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Oerttiches und Sächsisches. Riesa, 26. April. — Indem wir unsere geehrten Leser auf die Ex trabeilage de- heutigen Blatte- aufmerksam machen, er wähnen wir noch, daß die in Oelfarbendruck vortrefflich au-geführten PortraitS Sr. Maj. de- König- Albert von Sachsen und Ihr. Maj. der Königin Carola von Sachsen in der Expedition d. Bl. zur Ansicht auS- liegen und Bestellungen (pro Stück 1 Mark SO Pf.) angenommen werden. — Wir sind in der Lage, der Bürgerschaft unserer Stadt die gewiß erwünschte Mittheilung zu machen, daß da- für Sachsen projektirte Hospital des evange lischen Johanniter-Orden- aller Wahrscheinlichkeit nach doch nach Riesa kommen wird. Die durch ein Miß- verständniß unterbrochenen Verhandlungen zwischen dem hiesigen Stadtrathe und den Vertretern deS Ordens sind wieder ausgenommen worden und werden voraus sichtlich zu einem günstigen Abschlüsse führen. — Mit dem Baue unserer Parkfreitreppe geht eS rasch vorwärts und wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird dieses schöne Denkmal gemeinnützigen Strebens, das der Stadt keinen Pfennig kostet, wenn auch vielleicht nicht eher, so doch mindestens zum fest gesetzten Termine — zum Himmelfahrtsfeste— vollendet sein. Am Abend des 20. April ist die zwanzigste und letzte Stufe der linken unteren Treppe gelegt worden und am 24. April hat man mit der Stufenlegung zur rechten unteren Treppe begonnen. Die Länge dieser Stufen beträgt 2,60 Meter, während die Länge der Stufen zu den Mitteltheilen der Treppe 2,89 Meter und jene zu der vereinigten oberen Treppe 4 Meter betragen wird. Die Gesammtzahl der Stufen wird sich auf 74 beziffern, wovon auf die unteren Treppen je 20, auf die Mitteltteppen je 7 und auf die obere Treppe 20 Stufen entfallen werden. Dennoch wird die eigentliche Treppenhöhe 47 Stufen betragen. — Nachdem am 13. Januare, die Königin-Marien- hütte in Cainsdorf mit der Ausstellung der vier eisernen Träger für unsere neue Eisenbahnbrücke fertig geworden war und man darauf in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Legung der in den Haupttheilen eisernen Fahrbahn der Brücke fertig gestellt hatte, konnte am 4. Februar zu der vorschriftsmäßigen Prüfung der Trägersystem« verschritten werden. Da sich bei dieser Prüfung die Trag- und Widerstandsfähigkeit der Träger auf'S Glän zendste bewährt hatte, so ist die Brücke bald darauf dem Verkehr übergeben und seitdem der gesammte Bahnverkehr über dieselbe gnommen worden. Mit dem 5. Mai wird der Brückenbau in ein neues Stadium treten. An diesem Tage nämlich wird die Königin-Ma- rienhütte mit der Aufstellung der gleichgroßen Träger für die 7 Meter breite Straßenbrücke beginnen. Bereits ist das Holzgerüst für de» ersten Bogen am jenseitigen Elbuftr fertig gestellt worden und mit der Herstellung des Gerüstes für den zweiten Bogen ist man soeben beschäftigt. Bei der bekannten Pränsion der Bauleitung steht zu erwyrten, daß auch der Bau der Straßenbrücke zum festgesetzten Termine vollendet sein wird. In zwischen wird man auch mit der Abtragung der nun mehr überflüssig gewordenen Jnterimsbrücke beginnen. — Am 24. April hielt hier im Saale des Kron prinzen der Reiseredner des in Berlin begründeten CentralvereinS für Socialreform auf religiöser und konstitutionell-monarchischer Grundlage, Herr Löffel/ seinen ersten Vortrag „übet die sociale Frage und den Central verein für Socialreform." Redner entwickelte unter dem Hinweis darauf, daß die sociale Frage die brennendste Frage der Gegenwart sei, in fließendem und begeistertem, für den berechneten Zweck vielleicht etwas zu hoch ge haltenem Bortrage vor einer sehr zahlreichen Zuhörer schaft zunächst die Motive, welche die Bildung deS Centralvereins für Socialreform hervorgerufen haben. Unter Zugrundlegung von einundzwanzrg Aussprüchen von politischen, wissenschaftlichen, finanzrellen und kirch lichen Autoritäten, sowie Citaten aus einigen der be deutendsten Organen der Presse wurden diese Motive dahin beantwortet, daß der genannte Verein, fern von aller politischen und religiösen Parteistellung, auf sitt lich-religiöser und monarchisch-konstitutionellen Basis eine Hebung und Besserstellung deS dritten und vierten Standes, «ne Vereinigung der Kluft zwischen Arm und Reich, eine Beseitigung der in unserer Zeit bis zu einem hohen Grade gediehenen Entfremdung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber anstrebe und dazu berufen sei, den maßlosen Forderungen der Socialdemokratie wirksam entgegenzuireten. Der Centralverein bezwecke die Lösung der socialen Frage durch auf friedlichem Wege sich vollziehende sociale Reformen, während die Socialdemokratie die Lösung auf gewaltsame Weise durch die Revolution in Permanmz provocire. Al- Mitte! zur Erreichung de- Zwecke- wurden in der Hauptsache bezeichnet: Verzweigung de- CentralvereinS für Socialreform über da- ganze deutsche Reich, Aus sendung von Reiseredner» und Agitatoren, möglichste Verbreitung deS „GtaatSsocialisteu", Organ- für den Tentralverem, und anderer aufklärenden Schriften, Gründung eines eiserne» Fonds, Bildung von obliga torischen Fachgenoffenschaften (ReichSgewerken), sowie Begründung von Kranken- und HülfScaffen, Wittwen- und Waisen- und AlterversorgungS- Rentencaffen. Der Lentralverein hat seinen Sitz m Berlin. Mitglied des selben kann jeder sein, der in religiöser Beziehung nicht Atheist, in politischer Beziehung nutzt Republikaner und in philosophischer Beziehung nutzt Materialist ist. Die jährliche Beisteuer beträgt pro Mitglied mindestens 3 Mark. Nachdem Redner sich noch des Weiteren über die Verfassung deS Vereins verbreitet und die Zuhörer über die provisorischen Statuten desselben orientirt hatte, bezeichnete er das darauf zum Vortrag gebrachte Programm der auS dem Schooße deS Cen tralvereins hervorgegangenen christlich-socialen Arbeiter partei als identisch nut den Zwecken des Central vereinS, zwischen welchen beiden Vereinigungen wesentlich nur der Unterschied bestehe, daß erstere sich hauptsächlich mit der Arbeiteichattei beschäftige, während letzterer sich vorzugsweise an die besitzenden Klaffen der Bevölkerung wende. Wiederholt wurde betont, daß der Centtal verein zur Erreichung seiner Ziele auf eine thatkräftige Unterstützung feiten der Kirche und deS Staates rechne. Einige Verdächtigungen, die der Centtalverein seit seinem Bestehen von gewissen politischen und kirchlichen Parteien erfahren, zurückweisend, schloß Herr Lössel seinen ebenso eingehenden als anregenden Vortrag. — Eine, vielleicht von mehreren Seiten gewünschte Debatte über die sociale Frage und deren Lösung fand nicht statt. Weit entfernt, die Verfassung des Central vereins für Socialreform, dessen Ziele und Wege zu kritisiren oder «in vorzeitiges Urtheil über die von ihm erwarteten praktischen Erfolge seiner socialreformato- ttsche» Thätigkeit zu fällen, erlauben wir unS hier nur die eine Frage: Warum rechnet der Centtalverein zur Erreichung seiner Zwecke nur auf die Mitwirkung«« Kirche und deS Staate- und nicht auch auf die Mit arbeit eines der wichtigsten Faktoren sür geistige Frei heit und Kultur — auf die Mitarbeit der Schule. Radeburg. Am ersten Osterfeiertage Nachmit tags in der sechsten Stunde ertrank in der Promnitz ein im dritten Lebensjahre stehender Knabe deS Schneiders Poschwitz, der in der Nähe von Richter'S Färberei an der Großenhainer Straße auf einer Bank gestanden und gespielt, dabei aber das Uebergewicht erhalten hatte und in das Wasser gefallen war. Der Leichnam des Kindes ist eine Strecke fottgeschwommen und an einem Strauche in der Röder hängen geblieben, woselbst er aufgefundm wurde. Es ist dies wiederum eine Mahnung, kleine Kinder ja nicht ohne Aufsicht zu lassen. Freiberg. Am 20. April verunglückte in der Schwefelsäurefabrik der HalSbrückner Hütte der 19 Jahre alte Arbeiter Körner dadurch, daß ihm beim Abladen von Blei eine circa 14. Ctt schwere Rolle auf die Brust stürzte, was seinen sofortiger» Tod herbeiführte. Nossen. In Niedertoppschädel ist in der Nacht vom 22. zum 23. April in der Scheune deS Witth- schaftsbesitzers Richter Feuer auSgebrochen und dadurch dasselbe, wie die damit zusammenhängenden 3 anderen Gebäude deS Richter'schen Grundstückes total zerstört worden. Geringswalde, 23. April. Gestern in der 10. Abendstunde wurde ein Dienstmädchen auS Alt- geringswalde, welches beauftragt war, die Töchter ihrer Herrschaft von dem nahen Rittergute Klostergerings- walde abzuhole», von einem unbttannten Manne in wahrscheinlich räuberischer Absicht augefallen und zu Boden geworfen. Das Mädchen hatte dennoch den Muth, sich dem Verbrecher zu widersetzen und gelang eS ihr, sich durch Hülferufe und Flucht zu retten. ES ist möglich, daß dieser Anfall von derselben Person auS- geführt ist, welche den Mord bei SchweickerShain ver übt hat. Auerswalde. In vergangener Woche begrub man hier den Auszügler Friedrich Schumann, der, im Jahre 1788 geboren, beinahe da- Mer von 90 Jahren erreicht hatte. Er war Veteran und . hatte die Schlachten bei Jena und Leipzig, sonne den Feldzug in Frankreich mitgemacht. Zwönitz, 2V. April. Sestern in der fünften Stunde hat sich der Kürschner H., ein junger ver- heiratheter Mann, mittelst Revolver- erschoßen. H. Sonnabend, den 27. AM 1878. ' '' ' 1 - Beilage Mm „Mbeblntt mW Anzeiger" Sonnabend, den 27. AM 1878. AI. Aghrß soll in Folge zerrütteter Vermögen-Verhältnisse in der letzten Zeit schwermüthig gewesen sein. Sitzungen des K. Bezirks-Gerichts Meißen. Endlich hat der im Iah« 1876 begonnene große Gründerprozeß, welcher «ne „Osuss vAödrs" für Meißen werden sollte, sein Ende erreicht oder vielmehr, er ist so gut wie im Sande verlauft«. Ueber einer größeren Anzahl meist angesehener Männer Dresden- und Meißen- hing eine geraume Zeit das Damokles schwert einer drohenden Untersuchung, bis die ange- stellten umfänglichen Erörterungen erkennen ließen, «aß sich nur gegen eine jener Persönlichkeiten eine Schuld werde nachweisen lassen. Es war dies der Direktor der Frachtschifffahrtsgesellschaft und Mitinhaber der Firma Herzog und Philippi in Dresden, Philipp Karl Ferdinand Philippi daselbst, gegen welchen die Untersuchung jedoch nicht, wie anfänglich beantragt, wegen Bettugs, sondern wegen Verschleierung der Bilanz eingeleitet wurde. Diese Untersuchung, welche zur Durchführung und Ab urteilung an das Gerichts-Amt Meißen verwiesen worden war, bildete den Gegenstand des ersten der am 9. April abgehaltenm Einspruchsverhandlungstermine. Bekannmch wurde im September 1872 die bis dahin dem Maschinenbauer Julius Behrisch gehörige Maschinenfabrik zu Zscheila von einer Aktiengesell schaft für den Preis von 450,000 Matt erworben und unter der Firma: „Meißner Maschinenfabrik und Eisen gießerei" unter Leitung zunächst des Ingenieur HauS- ding, vom 1. Februar 1873 ab aber des früheren Be sitzers Behrisch fortbettieben. Letzterer hatte für die nächsten 3 Geschäftsjahre die Garantie eines jährlichen Nutzens von 10°/, übernommen und war dieses Garantieversprechen in dem der Einladung zurActien- zeichnung beigegebenen Prospekte, welcher außerdem die näheren Angaben über die Leistungsfähigkeit und über die Wetthe der Maschinen und Borräthe enthielt, mit aufgenommen worden. Die ganze Gründung war in der Hauptsache da- Wett des Angeschuldigten Philippi, welcher auch in de» ersten Jahren die Function eines AufsichtSrathS bei der genannten Aktiengesellschaft bekleidete. In dieser seiner Eigenschaft fertigte Philippi nach Schluß d«S ersten Geschäftsjahres den Rechenschaftsbericht an und ließ sich auch herbei, in den Geschäftsbücher mannichfache Aenderungen vorzunehmen. In dem Prospekte und dem entsprechend in den Handelsbüchern der Gesellschaft war der Werth der Maschinen und Werkzeuge aüf 25,000 Thaler beziffert worden. In dem ersteh vom Angeklagten angefertigten Geschäftsberichte nun findet sich dieser Werth auf 61,935 Thaler angegeben. Den noch hittt eS der Angeschuldigte nicht für angezeigt, währmd der am 4. Februar abgehaltenen, von ihm selbst geleitettu Generalversammlung diese so wesentliche Abänderung zu erläutern und zu derselben die Ge nehmigung der Aktionäre einzuholen. Abgesehen nun davon, daß die letztgedachte Werthsanqabe insofern gegen den wirklichen Älchverhalt verstieß, als Maschinen und Werkzeuge höchstens einen Werth von 38,880 Thaler hatten, wurde durch Sachverständiger Gutachten noch festgestellt, daß in Folge dieser Abänderung ein Rein gewinn von nahezu 10°/, herauSgerechnet werden konnte, während in Wirklichkeit eine Unterbilanz von über 6000 Thaler vorlag. Es konnte dahin gestellt bleiben, in welcher Weise durch diese Manipulation das Vertrau«» der Aktionäre getäuscht beziehentlich das Vermögen der selben geschädigt worden ist. Wegen Betrugs war oie Anklage ja fall« gelassen worden. Daß dagegen die Bestimmung in Art 249° des Handelsgesetzbuchs von Philippi übertreten worden war, leuchtet sofort ein, wenn man den Wortlaut derselben ins Auge faßt! Diese Bestimmung lautet nämlich: „Die Mitglieder deS AufsichtSrathes und d«S Vorstandes werden mit Ge- fängniß bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Uebeissichten über denBer- mögenSstand der Gesellschaft oder in den in der Ge neralversammlung gehaltenen Vorträge wissentlich dm Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr dar stellen oder verschleiern." Philippi wurde denn auch in erster Instanz wegen Verschleierung der Bilanz zu sechs Wochen Gefängniß verartheilt. In dem auf dm Einspruch deS Angeschuldigten stattgefundene» Ver handlungstermine nun suchte der Vertheidiger, Herr Adv. Richard Schanz auS Dresden, mit dem Aufgebot aller seiner gewohnten Beredtsamkeit die Handlungs weise seines Defendenden als vollkommen berechtigt dar zustellen. Allein vergebens! Die erste Instanz wurde lediglich bestätigt.