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Zonnlag. 14 l^ov. 192b Nresänefk Näckrichlen «iloerrvro. s Dem Gedächtnis einer Toten. Bon Fritz Kaiser, Ilmenau. 'Nun Ich durch Zufall erfahre, bah Hildegard toi ist, ge storben an ihrem Herzleiden,, das ihr schon damals zu schaffen machte, als ich sie kennen lernte, icbt die Erinnerung an das stille, sanfte Mädchen mächtiger den» je in mir auf, lind was bald ein Jahrzehnt »urückliegt. das erscheint mir so unendlich nahe, als wären eö nur Wochen, .die mich von dem schönen Er leben trennten. , . Während des Krieges ist eS gewesen, in der Zeit meine- letzte» Fcldnrlaubes. als ich Hildegard traf tu dem anmutigen «urstädiche», das mein« Heimat ist. I»> Hochsommer war es. Tie Nvien standen in ihrer schönsten Blüte. Hildegard war für ein paar Woche» ans der Großstadt geflüchtet in die Stille und de» tiefen Frieden der Berge. In diese köstliche Stille hinein fuhr ich für wenige Wochen, die ich de», Leben wiedergcgehen war. »ach harten Kämpfen und tausend Todesgefahren. Aber für mich war dieses stille Fleckchen eine ganze Wett, von dem ich alles erhoffte, was man vom Leben ersehnt. Und ich ersehnte viel von ihm. Jung und heiß schlug mir das Herz in der Brüst. - Ich hatte durch lange Monate hindurch nichts Wetter gesehen als das graue und grau- sgme Bild des Feldkrteges, und mar gewachsen in meiner Liebe z»i» Leben, iveil ich: degn Tod hundertmal »nd mehr ins sinstcre Antlitz geschaut.. Diese Liebe brachte ich mit i» die Heimat, in die wenige» Woche», von denen ich nicht wußte, ob sic sich jemals wiederholen würde». Denn ich muhte dann wieder hinaus »nd meine Pflicht weiter tun, wie die ganzen Fahre vorher. Und wie bald, ach. wie bald, schwindet Schönheit und Gcsmlt,' gestern noch auf stolzen Nossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in das kühle Grab! Darum stand ich vor den wenigen Wochen wie vor einem ganze», langen Leben »nd meinte das Glück vieler, vieler Jahre darin aufgcspeichcrt. Jeder Tag berauschend voll. Wie ei» bis zum Rande gefüllter Pokal köstlichsten Weines. Ich ward trnnkcn in diesem Gesiihl. Bergah das Gestern »nd dachte nicht an das Morgen. Heute war heut! So grüßte ich -Hildegard an der Schwelle der Tage, die zeit meines Lebens zu de» kostbarsten zählen werden. Ich sehe sie noch sitzen in ihrem schlichten, duftigen Sommer- gcwand auf der Bank vor de», weißen Kurpavillon. DaS schmale, svnngebrannte Gesichichen fiel mir angenehm auf. Und noch schöner war das braune Auge in seinem Aufschlag. Leise Wehmut blinkte in diesen Sternen. Sic nahmen mich ge fangen, ohne daß sie's wollten. Bis sie aufmerksam wurden und mit feiner Milde meinem Blicke begegneten. Mir war s. als erhöhte sich ihr Glanz, als liefe eine leise Bewegung durch die zarte Gestalt mit der engen Fessel im dünnen, weißen Strumpf. Ich dachte an einen stillen, tiefen Waldsee, dessen ruhiger Spiegel auflebte zu kräuselndem Wellenspicl, sobald der Wind darüberstrich. Ich — der Sturm, sie — die Stille! Sv war s doch wohl!? — Und ich konnte mich bei diesem Ein druck des heimlichen Wunsches nicht verschließen, die Gegen sätze zueinanderzistragen., To fand ich die ersten Worte, und Hildegard nach», sie Lin wie ein -WMicheS Geschenk. Ein Lächeln trat in ihre Zuge. daS uiinZmrner siet thr'blieb in den gg» wn Tageft: da lch Sei thr'Mr.'"'" " - " - -- ... . . Wir wandcrte» viel durch einsame Tsiler und tiefe Nadel- ibLlder. ivo eS iNimer gatrz hetmkich wgr-ftwd die Stimmen lttie gingen. Vis sie Manchmal g^uz, verstummten und das Verborgene der jungen Herzen in den iAord/rgrnnd trat. Dies Änellei, lispelten zu unseren Küsfch,. , Nch«'äugten,»nd die Waldvogel jauchzten bas große Lied, vom Leben in seiner ewig allen und ewig neuen Melodie. Wo wir eine verträumte Waidichenke antrafen, da saßen wir bei bescheidener Zeche, ließe» Worte und Blicke innig zueinander gehen und faßte» uns wohl auch manchmal bei her Hand. Zärtelnder Druck schenkte seliges Bewußtsein. Wie eine Nosenkette reihten sich die Tage. Hildegard vergaß ihr armes krankes Herz. Alle Beklemmung war von ihr gegangen. Es schlng in Iiigendlnst und Seligkeit, schlng mit im kraftvollen Takt der Glocke in des üiiegera Brust. Die kleine» Füße »»änderten »nd wurden nicht müde und wären die stcilstcn'Hänge hinanfgestürmt, wenn ich cs geduldet hätte. So aber war's für mich jedesmal ein neues, köstliches Erleben, durste ich das leichte, schlanke Mäd chen ans meinen Armen wiegen, wenn der Weg in steilen Win dungen zur Höhe lief. Ich spürte meine junge Kraft an der seligen Bürde. Ich war stolz »nd fröhlich darob. Ohne mir bewußt zu werden, was ich Hildegard mit dem kleinen Dienst erwies. Ihre Züge schienen mir>leise berauscht. Von ihrer Dankbarkeit hätte ich damals nicht- die richtige'Vorstellung: dein, ich wußte ja da noch nicht, wie krank sie war, bis cs mir ihr früher Tod erst lehrte., Vielleicht war auch bei ihr daS tiefe Genießen jener Tage jn ähnliche» Umständen begründet wie bei mir. Vielleicht lag auch ihr der Gedanke sehr nahe, daß ihr Leben schnell und sehr dald einmal abgeschlossen sein könnte. Und daß sic deshalb alle»- Schöne mit jener köstlichen Tiefe erlebte, als ob cs das letzte ihres Daseins sei! Vielleicht ivar darum das Verständ nis zu'Hche» u»S damals ein so vollendetes, der Zusammen hang ein io schöner. Hildegard füllte mir bie Tage mit so imeiuießlichci» Reichtum, wie kaum von dem heißesten Tem perament eines kernigen, gesunden Mädchens zu erwarten ge wesen wäre. Ich hatte mir einen Himmel von Schönheit und Seligkeit von den paar Wochen erträumt und Hildegard er fühle mir »,ci» heimliches Verspreche».. Sie war mir damals das Leben in seiner ganze» berauschenden Fülle, in seinem ganzen heiligen Ernst. Und als ich von ihr schied zn neuen Kämpfe,,. z» neuen Pflichten und neuen Gefahren, da trug ich eine» Glauben ans Leben, der um vieles gewachsen war. Ich. war größer »nd stärker geworden in meiner Zuversicht und ging testen Mutes meinem ungewissen Schicksal entgegen. Nun au» ein»,al waren alle Bedenken von mir gewichen. Ich schied lachend, schied wie einer, der auf eine abenteuerliche, Reise ging. Das dankte ich dem zarten, sanfte» Mädchen. Sie war die Leidende und hatte mir doch Kraft gegeben, Kraft und Furcht losigkeit bis zur Todesverachtung. - - . Unter allen Mädchen »nd Frauen, die in mein Leben traten, ist sie die stillste gewesen und die sanftmütigste. Und als die erste non allen hat sie sich htiiwcggeschllchen mitten im Mai ihrer Tage. Gerade als ob ihr das Leben zn laut »nd der üann'f dieses Daseins zu hart für ihre schwachen Kräfte« Fiir die Welt ist sie tot. In meinem Herzen aber bleibt sic ewig lebendig in ihrer Anmut und Zartheit — wie eine feine Blume, die im Verborgenen blüht. „>io> v,c gewöhnliche Lustigkeit. Nur hie und da brach ein geradezu kramftiliaftcr Lärm los. Mein Nachbar wurde blaß und bläsier, bis er schließlich verschivand. Ihin folgte» andere. Dort beitete jemand starre Blicke ins Ungewisse, hier stocherte einer hilflos, ohne Appetit, auf seinem Teller herum Man servierte rascher, die Musis spielte falscher, »»- rhythmischer als sonst. Der rundliche Bqmbino, der mit süd ländischer Grandezza und nicht geringem Selbstvertrauen den Kapellmeister und das große musikalische Genie mimte, schien heute alle Pose vergessen zu habe» und schwang den Taktstvck wie eine Pqgvde. — Der abendliche Bvrdipaziergaiig war mit Schwierigkeiten verbunden Zeitweise kaü, man dem strudeln den Trichter der Wasser, die schäumend an den Schiffswänden empvrleckte», beängstigend nahe. Unser schwimmendes Hei», machte eine» »»gewöhnlich öde» Eindruck. Fenster und Türen waren geschlossen, und kaum ein Halbdiitzend Mensche» lag, fröstelnd i» ihre Mäntel gehüllt, wo sonst um diese Zeit hundert zu plaudern »nd zu flirten pflegte». An der Spitze des Schiffes hockten zwei dunkle Gestalten, Matrose» auf dem Auslug. Im Bereich der Kommandobrücke zuckte zeitweise Lichtschein ans. Dort machten sich an sämt lichen Apparaten Schifsslcnte z„ schassen, flüsterten ihre Be obachtungen dem diensttuende» Navigationsoffizier zn. der nnanfhörlich wie ein Tier i», Käfig von Back- nach Steuer bord lief, dann und Ivan» stehen blieb und mit de», Fern rohr t» die Nacht-hliiausstarrte. Lauter Anzeichen, die ans vervielfältigte Anfmcrksainteit, ja auf die Möglichkeit drohen der Gefahr lündeulctcn oder doch hinzndeutcn schienen. Als ich in meiner Kabine oben an, BoptSdeck halb schon schlum merte, hörte ick, vor den offenen Gitterfenstern eine Stimme: Wen» eS auch wild zngehen mag. Inseln sind wenigstens keine in der Nähe." „Und gottlob auch keine Eisberge", scherzte ein anderer, ivährcnd sie sich entfernte». Ich ivar müde. Man wurde so schön gewiegt, das Rauschen und Brausen schläferte ein. Was ivar das? Ein Glvcken- signal? Verworrene, halblaute Stimmen? Ich besaß nicht mehr die Kraft, mich zn erheben. Nun sang etwas, pfiff und heulte, daß mir der Schädel benommen wurde Mehrmals in dieser Nacht war mir. als stürzte ich irgendwo von hvch oben herab. Mit schmerzenden Gliedern schlng ich auf hartes Pflaster nieder. Oder man hatte mich eingespcrrt, und ich rannte mit dem Kvpfe gegen Kerker- wände. Ein richtiger Traum wollte sich nicht einstcllcn, mir Bruchstücke davon, kann, begonnen, so schon zerflattert. Ein furchtbares Knurren schreckte mich, bis ich schließlich davon crivachtc. Ich setzte mich ansrccht, um sofort unsanft gegen die Wand geschleudert zu werde». Meine Frau lachte: „Hör' nur " Das toste und brandete da draußen. Hoch ward das Schiff gehoben, dann siel es unendlich tief hinab: ein atem- beklemmendes Gefühl, als ob man in einem Lift, der ent zwei,ging, vom höchsten Stockwerk abschösse, unaufhaltsam der Katastrophe entgegen. Endlich klatschte der Kiel auf, und schaumiger Gischt flog hvchausspritzcnd an unseren Fenstern vorbei. Dann trat eine Weile Nutze ein. „Doll ich dl, das. Frühstück beraufschicken?" ^Nkitt, da«M-' Ich. Elt. bvch versuchen, gufz-rrstehen " lsichter gefaßt.,, als. durchgeführt, KaumFtand Ich auf zwei Beinen, als ein furchtbarer Ruck mich z„ Boden schleuderte. Eö kostete viel Mühe, bis ich mich zwischen Bett, Titre und. Waschtoilette so festgestemmt hatte, daß ich, krünipfhaft an nict- und nagelfesten Gegein stunden atmckLallt, durch. daS Feiistörgijter einen Blick aus das tobende Meer werfen konnte. Schauerlich schön ivar es da draußen. Größe Wvlkcüfctzcn hingen vom Himmel herab, die Sonne verdunkelnd oder auf Augenblicke grell vvn ihr be schiel,«». Die Wasser brodelten, schlugen hoch empor, bildeten tiefe Strudel, in die man jäh hinabstürzte. Plötzlich flogen mir Salzspritzer schmerzend ins Auge und blendeten mich. Kaum aber ivar das fesselnde Bild hinter den geschlossenen Lidern verschwunden, da fühlte ich auch schon, daß Liefe Be« ivegung »nd der nüchterne Magen zusammen keine völlige Harmonie ergaben, und ich rettete mich rasch ans mein Lager. Langgestreckt blieb ich liegen und lauschte der seltsain-iinhcim- lichen Musik von Sturm und Meer Die Vorhänge meines Bettes flatterten indes hierhin ^ Anstrengungen machte, mir die Schuhe zuznschnüre», gingen meine Kräfte zn Ende, und ich sank auf mein Bett zurück. Neptun wollte seiner nicht spotten lassen. Ich riß mir die Kleider vvm Leibe, kugelte mich wie ein Igel znsamme», klemmte mich zwischen Bettkanlc und Wand fest und hatte für diesen Tag die Lust, anszustehen. verloren. Am Abend stand cs fest, daß wir kaum vorwärts kamxn und unter lslle,, In,ständen mit beträchtlicher Verspätung rechnen hatte». Während der Nacht schlief ich kaum. Soviel Watte man aifch in die. Ohre» stopfte — das Brüllen dfs Meeres,,das Tpsen des Llurmcs ließe» sich nicht ersticken. Und cs kostete Kraft und Geistesgegenwart, sich überhaupt ans seinem Lager z» behaupte». Gerader, iloh ich andern Tages das Marterbcit. Tie Toilette dauerte mehr als drciSiiMdcn, „ich, ohne Unterbrechungen »nd Bcrzivciilnngsstadieii. Abfr endlich war ich soweit, einen „Nnndgang" n», das Schiff zu »nternelime». Kaum ei» Passagier hielt sich an Nord ans. Von Krank heit war die Rede, mehr „och als von Sturm und Gefahr. Nur ein paar ganz seetüchtige Herren trieben voller tteber- mut Kurzweil,» photographierten die Wogen, wenn diese wie i» eine», bösen Alpdriicktranin aus uns zurvlltc». Ihre Scherze klangen ein wenig gewaltsam. Plötzlich ge» wahrte ich in einer wiiidgeschützten Ecke »»seren lebenslustig«;« Wiener Hofrat. D>e Mütze, tief in die Stirn gezogen, saß er hinter eine», Bollwerk vvn-Teckcn und machte sich eifrig aus einem Buch kurze 'Notizen ans de» Block seiner Brieftasche. Das Unwetter schien ihn gar nichts anzugelftn. Als ich eben auf ihn znichwaiiktc. hob er den Kopf »nd sah mich mit feinen großen, erstaunte» Ktndera»gen an. Während unserer Unterhaltung machte ich ohne Unterlüß an der Treppe rcgelrechie Klimmzüge. Als ich eben durch die Halle häkelte, tauchte ein anderer Bekannter wie ein Gespenst aus der Versenkung ans, kreide bleich, mit tiefen Ringen unter de,, ausgchöhlten Augen. Ich erschrak über sein Aussehen: „ttlcht es Ihnen so schlecht?" ,. „Ach . . . fragen Sic nicht daiiach!" sächselte er. .Wäre ich doch in Algier geblieben. Hol' der Henker diese Nnßschalö!" „Verlangen Sie das sofort?" ^ „Wie können Sic jetzt noch faule Witze machen? Sehen Sie nicht, daß wir mit einem Fuß im Grabe stehen?" „Im Wasser", verbesserte ich ihn. „Von einem Grab' sehr ich nichts." „Beobachten Sie nur einmal die Offiziere. Die weichen einem ans, als ob sie ein böses Gewissen hätten." „Das reden Sic sich ein. Solche Stürme sind an der Tagesordnung." -'-"iss Na, fragen Sie einmal Sen Kapitän. Da kommt er gerade." Ter Kommandant schritt auf uns zn. Ihm ivar keinerlei Veränderung anzumerken. Aber er gab meinem ängstliche» Leidensgefährten recht: „Mir ist selbst so ein Unwetter, seit ich Seemann bin, kaum vorgekommen. Im Mittclmeer Ährr- haupt noch nicht." ' V.r Andere Passagiere sammelten sich um uns. Wogen über- schwcinntte» das Promenadendeck. Eine alte Dame, die tn einem Sessel still tag, wunde hcrnntergespült und nahm ein unfreiwilliges Bad. „Woher kommt denn das Wasser?" „Jn der Nacht haben die Wellen die Türe vorn am Bu^ herausgerissen und zu Streichhölzern verarbeitet . . Die Frühstückstasel schaffte ich mir von weitem an. Als ich dtfiSchlWeOrcfter wvMteAnd die grünen Gesichter dej wenige,, S-ewapts, ^ie-^MMkersud in unheimlicher Eile sich zn servieren -»«schickten/ da hatte Ich genug. Wurde es gegen Abend stiller? Waren wir der Küste nähergerückt, an der wir programmäßtg schon seit Tagcsfrist liegen sollten? Ich gab wir über nichts mehr Rechenschaft und verfiel wohl bald in eine» Erschöpfungsschlaf. Als ich am andern Morgen erwachte, fuhr die „Arabia" eben tn de» Hafen von Malaga ein. Anstatt 32 Stunden hatten wir geschlagene M gebraucht. Wäre nicht gleich »ach unsrer Ankunft der Extrazug ge gangen. der »ns nach Granada führen sollte, mich hätten keine zehn Pferde aus dem Bett gebracht. Sv aber zog ich mich schlaftrunken an. — Die Erde schien zu beben, als wir von Slurm. Ei» Rclse-Iutermczzo von N i ch a r d S c x an. liniere letzte Mittelmecrreife war von herrlichem Wetter begünstigt Wochenlang genossen wir mit vollen Zügen die »„sagbare Schönheit stiller Sonnentage aus offener Sec. Erft i» Algier ivandie sich das Blatt. An Land jedoch luftten mir keine Zeit des nusbrcchcnde» Sturmes zu achten. Erst als wir eines Abends durch die bewegte Bucht wieder in Sec stachen. stiegen u»S einige Bedenken auf. Indes bot ivährcnd der ersten Stunden die Küste »och Schutz. Aber schon an der Tafel überkam mich ein ungutes Gefühl. Erging es ondercn wie mir? Ich begann zu beobachten. Es herrscht« und dorthin, bald rutschten sie zurück, bald schloffen sic sich völlig. Unaufhörlich klirrten ihre Messingringe, und ei» über seinem Bügel hängender Anzug vollführt« groteske Tänze wie ein dnrch den Strang Gerichteter in den letzten Zuckungen. Holzmäudc »ift> Decke knatterten ohne Unterlaß: Schlüssel, die an meinem Handkoffer steckten, klingelten, als wollten sie die Melodie des Sturmes begleiten. Die aber wuchs immer chaotischer an. Das Heulen von taufend Wilden glaubte man zu hören, unmenschliche Aufschreie ge marterter Opfer im Todeskampf, und dann wieder Tanz- rhythne», frivole Liedchen. Der Boston, den ich tags zuvor mit einem niedlichen Geschöpf getanzt hatte, narrte mich e!» paar Takte lang, bis plötzlich wieder die Hülle losbrach Die Neugier, wie sich das prächtige Ncfturfchauspiel ln unmittelbarer Nähe ausneh-men mochte. Uberwog die Furcht vor aller Krankheit, und ich turnte schließlich im Schlaff anzug unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln vor meine Kabine hinaus. Der Sturm packte mich derb an, als wollte er mir meine paar Fetze» vom Körper reißen. Aber Ich liebe cs, wenn er mir die bloße Haut peitscht, und Kälte schauer kenne ich nicht. So verankere ich mich und genieße Kaum beeinträchtigt diesen Genuß die Gefahr.in der wir up- len,char schweben, denn Wasser schwemmen über den Bug.Mi» weg, die Schraube ist minutenlang in der Luft und macht W Schiff erbeben,- dann wieder öffnet sich ein grausiger Schlund, in den wir kopfüber versinken. Wird er uns verschlingen? Tief taucht die Spitze der „Arabia" ein. Die Wogen-spritzen mild um uns auf, Wafferberge schließen uns ein.- Dort kommt schon wieder ein mächtiger Wall, drängt sich vor den-Horizont, verdunkelt den Blick. Höher scheint er als des «Schiffes Masten. Stürzt tr auf-uns nieder, dann drückt er uns. hinunter auf den Meeresgrund. Jetzt ist er da... Di« „Arabia", klettert an ihm empor. Nur seine Finger spülen über uns hinweg. Schaumsetzen schlagen mir Ins Gesicht. Wasser für c einen Augenblick, wohin ich schaue. Dann-sind wir oben, beinahe ... W-tt-: man atmet auf. Doch bald gähnt »ns ein neuer Abgrund ciiigege», in dem wir. bäum 'daß wir ihn gewahren, auch schon wieder verschivinben. Immer wiederholt sich dasselbe Spiel. Immer scheinen die Berge höher, die Schluchten abgrundtiefer zu werden. Der Sturm wächst unaufhörlich, der Höllenlärm betäubt. Wieder lag ich auf meinem .Bett, als die Türe anfging unb lich meine Frau mit Anstrengung hercinzwängte. „Du mnßt hinnntcrkommcn. Es 'st über alle Maßen herrlich." - „Leichter gesagt als getan." „Mach' eben keine große Toilette. ES sind nur ein paar Menschen da." Und-sic verschwand wieder. Mnt denn! Ich sprang auf. — Aber die Eitelkeit ließ mir keine Ruhe. Ais ich mich im Spiegel sah, grante mir vor de» Stoppel», die Wange» mid .Kin» zierten, »nd ich beschloß mich z» rasiere». Ei» wahnwitziges Unterfangen, das ich in törichtem Eigensinn durchsetzte, „m übel dasür belohnt z« werden. Denn als ich, eben notdürftig gekleidet, verzweifelte Wie sehr wir aber das Leben liebten, das wurde uns erst klar, als wir am Abend bei Bollmond durch die Zypresscn- hainc der Alhambra wandelten, vor „ns de» breiten Rücke» der tiefverschneiten und gespenstig leuchtenden Sierra Nevada, während ringsum unzählige Nachtigallen sich sehnsüchtig lockten »nd vor Entzücken rasten. - Was Audi vvm Ävflronzerl mUbrachk... Harmlosigkeiten a»S dem Dresdner Kadettenkorps. Eigentlich hatte ich die Absicht, einen Heidebummel zu machen . . . als ich aber draußen an der Maricnällec bei'» Neubau der Hceresschnlc vorüberkam, da lockte cs mich doch zu sehr, wieder einmal htncinzugehcn in das Reich der längst vergangenen Jugend, in bas alte „Korps". Herrgott, wie hat sich doch da im Laufe elneS Vierteljahr hunderts so mancherlei geändert und gewandelt, wie ganz anders sah eS da drinnen ans zu der Zeit, als »och die trübe Pctrvlcittnfiiiizel die nüchtern kasernenmäßig auSgcstattetc „Bude" »nd HallersteinS knifslichc Matheseschwarte nebst dem ollen guten Plötz lpnrler-vous Iraner»«? dlactnmo? dlou- sieur?) den Geist erleuchtete»! Und wieder durchlebe ich beim Wandern dnrch wohl vertraute Treppe», Gänge und Stube» die Zeit der Jugend, wieder krieche ich frierend und klappernd i» die Falle, »in ans des spartanisch-einfach eisernen Feldbettes hartem Keilkissen daS müde Haupt zur Ruhe zn lege», „», in die vom „Stuben- karsch" kuiistgcrecht mittels einer grvbivollcnen Wvilachdcckc lFcderbcttciftgab'S ia nur daheim bei Mutter») allabendlich angcferiigte Falle hineinzuschlttpfen, wie die Wiirstfülle in den engen Darm, um den vom Turnen, Reiten, Fechten. Ex erziere» und Tanze», den» auch die Tanzstunde war Dienst wie jeder andere-und entbehrte des weiblichen Anreizes der Pennälertanzstittideiizcit, „kraß-schlappen Leichnam" der Ruhe pflegen zu taffen. Wieder auch höre ich i» aller Herrgotts frühe 5, Uhr tl> Miittitcn das »»mclvdischc Hornsignal des Weckens: Hört -Ihr's schallen hvch vom Turm? — das ist Sturm!, sv nämlich hieß der das Signalhorn meisternde Auf- wärter. Wieder kommt des Abends der „Ofsscher" vom Dienst, um zn „käsen", ob auch die Rtndsbotten erster Garnitur rechts im Schranke und die der zweiten Garnitur links davvn cingxstellt sind, „nd um Rechenschaft zn heischen über die »iitzbringende Anwendung des mviiallichcn Taschen geldes tti Hübe-vvn sage »nd schreibe ganzen vvllen runden 7', deutschen Rcichspsciiniqc». Wieder empfinde ich den ewig vorhandenen Hunger — damals kannte man den Kohldampf »och nicht, sonst- hätten wir ihn sicher a»S dem Sprachschätze der Landser übernommen gehabt —, wieder schnüffelt die Nase bei», MiltagSappcll. »nd Appelle gab's ja in reicher Auswahl und Sortierung, als da waren: Appell beim Aufsicht», vor dem Kleiücrklvpfc». Appell vor dem Tchnlgang, Appell zur Frühstückspause, Appell mittags »ach dem Exerzieren. Appell vvr und »ach dem praktischen Dienste des Nachmittags Appell zu», Gutenachtgruß — doch genug davon, wieder schnüffelt