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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 11.05.1916
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19160511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1916051102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1916051102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-05
- Tag 1916-05-11
-
Monat
1916-05
-
Jahr
1916
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Sn,d«er Nachrichten Nr.tto AiLv Aofsv ^ «« Mittwoch ade«». Südwestlich der Höh« 804 wurden feindliche Vor truppen weiter znrückgedrückt »nd eine Feldwache auf. gehoben. Südlich von Garbunowka (westlich Düuabura) wurde ein russischer Borstob unter schweren Verlusten für den Gegner abgewiesen. Wilsons Antwort auf die deutsche Note ist heute morgen bei dem amerikanischen Botschafter in Berlin ein- getroffen: sic dürste heute nachmittag im Auswärtigen Am» überreicht werden. Die jetzt abgeschlossene deutsche Untersuchung über den .2 u s s e x" - Fa l l hat ergebe», da» der „Sussex" von einem deutschen Unterseeboote torpediert worden ist. Der GrschäftSvrdnungsauSschuß -es Reichstages lehnte den sozialdemokratischen Antrag auf Haftentlassung de» Ab. geordneten Liebknecht ab. Asguitb teilte im Unterbaust mit, daß Armee. Marine und Polizei in Irland 134 Mann an Toten. 888 an Bcr- wundeten und S an Vermißten verloren haben. DaS englische Unterhaus lehnte den Antrag Lonsdale, Irland in das Dienstpslichtgesetz einzubezichen. nach einer Erklärung ASqnithS ab. Deutsche Unterseeboote sind vor portugiesischen Häsen ausgctaucht: im Hafen von Oporto wurden zwei portugiesische Kllstenschisfe durch deutsche Minen vernichtet. Der türkische Kreuzer „Milli" (früher „BrcSlau"s vernichtete zwischen Sebastopol und Eupatoria ein iE-Tonnen-Schiss und eine Anzahl Segelschiffe. StR« d. In der bäurische« Abgeordnetenkammer stand eine koztasdemokratt fche Interpellation über die Wahrung de» Briefgeheimnisse» zur Be sprechung. Die Intervellation hatte folgenden Wortlaut Ln welcher Weise gedenkt die Regierung die Wahrung beS Briefgeheimnisses für Zuschriften, die aus dem Felde an Abgeordnete gerichtet sin-, fichrrzuftellenDer sozialdemo kratische Abgeordnete Dr. Stißhetm begründete die Inter pellation mit dem Hinweis darauf, daß e» wiederholt vor- gekommen sei. daß Briese auS dem Felde an Abgeordnete von militärischer Stelle geöffnet wordei - K worden seien, die sich auf WWWWW . ^ ^ Kenntnis verschafft habe. Hierin liege ein schwerer Eingriff in bi« Rechte und Pflich auf tMWNWW diese Weise von ihrem Inhalt Daraus findet ein Empfang im -Rathause durch den Senat statt. Graf v. Hertling in Berlin. Wie die Münchener Kvrrcsp. Hossmann meldet, hat sich der Staatsminister des Königlichen -Hauses und des Aephercn Dr. Graf v. Hertling für einige Tage nach Berlin begeben. (W. T. B.t Der Münchner Polizeipräsident gegen die „Pestbeulen". Der Münchner Polizeipräsident Freiherr von Grundherr nahm Gelegenheit, in öffentlicher Versamm lung in schärfster Weise gegen die „Pestbeulen", das heißt gewisse Zustände in der Heimat, loSzugeheu. Er sagte: Unsere Krieger kämpfen um edle Güter, für Entwicklung und Kultur, sie sr erben gern für deutsche schlichte Art, nicht aber für Wucher, Genußsucht, Ausbeuterci, nicht für eitle Frauen. Er geißelte dann daS Wohlleben ge wisser reicher Familien. den Wucher gewisser Ge schäfte. die «Genußsucht und Aussänocifung der Jugend, den Wahrsageschwindcl. die seichten Theaterstücke, und forderte alle wahrhaften Patrioten auf, gegen solche Sitten den Kampf rücksichtslos durchzuführen im Interesse des Ernstes und der Würde der Nation. („Tägl. Rdsch") Lebensmitteldebattc im bayrischen Landtag. Aus München schreibt der Mitarbeiter der „Tägl. Rundschau": Im bäurischen Landtag gab es eine außerordentlich scharfe Aussprache über die Lebens mittelversorgung. Alle Parteien schickten ihre Red ner vor. Der Grundgedanke aller Anträge gipfelte in dem Latze: Die Zivilvcrwaltungcn haben in der wichtigen Frage der Lebensmittelversor gung einfach versagt. Lebensmittel seien ausreichend vorhanden, aber Wucherern und Hamsterer» seien zu lauge Tor und Tür geöffnet gewesen, so daß diese gewissenlosen Elemente ihr schändliches Handwerk ungestraft zum Schaden ihrer Mitmenschen aussühren konnten. Der Zcntrilmsrcdncr Dr. L ch l i t t c n b a u c r, der Dr. Heims Stelle im bäurischen Landtag einnimmt, rupfte ein Sonderhühnchen mit Norddeutschland und speziell mit i j n n e rh a lb te« der Abgeordneten, der auf jeden Fall zurückgewiesrn werben müsse. Ueber einen bayrischen Abgeordneten und dessen Frau sei sogar die Briefsperrc verhängt worden. Der Krieg-minister erklärte: Die Briefkontrolle tm Felde sei ei» Ausfluß der militärischen Notwendigkeit und von der obersten Heeresleitung geregelt. Der bayrischen Heeres- Verwaltung stehe ans die Maßnahmen der obersten Heeres leitung kein bindender Einfluß zu. Sie sei auch nicht in der Lage, eine» Antrag an die oberste Heeresleitung zu stellen, solange sie nicht Nachweise, daß die Kontrolle un zulässig gehandhabt werde. Auch sei er nicht in der Lage, einen Anspruch auf Sonöerbchandlung der Abgeordneten rechtlich zu begründen. Die Kontrolle stehe mit den Rechten der Landtagsabgeordneten in keinerlei Zusammenhang und beschränke diese Rechte in keiner Weise. Für den Inland verkehr gebe cs keine Briefkontrolle. Eine Besprechung schloß sich an die Interpellation nicht an. Außerhalb der Tagesordnung erklärte der fortschritt liche Abgeordnete Professor Quid de, daß er der Abgeord nete sei, über den die Briefsperrc verhängt worden sei. Die Behauptung des Ministers, daß eS im Inlande keine Brief kontrolle gebe, entspreche im allgemeinen nicht den Tat sachrn. Berlin, das vor dem Kriege seine Butter auS Dänemark und Rußland bezogen Hütte und jetzt einfach Butter von Bayern verlange. Schließlich wiederholte der Zcntrums- redner die Forderung Dr. Heims nach Errichtung von Sammelstellen auf dem platten Lande zur Sammlung aller landwirtschaftlichen Produkte. Namens der Liberalen sprach Abgeordneter Schön, der erneut das Verlangen ScS Deutschen StädtctageS aus- sprach, nämlich Ausarbeitung eines gesamten W i r t s ch a s t s p l a n S für den Winter, frei von jeg lichem Egoismus. Der sozialdemokratische Abgeordnete Schmid kündigt klipp und klar der Zivilverwaltung jegliches Vertrauen in der LebcnSmittelfrage auf und fordert die Uebernahme dieser Aufgabe durch die militärischen Stellen, nämlich die! Generalkommandos, die sofort gründlich zugrcifcn unt? ganze Arbeit machen würden. Besonders geißelte der Ab geordnete einen Artikel in der „B. Z. am Mittag", der ae- «childert hatte, daß man in München in Hülle und Fülle lebe. Der Sozialdemokrat schloß: Wir wollen durchhaltcn? iber die Behörden müssen das Durchhalten ermöglichen? Abgeordneter Steiner sprach für den Bauernbund gegen die Höchstpreise. Der liberale Abgeordnete Haber- lein warf der Regierung Mangel an Initiative vor und rief aus: Keine kleinlichen Schikanen, aber rücksichts loses Vorgehen gegen Wucherer und Preis- tre iber, sowohl bei Landwirtschaft wie beim Handel. Damit war die Besprechung der sozialdemokratischen Inter pellation erledigt. Italien im Kriege. (Von einem Italiener gesehen.) Dem Mitarbeiter «tner Berliner Korrespondenz an der ttalienisch-schwelzerischen Grenze übergab ein »ach schwerer Berivunbnng au» dem italienischen Heere geschiedener vauptmaun in einem Bersagltcri- Regtment eine Reihe von Skizzen, in denen d i c Stimmung an und hinter der Front, unter besonderer Berücksichtigung de» Verhaltens der wegen neutralistischer und deutschfreundlicher Ge sinnung entlassenen Offiziere, an der Hand einzelner Bvrkommnisse geschildert wird: Der Drang nach Wahrheit unk» Aufklärung -rückt mir, gleich Hunderte» wackerer Kameraden, -ie -aS gleiche Los getroffen, entweder wegen dauernder Invalidität oder wegen ihrer Gesinnung aus dem militärischen ins bttrger liche Leben zurückzukehren, die Feder in die Hand. Unser Sonnenland Italien lebt seit Ausbruch -es Weltkrieges im Nebel. Das gutmütigste Volk der Welt wird in seiner Un gewißheit über sein Geschick im vollkommensten Dunkel ge halten. Seine Interessen sind von einer Gesellschaft von Verschwörern, deren einzige Triebfeder entweder »«gezähmter Ehrgeiz oder Geldgier oder beides zusammen ist. in schnödester Weise verraten worden. Zwei Millionen Männer, die Blüte des Volkes, sin- drrrch die militärische Organisation gezwungen, die Sache der Verschwörer zu retten zu suchen, anch wenn sie dabei den schmählichsten Untergang finden sollten. Die Führer und Verführer hoffen ans Sieg. Aber selbst wenn der käme, wenn ivir die Bundes genossen von einst bezwingen könnten, wäre Italien in keinem Falle vor seinem Untergänge gesichert. Denn es ist uns, die wir an der Fxont im täglichen Verkehr mit den höchsten Kommandogcwaltcn einen tiefen Einblick in das Getriebe der bezeichneten BerschwörungSgesellschast tun konnten, zur sonnenklaren Gewißheit geworden, daß im Augenblick, wo die Verbandsmächtc Sieger würden, der Krieg zwischen Italien und seinen Feinden bare ? des Verbandes die unmittclb Folge des ruchlosen Verhältnisses sein müßte, das Ber - brcchersinn geschaffen hat. Unsere sogenannten Freunde von heute, England, Frankreich und Rußland, würben sich keine Sekunde besinnen, in ihrer Sicgcrrolle über Italien herzufallcn, um ihm die Früchte -cs Krieges z» rauben und cö dafür zu züchtigen, daß es nach Ansicht seiner Ver bündeten bisher nicht seine militärische Pflicht im Sinne der letzteren getan hat. Die wenigsten bei uns ahnen, wie schlecht das Verhältnis zwischen Italien und seinen „Freunden" in Paris, London und Petersburg ist. Die wenigsten wissen, imc schnell sich die ungeheuerlichsten Drohungen im Verlauf von anscheinend friedlichen Verhandlungen in Rom, Paris und London zwischen den angeblich geeinigten Parteien ge folgt sind. Die Umgebung Cadornas, mit der ich durch nahe Freunde und Gesinmmgsgenoffen in unausgesetzter Verbindung in aufgeregter Zeit bleiben konnte, schöpfte auS unmittelbarster Quelle: Cadorna war im verflossenen Februar mehr als einmal drauf und dran, dem König das dornenvolle Amt znrückzugebcn, ein Akt, der den Bruch zwischen Italien und den Verbündeten vollzogen und viel leicht auch den Frieden gebracht hätte. Lediglich der Wille des Königs gebot cs anders. Eadorna gehorchte und führt seitdem den Krieg mit innerem Widerstreben weiter. Im Hauptquartier sagte man: die Staatsraison will es so. Und die nächste Folge war die V e r ab s ch i e d n n g einer ganzen langen Reihe von hohen und mitt leren Offizieren, unter ihnen acht Generäle, die cS mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren n wurde er nicht weniger schwer. Vielleicht war am schwersten gefallen. Offiziere in schlohweißem Haare weinten — zum erstenmal in ihrem Doldatenlebe«. Weinten über da» unrettbare Schicksal. dem Italien von da ab ver- sallen war, weil eS nun kein Zurück mehr gab. Da» sei voran-geschickt, um die Notwendiakeit für die folgenden Auszeichnungen vor der Oefsentltchkett dar. zutun. Hätten wir eine Presse, die die Nebelschwaden Über dem Volk beheben könnte, die auch nur einen einzigen Lichtstrahl in dir vvn der Regierung verbreitete Finsternis schicken dürfte, bann brauchte ich »nd alle die. die von den gleichen Empsinbungen des Schmerze» über die verlorene Sache des Vaterlandes beseelt sind, nicht erst die Feder an- zusetzen. An Warnern hat eS vor Beginn des Kriege» bei uns nicht gefehlt. Aber vielen von ihnen fehlte der Mut. auch de» »weiten Schritt zu tun. dem Wort die Tat folgen zu lasse», dt« anderen bleiben gesenkten Haupte» tu der stillen Ecke stehen und sehen gebrochenen Herzen«, macht- unü einflußlos -aö Berhängntö den vom ehernen GchtcksalS- walten vorgeschriebe»«« Lauf nehmen. Tausende von Ossi- zieren, die noch im Felde stehe», wisse«, baß sie kämpfen Müssen, um die Folgen eines surchtbare» Irrtums und Verbrechens abzuwenden und in die Schuld der Regieren den nicht auch das unwissende und unschuldige Volk mit hin- reiben zu lassen. Die Verzweiflung leiht ihnen Kräfte. So mancher Kamerad wünscht sich weiter am Leben, um mit de» Alleinschuldtgen abrechnen zu können. AuS dieser Stim mung heraus sind mir die folgenden Skizzen in die Feder geflogen. Mein heißer Wunsch ist es. daß sie auch in Ita lien das Licht der Oessentlichkeit erblicken könnten. Aber ich fürchte, vorderhand werden die Urheber de» scheußlich, stcn Verbrechen» am Volke lichtscheu bleiben, wie sie eS aus gutem Grunde bisher gewesen sind. Der 1. Februar war an der Jsonzosront ein KrtegLtog wie der andere. Ich hatte mit einigen Kameraden von ver schiedenen Regimentern Urlaub. Wir durften uns nach Udine begeben. Dort trafen wir mit Freunden aus dem Hauptquartier zusammen. Der eine erzählte, als ihm der Wein die Zunge gelüst hatte: „Paßt auf. wir haben schneller Frieden, als Ihr eS ahnt. Cadorna bat die Geschichte satt. ES wird in diesen Tagen zum Bruch mit Salandra kommen. Wir wissen es bestimmt. Er^rvird sich die Pistole nicht mehr auf die Brust setzen lassen. Znpclli (der Kriegsminister) wird bald fliegen. Cadorna gibt kein Bataillon mehr sür Albanien ab. Er hat sein letztes Wort gesprochen. Und nach Paris hat er sagen lassen, daß er von Salandra keine Befehle, nach Frankreich Truppen zu entsenden, annimmt. Oh, er ist in einer furcht baren Laune. Barzilai. der von Mailand wieder einmal zu ihm kommen wollte, bat schon auf der nächsten Bahn station wieder Kehrt gemacht. Cadorna ist nur noch sür seine Soldaten und den König zu sprechen. Augenblicklich darf ihm kein Minister und Deputierter, und wenn'» der Präsident der Kammer selber wäre, zu nahe kommen. Da gegen verkehrt er brieflich mit Giolttti. Ein Zusammen- treffen zwischen ihm und Cadorna war vereinbart, ist aber durch Salandra hintcrtricbcn worden. Cadorna hat den heiligen Antonio (Salandra heißt mit dem Vornamen An- »onio und wird im Felde in Offizterskreisen der „heilige Antonio" genannt!) zu allen Teufeln gewünscht. Der König war gestern lange bei ihm und überbrachte die Drohung von einem bevorstehende« Rücktritt der Regic- ierung, falls der Generalissimus nicht nachgebc. Der )iccolo (damit ist der kleine Viktor Emanuel gemeint!) hatte wieder seine nervöse» Zuckungen um den Mund, als er Cadorna verließ, das alte Zeichen, daß er nichts auögerichtet hat. Er sah auch zum Bemitleiden schlecht um die tief eingcsallencn Augen auS. Sein Adju tant sagte uns, Piccolos Schweigsamkeit seit der Flucht des Schwiegervaters beunruhige alle Hoskreise. Er leide unter Wahnvorstellungen, in denen die Furcht vor den Revo- lutionären eine gewaltige Rolle spiele." Noch manches andere bezeichnende Vorkommnis auS dem Hauptquartier erzählte uns der kenntnisreiche Ossizier, vieles, was nn» im Innersten ergriff und uns immer neue Intrigen von Höflingen, hohen un- niedrigen Regierungk- bcamten, Senatoren «nd Deputierten, Leibärzten. Ver trauten des Küttigspaares, Gesandten und Botschaftern in Nom, Paris und London enthüllte. Wir hatten den Ein druck. daß jetzt das Ende der Regierung gekommen sein müßte, weil sie sich ohne Wissen des Generalissimus gegen über den Verbündeten zuwett verpflichtet hatte und nun nicht imstande war, ihr gegebenes Wort einzulösen, da Cadorna nicht aussühren wollte, was die Negierung schon zngesagt hatte. Ein Major ans dem Generalstab meinte: „Nun wären wir auch glücklich bei unseren neuen Verbün deten unten durch mit der ewigen Wortbrüchigkcit. Wer wird uns jetzt überhaupt noch Glauben schenken wollen?" Woraus ein anderer Offizier aus der nächsten Umgebung Cadornas einfiel: „Genau dasselbe sagt unser Capo (Capo — Chef: Cadorna). Ihn ekclt's, für diese Bande denken und sorgen zu müssen. Erst vor kurzem hat er Salandra die Meinung gründlich gesagt. Aber helfen tut's dock nicht. Die regieren in Rom über den Kopf des Königs hinweg, der nur noch die Rolle als Giudiee di pacc (wörtlich: Friedensrichter, Vermittler) zwischen Rom und Hauptquartier zu spielen hat. Ungewöhnlich kräftige Acußcrungen Cadorna» gegen Sonnino, der in unseren Kreisen der „Vater von Italiens Un glück" genannt wird, und charakteristische Züge von dem Ein greifen der Königin Helena in verschiedene politische Aktionen wurden in vorgerückter Stunde von Mund zu Mund ge tragen. Mehr als einmal wurden Vergleiche laut: zur Neueinstudierung von Goldmarls „Königin von Saba". Königl. Opernhaus, am S. Mal. Auf dem Siegeszug. der Goldmarks „Königin von 2aba" vor beiläufig einem Mcnschenalter über die Bühnen Oesterreichs und Deutschlands führte, war neben Wien und Budapest auch Dresden eine besonders bevorzugte Station. 188ü, also fünf Jahre nach der Wiener Urauf führung, wurde das Werk i» den Spielplan unserer Hos- oper ausgenommen (mit Therese Malten als glänzender Vertreterin der Titelpartie» und hielt sich bis ins neue Jahrhundert herein in der Gunst des Publikums, zeitweise sogar als eine Art Zug- und Kassensttick. Nach solcher Vor geschichte erscheint cs sehr verständlich, daß man den erst türzlich in Leipzig und Hamburg unternommenen Versuch einer Wiederbelebung der zuletzt durch die neueste Ge- ichmactswendung zurückgedrängtcn Oper auch bei uns sich nicht entgehen ließ. Nach elfjähriger Pause zog die „Köni gin vvn Saba" gestern wieder über unsere Bühne, und die lünstlcrischen Eindrücke, die sich daran knüpften, sowie die warme Anteilnahme des Publikums lassen die Ausprobung als vollkommen geglückt erscheinen und stellen der alten Neuheit günstige Aussichten für die Zukunft. Nu» ist cs für uns heute ja gar nicht so leicht, die rechte künstlerische Stellung zu dieser einst so starkes Auf sehen erregenden Prunk- und Pracht-Oper zu finde». Golömarks „Königin vvn Saba" stammt ans der Zeit, wo die Werke Mcycrbeers »nd Wagners noch um die Vor- ycrrschnst im Bübncnspiclplan kämpften, wo aber auch lonscrvativ gesinnte Musiker sich nicht mehr ganz den stilistischen Elnflüsscn von „Tannhäuscr" und „Lohcngrin" zu entziehen vermochte». Gleich Erscheinungen wie Kretsch mers „Folkunger" oder Saint-Saöns' dem Weimarer Kreis entstammendem „Samson" steht auch Goldmarks erfolg reichste Bühncnschöpfung im Zeichen dieses Einflusses, ist in ihrem eigentlichen Wesen aber freilich doch noch eine richtige „große Oper" alten Stils. Sie ist das ihrer Dick), tiing »ach, in der Mosenthal die biblische Legende von der zu Salomo geleiteten Hcidcnkönigin und ihren des Königs Liebling Assad seiner Braut Sulamith entfremden den Verführungskünsten ganz nach Art eines Scribeschcn Librettos mit üppiger Häufung äußerer Effekte, aber dürf tiger psychologischer Motivierung entwickelt. Sie ist das nicht minder Ser Musik nach, mit ihrer Neigung zum dekora tiven Pathos, ihrer rücksichtslosen Verschwendung klang licher Mittel und ihrer Vorliebe sür massige, breitangelegte Chor- und Ensembleszenen. Unser künstlerisches Reick ist nun aber durchaus nicht mehr von dieser Welt, uno so hat sich unser Rltck für die Schwächen solcher Mustk- dramatik unerbittlich geschärft: für das innerlich Haltlose, Unwahrscheinlich« ihrer HandlungSsührung, für den den dramatischen Faden oft im entscheidenden Augenblick zer reißenden L-EgoiSmus ihrer reinmustkalischen Instinkte, ganz zu geschweige» von gewissen, im Fall der „Königin von Saba" noch besonders hervortrctenden Sterblichkeiten, wie dem gänzlichen Abflauen des (— in unserer Aufführung noch zudem stark gekürzten—) Schlußaktes ober der trivialen Dersemacherei und skrupellosen musikalischen Deklamation. Nichts von alledem konnte dem aufmerksamen Teil nehmer am gestrigen Opernabcnd entgehen, und doch glaube ich im Sinne vieler, ja der meisten zu sprechen, wenn ich bekenne, von Goldmarks Werk aufs neue einen bedeuten den Gcsamteindruck empfangen zu haben. Vor allem zieht an dieser großen Oper eines an: sie ist »varm empfunden und mit wahrer Begeisterung geschrieben. Goldmark ist kein so ursprüngliches Talent wie Meycrbeer, aber sicher ein jenem ebenbürtiger Musiker und an Ern st dem Autor der „Hugenotten" entschieden überlegen. Was Meycrbeer als Künstler oftmals verhängnisvoll wurde, sein Jude», tum. das bedeutete für den Komponisten der „Königin vvn Saba" einen entschiedenen Vorzug: denn es ermög Uchte ihm. dem von einem Glaubensgenossen gebotenen, der eigenen Religionsübcrliefernng entnommenen Stoff in jener wahrhaft stilgerechten Weise musikalisch zu fassen, dt« dieser „großen Oper" eine über ihre Gattung weit hinausreichende Sonberbedeutung verleiht. Die Glut farbenprächtiger orientalischer Erotik, die die Klänge dieser Partitur durchzittert, der morgenländische Zauber ihrer leuchtenden Sinnlichkeit ist ebenso unmittelbar -er poesst- durchtränktrn GeisteSwelt de» Alten Testament» abgelauscht, wie die erhabene Weihe ihrer, wenn man so sagen darf, liturgischen Szenen, in denen Gvldrnark die Wunden alt- jüdischen Tcmvelsangs nnchschaffrnd beschworen hat. Eine Perle dieser Art ist gleich der zu Anfang stehende ent zückende Brantgesang Sulamiths und ihrer Gefährtinnen mit seinen wohlig gleitenden, harmonisch eigenartig unter- matten, in zartestem Klangdust erbebenden Linien. Daß gerade nach dieser „Nummer" der erste Sonderbeifall loS- brach, darf immerhin als eine „vox" — nicht nur „popnli", sondern auch — „6oi" gelten, und zeigt so reckst deutlich, wo die künstlerischen Dauer werte des Werkes liegen. Die gleiche Sphäre, ins Bereich pathetischer Kraft gerückt, lebt in der großzügig ausgebauten Szene vor dem Aller- heittgsten im zweiten Akt, in der sich mit dem spannenden Dazwtschentrcten der Königin und ihrer Verleugn«« Assads zugleich die Thcatraltk der „großen Oper"' von ihrer relativ besten Seite zeigt. Für die Ausdrucksgewalt des Erotischen hinwiederum kann AssadS große l— in der Form Wagnerschen Vorbildern besonder» nahe stehende —) Er zählung von der ersten verführerischen Erscheinung der Saba gelten, deren bildhafte, süße, schwül-berückende Kolo- ristik und warmqnellende Melodik unwiderstehlich bannt. Auch im großen LiebeSduett des zweiten Aktes findet sich Aehnlichcs. während Stücke, wie der Einzugsmarsch der Königin «nd -ie Ballcttmusik des dritten Akte», dem In timen wieder die großlintge Umweltschtlderung in nicht minder eindringlicher Farbenpracht gegenübcrftcllen. Die Ballcttmusik insbesondere ist an Feinheit »nd Reichtum klanglichen Zaubers eine Leistung, deren sich ein Berltoz nicht zn schämen brauchte. Diesem genialen Franzosen sicht Goldmark als Instrumentationskünstler überhaupt sehr nahe, nicht nur tu der Vielfarbigkeit der orchestralen Palette, sondern auch im rassigen Bollklang der Tuttt. Und wie sehr unsere moderne InstrumentationSkunst an Raffi nement auch fortgeschritten erscheint: der wundersame Wohl klang von GoldmarkS Orchester mit seinen ätheri sche» gedämpften GeigentremoliS, seinen rauschenden und glitzernden Harfengrunbierungcn, seinen vollsafttgen Strei> cherkantilencn und seinen Bläsersätzen, mag er selbst eine überwundene EntwtcklungSstuse bedeuten, hat etwa» Be strickende». dem man sich stets willig überläßt. Solche kleine und große Vorzüge aber sind c», die schließlich allem ver. alteten Geist der „großen Oper" zum Trotz GoldmarkS „Königin von Saba" auch heute noch jene unbestreitbare Wirkung sichern, von der der gestrige Abend auf» neue Zengnis gab.
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