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71. Jahrgang. d» ISS Sonnabend, S. März 1«? Gegründet 185« DralUantchrM Anwetchle» Y»rn,pr»ch»r-Samm»lnumm»r 2» 241. Nur ür 1>a<d>a»«vra«,! 20 011. vom l. dt» I». Mär, It«7 «», >ä,Iich ,w,,mal>a»r guftillun, Ir«, »an» l.»0 Wd. OLAUgS iveouyt „,kd«,ua»»r»t, >ttr Mana Mär, 1 Mara odn» Voä,u>letluna»a«düdr. »tn.,»«»«»«« ld ps,»»t,. Di» 4lnj»ia»n m»rd»n nach Wotdmar« d«r»chn»t: d>» »tnipaMa» ZV mm d»»>>» s)lnroir«»N-OFross»- 2»", tu PIq., ,ür auiwSrt» Zü Vig. yam,lt»nanr«ig»n und SI»ll»na»tuch« odn« - «adal 10 Pia.. aun«r >ald 20 Via., dt» IM mm dr»,t» «»tuame^tl» ISV Pia-, 'Uh»r!>ald 200 Piq. O^»rlrna«»üd' IltPiq. Au»« Uuiiräq« a«i. D»ra««d»v>dluno SchriM'ituna und tzanplgrlchäfloftilt«: «,rie»IIr»I,« SS 42 Druch u. Vertag von ^t«pich L Aelchar», tn Dreoben. Postlch«ch»»v«lo 10SS Dr«,»«,. A,»dru» nur mt» wutlich», Vu»u»nnn<>ad» .Dr„dn,r Aachr -> ,uISMa. Unoerlanat» SchriititUch» m»ra»n nicht autdiwadrt. Ksstsursnl u. Ssr W«m» tttr S»»»!I»ed,tt>n lintt Ilont«,«,» > cuiropänoi- H Sonn«bsn6s Ssssliseksfts-/Xbsn6 ^l»cl«n dinolimittng Dettir-D«« — ^rrongsus-Wsiseii-VsIIss ' t»f N7» f S«n«ttg Hot»t« -ulslssns u. üiinigsvills 8vk«nll»ii Srüllnung 1. 4prII Frankreichs PanzerMek gegen Zeutschland. Phantastische Pläne zur Befestigung der Nord- und Ostgrenzen. Die Saar sor-erl Abzug -er Truppen. — Eröffnung -es -rutschen Azoren-Kabels. — Das Freigabegesetz für lange geil erle-kgl. Milliar-enfor-erungen für -ie „Sicherheit". Paris. 1. Marz. Im „Excelssor" werben Einzelheiten au» den vom Obersten Kriegsrat für die Verteidigung der Grenzen gemachten Vorschlägen veröffentlicht. Der wichtigste ist danach die Ausrüstung der Nord- und Nordostgrenze, die Schaffung von befestigten Honen, die wiederum durch freie Zwischenräume von einander getrennt sind, ferner ein ans- gebautes Vcrteidtgungssnstem an der alten Grenze im Süd- osten. Do wird zur Verteidigung des großen KohlcnbezirkeS im Norden Frankreichs eine befestigte Linie vom Meere bis znr Schelde vorgeschlagen. An diele soll sich, um die Lücke bei der Oise zu schließen, die befestigte Zone von der Sambre bis zur Mente anschließen. So wird der Zugang zu der Industriezone von LongueviLe—Bricy—Nancy usw. durch die Modernisierung "er alten deutsche» MtzEstignnaen zwilchen Bionville und Metz geschloffen und diese Befestigungen werden bis zur Grenze von Luxemburg und bis zum Saargebiet ausgedehnt werden. Der Winkel zwilchen der Lauter und dem Rhein wird ebenfalls von einer Bescsrigungszone aus- gefüllt, die von Bitsch nach Straßburg-Mutzig geht, während die befestigte Zone von Vclfort Mülhausen mit umfaßt, hinter diesen Zonen liegen dann die Stellungen der zweiten Linie und das grobe befestigte Lager von Paris. Auch diele sollen nicht vernachlässigt werden, obwohl ihre Aus stattung nicht für ko dringend angesehen wird wie die der Zone tn der ersten Linie die mit allen Mitteln der modernen Technik anSgebaut werden soll. Dieses ganze Bertcidigungssystcm soll dann einem gewaltigen Feftnngsquadrat gleichkommcn. das alle wichtige» Eisen» bahnlinen. strategischen Straßen nnd «ntcrirdischen Telephon- verbinduugen enthält. Die letzteren könnten schon fetzt für die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes benutzt iverden. „So gewaltig auch die Kosten für diele Anlagen sein mögen und so groß unsere finanziellen Schwierigkeiten sind", schreibt „Excelsior", „wir dürfen sie nicht scheuen, denn eS geht um unsere Sicherheit und Unabhängigkeit." * Pari». 4. März. Der frühere KrtegSmtnister Magtnvt hielt gestern eine Rebe, in der er dafür eintrat, daß Frank reich da» Rheinland überhanpt nicht räume« solle. Es sei nicht möglich, dieses kostbare Pfand durch ein anderes z» er setzen. Di« VSlkerbnndSkontrolle im Rheinland wäre wertlos. Grenzverleidlgungssorgen -es „Scho -e Paris". Paris, 4. März. Das „Echo de PariS" befaßt sich heute mit den Schwierigkeiten, die die neue französische Grenze hinsichtlich der Verteidigung biete. Der Rhein bilde kein ernstes Hindernis mehr. Ueberall, mit Ausnahme in einem Teil der Vogesen, fehle es an natürlichen Grenzen, so daß sich auch rin zukünftiger Krieg wieder auf französischem Boden ab- iplclcn werde. tT.U.f Alle Franzosen als Kriegskeilnehmer. Paris» 4. März. Im Verlause der heutigen Kammer- sitznng fand eine Aussprache über den Artikel l der Gesctzeövorlage über die nationale Verteidigung statt, der im Kriege alle Franzosen ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes an der nationalen Verteidigung teilznnehmen verpflichtet. Von radikaler Sette wurde zunächst die Frage aufgeworfen, ob Art. 1 nicht den Eindruck erwecken könne, daß Frankreich auf den im -Lmagcr und Londoner Abkommen festgeleatcn Schutz der Nichtkombattanten verzichten wolle. Die Abfalluna dcd Art. l wäre schon deswegen bedenklich, weil damit nur das deutsche Vorgehen wänrend des Krieges rückwirkend gerechtfertigt erscheinen könnte, als die Deut schen Frauen nnd Kinder aus dem Kricgsgebiete entfernten und alliierte Schiffe ohne vorherige Warnung torpedierten. KriegSministcr Painlevs hielt eine Rede, in der er u. a. ausführte, er sei durch den neuen Organismus der nationalen Verteidigung voll kommen beruhigt. Der Gesetzentwurf organisiere die Verteidigung mit Hilfe der ganzen Bevölkerung. Eine Ne gierung werde einen so umfangreichen Mobilisierung» apvarat erst in Bewegung setzen können, wenn sie alle anderen Mittel erschöpft habe und der einstimmigen Zustimmung der Nation sicher sei. Weit davon entfernt, eine Kundgebung des Militarismus zu sein, bezeuge der Entwurf lediglich den Friedenswillen Frankreichs nnd seinen Entschluß, seine Un abhängigkeit bis zum Tobe zn verteidigen. Panl Boncour erklärte hierauf, daß die Londoner und Haaaer Abmachungen dem modernen Kriege anzuvasscn feien. Oberst Pichot betonte, daß der Krieg ein Verbrechen sei und alle Bürger gleich beträfe. ES könne daher in einem zu künftigen Kriege kein Unterschied zwischen Kombattanten und "iwtkon'battantcn gemacht werden Die Rttckrerwelsung des Art. l wurde hierauf mit 500 gegen 30 Stimmen abgelehnt und der Artikel 1 angenommen. Im weiteren Verlaufe wurden die Artikel bis zum 10. verabschiedet. Ile deutsche Stellung auf der Genfer Tagung. Stresemanns Richtlinien. Berlin, 4. März. Die diesmalige Genfer Verhandlung Wird, wie von zuständiger Seite mitgcteilt wird, eine reine Ratssitzung sein, bet der lediglich die uns interessieren den Fragen der Minder hcttSschulen tn Ober schlesien und des Saargebiets zur Besprechung kom- men .werden. Die schwebenden Probleme der großen Politik dürftin in direkten Besprechungen der Staatsmänner zur Erörterung gelangen. So ist bekanntlich eine Zusammen kunst zwischen dem NeichSaußcnminister Tr. Strekemann und dem polnischen Außenminister Zaleskt vorgesehen, bet »er sich beide Staatsmänner über die Wiederaufnahme der polnischen HandelSvcrtragsverhandlungen unterhalten werden. Ferner dürfte eine Zusammenkunft Dr S t r c s e m a n n S mtt Briand und Chamberlat» erfolgen, in der die Rhein« laadsrage angcschnitteu werde« dürste. i Der dentfche Standpunkt ist. wie man betont, durch die Lpearno-Berträg« klar ««rissen. Weitere politische Zn- ««ftLndnisse sttr die längst sällige Räumung des RhelnlandeS könnten «n» würde« «ou Deutschland nicht gegeben «erden. Da» detzssch« Ziel sei nach wie vor die verständig«»« mit Frankreich, zn der die Räumung die wichtigste Etappe dar- ftelle. Diese Ränmnng sei die Folge unserer Zugeständnisse in Locarno. Eine Garantie der Oftgrcuze oder ähnliche Zn» »eständnisse könnten nicht in Frage komme«. Im übrigen dürste die Ratstagung von ziemlich kurzer Dauer lein Man rechnet damit daß sie bereit» am kommen den Krettaa abgeschlossen lein wird. Daß es bei einer so kurzen Dauer der Tagung wenta wahrscheinlich ist, daß man I« der kür Deutschland wichtigsten Frage, der Räumung der Rheinland«, vorankommt, liegt aus der Hand. Für diese »erlüge Wahrscheinlichkeit spricht nicht nur der Umstand, daß Zeitungsmeldungen zufolge Briand bereits nach zwei Tagen, also am Dienvtaa der nächsten Woche, wieder ab- reisen will. ES kommt hier vor allem in Betracht, daß die französische Oessentlichkeit gegenwärtig einer Nheinlaud- rSnmnng lehr abwcisend gegenüberstcht. Die Einbringung der große« militärische» Stchcrhcitsvorlage im Parlamcut tu Pari» hat iu der französische« Oessentlichkeit den großen nnd ganz falschen Eindruck bervorgernsc». alS wenn Frankreichs Sicherheit tatsächlich «och «icht genügend sei. Der Gedanke, daß man doch noch so stark gefährdet sein müsse, wenn ein solch umfassendes Programm für notwendig erachtet und vom Parlament und der Presse einmütig gebilligt worden sei, be herrscht zurzeit die französische Oessentlichkeit. Man wird da her die Annahme für wabrscheiultch halten mttsien, daß Brians Dr. Stresemann gegenüber zwar seinen persönliche» guten Willen betonen, daß er aber jeder ernsthasten Erörterung und vor allen Dingen jeder Zusage aus dem Wege gehen werde. In Berliner politischen Kreisen erörtert man darum viel- fach die Gerüchte, dte davon wissen wollen, der englische Außenminister Chamberlain würde sich sür eine Näu- mnng eilisetzen, wenn Deutschland sich mtt Polen verständigte und sich zu Konzessionen Polen gegenüber bereit erkläre. Man weist jedoch entschieden daraus hin, daß sich Deutschland ans etn solche» Manöver nicht etnlassen könne. Dr. Skrelemonn Sonntag früh in Genf. Gens. 4. März. Wie nunmehr seststcht, wird Dr. Gtrese- mann mtt Staatssekretär v. Schubert am nächsten Sonntag früh um 7,80 Uhr aus San Nemo tn Genf eintrefsen. Der BülkerbunoSreserent de» Auswärtigen Amte», v. Bülow, und Ministerialdirektor Dr. Gau» werden direkt aus Berlin mit dem übrigen Teil der deutschen Delegation am Sonnabend abend um 5 Uhr in Gens erwartet. Briand und Bandcrvclde treffen gleichfalls Sonntag srüh in Genf etn. Dagegen wird der polnische Außenmtnlster Zaleskt, der sich «Inen Tag tn Wien aushält, bereit» am Sonnabend tn Gens ankommen. Kapitalismus und Mammonlsmus. Das seit etwa hundert Jahren in Europa zur Herrschaft gelangte und seitdem nach allen Seiten bis zur Uebersteigerung anSgebildete individualistische und privatwirtschaftliche Wirt schaftssystem, baö man baS kapitalistische nennt, weil es Im Gegensatz zu einer vom Staat getragenen kollektivistischen Wirtschaftsordnung dte Bcdarssbesriedigung der Allgemeinheit aus der Grundlage des Privateigentums und der Selbst- vcraiitioortltchkctt des einzelnen dem Erwerbskinn der Menschen überlaßt, dieser moderne Kapitalismus ist im Laus« der Jahre durch eine zielbewutzte und rücksichtslose poli tische Propaganda so Infamien worden, baß man heutzutage unter diesem Begriff weniger die Bezeichnung für die geltende WirtschaftSvcrfassung als vielmehr den Inbegriff aller Er scheinungen versteht, die man tm Leben als Mißstände, al» un gerecht und verwerflich empfindet. Heute ist eS so weit, daß dte Bezeichnung „Kapitalismus" glaiiwcg die bestehende Wirt- ichaftSverfassung, gesehen durch die Brille -eS^ SozialiSmitS, bedeutet, und auch der Uebergang des der sozialistischen Ge sellschaftskritik entnommenen Namens in die akademische Wissenschaft hat eS nicht verhindert, daß er mit dieser stark gefühlsbetonten Bedeutung behaftet blieb. Selbst diejenigen, die dem kapitalistischen System nicht als politische Gegner grgenttbcrstehcn. ziehen es vor. das heikle Thema stillschwei gend zu umgehen, und sogar die eigentlichen Träger deö Kapitalismus, die Kapitalisten, finden kaum mehr den Mut zu einer direkten Verteidigung, sondern suchen lieber auf einem Umweg zum Ziel zu gelangen durch dte gewiß richtige Be- lmnpinng, ein anderes Wirtschaftssystem, wie etwa da» sozialistisch-kommunistische, sei nach den gemachten Erfahrungen »icht zu verwirklichen, oder eS brächte andere und noch schwerere Schädigungen als das kapitalistische mit sich. Es gehört unter diesen Umstanden entschieden Mut dazu, diesem salonunfähig gewordenen System -eS Kapitalismus in der Oessentlichkeit objektiv gcgenüberzutrcten und klar zustellen, was an dieser Kritik berechtigt Ist und wo sie in ver blendeter Dogmatik über das Ziel hinaiisschleßt. Der Kar dinal-Erzbischof von Köln hat in einem Fastcnbrief an seine DIözesanen dieses Unterfangen aus sich genommen, indem er darin Richtlinien über das Verhältnis der katholischen Kirche zum kapitalistischen Wirtschaftssystem herausgab. Und er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß man vor Billigung und Verurteilung zwischen dem kapitalistischen System alS solchem und seinem modernsten Auswuchs in der Form des „Mammonismus" zu unterscheiden habe. DaS erstcre sei natur gegeben und notwendig, das letztere verwerflich und zu be kämpfen. Diese Auffassung eines katholischen Kirchenfürstrn ist nach mehr als einer Seite hin beachtenswert,- denn In weiten Kreisen des Katholizismus herrscht entsprechend den Richt linien des kanonischen Rechtes die Vorstellung, daß das kapi- talisttsche System sündhaft sei und daß den katholischen An schauungen am besten die mittclalterlich-zünstlerische Wirt schaftsordnung entspreche. Kardinai Schulte weudct sich gegen diese veraltete Auffassung und erklärt, daß eS ein besonderes katholisches Wirtschaftssystem nicht gebe, daß auch daS kapt- talistische System „im Plane der Vorsehung" liege und daß eS „vom christlichen Standpunkt aus nicht zu verwerfen sei". Nnd mit deutlichem Hinweis aus mittelalterliche ZukunstSträumr heißt es: „Versuche, durch Zurückffthrung früherer Wirtschafts formen eine Heilung der Zeitschäden bewirken zu wollen, wären töricht." Nach dieser vorbehaltSloscn Billigung deS Kapitalismus an sich kommt aber die Kehrseite durch eine ebenso deutliche Verdammung des mammonlstischen Geistes, der ihn zn beherrsche» droht. So naturgegeben und deSH-ilb unentbehrlich -er Kapitalismus tn der Gegenwart ist alS lech- nischeS System der BedarsSbefriedtgung sür eine immer wach sende Menschenmenge, so schädlich und überflüssig ist das, wozu ihn die Menschen nur zu oft verkehren. Denn der als eigent liches Grundttbrl der Zeit bezeichnet« Mammonismus. der sich In der Gier nach Erwerb nur um des Erwerbes willen und tu der inhumanen Ausnützung wirtschaftlicher Güter ofsend.irt, habe mtt dem System selbst nichts zu tun. Dieser Gesinnung der nackten Selbstsucht, des rücksichtslosen Machtstrebens stellt der Kardinal die christliche Auffassung gegenüber, daß Besitz ein göttliches Lehen set. das Verpflichtungen auferl.'gl, indem eS zum Wohl der Allgemeinheit und mit steter Rücksicht nahme auf die abhängigen Arbeitnehmer verwaltet werden müsse. Au» diesen Gcdankcngängen heran» empfiehlt der Kirchenfürst schließlich die Belebung der BerusStdee, die tn Taten umgesctzte Auffassung, -aß wirtschaftliche Tätigkeit al»