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Freude geworden. Dü( Weltausstellung ist bei ihnen, dem ewig friedliebenden Bölklei», da- «ah« Friedens- uud versvh«ung-fest, und fie schwimmen in Wonne darüber, daß die ganze gebildete Welt wieder auf Pari», die Metropole der Livilssation blickt. Man sieht also, daß die Franzosen, und zumal die Pariser, die alten geblieben sind. Bei einer unvenvüstlichen Lebenslust und Gefallsucht wolle« sie unter allen Umständen an der Spitze der Nationen marschiren, und eS steht zu fürchten, daß sie nach der Restauration ihre- Industrie ruhme- schließlich auch auf den Gedanken kommen werden, ihren Kriegsruhm wieder herzustellen. Freilich find ihnen die Kastanien, die fie in einem solchen Falle au- Deutschland holen müssen, bi» auf Weiteres noch viel zu heiß. Wir wollen auch kvnstatiren, daß un» die Franzosen in letzter Zeit keine liefere Ursache ge geben haben, mit ihnen unzufrieden zu sein. Der Marschallpräsident Mac Mahon hat sogar mit beson derer Genugthuung sich bei der deutschen Regierung bedanken lassen, daß wenigstens die deutsche Kunst auf der Pariser Weltausstellung vertreten ist. — Ueber die schwankende Haltung Oesterreichs in der Orientfrage werden von Wien aus nachstehend« Gründe angegeben. Die Besetzung Bosniens und der Herzegowina durch österreichische Truppen soll schon längst eine beschlossene Sache sein, doch wünscht die österreichische Regierung nicht ohne Weiteres auS eigener Jntiative eine solche Okkupation vorzunehmen, um sich etwaige Borwürfe zu ersparen, sondern di« österreichische Regierung hoffte, - von dem europäischen Kongresse durch Vorbringung ihrer Forderungen ein entsprechendes Mandat zu er halten. Der europäische Kongreß ist jedoch so gut wie unmöglich geworden, und nun muß wohl das Interesse Oesterreichs im Orient das europäische Mandat zur Okkupation Bosniens ersetzen und der ewig schwankende Kanzler Andrassy dürfte sich wohl doch zu einem Ent schlüsse emporraffen. Der Graf Andrassy will es aber immer den Oesterreichern und Ungarn zugleich recht machen, und die letzteren wollen bekanntlich keine Okku pation Bosniens, wenn mit derselben nicht gleichzeitig ein Krieg gegen Rußland bezweckt wird. Der Graf Andrassy dürfte daher schließlich von Neuem das öster- reichiscke Staatsschiff in die abwartende Stellung, die doch schließlich für Oesterreich gefährlich werden muß, bugsiren. — Zwischen Rußland und England, wo schon seit zwei Monaten der Schwerpunkt der Orientfrage liegt, könnte man, wenn man den diplomatischen Mit theilungen Glauben schenken wollte, wieder eine neue Phase verzeichnen, wonach Rußland bereit sei, den Kon greß anzunehmen, wenn Deutschland und Oesterreich den Vertrag von San Stefano auf dem Kongreßtische widerlegen würden, so daß Rußland die Demüthigung erspart bleibe. Wie auf diese Weise England und Rußland zu einem Ausgleiche gebracht werden sollen, das mag begreifen wer Lust hat. Eine einzige Nach richt aus Petersburg liegt vor, welche vielleicht für eine Versöhnung der widerstrebenden Interessen Eng lands und Rußlands von einiger Bedeutung ssein kann. — Es begeht sich diese Nachricht auf einen großen, unter dem Vorsitze des Kaisers Alexander stattgefundenen Ministerrach, in welchem beschlossen worden sei, England einige Concessionen zu machen.—Da eine friedliche Rege lung der Orientfrage notorisch fast keine Aussichten hat, so thut man wohl, sich ein wenig um die betref fenden kriegerischen Maßregeln zu kümmern, damit man durch gewisse tÄentualitäten nicht überrumpelt wird. In dem diesbezüglichen Verhältnisse Rußlands wider sprechen sich seit wenigen Tagen die Nachrichten. Bon der einen Seite wird behauptet, die Türkei verweigere die Herausgabe der Festungen Varna, Schumla und Batum, und sie rüste eine neue Armee aus, von der andern Seite wird jedoch berichtet, daß die Pforte Anstalten mache, die fraglichen Festungen den Russen zu übergeben. Positiv steht in den russisch-türkischen Beziehungen nur so viel fest, daß der Fürst Lobanoff zum russischen Botschafter in Konstantinopel und Schakir- Pascha zum türkischen Botschafter in Petersburg ernannt worden ist. Doch sind auch diese Botschafterernennungen keine direkten Beweise dafür, daß der russisch-türkische Friede an Festigkeit gewonnen hat. — Der Aufstand der Muhatnedaner in Rumelien gegen die Russen und Bulgaren dauert noch unverändert fort, doch liegen seltsamer Weise keine positiven Berichte über neue That- sachen vor. — Biel Staub wirbelt die Affaire von einem angeblichen russischen Kaperschiffe, der Cimbria, welches in amerikanischen Häfen sich zeigt, auf. Die englische Regierung läßt daS Schiff, welches vollständig wie zum Krrege bemannt ist, durch «inen ihrer ameri kanischen Generallonsuln beobachten. — Zwölftausend Mann der englisch-indischen Arm« werden in diesen Tagen in Malta erwartet, und sandte anch England eimge Panzer- und Transportschiffe nach dem Orient — In Mexiko, wo vor nicht langer Zeit der Bürger krieg erloschen ist, brach in den Provinzen Durango und Nuevo-Leon von Neuem eine Revolution aus. Die mexikanische Regierung hat den General Trevino mit Truppen nach den Provinzen gesandt, um den Aufstand zu unterdrücken. Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Berlin, 3. Mai. Der Reichstag beendigte in seiner heutigen Sitzung die zweite Lesung deS Gesetzentwurfs über die Gewerbegerichte. Die sich im Wesentlichen an die Regierungsvorlage an schließenden Anträge der Commission wurden mit ewigen unerheblichen Abänderungen angenommen. Die Anträge aus der Mitte des Hauses, welche die Wahl der Ber- sitzer durch die Betheiligten obligatorisch machen wollten, sowie ein Antrag auf Wegfall der Berufung gegen Ent scheidungen der Gewerbegerichte in Sachen von einem GeldeSwerth bis zu 300 M. abgelehnt. Dagegen be schloß der Reichstag, abweichend von der Vorlage und dem Commissionsantrage, daß den Beisitzern der Ge werbegerichte außer den Reisekosten auch eine Vergü tung für Zeitversäumniß gezahlt werden solle. — DaS Befinden des Fürsten v. Bismarck dürfte die Betheili gung an den bevorstehenden Steuerdebatten gestatten; der Reichskanzler soll hierher gemeldet haben, er wolle, wenn irgend möglich, diesen Verhandlungen beiwohnen und sich an ihnen betheilrgen. — Wie die „N. A. Z." meldet ^hat der Kaiser die Wahl der für den Weltpost- congreß zu Paris feiten des deutschen Reichs vorge schlagenen Vertreter (Generalpostmeister vr. Stephan und die geh. Oberposträthe Günther und Sachse) ge nehmigt- I)r. Stephan wird sich so rechtzeitig nach Paris begeben, daß er bei den entscheidenden Berathungen zugegen ist. Als die drei wichtigsten Gegenstände des Congreffes werden bezeichnet: die Feststellung eines ein- heitluhen Weltportos, die Vergütung für den Transit verkehr und der Austausch von Briefen mit Werthangaben. Königsberg, 4. Mai. Die „Ostpreußische Ztg." meldet, der Reichskanzler hätte die Ausfuhr derjenigen Pferde gestattet, welche auf dem diesjährigen Königs berger Pferdemarkt (25. bis 29. Mai) nach dem Aus lande verkauft werden. Oesterreich. Der Kaiser Franz Joseph wird Mitte Juni in Prag erwartet. Von dort begiebt sich der Kaiser nach Dresden zur silbernen Hochzeit des sächsischen Königspaares, die am 18. Juni stattfindet. Bei dieser Gelegenheit wird Kaiser Franz Joseph mit dem Kaiser Wilhelm zusammentreffen. Frankreich. Paris, 3. Mai. Der Postcon- greß hat gestern seine Arbeiten unter dem Vorsitze des Generaldirektors der Posten, Cochery, begonnen. — Aus Paris schreibt der dortige Correspondent der „Köln. Ztg." unterm 2. Mai: Wir haben manches ge diegene Gedränge in Paris erlebt, aber eine solche Volks masse, wie die, welche sich gestern Abend über die illuminirten Boulevards wälzte, ist seit Gedenken der Pariser« nicht auf den Beinen gewesen. Vom Chateau d'Eau bis nach der Madeleine schob sich's Kopf an Kopf und Ellenbogen an Ellenbogen, von Emulation war selbstverständlich keine Rede mehr. Und nicht bloß die großen Boulevards, sondern auch die Vorstädte waren so ungemein belebt. Der Anblick der Straßen war recht festlich, die Menge, so weit wir sie zu sehen bekamen, in gemüthlicher Feiertagsstimmung. Gegen 11 Uhr wurde es etwas lichter und einzelne Sänger gesellschaften zogen durch die Straßen. Sie sangen auck> zum Therl die Marseillaise, und eine große Gruppe hat sich das etwas satyrische Vergnügen gemacht, dem „Figaro" mit dem revolutionären Lied ein Ständchen zu bringen. Obgleich fast kein Polizist zu sehen und wohl eine Million Menschen in Bewegung war, fiel doch nicht die geringste Unordnung vor, und hätte man nicht Abends dem „Figaro" eine Katzenmusik dargebracht, so wäre daS Fest ohne den geringsten Mißton ver klungen. In Versailles wurde besonders auch der Eifer hervorgehoben, welchen die Bewohner der fran zösischen Ex-Hauptstadt bei der Feier deS Tages kund gaben, ohne daß Seitens der Behörden, wie dies unter dem Kaiserreich der Fall war, Zwang auSgeübt worden wäre. Richtig ist es jedenfalls, daß Pans unter der Herrschaft des dritten Napoleon nie so festlich geschmückt, nie m einem solchen Lichterglanz erstrahlte, die Boule vards und alle Straßen von einer so fröhlichen und begeisterten Menge erfüllt waren, als dies in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai der Fall war. Selbst als Paris die Einnahme von Sebastopol feierte, bot es kein solche- Schauspiel dar, und man muß auf 1848 zurückgreifen, wo die Illuminationen vielleicht noch all gemeiner waren, da die Pariser GaminS damals unter dem Absingen d«S famosen „ciss lsmpions l äss Inmpions I" die Fenster mit Steinen bewarfen, welche nicht beleuchtet waren. Wie gehoben die Stimmung war, mögen Sie darau» schließen, daß Vollblutfran zosen mit Ihrem Korrespondenten bei BonnesoiS auf dein Boulevard Montmartre in Champagner auf da» Wohl von Frankreich und Deutschland anstießeu. Ma« ist deS industriellen Sieges so froh, daß für den Augen blick alle Widerwärtigkeiten der letzten Jahre vergesst« sind. In den excentrischen Vierteln von Pari-, wo die Arbeiter wohnen und ohne Aufhören die Amnestie verlangt wird, war die Illumination gestern fast noch allgemeiner, als in den inneren Therlen der Stadt. Auch die Ortschaften in der Umgegend von Paris, wie Courbevoie, Auteuil, Puteaux rc. hatte» sich an der Feier betheiligt. Diese allgemeine Theiknahme schrieb man in Versailles auch dem Umstand zu, daß die fran zösisch« Ex-Hauptstadt seit 18SS (15. August) kein öffentliches Fest mehr gesehen hat und Jeder nach einem solchen dürstete. Nach dem Geschmack der Reaktion war der gestrige Tag natürlich nicht. DaS beweist schon die Sprache deS „UniverS", welches nicht allein den Marschall beschimpft, sondern auch den Preußen haß wieder wach zu rufen sucht. Es schreibt: Zwie gespräch zwischen zwei Nachbarn: Der Republikaner: „Sie illuminiren heute Abend nicht?" Der Franzose: „Haben wir die Preußen besiegt?" Großbritannien. Die „Times" läßt sich aus Petersburg telegraphiren, die Unterhandlungen in der Abrüstungsfrage hätten einige Fortschritte gemacht, es verlaute, daß englische Kabinet erkenne das Prinzip der Rathsamkeit des Ideenaustausches bezüglich der Quintessenz der Congreßfrage an, falls die formellen Schwierigkeiten, welche gegenwärtig den Zusammentritt deS Congresses verhindern, beseitigt würde. Man habe Grund zu glauben, das auch das russische Kabinet bereit sei, sich auf derartige Verhandlungen einzulaffen. DaS Promemoria des Fürsten Gortschakoff sei Seitens Eng lands noch nicht beantwortet worden. Rußland. Petersburg, 4. Mai. Der „Golos" kritisirt die jüngsten Reden des englischen Staatssekretärs Croß und führt aus, daß nicht der Friedensvertrag von San Stefano, welcher nur auf dem Papiere existire, sondern die Einfahrt der englischen Flotte in die Dardanellen tatsächlich die Konvention vom Jahre 1871 verletzt habe. England setze sich über den Vertrag hinweg, den es für Rußland als obligatorisch erachte. Die unlogischen Forderungen des Londner Kabinets zielten darauf ab, die Weigerung Rußlands zu provozrren, um den Krieg unvermeidlich zu machen. Rumänien. Rußland soll der rumänischen Regierung den Entwurf einer neuen Militär-Convention unterbreitet haben. Der Entwurf würde, wie es heißt, Rußland das Recht Vorbehalten, zwei Lager (bei Plojesti und Fokschani) zu errichten. Dagegen würde sich Ruß land verpflichten, alle zur Armee gehörigen Etablisse ments von der Hauptstadt fern zu halten. Auch daS Oberkommando der russischen Truppen würde in eine Provinzialstadt gelegt werden. Die rumänische Negierung verweigert bisher den Abschluß einer solchen Convention. Amerika. Wegen der in Mexiko ausgebrochenen aufständigen Bewegung fand am 3. d. in Washington ein Mimsterrath statt und hat in Folge der in dem selben gefaßten Beschlüsse General Ord die Anweisung erhalten, die größte Wachsamkeit zu beobachten und eine Invasion Mexikos durch revolutionäre Schaaren zu. verhindern. Sitzungen des K. Bezirks-Gerichts Meißen. In der am 26. April unter Zuziehung von Ge richtsschöffen abgehaltenen Hauptverhandlung wurde wider den Premierleutnant der Landwehr und Stations vorstand Wilhelm Reichel aus Berlin in contnmLciLrn verfahren. Der Genannte, 42 Jahr alt, war im Jahre 1875 von der Direktion der Berlin-Dresdner Eisen- bahngesellschaft als Vorstand der Station Frauenhain mit emem fixen JahreSgehalt von beiläufig 1300 Mark angestellt worden und bekleidete diese Stellung bis Mitte August 1877 zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Denn noch bei einer am 20. August vorgenommenen Revision wurde seine zeitherige Thätigkeit und nament lich auch die von ihm verwaltete Stationstaffe in bester Ordnung gefunden. Reichel, welcher sich vornehmer Verwandtschaft rühmen durfte, zähltesrr doch einen General und einen Obertribunalrath zu seine» Schwägern, lebte von seiner Frau, der Tochter eine- leider erst nach der Verehelichung fallit gewordenen BanquierS getrennt und hatte die Ehescheidung bereits ««geleitet, um seine Wirthschaftenn, Frau verw. Blondien auS Potsdam an Stelle der Ersteren in die Rechte und Pflichte« einer Hausfrau einzusetzen. Zur Erfüllung ihrer Pflichten schien er sie bereits in ziemlichem Umfange herangezogen zu haben; denn eS war wohl nicht bloS der Verlust ihres Vermögen-,