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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 01.11.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19271101015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927110101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927110101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-11
- Tag 1927-11-01
-
Monat
1927-11
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 01.11.1927
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Dienstag. 1. November 1927 Dresdner Nachrichten* Nr. 512 Seite S Landeskagung -er Wirlschafisparlei. Ae-e -es sächsischen Finanzminiskers. U« SV. und 31. Oktober wurde ln Dresden der Erste ELchstsche LanbeSpartettag der RetchSpartet des deut. schen Mittelstandes lWtrtschaftSpartet) ab. sehalten. Den Höhepunkt der Veranstaltungen bildete am Reformationsfeste eine Kundgebung im Konzertbaus« des Zoologischen Gartens, di« mit Darbietungen des Dresdner Handwerkergesangvereins eröffnet und geschloffen wurde. Der LandeSparteivorsttzend« Obermeister Landtags, abgeordneter Kaiser konnte in der zahlreichen Versammlung u. a. als Ehrengäste begrüben den Finanzminister Weber, die StaatSmtnister a. D. Dr. Wilhelm und Günther, den Parteivorsitzenden RetchStag-abgeordneten. Drewitz, die ReichStagSabgeordneteu Beter und Lucke, DtaatSrat Krause als Vertreter der Thürin gischen Regierung und den Landtagsabgeordneten Kaiser, Thüringen. Senator Tschapek alö Vertreter der deutschen Ge- werbepartei in der Tschecho-Sloivaket, Rechtsanwalt Kohl, mann als Vertreter des sächsischen Hausbesitzeö. Direktor Laube vom Neuen Sächsischen Lehrerveretn. BegrtibungSansprache« hielten RrichStagSabgeordneter Drewitz, der die Glückwünsche der Parteileitung überbrachte, ferner NeichstagSabgeordneter Mollath für den Landes-verband Rerlin, sowie Senator Tschapek und StaatSrat Krause für die von ihnen vertretenen Körperschaften. Obermeister Kaiser erstattete den Berich» der Lan-Urgsfrakllon Er ging auf die Vorgeschichte der Wahl. daS Ergebnis für die Partei und die schwierige Regierungsbildung ein, um dann später auch die Umbildung zu behandeln Man sei nicht leichten Herzens in die Regierung gegangen, habe sich aber doch verpflichtet gefühlt, an verantwortlicher Stelle den Mittelstandskreisen Erleichterungen zu verschaffen Mit der BesoldungSordnuug habe sich die Fraktion bereits be- fchäfttgt. Sie wolle d<H Beamtenschaft helfen, wenn dem Mittelstände keine n^lien Lasten an Nealstcuern aufgebiirdet und die gemeinnü^gen Selbsthtlsebestrebungen der Beamten- schaft eingestellt würden. Die Fraktion habe in echt mittel- ständischem ^mne gearbeitet. Zu der Frage der Betäti gung der öffentlichen Hand habe die Fraktion mehr fach SteLung genommen. ES sei ein günstigerer Tarif für Strom bei der A.-G. Sächsische Werke erreicht worden. Die step-ilcltche Belastung habe man durch eine Anzahl Anträge im Landtage zu mildern versucht. Durch eine ausgedehnte Erlab- Praxis seien steuerliche Erleichterungen verschafft worden. Die Regelung der Nealstenern werde eine reine machtpolitischc Frage bleiben. Vor allen Dingen müsse bet den kommenden ReichStagSwahlen dafür gesorgt werben, das, eine starke Fraktion in den Reichstag einziehe. Dr. Wilhelm habe in seiner kurzen Tätigkeit als Wirtschaftsminister das Möglichste für die mittelständischen Kreise herausgeholt. Im Namen des Landesverbandes wurde dem FraktionS- vorsihenden Kaiser vom stellvertretenden Vorsitzenden der Partei, Stadtverordneten Oberinspektor Hunger, herzlicher Dank ausgesprochen. Die Landtagsabgeordneten Abmann und Staatsminister a. D. Dr. Wilhelm erstatteten die Berichte über dieSonder- tagungen am Tage vorher. Den Hcruptvortrag hielt Finanzminister Weber über Mirifchasts- unb Finanzprobleme. Er legte u. a. folgendes dar: An dem Aufschwünge der deutschen Wirtschaft hat auch Sachsen einen erheblichen Anteil, ia, die Erwerbslosigkeit hat in unserem Vaterlande noch eine stärkere Abnahme gefunden als im übrigen Reiche. Gegen einen zu starken Optimismus sprechen aber entschieden eine Anzahl bedenklicher Momente, die bereits heute zu beobachten sind. Man wird des die Konjunkturentwicklung vorsichtig und zurückhaltend bewerten müssen. Gewiß hat auch im gewerblichen und bäuerlichen Mittel, staub die allgemeine Besserung zu einem erhöhten Umsätze ge- führt, dt« aber nicht tn allen Fällen gleichbedeutend mit einer Berdiensterhöhung ist. Der ««werbliche Mittelstand brauch« einen gesetzlichen Echntz. der die Entwicklung tüchtiger Kräfte nicht be««t. aber anderseits ihn vor «»genügend oorgebtl» bete» Eindringlingen schützt. Bor allen Dingen muh eine Gleichbehandlung der wtrt» schastltchen Unternehmungen jeder Art vor den Gesetzen er- folgen. Die Kredttversorgung muh erleichtert und auS- gebaut werden. Auch soll der Ausbau der LandeSpfandbrtef. anftalt erfolgen, um auch dem gewerblichen Mittelstand und dem Hausbesitz die Beschaffung von tilgbaren Hypotheken zu ermöglichen. Besorgnisse erweckt dte Steigerung der öffentlichen Last«», dte auf der Wirtschaft ruhen. In der gesamten Wirtschafts-. Finanz- und Sozialpolitik liegt dt« große Gefahr, dah dte Er höhung der Lasten zu einer Drosselung führt und die deutsche Wirtschaft konkurrenzunfähig macht. Der Ausgabenkreis der öffentlichen Verbände ist ständig gewachsen und der Parlamen tarismus drängt zu immer neuen Ausgaben und Ausgaben. Die Wahl der Ausgaben muh daher in erster Linie nach dem Gesamtwohl der Wirtschaft, der Landeskultur und der Volkswohlsahrt erfolgen. ES ist nunmehr der Zeitpunkt gekommen, wo die Schwierigkeit der Geldbeschaffung gebieterisch Zurückhaltung und Besinnung erfordert, wenn nicht die Währung gefährdet werden soll. Die gesamte mitielständische Parteibeweguug darf ihre Hand nicht dazu hergeben, den überspannten Zentralismus in Berlin zu fördern, sondern muh bei allen ihren Vertretern vora-uö- setzen, dah sie auch in den Nachgeordneten Parlamenten die Verantwortung vor dem Gssamtwohl nicht anher acht lasten. Man muh an sämtliche Parlamente der öffentlichen Körperschaften die ernste Mahnung richten, in Zukunft Sicherste Sparsamkeit zu üben und sich der währungs- politischen Gefahren bemüht zu sein. Die Etatgestaltung für den sächsischen Staat wird für das nächste Fahr auherordentltch schwierig sein. Ohne eine gründliche Verwaltungsrcsorm. die vor allen Dingen auch an einen Abbau der Ausgaben herantreten muh, ist eine Balancierung des nächsten Etats kaum möglich. Für dte nächsten Fahre treten an den sächsischen Haushaltplan besonders hohe Ansprüche heran durch die Aus gaben für die Beseitigung der U n w e t t e r s ch ä d e n und den wirtschaftlichen Wiederaufbau dieses Gebietes sowie durch die Bcsoldungsresorm. Es ist zweifellos ein Fehler gewesen, daß die Besoldungs- resorm nicht in gewissen Zeitabschnitten erfolgt ist. Trotzdem ist jetzt die letzte Möglichkeit, eine Neuregelung der Besoldung vorzunchmen, da i» den künftigen Jahren, wo die Ausein andersetzung mit den Feindbundstaatcn nm die Herabminde rung der Reparationsverpflichtungcn verhandelt werden muß, eine Aufbesserung der Besoldung kaum mehr zu erreichen ist. Der gewerbliche Ddittelstand hat zweifellos an der Stärkung der Kaufkraft der Beamtenschaft ein starkes Interesse. Vor aussetzung ist nur, dah diese Stärkung nicht auf Kosten der Erhöhung der Realsteuern erfolgt und damit zu einer Ver teuerung der Waren führen muh. Grundlegend für das AnSmah der Besoldungserhöhung muh dte DecknngSsragc sein. DaS Reich hat durch seine Borlag« die Länder zur Gefolg schaft gezwungen und muhte sich auch vou vornherein klar darüber fein, dah den Ländern zur Deckung irgendwelche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Sachsen be findet sich bei seinen Ansprüchen noch nicht einmal im Kreise derjenigen Länder, die auf Kosten des Reiches eine Hilfe verlangen. Es erhebt Anspruch ans eine Verzinsung des Kaufgclbes aus der Eisen bah «Übertragung und auf einen dem Aufkommen an RcichSsteucrn in Sachsen ent sprechenden Finanzausgleich. Ich werde als Finairz- mtntster mit allen Kräfte« dahin streben. Laß im Etat die er höhten Besoldungslasten nicht einfach aufgesetzt werben, son dern dah erhebliche Einsparungen vorgenommen werden. Die sächsische Regierung wird ihre Mitarbeit an dem StenerveretnheitlichungSgcsetz nicht versagen, wird ihm aber nur insoweit folgen können, als wirklich eine Vereinheitlichung des Realsteuerrechts er zielt wird. Dah Sachsen nicht aus das Recht der eigenen Steuerhoheit verzichten wird, ist ebenfalls selbstverständ lich. da die Erfahrungen gelehrt haben, dah es auherordent- ljch schmerzlich und für dte Wirtschaft sehr nachteilig ist. Kost gänger des Reiches zu sein. Der Mittelstand hat die hohe staatspolitische Aufgabe. unser Volk vor dem Zerfall i» Kapital und Arbeit z» bewahre», um es vor dem Untergänge zu schützen! AlSüann erhielt Schulleiter LanbtagSabg. Hentfchel lAue) daS Wort zu seinem Vortrage über ».AuttureUe Fragen". Der vorliegende Retchsschulgesetzentwurs gebe in seinen Grundzügen nichts anderes als das, was durch den Weimarer Schulkompromih über dte höchsten Erziehungsziele der Schule und das Selbstbestimmungsrecht der Eltern als Grundrecht des deutschen Volkes bezeichnet worden sei. Deshalb sei der Entwurf auch nicht als vcrsastungsändernd anzusehen. Er stelle formal die Ausfllhrungsbestimmungen der Verfassung dar, auf denen die Landesgesetze weiterbauen sollten. Wie die Partei die Einmengung in die Privatwirtschaft ablehne und für dte Individualwirtschaft eintrete, so verlange sie auch, dah nicht der Staat die Erziehung unserer Kinder in ihren höchsten Zielen bestimme, sondern jeder Vater selbst zu entscheiden habe, ob sein Kind auf einer religiös» christlichen oder soztal- demokratisch-weltlichen Grundlage erzogen werden solle. Die Partei erkenne an dte vorgesehene Bekenntnisschule, die Gemeinschaftsschule und die weltltche Schule. Die Forderung des Selbstbestimmungsrechtes seine eine Grundtendenz der Partei. Der Mittelstand sei in seiner großen Mehrheit christltch eingestellt. Da gegen die heutige Gemeinschaftsschule ernstliche Bedenken nicht unterdrückt werden könnten, so werde durch das Reichsschnlgesetz der Be kenntnisschule die notwendige Freiheit der Entwicklung gewährleistet, die bis jetzt nicht vorhanden sei. Die Reichs partei des deutschen Mittelstandes befürchte keine Zerschlagung der Volksschule durch das Reichsschulgesetz. Die Enlschlietzungen, die zu Ende der Kundgebung gefaßt wurden, haben folgenden Wortlaut: I. „Der Landesparteitag der Reichspartei des deutschen Mittelstandes billigt dte von der Landtagssraktion verfolgte Sachsen-Politik. Als Richtschnur sur die Fraktion des Sachsen. Osts Liitlielis VOlksbuek, SQfwM- ^USSILlTUdlQ VOM 30. Oktober bis s. November 1927 bei I. Hksciemisciie kuctikancllung Ok?L3§lll., kismsrckrpl. 5. HGLKdIllk5 kuctikancilung, liauptstr. S Z. kiosbuckiksncilung tk. 8UKO>XLti, Lcülohstr. SS 4. IkeociorZLtiUKLkrti.ve.-KIsseveltz, kesic>enrstr^4 s. soksnnes KUVOl.?, dlsctis., Orunser 5tr. ZS 6. vuctiiisncilurig HOI.2L L, p-llil., iVaisenksusstr. SS helfen mag! Es frägt sich allerdings, ob nicht auch in dem Punkte gewisse grundsätzliche Grenzen gezogen sein sollten. Hier hat man sich jedenfalls nicht daran gekehrt, sondern sich gesagt: Was 49 Bühnen des Deutschen Reiches machen, können wir uns als 50. auch erlauben. Das Aufführungsrecht soll zwar nicht billig sein, und die nötige Nevueausstattung wird auch allerhand gekostet haben — aber immerhin: man ver- spricht sich eben doch et» Geschäft. Deshalb hat man die Sache auch — wenn schon, denn schon — gleich ganz groß auf gezogen. Zu groß vielleicht. Wer weih, ob man die Sache nicht „leichter" nehmen könnte, wenn sie schon in der In szenierung so etwas den Charakter einer kecken Jmprovisa- tion l— wie das die Leipziger gar nicht übel trafen —j hätte, und nicht mit StrnadS prunkvoll plastischen Dekorationen Hof- theaterstil markierte. Immerhin: an sich war dte geleistete Arbeit fabelhaft. Der Bühncnrahmen gleich etwas varictö- mähig auf grell beleuchtetes Rot-Gold gestimmt, dte Bühnen bilder selbst vorwiegend realistisch: ei» Prachtstück dieser Art namentlich das vornehme Hotelvestibül, dann das elegante, in eigentümliche Lichtsttmmung getauchte Komponistcnzimmcr, der Bahnhof mit allen Einzelheiten, mit gewaltiger, dampfend anfahrender 8-'/,-Lokomotive und V-Zngswagen, das Alpen hotel. bas mit lebendem und totem Inventar höchst über raschend aus der Versenkung auftaucht. Nicht ganz gelungen das Gletscherbild, tn dem viel zu wenig strahlendes Weih ist, etwas primitiv auch dte lichtbildnerische Andeutung der Autofahrt <— ein richtiger Film wäre bester gewesen —j, er- drückend an Effekten bann aber dte phantastische Schlußszene mit Jonny auf dem Globus, mit Ballettüberraschungen, Chor, und Solistcnparadc. amerikanischen Lichtreklamen j— sogar vom „Nenyorker Sinfonie-Orchester" und von dessen „Conductor Fritz Busch" war etwas zu lesen —j, und was sonst noch für Herrlichkeiten. Dah in einem so unendlich komplizierten Apparat beim ersten Male noch die eine und andere Kleinigkeit versagte, kann nicht wundernehmen und nicht die Bewunderung beeinträchtigen, die man für die fabelhafte Leistung HasaitS und seiner Leute hat. Die Regte Dr. Erhardts hatte daran natürlich ebenfalls wesentlichen Anteil, doch gab sie ihr Bestes in der musik betonten Bewegung der Massen, in der klaren, mit witzigen Pointen durchsetzten Hcrausarbcitung der Handlung über haupt und in der Auskeilung der darstellerischen Einzelheiten. Um nur ein Beispiel zu nennen: etwa die Gestaltung der Szene von Sängerin und Komponist am Klavier war so lebendig, so fein abgewogen in den Stellungen und Be- wegungen, wie das nur ein Regisseur hcrausbringen kann, der mit seinen Künstlern wirklich individuell z» arbeiten ver steht. Dieses Vermögen des neuen Obcrregiflenrs möchten wir nach wie vor besonders hoch bewerten. Für dte Solisten hat dte Oper gute Rollen f— ein nicht zu unterschätzender Nebenfaktvr ihres ErfolgeSI —j. und für alle waren ebenso gute, geeignete Vertreter am Werke. Staegemann als Fonny ist zwar kein negroider Typ, aber gerade seine mehr aus GroteSk.Fntelltgenz als auf Sinn- lichkeit und Brutalität hin gespielte Darstellung hat die „schwarz« Schmach" vom Peinlichen mehr dem charakteristisch Humorvollen zugewendet. Taucher ist ein so mnstkaltscher Komponist, daß er seine Anita sogar persönlich am Flügel zum Gesana healeiiei, kan», »nd anherdcm noch strahlende hohe Töne mühelos aussireut, alö gälte es einer italienischen GesangSoper. Elisa Stünzner als Anita ganz große Dame von Welt, mit immer wieder neuen reizvollen Tollet tcn, die sie immer wieder entzückend und scharmant trägt, dabei so selbständig und überlegen charakterisierend, als sei sie eine von der Musik völlig unabhängige Salondame des Schauspiels. Sehr hübsch spielt Schmalnau er den Violinvirtuosen auf den „mc-I-hcn Ginstlcr" hin, höchst ge schmackvoll auch im Gesang den gebotenen südlichen Ton findend. Eine Prachtleistung ferner Liesel von Schuch als Stubenmädchen und Fannys Schatz, der ganz echte, kleine, gerissene, immer graziöse Pariser Fratz. Gerade diese Partie kann man sich besser füglich nicht denken. Unter den vielen kleinen Charakterrollen ist Ermold als grotesker jüdischer Manager nicht zu übersehen. Auch Pembaurs Chor und Ellen v. Cleve-Petz' Ballett haben einen großen Abend und insbesondere im entfesselten -weiten Finale Leistungen zu vollbringen, die schon allein an Körper und Nerven ungewohnt hohe Anforderungen stellen. Als sicherster Führer steht über dem Ganzen Kntzschbach, der mit dem Orchester alles macht, was zu mache» ist. und sogar so talentvoll sazzt, daß Ihn jeder Kaffeehaus-Stehgeiger be neiden könnte. Der wahrhaft ungeheuren Arbeitsleistung, die für diese Aufführung von allen musikalischen, darstellen den, technischen Kräften vollbracht wurde, galt auch vor allem der Dank des ausvcrkanften Hauses. In den starken Bei fall mischte sich sanft melodisches Pfeifen und bescheidenes Zischen einiger Weniger, die über Arbeit, Bluff und Mache daS Nachdenken nicht ganz vergehen hatten. Dr. Eugen Schmitz. „Der Clown Gottes." Sine groteske Tragödie von Hugo-Wolfgang Philipp. Es ist die Tragödie eines Justizirrtums, die Hugo-Wolf, gang Philipp für geeignet befunden hat, grotesk behandelt zu werden. Er konstruiert sich den Fall, dah ei» Maler, um der Not und den Schulden z« entgehen, mit einem Selbst mörder seine Personalien tauscht, dadurch in Mordverdacht kommt und tatsächlich auch schuldig befunden und zum Tode verurteilt wird. Wenn dieser „Clown Gottes" nicht die Ausgeburt einer überhitzten Zeit märe, entstanden aus den Nachwehen von Krieg, Umsturz, Inflation und Seelenver- wirrung, so hätte der Dichter wahrscheinlich seiner Kon- struktton einen solideren Unterbau des Juristischen und Kriminalistischen gegeben. Aber damals, um 191g. kam es auf Logik und Psncholvgie, ans Wahrscheinlichkeit und Mög. lichkeit nicht an, sondern ans den Schrei nach der Erneuerung, auf die Zertrümmerung des Alten, auf die Geburt des neuen Adam auö dem Nichts. Die Tatsache, daß eS Justiz- mord gebe» kann, genügt dem Dramatiker von 1919, die ganze Einrichtung der Justiz, die eine StaatSnotwendigkeit Ist. als Groteske zu konstruiere». Und die Grote-ke besteht darin, daß er nur den Staatsanwalt kennt, nicht den Ber- teibtger, dah dieser Staatsanwalt technische Maschine aus in- einandergrcifendcn Theorien unter völliger Abstreifung alles Menschlichen und Psychologischen ist, daß alles ausgcschaltet bleibt, was schon in der Voruntersuchung die Persvnaltcn- vcrwlschung des Malers mit 99 Prozent Wahrscheinlichkeit aufgedeckt hätte, kurzum, dah hier ohne glaubhafte Be gründung der Justizmord gewollt worden ist, um den Jammer eines Menschenkindes, das sich als „Clown Gottes" fühlt, in die Welt hinauszuschreicn, — ungeachtet besten, daß dieses Menschenkind immerhin durch eine leichtfertige Tat, wie es die Abstreifung und Verwischung seiner Persönlich keit ist, sich selbst in die Räder ber Gesetzesmaschine ge worfen hat. Leichtfertigkeit kann amüsant und grotesk wirken, und so geht man anfangs ohne Widerstreben bis zu dem Punkte der Handlung mit, wo sich der verwischte Maler vergnügt Handschellen anlcgen läßt, weil er nun hofft, daß ber Spür sinn der Polizei seine Verdunkelung, aus der er sich selbst nicht mehr herausftndet, zu seinen Gunsten erhellen wird. Bis dahin ist Ton und Handlung im Einklang. Künstler- elend und Phantastik, das „Wibbel"-Mvtiv vom eigenen Be gräbnis, das sorglos hineingeplatztc Motiv von der reichen Erbschaft, die der verwandelte Maler nicht antreten kann, ehe er sich nichi wieder in seine ursprüngliche Persönlichkeit zurückgesnndcn hat, — das alles ist lustspielmähig und keck zusammengesetzt. Aber dann kommt der große Bruch. Der zum Tode verurteilte Maler tm Kerker ist nicht mehr gro- tesk, aber auch nicht ohne weiteres tragisch. Die furchtbare Lage verbietet den Spaß: die leichtfertige Selbstverschuldung schwächt die Tragik. Zwischen den Vertretern des Rechtes und der Kirche, die hier auf die schroffste Formel des Schemas der Unmenschlichkeit gebracht sind, schreit sich die todbedrohte Menschlichkeit des Verurteilten ans und fiebert nach dem Wunder, das ihn retten könnte. Das Wunder sollte kommen! Diese Freiheit hätte ein Dichter ber Gläubigkeit, der Kündung des Ncuwerdens der Welt hier ergreifen dürfe» und müssen, wenn er mehr -eigen wollte als die Starrheit der alten Welt, wenn er wenigstens im Gedicht einmal den Steg der Erkenntnis über das Urteil, die Ueberwindung der Form durch die Tat gefeiert hätte. Warum konnte nicht z. B. ein echter Priester dasichcn, der die Stimme der Unschuld untrüglich erkannte »nd unter Auf opferung seines Selbst Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um den Mord an einem Unschuldigen unbedingt zu verhüten - Gerade auf dem Boden einer nach neuem Geiste ber Ge meinschaft schreienden Tragödie hätte sich die Verwirklichung dieses Wunders der Durchbrechung der Kausalkette des Formalismus vollziehen müssen. Statt dessen hat es ber Dichter vorgezogen, in einer nur durch die Peinlichkeit der Hcnkerbrutalität grotesken Schlußszene den ganz äußerlichen Abschluß der Justtztragöbie anzuhängen. Aber das ist weder Ausweg noch Lösung des Problems und keine Antwort auf die gestellten Fragen. In ehrlicher Verlegenheit nms Ende läßt der Dichter den Verurteilten an die Rampe springen, sich als Schauspieler Heinz Leo Fischer entlarven und tnS Publikum rnfen: „Wenn ihr schon einen köpfen wollt, dann bitte den Dichter, der das Ganze verschuldet!" — Nun, den Kopf kostet es natürlich nicht, ein Drama ge« schrieben zu haben, das keine befriedigende Bewältigung eines Problems barstellt. „Der Elown Gottes" ist ein Opfer an die Zeitsttmmung gewesen, da» ein kluger Kopf, erfüllt von jungen Ideen und unausgegorenen Forderungen. zu bringen gedrängt war. Der Fehler war. dah er die Form der Groteske an einem Stoff anwanbte, der sich Im Innersten jeder nicht völlig ernsthaften »nd tief ocraiitwortiiiigSvolle««
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