bei den Linksparteien des StadtvcrordnetenkollegiiimS dafür zu bedanken, daß seine Bitte nicht erfüllt wurde. Verschwscacn kann aller dings nickt werden, daß die Sache vielleicht hätte anders kommen können, wenn die bürgerlichen Stadtverordneten, die bekanntlich den Sozialisten in gleicher Zahl gegenüber, stehen, vollzählig zur Stelle gewesen wäre». Der Antrag wurde mit 39 sozialistischen gegen 37 bürgerliche Stimme« nbgelehnt. Doch am Balkan r Es sitzt und tagt der Völkerbund. Man redet ohne Ende. Man will sich gründlich waschen und Scheut doch Lle nassen Hände. Don Abrüstung und Ddlkerglück Trieft jeder Mund und jeder Blick. Doch am Balkan und anderswo Da brennt die Welt hellichterloh — ° „Nie wieder Krieg I" so rufen laut Ringsum die Pazifisten. Lin Traumschloß haben aufgebaut Die Weltidealisten. 2n Deutschland, auch ln London schon «Sab's Antikrlegsdemonstratlon. Doch am Balkan und anderswo Da brennt die Well hellichterloh — —- Ls streitet fröhlich sich herum Um Preise und Tarife Das liebe deutsche Publikum, Löst Fragen noch so tiefe. Man schafft in Werken der Kultur, Tagt, gründet, feiert, redet nur — Doch am Balkan und anderswo Da brennt -ie Welt hellichterloh „Luginsland" kn Len Dresdner Nachrichten. N-chdnick uni Dortrag nur mit tleser vurllrnangob« gestottrt. Kunst und Wissenschaft. Liaus Pfjitzner tm Dresdner TonkUusUeroerein. „Dresden hat an HanS Psitzner manches gut zu machen." Mit diesen Worten leitete am gestrigen UebungSabend im Palmengarten der Vorsitzende des Tonkünitlervercins, Theo Bauer, die Verkündigung der Ehrenmitglied- schast PsitznerS ein. Und er fügte hinzu, daß Psitzner nächst Brahms der zweite große deutsche Tondichter sei, den der Verein nun aus seiner Ehrentafel verzeichnet habe. Ein wahres Wort, ein kühnes Wort. Gewiß ist in Dres den die Pflege von Psitzners Musik jahrelang unverant wortlich vernachlässigt worden, nicht vom Tonkünsilervcrcin selbst, der immer wieder aus das Schaffen des Meisters hin wies, aber sonst, vor allem in der Oper. Schuch scheint Psitzner nicht „gelegen" zu haben, was bei der Wesens- verschicdenhett beider Persönlichkeiten nicht verwimdcrlich ist. Und nachher ward allerhand versprochen und erwogen, aber es kam nur ein liebenswürdiges Klcinwcrk wie das „Christrlsletn". Auch das soll setzt erst mit und durch Fritz Busch anders werden. Diese seitherige Vernachlässigung von PsitznerS Musik wird in rechtes Licht gerückt durch die kühne Nebeneinandcrstcllung von Psitzner und Brahms tm Tonkünstlerverein. Dem am Gewohnten haftenden Sinn mag diese Glcichsctzung einer „historischen Grösie" mit einem lebenden Schassenden zunächst fremdartig sein. Und ein Abwägen ist in solchem Falle den Zeitgenossen überhaupt unmöglich. Ob Psitzner in der Musikgeschichte später ein mal daS Gleiche oder etwas Achnliches „bedeuten" werde wie Brahms, läßt sich nicht sagen. Uns aber ist er jeden falls ebenso wie Brahms seiner Zeit einer der ersten und höchst Begnadeten, die in Töne» zn uns sprechen. Dabei übrigens auch ein ebenso „unzeitgemäßer" Künstler wie jener. Denn in Pfitzners Musik herrscht das Ethos, herrscht keusche, oft fast naive Romantik, sie ist wahrheitsliebend bis zum Fanatismus, treibt den Verzicht aus Bluff, anf Effekt »41 zur Askese: kurz gibt sich in allem ganz so. wie sich eigentlich ein „erfolgreicher" moderner Komvonist nicht geben darf. Und trotz solchen Wesens, bas wider den „falschen Tag" strebt, ist Psitzner ein Mann des TagcS ge worden, rein durch den tiefen und echten Gehalt seiner Kunst. Der Ehrenabenb im Tonkünstlerverein galt Psitzner al» Meister der Kammermusik und des Liedes. An instru mentalen Gaben hörte man das Klavierguintett in E und »ie Vtolinsonate in e, jenes von Mitgliedern des Vereins fvachmann, Bauer, Brosche, Geier und F. Schmidt), dieses *»m Komponisten selbst mit Konzertmeister Strub gespielt, owet Werke, die beide als echte Psitzners unverkennbar sind, auch in der Technik viel, Im Stil alles, in der Stim mung manches gemeinsam haben. Wenn man Psitzner ge legentlich wohl als einen modernen Robert Schumann be zeichnet hat, so ist dem am ehesten im Hinblick ans seine ersten Allegri zuzustimmen. Das ^Ilesre, ma non troppo des Quintetts wie das ^Ilexro sspressivo der Sonate haben in der Tat etwas Schnmannisches in ihrem romantisch be schwingten Gefühlsüberschwang. Aber sic sind schärfer ge prägt gearbeitet und zeigen manchmal eine Polyphontc, die eigentümlich linear verläuft und dadurch öfter mit zu fälligen Zusammcnklängen zu sehr kühnen Dissonanzwirkun- gcn führt, wie sie erst das moderne Ohr fassen gelernt hat. Im Outntctt steht an zweiter Stelle ein eigentümlich rhapsodisches Intermezzo, das abgeklärten Schcrzocharakter hat. Blühende Romantik dann beiderseits das Adagio: im Quintett mit sehr feinen, abgetönten Farben, Dämpfung, unbeglcitctem Soloton, ganz über alle irdischen Grenzen hcrausschwärmend, von uferloser Erhabenheit durchschanert, in der Sonate zeitweise mit besonderer Betonung der reinen Melodie, die, vom satten Getgcnklang getragen, nur durch schlichte Klavicrakkorde gestützt erscheint. Merkwürdig verschieden aber dann die Schlußsätze: das Moll-Werk, die Sonate, ringt sich zn feurigem, freudigem Schwung empor: das Dur-Werk, das Quintett, geht in die Stimmung zurück, schließt mit einem beschaulichen ^üi-kriottn eommock» wie in stiller, freundlicher Resignation. Das ist ganze Pfitzncrschc LebcnSanschanung: vom Moll des Lebens sich nicht uittcr- kriegcn lassen, aber als höchste Freude nicht lauter Jubel, sondern innere Einkehr. Das ist ja auch der Sinn -es „Palcstrina". Zeigten das Quintett und die Sonate Psitzners Kammer musik ganz wie sic ist, so trat bei den Liedern mehr eine be sondere Seite hervor. Grete M c r r e in - N i k i s ch lieh dem Abend ihre liebenswürdige Kunst: so lag es nahe, die Auswahl auf den Ton leichter, gefälliger Anmut zu stellen, die ja in der Tat in Psitzners Leidenschaften sehr häufig vor klingt, freilich nicht das Letzte ist, was der Meister auf diesem Gebiete z» sagen hat. Zwei ernste Stücke standen aber doch ans dem Programm, und zwar sogar als Uraufführung. ES waren die zwei Mocrike-Tcxtc „Denk es, o Seele" und „Das verlassene Mägdelein", die man von Hugo Wolf so im Qhre hat, daß es zunächst schwer fällt, sich anf eine andere Auf fassung einzustellen. Diese Auffassung ist besonders beim ersten Lied bei Psitzner weniger pathetisch, schlichter als bei Wolf, insofern vielleicht noch reiner Mocriklsch, obwohl die Wiederholung der Phrase „Denk cö, o Seele" am Schluß von Meister Hugo gewis, als ein Attentat auf den Dichter verdonnert worden wäre. Wurden diese ernsten Neuheiten achtungsvoll ausgenommen, so geriet die Versamtnliing Uber die bekannten i— ob freilich auch in Dresden wirklich be kannten? —) Nnmuts- und Schcrzgcsnnge, von dem Roko- spicl „Sonst" gekrönt und mit der Zugabe natürlich der „Gretcl" beschlossen, richtig aus dem -Häuschen. Hans Pfitz ner muß sich in diesen Tagen unser Dresden endlich erobern. Geschähe das nicht, sv könnte er's wohl verwinden, aber nichi wir. Der Abend im Tonkünstlerverein war jedenfalls ein verheißungsvoller Auftakt. Eugen Schmitz. -s- Dresdner Theaterspielplan sür Sonntag. Qpcrn hanö: „Fidelio" s^8): Schauspielhaus: „Jinprovi sativnen im Juni" s!48): Ncustädter Schauspiel haus: „Stella" i>-4): „Die Fahrt ins Blaue" (IM; Residenz-Theater: „Alt-Heidelberg" sX-li, „Der Zigeunerbarvn" s^8>. f Mitteilungen der Staatsthcater. Opernhaus. Montag, am 2. Oktober s'/^M: „Orpheus und Euru- dike " mit Irma Tervani, Edith Sajitz und Angela Kolnial. Tänze und Gruppierungen mit Susanne Dvmbois. Musika lische Leitung: Kurt Strieglcr, Spiclieitunq: Georg Hart mann. Dienstag, am 3. Oktober: Zum ersten Male s6>: „Palcstrina", musikalische Legende von Hanö Psitzner, unter der musikalischen Leitung von Fritz Busch und der Spielleitung von Georg Toller. In den Hauptrollen sind beschäftigt: Georg Zvttmayr, Arthur Fleischer, Ludwig Enbisch, Julius Puttlitz, Friedrich Plaschke, Will» Bader, Max Hirzel, Rudolf Lchmalnaucr, Hanns Lange, Robert Büffel, Fritz Bogclstrvm, Grete Mcrrem-Nikisch, Elisa Stünzner, Ludwig Ermold. Helene Jung. Einstudierung der Ehörc: Karl Pembaur, Bühnenbild von Max Hasait und Arthur Pältz, Trachten von Leonhard F-aitto. — Während des Vorspieles bleiben die Türen zniii Zuschaucrraum geschlossen! Die Ausgabe der Anrechtskarten für die Sin- f o n i e k o n z e r t c 1 022/23 an die bisherigen Platz- inhabcr beginnt am 2. Oktober vormittags 10 Uhr an der Kvnzcrtkassc des Opernhauses, Eingang Unterfahrt iZwingerseite). Die Preise betragen scinschUcßlich Wohl- tätigkeitScuer und Sozialabgabe): für Sinfvniekon- zertc: Parkett, 1. und 2. Rang 030 Mk., 3. Rang 780 Mk„ 4. Rang Balkon, Mittelaalerie und Proszeninmlogen 8,tt Mk.. 8. Rang Mlttclgaherie 378 Mk.. 4. Rang Setten- galeric, Seitenlogcn, 8. Rang Sitz- und Stehgnleric, Pro- szcniumlvgen, Stehparkctt und 4. Rang Mittel - Stehplätze 102 Mk.: für Hauptproben: Parkett 318 Mk., Orchester sitz 282 Mk., Stehparkctt 132 Mk. >- Ncustädter Schauspielhaus. Dienstag, N. Oktober, wir st rin dbergs Komödie „Kameraden" in der neue» Ucbersetzung von Heinrich Gvcbcl znm ersten Male gegeben. Gestattung beb Bühnenbildes: Gustav Singer, künstlerischer rat der Holländcrbühnen tn Berlin.
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