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71. Iahrga«-. 384 Die«srag. 1>. Juli 1827 Gegründet 18S« Dradtmclckrü«, Bcu»»U»t«« G»«»d«, is«riü»r«ck»r-Sa»«»N««m«r, SV S41 Nor »Sr NacktartvSck«- 2Q Oll <kt»»eln»n»«»r 10 «vt«>»»t« Di« Li««to«n »erv«n nach Anzeigenpreise: aunribalb soPta. vsserten» au» lch0 Mt. Soldmart drrechn«!: dt« «tat S S«rtrna«dükr 40 mm brrttr SchrMlrttuna imd Lam>ta»schSft»t«ll«: Marte»st»atz« 3S 4L Druck u. B«rlag von Lieutch ck Tkeichardt tu Dresden PoAcheck-Kvnto tVSS Duaade» Nachdruck nur «tt b«ukltchrr Quellenanoad« i.Drr«dn»r Nachr.'> »ulätka Unverlauat« Schrtttltück» werden nicht autbewadrt. Abbruch des Berkehrsstreiks in Sesterreich. KeineBedingungen-«Sozialisten—Energische Matznahmen-erLiin-ergegen-enBerkehrsstreik Die Gebührenvorlage des Poslverwaltungsrares. — Die Grunbzüge-er deutschen Aole an Belgien. — Englisch-japanische Einigung in Genf. Die Wiener Revolte gescheitert. Wie». 18. Juli. Wie der Sonderberichterstatter d-S WTB. erfuhrt. h«t der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei der Sitzung des erweiterten ParteioorftandeS und der Gewerkschaftskommissio«, die «m S Uhr 80 Min. zusammengetreten ist. vorgeschlagen, den Streik der Ber» kehrsbetriebe heute nach« 1k Uhr zu beenden. Die Konferenz deS erweiterte» ParteivorstanbeS der Sozialdemokratischen Partei und der GewerkschastSkommilsion ist dem Vorschläge deS Parteivorstandcs aus die Einstellung des BerkehrSstreiks bcigetrete«. Man wird zunächst ver suchen, um Mitternacht den Betrieb wenigstens im beschränk tem Umsange wieder anfzunehmen. und hasst, daß er im Lause deö morgigen BormittagS wieder normalen llmsang annehmeu wird. Der Sonderberichterstatter des W. T. B. erfährt aus den der Regierung nahestehenden Kreisen, daß der Abbruch des Bcrkchröstrcikö bedingungslos erfolgt. In den Slbend- stunden erschien eine Sonderausgabe der sozialistischen „Arbeiterzeitung", in der zur schleunigen Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert wird, da die (Gefahr reaktionärer Maß nahmen abgewcndet sei. lW. T. B f Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs München, 18. Juli. Die Neichsbahndirektion München hat aus Salzburg die amtliche Mitteilung erhalten, datz von heute nacht IS Uhr an der Eisenbahnverkehr in vollem Umfang wieder ausgenommen wird. Der Schnell zug München-Salzburg—Wien-Budapest—Trieft wird be reits durchgcsührt. * Berlin. 18. Juli. Das auf ber Linie Wien-Prag—Dres den—Berlin verkehrende Flugzeug ist fahrplanmäßig heute früh 8,45 Uhr in Wien aufgcsttegen und auf dem Flugplatz Bcrlin-Tempelhos 2,80 Uhr gelandet. Auch alle anderen von S^ien ausgehenden Strecken wurden heute von dem Wiener Flugplatz Aspern aus fahrplanmäßig beflogen. Ebenso sind von Berlin und MUnchen aus die fahrplanmäßigen Flugzeuge nach Wien pünktlich gestartet. Die Derkehrskage in Tirol. München. 1fr. Juli. Der Verkehr soll ab 24 Uhr ab Salz- bürg wieder eröffnet werden. Der von MUnchen um 21 Uhr 42 Min. abgehende Schnellzug wird bereit» durchgesührt. Morgen »ruh 6 Uhr soll ein Personenzug von Kufstein über den Brenner gefahren werden. * Wie«. 18. Juli. Die Heimweh»«» in Steiermark haben ein Ultimatum gestellt, den Verkehr bis hentc mittag 1k Uhr wieder autzunehmcn. Sie drohten anderseits, nach Graz,« marschieren. Man rechnet aber damit, daß das Ultimatum verlängert werde. I« Innsbruck hat die Seimwebr die Eisenbahner zur Wiederaufnahme deS Verkehrs gezwungen. Der Landeshauptmann hat die Hosbnrg in Innsbruck mit Maschinengewehren besetzen lallen I« Kärnten haben die sozialdemokratischen Ar beiter die Heimwehrcn enewasfuet. Der Bahndos Salzburg ist von republikanischer Schutz» Mannschaft besetz«, die jeden Passanten kontrolliert. Eisen- bahn und Tclearaph ruhen noch. Am Bahnhof lagern Berge von Koskcrn. Da die Stanken letzt den dritten Tag geschlossen Und »nd die Konsulate von außerhalb keine Sendungen er halten. liegen viele Reichsdeutsche tm Lande sest. Die Derlrauensmännerversammlung am Sonniaq. Die Berichte der Sozialistenführer. Wien. 18. Juli. Das „Mitteilungsblatt" der Sozialdemokratischen Partei veröffentlicht einen ausführlichen Bericht über die Bcrtrauensmännerversammlnng. die gestern bis in die späten Abendstunden andauerte. Der Vorsitzende, Nationalrat Sever, schlug heftige Töne gegen die Polizei an, die das Blutbad verschuldet habe. Der auf dem linken Flügel der Partei stehende Otto Bauer schlug ln die gleiche Kerbe. Er erhob seine Vorwürfe gegen den Bundeskanzler, dessen Kundgebung beweise, daß die Verantwortlichen vom Ernst und von den Gefahren der Stunde keine Ahnung hätten. Der amt liche Bericht über de» Verlaus der Ereignisse und die Ent stehung der Tumulte sei voller Lügen. ES gäbe Hunderte von Zeugen dafür, daß keine Gewaltakte geschehen seien, bevor be rittene Wachen einen harmlose» Demonstrationszug aus- einandcrzusprengcn versucht haben. Die republikanischen Schutztruppen und nicht die Polizei haben der Feuerwehr den Weg zum Justizpalast gebahnt, und gerade tn diesem Moment habe die Polizei geschossen »nd so die Fortsetzung des RcttungSwerkcS unmöglich gemacht. Dan« aber gab Bauer noch zu. daß unter den Demonstranten Leute gewesen seien, die Ding« begangen HStten. die man nicht billige« könne. Es seien ein paar hundert Leute gewesen, die die Feuerwehr nicht hätten löschen lassen wollen. Der ganze Angriss anf de« Jnftiz- palaft. wo nur ShescheidnngS-. Wechsel, oder Grnndbuch, sragen entschiedcn werben. lei ans ein tragisches Miß verständnis znrückzusühren. Bauer mißbilligte auch die Zer» störnng der ZcitnugSgebäudc der „Reichspost" nnd der .Wiener Neuesten Nachrichten". Das leie« saschiftisch« Kampsmethode«. (!) Für die Ausschreitungen machte Bauer außer Polizei die Kommunisten verantwortlich. Den Führern sei in diesen Tagen der St u s nach Massen entgegengeschollen. Zu einer allgemeinen Bewaffnung des Proletariats ldas hätte ge heißen, den offenen Bürgerkrieg zu beginnen!» haben wir uns nicht entschließen können. Was wir jetzt getan haben, baS ist die Bewaffnung ausgesuchter Proletarier. Wir haben aus dem Republikanischen Schutzbund eine Garde aufgestellt, auf die sich die Gemeindeverwaltung von Wien und di« Arbeiterschaft von Wien verlassen kann. Dan» rühmte der Führer des Republikanischen Schutz bundes. Julius Deutsch, die Taten seiner Mannschaften. Ein großer Teil der Wiener Garnison bestehe aus Sozialdemo, traten. Diese seien in ihren Räumen eingeschlossen worden. ES seien Posten vor den Toren aufgestellt und die Mann- schäften seien seit Tagen verhindert worden, mit ihren An gehörigen in Verbindung zu treten. Die neue Schutzwehr der Stadt Wien würde den Beweis erbringen, zu welcher Disziplin die Arbeiterschaft fähig sei. Schließlich erklärte Friedrich Adler, der eigens aus Amsterdam, wo er Oesterreich in der Gemerkschastskommtssion vertritt, gekommen war: Wir wissen, daß keine Möglichkeit be steht, in dem Europa, wie cs heute ist. die wirkliche Macht des Proletariats herbeizusühren. Deshalb müsse daß Problem in Besonnenheit zu Ende gebracht werden. — Dann wurde eine Entschließung angenommen, in der die strengste Untersuchung der Ereignisse vom Freitag und Sonnabend unter Mitwirkung von Vertrauensmännern der Arbeiterschaft gesordert wird. Die fehigeschiagenen Pläne -es Schuh- bun-es. Der Putsch seit langem vorbereitet. Wien. 18. Juli. Der Putsch war. wie sich jetzt heraus- stcllt, seit langem vorbereitet. Es lagen zwei Pläne im Bureau des Republikanischen Schutzbundes vor. Der erste sah neben der Besetzung des Parlaments, der Uni versität und der umliegenden Gebäude die vollständige lieber» nähme der Regierung vor. Wenn dieser Plan mißlingen sollte, war ein Ersatzplan ausgestellt, der lediglich die Be setzung des Just tzpa lastes, die Vernichtung der drei bürgerlichen Zeitungen: „Reichspost". „Deutsch - Oester, reichische Tageszeitung" und „Wiener Neueste Nachrichten" und den Generalstreik bezweckte. Der erste Hauptplan mißlang infolge ber Haltung der Polizei vollständig, und so mußte der zweite Plan ausgeführt werden. Der Schatten- dorfer Prozeß war nur der Vorwand für den Beginn der Aktion. Das Wiener Militär stand in den ersten Stunden des Putsches nicht restlos zur Regierung, und zwar infolge deS Einflusses des Führers des Republikanischen Schutz bundes. Generals Körner. Die Gemein-eschutzwache. Wie«. 18. Juli. Wie der Sonderberichterstatter de» W. T. B. von Regierungsseite erfährt, ist die Gemeinbeschutzwache ohne Zustimmung der Regierung ausgestellt wor. den. lieber die Verfassungsmäßigkeit dieser Einrichtung werde später zu sprechen sein. Allerdings sei es eine Tatsache, daß nach der Verfassung den Gemeinde» die Haltung einer Gc- mcindepolizei zustehe. Weiter wird aus dieser Quelle erklärt, daß in der nichtsozialistischen Bevölkerung durch die Bildung der Gcmcindcpolizci Beunruhigung hcrvorgcrnse« worden sei, «eil mau darin «inen Versuch sicht, um «ns Umwegen zur Be, wasfnung deS Republikanischen Schutzbundes z« gelange«. Rom prolestiert gegen -ie Gemein-e- schuhwache. Wie«, 18. Juli. Der italienische Gesandte in Wien, sowie der Vertreter eines andere« Staates (wahrschein lich der Tschecheij haben bei der Regierung Seipel gegen die Errichtung einer Gcmcindcschntzwache, bestehend a«S rvüv Mann, die mit Revolvern bewaffnet werden, interveniert und offizielle« Protest ihrer Regierungen erhoben. Der italie nische Gesandte erklärte, daß die Errichtung einer solchen Schntz- wache dem Friedensvertrag widerspreche. In gut unterrichteten österreichischen Kreisen in Berlin ist Uber einen solchen Schritt des italienischen Gesandten in Wien bisher nichts bekannt. Italien sperrt -en Grenzüberlritt am Brenner Innsbruck, 18. Jult. Der italienische Polizeikommissar am Brenner hat bekanntgcmacht, daß der Grenzüber tritt «ach Italien seit hcnte vormittag 11 Uhr 8V Min. für Oesterreicher, auch wenn sie ein Einreisevisum besitzen, gesperrt sei. Personen, die anf der Einreise bestehen, müssen eine besondere Sinreisebewillignna aus Rom ab- warte». Der Einreise aller übrige« AnSlLnder über die Brennergrcn^: steht dagegen nichts im Wege. Kommunist Pieck in Wien verkästet. Berlin, 18. Jult. DaS „Acht-Uhr-Abcndblatt" meldet aus Wien über Preftburg: Der deutsche kommuntsttsche Ab- geordnete Ptrck^owic drei Parteifreunde, die am Sonntag im Flugzeug tn Wien eingctroffen waren, sind verhaftet worden. «Setter« Meldungen aus Gelte ».) ^ ^ Der Schulgesehenlwurs ein Markstein deutscher Kulturgesehgebung. Christlich und duldsam zugleich: -aS ist, auf eine ganz knappe Formel gebracht, der Grundzug des Reichsschulgesetz, entwursts, der in würdiger, der Gewissensfreiheit und dem Elternrecht entsprechender Weise dem großen Kulturbau der deutschen Volksschule das in der Weimarer Verfassung in Aus- sicht gestellte Fundament zu geben bestimmt ist. Von vorn herein muß betont werden, daß die Unkenrufe von links her, die Angst vor schwarzen, rückschrittlichen Plänen zu machen suchten, durch die Bestimmungen der Vorlage gründlich auf ihre tendenziöse Unwahrhaftigkeit festgenagelt werden. „Ein Schritt ins Mittelalter", „ein Machwerk reaktionärer Finster- ltnge" nannte die radikale Presse den Entwurf, als die ersten Bruchstücke daraus bekannt wurden. Und jetzt stellt sich heraus, daß die gewährte Gewissensfreiheit so weit geht, haß auch der weltlichen, religionslosen Schule die gleiche ve rf a s s u n g S'm ä ß i g e Daseinsberechtigung, wie den anderen beiden Schularten, der konfessionellen und der Gemeinschaftsschule, gewährleistet wird! Darin liegt von seiten der Anhänger der christlichen Volksschule, die ln unserem Volke die überaus überwiegende Mehrheit -arstellt, ein Ent- gegenkommen gegen die Minderheit, das durch den darin zum Ausdruck kommenden Geist wahrer Duldsamkeit alle weiteren gehässigen Anwürfe gegen das Werk zum Schweigen bringen muß. Auch die Vorgänge innerhalb des Kabinetts bet der Beratung ber Vorlage sind von der Opposition geflissentlich entstellt worden. Die volksparteilichen Minister sollten sehr erregt gewesen sein, es sollte zu einem „Krach" gekonpnen sein. Der Wunsch der Linken war dabet der Vater des Gedankens. Die Wahrheit ist, daß die Besprechung im Kabinett, wie von eingemeihter Seite versichert wird, sich von Anfang bis zu Ende auf dem Boden einer vornehmen, vollendeten Sachlich keit vollzog und daß die beiden volksparteilichcn Minister Dr. Stresemann und Dr. Curtius, die ihre Sonderwünsche wegen der Simultanschulc zur Geltung brachten, am Schlüsse Herrn von Keudell ihren Dank für sein versöhnliches und verständ nisvolles Verhalten auSsprachen. Die „Nationallib. Korrespon denz" hebt rühmend hervor, daß -er-beutschnattonale Reichs, innenmtnister von Keudell stets sachlich und objektiv war, baß er immer mit seinem eigenen Urteil zunächst znrückhielt und Andersmeinende ausgiebig zu Worte kommen ließ, stet» bestrebt, Gegensätze auszugleichcn und dafür einen Haupt- nenner zu finden, ber auch volksparteilich tragbar sein sollte. Auf alle Fragen, die für die schulpolttlsche Grundsatz- gebung — die Einzelheiten bleiben den Ländern über lassen — in Betracht kommen, gibt der Entwurf Antwort: Wie sich die drei Schularten unterscheiden, wie sich bas An- tragsrecht gestaltet, ob auch die Gemeinschaftsschule eines An- träges bedarf, wann ein geordneter Schulbctrieb als Voraus- setzung für die Errichtung einer bestimmten Schulart vor- Händen ist, in welcher Weise die Simultanschulländer beson ders zu berücksichtigen sind, unter welchen Voraussetzungen die Umwandlung einer bestehenden Schulart tn eine andere zulässig ist. Die konfessionelle Schule genießt gesetz lich keinerlei besonderes Vorrecht, aber es kann nicht zweifel- hast sein, daß sie gemäß der Stimmung der großen Mehrheit der Elternschaft in der Praxis die Regel bilden wird. Auch hier hat die den ganzen Entwurf beherrschende Duldsamkeit zu einem wesentlichen Zugeständnis an die liberale Auffassung geführt durch die Beseitigung der ursprünglichen Formel, baß ber gesamte Unterricht „tm Geiste des Bekenntnisses" zu er teilen sei. Von volksparteilicher Seit« wurde gegen diese Fassung der Einwand erhoben, daß sic wegen ihrer Dehnbar, kett der Kirche eine allzu weitgehende Einwirkungsmöglichkeit gewähre. Man einigte sich bann auf die Formulierung, daß die Kinder ber Bekenntnisschule „gemäß ihrem Glauben" er« zogen werden sollen. Besonders -u begrüßen ist eö, daß die dem Schulfriede« sehr gefährliche, durch die radikale Fach, »nd politische Presst verbreitete Legende von der angeblichen Wiedereinführung der geistlichen Schulaufsicht durch den Entwurf bis auf den letzte« Rest zerstört wird. Die Beauftragten der Ncligivnsgescll» schäften, die sich von der bekenntnismäßtgen Erteilung de» Religionsunterrichtes zu überzeugen haben, handeln lediglich aus Grund staatlicher Vollmacht, und ihre Beanstandungen unterliegen dem unbeschränkten staatlichen Ermessen, ob ihnen stattzugeben ist oder nicht. Dabei ist ausschlaggebend, -aß det Lehrer nur dem staatlichen Beamtcndisziplinargesctz untersteht» AufstchtSbcfugnisse. auchüber den Religio ns. unterricht, hat nur der Staat; den Beauftragten der ReltgionSgcsellschaften steht nur ein« Beobachtungsvoll» macht zu, die aber ebenfalls von der staatlichen Behörde ge währt wird. Das ergibt sich u. a. aus der Vorschrift, baß die Beauftragten der Religionsgesellschaften nur für eine „Ein. sichtnahme" in den Religionsunterricht ziMMjL-Lnd. Bon einer Beaufsichtigung des RcllgtonSunterichtes und einer Kon trolle de« übrigen Lehrplanes durch die Kirche ist nirgends dt« Rede; nicht die leiseste Andeutung findet sich darüber. Nur