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öl- M - « e D-,I«-- und blickte fragmd seinen Neffen an, der mit gespann ter Erwartung den weiteren Enthüllungen entgegen sah. „Ich habe einen Jugendfreund," fuhr der Oheim nach einer Pause fort, „der Zufall führte mich vor einiger Zeit nach jahrelanger Trennung mit ihm zu sammen. Er lud mich ein, ihn zu besuchen, ich folgte der Einladung und lernte in der Tochter dieses Mannes ein Mädchen kennen, welches in jeder Be ziehung zu Dir paffen würde. Ich kann aber nicht behaupten, daß sie eine Schönheit sei, aber sie ist jung, leidlich hübsch und vor allen Dingen eine flei ßige, vortreffliche Hausfrau. Sie hat einen eoeln Character, ein gutes Herz und ein weiches Gemüth, sie hat sodann einiges Vermögen und eine vortreffliche Erziehung." Ein ironisches Lächeln umspielte die Lippen des jungen Mannes. „Fast fürchte ich, daß Du sie nur nach dem Sammtpfotchen beurtheilst, die sie Dir ge reicht hat," sagte er. „In der Regel sind die Zarten und Sanften die schlimmsten Lantippen, und Dich zu täuschen kann einer Dame nicht schwer fallen, da Du ja —" „Erlaube, lieber Junge, so rasch und blind ur- theilc ich nie. Ich habe das Mädchen beobachtet und bin meiner Sache sicher. Aber fern sei es von mir, die Heirath mit ihr als die oomiitio sine qus non aufstellen zu wollen, ich sage nur, daß ich diese Hei rath wünsche. Prüfe Du selbst und dann entscheide." Der Oheim hatte sich erhoben, er wanderte ge dankenvoll auf und ab. „Und ihre Eltern?" fragte Clemens, dem bei dem Gedanken daran, daß der Wunsch seines reichen Oheims ihm gewissermaßen als Befehl gelten müsse, schwül zu werden begann. „Ihr Vater ist bereit, seine Einwilligung zu ge ben, wenn Du ihm nicht mißfällst." „So weit wäre also Alles schon in Ordnung?" „Ja." „Gut, so werde ich vorurtheilsfrei prüfen und dann meinen Entschluß fassen." „Thue das. Die junge Dame und ihr Vater werden morgen oder übermorgen hier eintreffen und bei mir zu Tische sein; ich hatte ihnen meine Gast freundschaft angeboten, aber der alte Herr zieht vor, im Gasthofe zu wohnen." Damit war die Unterredung beendet, den Oheim rief die Erledigung der Tagespost ins Comptoir, Clemens ging aus, um mit dem Eigentümer des zu kaufenden Geschäfts Rücksprache zu nehmen. Die Bedingungen und das Geschäft selbst entsprachen sei nen Wünschen, jn heiterer Laune trat Clemens am Abend den Heimweg an. Einige «sorgen bereitete ihm freilich der Wunsch des Oheuns, aber es war doch nur ein Wunsch, zu dessen Erfüllung er nicht gezwungen werden sollte. Gefiel ihm die junge Dame nicht, so hoffte er, auch den Oheim von der Begründung seiner Abneigung überzeugen zu können, es war also augenblicklich noch keine Ursache vorhanden, die seine Laune trüben konnte. Da bemerkte Clemens plötzlich in geringer Ent fernung vor sich zwei Damen, die ihm bekannt schie nen. Ihr Wuchs, ihr Gang, ihre Haltung — gewiß, er mußte sie früher Hon geschen haben, es tickeresfirte ihn, sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Mit we nigen raschen Schritten holte er sie ein. „Ah sieh da , unser junger Freund!" sagte Tante Helene lächelnd, „das ist eme sehr angenehme Ulebek- raschung." ' Mit dem Hut in der Hand stand Clemens vor Agnes, ihr Erröthen mußte ihm beweisen, daß auch ihr diese unerwartete Begegnung angenehm war. Und wenn dies der Fall war, so hatte sie auch seit der ersten Begegnung mit ihm oft an ihn gedacht, so war er ihr auch nicht gleichgültig. „Jn der That sehr angenehm," erwiderte Clemens verwirrt, „ich preise den glücklichen Zufall, der dieses Wiedersehen herbeiführte. Ich muß um Entschuldig ung bitten, daß ich damals Ihr Haus verließ, ohne Ihnen für Ihre Güte gedankt zu haben —" „Daran tragen Sie keine Schuld," unterbrach die Tante ihn rasch, „mein Bruder hat Sie ja förmlich hinausgetrieben." Agnes senkte die Wimpern; es war unzart von der Tante, daß sie den jungen Mann so unverblümt ihre Kenntniß seiner Werbung durchblicken ließ. Aber ihre Verlegenheit währte nicht lange, andere, ernstere Dinge schienen ihre Seele zu beschäftigen. „Papa nannte Ihnen den Grund, der ihn bewog, Ihren so ehrenvollen Antrag zurückzuweisen," sagte sie, „ich bedauere recht sehr, daß ihre Hoffnungen da durch vernichtet wurden, aber — „So beruhte dieser Grund wirklich auf Wahrheit?" fragte Clemens betroffen. Tante Helene zuckte die Achseln, als ob sie sagen wolle, das sei noch eine sehr zweifelhafte Sache, Agnes aber nickte bejahend. „Dann, mein Fräulein, erlauben Sie mir die Bemerkung, daß ich nicht glauben kann, Sie seien so ganz mit dieser von ihrem Herrn Vater projectirten Verbindung einverstanden." „Nein, wahrhaftig nicht," entgegnete die Tante, ohne zu bedenken, in welche Verlegenheit ihre Offen heit das Mädchen bringen mußte, „aber Agnes ist ein gehorsames Kind, und der Herr Bürgermeister liebt es seinen Willen durchzusetzen. Wir werden sehen, ich hoffe, daß meine Stimme auch noch einigen Einfluß hat, schweigend dulde ich es nicht, daß —" „Tante!" „Liebes Kind, ich weiß, was ich zu thun habe, wenn —" „Herr, welcher Wind hat Sie hierher geweht?" unterbrach sie eine rauhe Stimme. Clemens wandte bestürzt sich um, vor iwn stand der Bürgermeister von Derenberg, dessen Macht er schon einmal empfunden hatte. „Ich glaube, Ihnen darüber keine Rechenschaft schuldig zu sein," erwiderte er, empört über die barsche Anrede, „haben Sie auch hier das Recht, Legitimationspapiere von mir zu for dern, so stehen sie zu Diensten." Der Bürgermeister würdigte Clemens keiner Ant wort, ohne Gruß eilte er den Damen nach, die sich rasch entfernt hatten. Jn fieberhafter Erregung kehrte Clemens heim. Er durste und wollte nicht dulden, daß Agnes ver schachert würde, hatte er doch in ihren Augen gelesen, daß sie seine Liebe erwiderte. Der Oheim sollte