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Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der Oberpräsident von Seydewitz veröffentlicht folgenden Dank Sr. Maj. des Kaisers an die Provinz Schlesien: „Die Tage Meiner Anwesenheit in Breslau und in Schlesien wäh rend der diesjährigen großen Herbstübungen neigen sich zu Ende und will Ich aus dieser Stadt und aus der schönen Provinz nicht scheiden, ohne aus bewegtem Herzen Meine Freude und Meinen Dank zum Ausdruck zu bringen für die zahlreichen Beweise von Liebe und treuer Anhänglichkeit, welche Mir auf Schritt und Tritt auS allen Kreisen der Einwohner entgegengebracht sind. Indem Ich Sie beauftrage, dies allgemein bekannt zu machen, füge Ich hinzu, wie auch die Meldungen über die durchweg freundliche und gute Aufnahme, welche den Truppen der beiden zu den Hebungen vereinigt gewesenen Armeecorps überall in der Provinz zu Therl geworden ist, Meine warme Anerkennung gefunden haben. BreSlau, 13. September 1882. (gez.) Wilhelm. An den Oberpräsidenten der Provinz Schlesien/' Es ge reicht mir zur hohen Freude, vorstehende Allerhöchste Cabinetsodre zur öffentlichen Kenntniß bringen zu können. Breslau, 13. September 1882. Der Oberpräsident Wirkl. Geh. Rath v. Seydewitz." Jin Widerspruch mit entgegengesetzten Localnach richten muß die „Nordd. Allg. Ztg." leider bestätigen, daß das Befinden des Herrn Reichskanzlers sich nicht gebessert hat, derselbe leidet nach wie vor an heftigen neuralgischen Schmerzen, welche seine Betheiligung an den Geschäften verhindern. An Stelle des aus Washington nach Rom be rufenen Gesandten Herrn von Schlözer hat die Neichs- regieiung den bisherigen Gesandten in Japan, Herrn von Eisendecher, zum Gesandten in den Vereinigten Staaten ernannt. Fraukreich» Kein Land hat in letzter Zeit mehr seine Friedensliebe betheuert, als Frankreich mit seinem Ministerium „absoluter Enthaltsamkeit". Trotzdem hat es aber zur Zeit an nicht wen'ger als sieben Stellen diplomatische Difsercnzen oder offenen Konflikt der Waffen zum Austrag zu bringen: 1. in Kochinchina mit dem Königreich Anam, 2. in Madagaskar, 3. mit Marokko wegen der Oase von Figuig, 4. mit Tripolis wegen der Grenzstämme und Bedrohung der Europäer, 5. mit der Pforte wegen Syriens, 6. mit der Republik Andorra und 7. mit den Negern vom Senegal. Zahlreiche israelitische Auswanderer aus Rußland, meistens dem Albeiterstande angehörig, sind in Paris cingetroffen. Die Familie Rothschild hat für die Unter bringung derselben Räumlichkeiten im Gesammtbetrage von 45000 Frank miethen lassen und will ihren Glaubensgenossen, im Falle sie keine Arbeit finden sollten, auf ein ganzes Jahr hinaus eine Unterstützung von 7 bis 8 Frank pro Woche und per Kopf gewähren. Großbritannien. In Limerick wurde am Montage' rm dortigen Gefängnisse der Agrarmörder Hynes, dessen Proceß zur Verhaftung GrayS Anlaß gab, hingerichtet. Um Ruhestörungen der das Gefängniß umlagernden ungeheuren Volksmassen zu verhindern, war die Garnison verstärkt und siebenhundert Extra- Konstabler nach Limerick beordert. Seit Beginn der irischen Agrarunruhen ist Hynes der erste, welcher seine Unthaten auf dem Schaffst büßte. In den meisten Städten des westlichen Irlands, auch in Limerick, sanden Trauerkungdebungen, sowie Messen für die Seelenruhe des Hingerichteten statt! Holland. Zu der vom Mai bis October k. I. stattsindenden internationalen Ausstellung für Kolonien und Export, für welche man anfänglich in deutschen Regierungskreisen wenig Interesse zw zeigen schien, sind bis jetzt (also 8 Monate vor der Eröffnung) schon 300 deutsche Industrielle angemeldet, und etwa eben so viele unterhandeln noch dieserhalb. Rußland. Die letzthin mit so großer Bestimmt heit aufgetauchten Gerüchte über die „bevorstehende" Krönung des Zaren scheinen diesmal nicht, wie eS bis her der Fall war, auS der Luft gegriffen zu sein ; denn der russische Minister des Innern, Graf Tolstoi, hat erst dieser Tage einen Erlaß an die Gouverneure ge richtet, auS jedem Gouvernement ü Gemeindeälteste als Krönungsdeputation zu wählen und dann die Listen dem Ministerium zur Genehmigung einzureichen. Der Zar scheint es allmählich aufgegeben zu haben, sich von seinem Volte abzuschließen. Gelegentlich des Alexander-Newsky-FesteS stattet« der Zar dem -lexander- NewSky-Kloster einen Besuch ab; er legte den Weg dorthin mit seiner Familie in einem offenen Wogen ohne jegliche militärisch« Bedeckung zurück und wurde von den ans beiden Seiten deS Weges «io dichte^Spalier bilden den BevvlterungS«afftn mit enthusiastischen Hurrah- rufen begrüßt. Amerika. In Panama «erden fortwährend Erd stöße verspürt und herrscht deswegen große Bestürzung. S Biele Familien habeu sich in den offenen Feldern eiu- quartirt, da sie sich fürchten, in der Stadt zu bleiben. Die Eisenbahn hat ernsten Schaden gelitten. Die Brücken sind theilweise zerstört worden und die Schienen haben sich an vielen Stellen verschoben. Aegypte«. Schneller als , man nach den bis herigen Anzeichen erwarten buche, ist auf dem ägyptischen Kriegsschauplatz« die Entscheidung erfolgt: am Mitt woch haben die Engländer die festen Stellungen der Aegypter bei Tel-el-Kebir erstürmt, vierzig Kanonen erbeutet und die Truppen ArabiS theilweise zersprengt, theilweise gegen die südliche Wüste zurückgetrieben. Der Verlust ArabiS sall 2000 Mann, der der Engländer 200 Mann, darunter viele Offiziere, betragen. Die englische Kavallerie verfolgt die fliehenden Aegypter gegen die Wüste hin. — Der Weg nach Kairo hin liegt nun den Engländern offen, wie denn auch dem Anscheine nach das ganze fruchtbare Nildelta von ihnen beherrscht wird. Die verhältnißmäßig wenigen ägyptischen Trup pen, welche Arabi Pascha in der Nähe von Alexandrien, in Kafr-el-Dewar, zurückgelafsen hat, werden wohl keinen ernsthaften Widerstand versuchen. — Die Londoner Abend-Journale melden aus Alexandrien vom 14. das Gerücht, Arabi sei bei Beuha gefangen worden und halte sich bei Kafr-dowar auf. Gegen wärtig befindet sich eine Deputation aus Kairo auf dem Wege nach Alexandrien. — Nachrichten aus Sagazig zufolge war daselbst der Befehl gegeben worden, falls Arabi unterliegen sollte, alles den Europäern gehörige Eigenthum in Brand zu stecken. Ob der Befehl aus geführt wurde, darüber liegen noch keine Meldungen vor. — Die Frage der Entschädigung deutscher Staats angehörigen, welche bei den Vorgängen in Alexandrien um ihr Eigenthum gekommen sind, bildet unausgesetzt den Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Mächten. Bemerkenswerth ist, daß die englische Regierung sich an die Spitze der Bewegung stellt, welche die praktische Lösung der Frage anstrebt, wahrscheinlich, um sich die deutsche Politik warm zu halten. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 15. September 1882. Morgen, den 16.Sept., wird ausAnlaß der in hiesiger Gegend stattfindenden Feldmanöver des sächsischen Armee corps Se. Majestät KaiserWilhelm,der obersteKriegs- heer, an der Seite Sr. Majestät unseres allverehrten Königs Albert mit einem glänzenden Gefolge Einkehr in unsere Stadt halten — ein hochwichtiges, ewig denk würdiges Ereigniß, das in den Annalen Riesa's zu allen Zeiten einen Glanzpunkt bilden wird, das der jetzt lebenden Generation, der das hohe Glück zu Theil wird, Augenzeuge dieser seltenen Ehre und Auszeich nung zu sein, unvergeßlich bleiben wird, von dem aber auch noch die spätesten Geschlechter mit hoher Befrie digung erzählen werden. Und in der That, der 16. Sept. 1882 verdient cs, mit goldenen Lettern in die Chronik der Stadt eingezeichnet zu werden, denn einer solchen Auszeichnung ist Riesa bisher noch nicht theilhaftig geworden. Mit hoher Begeisterung hat da her auch die Bewohnerschaft unserer Stadt seiner Zeit die Freudenbotschaft von dem bevorstehenden Besuche der Allerhöchsten und Hohen Herrschaften ausgenommen, mit dem Enthusiasmus, der in den unverlöschbaren patriotischen Gefühlen eines durch ein weises und mildes Regiment beglückten Voltes wurzelt, wird sie morgen die erlauchten Herrscher des großen deutschen und des engeren sächsischen Vaterlandes in ihren Mauern empfangen. Und um diesen Gefühlen der Freude und der Begeisterung auch äußerlich Ausdruck zu verleihen, hat sich die Stadt mit Blumen und Kränzen, mit Fahnen und Flaggen und anderen fest lichen Abzeichen geschmückt, die den geliebten und ver ehrten Fürsten ein beredtes Zeugniß geben sollen von den Gesinnungen tiefster Verehrung und ehrfurchtsvoll ster Huldigung, die man Ihnen hier in allen Schichten der Bevölkerung freudig und gern entgegenbringt. Die Stadt prangt im herrlichsten Festgewande wie eS hier wohl noch nicht gesehen worden ist; selbst die ausgezeichnete Decoration zu dem Sängerfest deS „Sängerbundes des Meißner Landes" am 11. Juni 1869 und zu dem Friedensfeste 1871 reicht an diese nicht heran, die Riesa zu Ehren II. MM. des Kaisers und des Königs und Ihrer Hohen Gäste ver anstaltet hat. Eine Hauptzierde bilden die Tausende von fichtenen Zierbäumen, welche die Straßen vom Bahnhof« bis zur Einmündung der Poppitzer Straße «infassen und dre Häuserfronten schmücken ; glaubt man doch, hier in den Hallen eine» grünen Fichtenwaldes zu Mndrln. lieber die Straßen, Haupt- und Neben- stramh ziehen sich von einer Häuserreihe zur andern »ahWche Guirlanden von Eichenlaub, in deren Mitte Kränz» mch Kwnen von Land «nd Astern und „Kaiser blumen" prangen. Die Häuser sind auf daS Reichste mit Gewinden von Eichenlaub, Fichtenreißig und Blumen geschmückt; dazwischen sieht man Wappen, namentlich das deutsche Reichs- und das sächsische LandeSwappen und viele andere Embleme nebst den Buchstaben „W" und „A", welche theils einzeln, theils als Monogramm verschlungen auS der grünen Einfassung hervorragen. Biele Gebäude tragen reich« Draperien, einzelne ge schmackvollen Säulen- und Ornamentenschmuck. Erne imposante Zierde verleiht den Straßen die reiche Fahnen- und Flaggendecoration zumeist in den deutschen und sächsischen Farben und in den Farben der Stadt Riesa. Auf der Bahnhofs- und Wettiner-Straße ragen hohe Fahnen-Mastrn in die Höhe. Am sächsischen Hofe er hebt sich die erste mit den BrustportraitS des Kaisers und des Königs in GypS, dem deutschen Reichsadler und dem sächsischen KönigSwappen, mit Fahnen und Draperien in den Reichs- und Landesfarben gezierte Ehrenpforte; die zweite und dritte Ehrenpforte, welche ähnlichen Schmuck zeigen, stehen, erstere am „Albert- Platz", letztere an der Einmündung der Poppitzer Straße. Kurz, die wirklich schöne und geschmackvolle Decoration, welche Riesa zu dem „Kaiserfeste" entfaltet hat, ge währt der Stadt einen imposanten, malerischen Anblick. Es würde heute zu weit führen, auf Einzelheiten ein- zugehen; wir werden auf hervorragende Verzierungen in nächster Nummer dieses Blattes zurückkommen. Das Wetter war prachtvoll — ein wahres Kaiserwetter. So hat sich die Stadt Riesa geschmückt, um die erhabenen Monarchen, den mächtigen Schirmherrn des deutschen Reichs, Kaiser Wilhelm den Siegrei chen, und den geliebten und allverehrten Landesvater, König Albert, nebst Hochderen fürstlichen Gästen zu empfangen. Möge der Tag, an dem der ruhmge krönte Hohenzoller an der Seite des tapferen Wettiners hier Einkehr hält, möge dieser hohe Ehrentag für die Stadt auch ein Tag des reichsten Segens sein und werden. Unvergeßlich wird der Tag Allen sein, die ihn erlebten, doch auch in den spätesten Zeiten wird man hier des 16. Septembers 1882 als des Kaisertages von Riesa froh und freudig gedenken. — Ein großartiges Leben und Treiben herrschte heute in den Morgenstunden in unserer Stadt Ungeheuer war der Menschenstrom, der sich vom Bahn hofe durch die Stadt nach dem Päradeplatze hinwälzte. Dazwischen fuhren Equipagen, Omnibusse und andere Geschirre, ein- und zweispännig, auf undf ab, welche Zuschauer nach dem Paradeplatze beförderten. Um 8 Uhr kamen die Wagen des K. Ober-Stallamtes von der Elbbrücke her hier an. Inzwischen nahmen gegen 9 Uhr die hier in Quartier liegenden Truppen Auf stellung und marschirten in Parade-Uniform mit Musik nach dem Paradeplatze ab. Kurz, das Ganze bunte Chaos verlieh der Stadt das Bild einer Großstadt. In den hiesigen Bahnhof waren in der Zeit von früh 5 bis 8 Uhr von Dresden, Leipzig, Chemnitz, Großen hain und Nossen nahezu 40 Personenzüge, darunter die weitaus größere Anzahl Extra-Züge eingelaufen. Von Breslau ab war die Ankunft von zahlreichen „Langfingern" an die Polizei signalisirt worden. Jeden falls sind dieselben auch eingetroffen und wird sich die in großer Anzahl anwesende Gendarmerie schon ange legen sein lassen, diesen Herren vom Stamme „Nimm" tüchtig auf die Finger zu gucken. In der Zeit von 2 Uhr 40 Minuten bis 7 Uhr 20 Minuten Nach mittags werden 36 fahrplanmäßige und Extra-Perso nenzüge vom hiesigen Bahnhofe aus abgelassen werden, davon nach Dresden 16, nach Leipzig 13, nach Chemnitz 6. — Vom 15. d. M. werden hier directe Tages - billets mit dreitägiger Gilttigkeit ausgegeben nach Burxdorf 2. Cl. 2,20 M., 3. Cl. 1^60 M., Falkenberg 2. - 3,60 - 3. - 2,60 - — Der „Reichsanz." macht bekannt, daß die neue Ausgabe der „Pharmacopoea Germanica" erschienen ist. DaS neue Arzneibuch tritt mit dem 1. Januar 1883 innerhalb des ganzen deutschen Reichsgebietes an Stelle der zur Zeit in Geltung befindlichen Ausgabe auS dem Jahre 1872 in Krast, so daß von jenem Zeitpunkte ab die darin verzeichneten Arzneimittel seitens der Apotheken ausschließlich in der dort vorgeschriebenen Beschaffenheit und Zusammensetzung feilgehalten und verwendet werden müssen. DaS Werk ist daS Ergeb- niß mehrjähriger sorgsamer Arbeit, an welcher sich die hervorragendsten Fachmänner Deutschlands betheiligt haben. Die 1872er Ausgabe konnte nach Lage der Verhältnisse hauptsächlich nur eine Zusammenstellung der in den damals geltenden, zum Theil schon ver alteten Pharmacopoeen der verschredenen Bundesstaaten enthaltenen Arzneimittel geben, die neue Ausgabe be ruht dagegen auf einer völlig selbstständigen kritischen Durchmusterung des gegenwärtigen ArzueischatzeS. Sie «eicht daher auch von der alten Ausgabe dem Inhalte