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Elbeblatt und Anzeiger : 24.09.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666406244-189209243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666406244-18920924
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666406244-18920924
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Elbeblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-09
- Tag 1892-09-24
-
Monat
1892-09
-
Jahr
1892
- Titel
- Elbeblatt und Anzeiger : 24.09.1892
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Kreishauptmannschaften als im Königreich fast dasselbe Er- gebniß wie im Augustbericht. — Die III. Strafkammer des königlichen Landgerichts zu Dresden verhandelte vorgestern gegen den am 18. Februar 1877 zu Niederranschütz'bel Döbeln geborenen, bisher noch unbescholtenen Tischlerlehrling, früheren Dienstknecht Heinrich Paul Haake wegen schweren und einfachen Diebstahls. Als Pcrtheidiger fungirte Referendar Dr. Spitzner. Der An geklagte stand bis zu seiner am 26. v. M. erfolgten Ver haftung bei dem Tischlermeister Schumann in Riesa in der Lehre. Als Haake am 2. August im Auftrage seines Lehr herrn in der Behausung des Sattlcrmeisters Marle mit dem Anstreichen von Tbüren beschäftigt war , benutzte der junge Mann daselbst eine günstige Gelegenheit, zwei an der Wand hängende Peitschenriemen mit fortzunehmen. Einige Tage darauf öffnete der leichtsinnige Bursche in der Wohnung seiner Mutter einen verschlossenen Sekretär mittels eines falschen Schlüssels und stahl daraus ein Zehn markstück, sowie ein seiner Schwester gehöriges, auf eine Einlage von 25 Mark lautendes Sparkassenbuch. Haake hat den Betrag abgehoben und denselben, sowie die gestohlenen 10 Mark gelegentlich -eines Ausfluges in die Residenz ver wendet. Als der Angeklagte hierher wieder znrückgekehrt war, ist er bei seiner Verhaftung auch noch in frecher Weise gegen den betreffenden Schutzmann ausgetreten. Haake hat es lediglich seiner Jugend und bisherigen Unbescholtenheit zu verdanken, daß ihm nur eine Gefängnißstrafe in der Dauer von 3 Monaten 2 Tagen zuerkannt worden ist. Seußlitz. Bei einer auf Dicraer Flur abgehaltenen Rebhuhnjagd wurde der dasigc Gutsbesitzer irnd Jagdpächtcr Beg von einem an der Jagd betheiligten Herrn angeschossen. Glücklicher Weise ging die Mehrzahl der Schrote fehl; doch mußte immerhin noch eine Anzahl der in den Armen, im Gesicht und in der Kopfhaut sitzenden Schrote durch einen Arzt entfernt werden. Aus der Lößnitz. Vor einigen Tagen mußte ein Bauunternehmer einen für seine Arbeiter von seinem Villen neubau wohl vorbereiteten Hebeschmaus fast ganz allein feiern. Alles zum Feste ist gut vorgesehen: Suppe, 2 Gerichte, pro Mann 1 Flasche Wein, einige Tonnen Lagerbier, Tafel- und Tanzmusik, doch nur 2 der geladenen Gäste stellten sich zu dem Feste ein. Der Grund zu diesem neuartigen Streik war der, daß das Fest nach Schluß der Arbeitszeit und nicht während der bezahlten Arbeitsstunden abgchaltcn wurde. Es muß auch solche Käuze geben! Sayoa. Eine Familie, die sich eines seltenen Kinder segens erfreut, ist Diejenige des Oehlmühlenbcsitzers Grieß bach in Dorfchemnitz. Wiederholt ist diese Familie durch Zwillingsgeburten überrascht worden, ja einmal auch durch Drillinge. Vor vierzehn Tagen ereignete es sich in der nämlichen Familie abermals, daß Dringlinge zur Welt kamen. Von den 17 Kindern, welche insgcsammt den Ehe leuten Grießbach geboren wurden, leben noch 7, nachdem von den zuletzt geborenen Drillingen eins am Tage der Tause gestorben ist. Zwickau, 22. September. Aus Anlaß der gestrigen KöniZsparade waren hier alle Schulanstalten geschlossen. Die Zahl der Zuschauer des gestrigen Manövers war enorm. Bei der Königsparade, die die Infanterie-Regimenter er öffneten, denen die Husaren, Karabiniers, Ulanen, Artillerie folgten, wurden vom 1. Jäger-Bataillon auch die 5 Kriegs hunde hinter der Front mitgeführt. Zwei Oberjäger führten die zusammengekoppelten Hunde. — Se. Majestät der König und Prinz Georg fuhren direkt zum Bahnhofe. Leipzig, 24. September. Gestern Vormittag zwischen 10 und r/zll Uhr ist auf dem von Dölitz nach Connewitz führenden Fußwege zwischen den Ueberbrückungen der Bayerischen und der Verbindungsbahn, und zwar ungefähr 30 Schritte vor der letzteren, von einem unbekannten Mann eine Dame ihrer dunkelgrünen Ledertasche, in welcher sich 3 bis 4 Hundertmarkscheine, 10 bis 12 Fünfmarkscheine, ein ungefähr 20 Mark in verschiedener Münze enthaltendes Geld- räschchen und eine Visitkartentasche befunden haben, beraubt worden. Das Polizeiamt setzt eine Belohnung von 100 Mk. auf Ermittlung des Thäters aus. Leipzig. Der Gründer und langjährige Führer der nationalliberalen Partei im Königreich Sachsen, Prof. Dr. Karl Biedermann, vollendet am 25. d. M. sein achtzigstes Lebensjahr. Herzberg, 21. September. In der benachbarten Gräfendorfer Flur ist während einer am Montag abgehaltenen Treibjagd auf Hasen ein beklagenswcrthes Unglück geschehen. Der als Treiber fungirende 11 Jahre alte Sohn des Schuh machermeisters Hube von hier stürzte Plötzlich während der Jagd, von einem Schüsse getroffen, mit lautem Aufschrei zu Boden. Es war dem Knaben fast eine volle Schrotladung in den Körper gegangen und der letztere mit Schrotkörnern förmlich gespickt. Leider war auch ein Korn in das rechte Auge eingedrungen und dasselbe so schwer beschädigt worden, daß der bedauernswcrthe Knabe gestern nach der Augenklinik zu Halle gebracht werden mußte.' Meuselwitz, 23. September. Gestern Abend fuhr der kurz nach 7 Uhr hier fällige Personcnzug von Leipzig- Gaschwitz auf hiesigem Bahnhofe infolge falscher Weichen stellung in das Nebengleis auf zwei daselbst stehende leere Personenwagen. Leider sind dabei zwei Reisende leicht ver letzt worden. Die leeren Personenwagen wurden bedeutend beschädigt, dagegen erfuhr das Material des Personenzuges keinerlei Beschädigung. 8. Bericht über die städtischen Schulen zu Riesa auf das Schuljahr 1891/92. v. Cap. 2 und 3: Schulbehörden, Lehrerkollegium, Conserenzen, In der Zusammensetzung der K. Bezirtsschulinspection trat insoseni eine Aenderung ein, als an Stelle des verstorbenen Herrn Schulraihes Wigand dessen Nachfolger, Herr Bezirksschulinspccior Dr. Gelbe, vom 1. August an Mitglied dieser Behörde wurde. Auch in der Zusammensetzung des Schulausschusses riß der Tod im letzte» Jahre eine schmerzliche Lücke. Am 13. Februar 1892 verschied nach kurzer, schwerer K raulheit Herr Stadtrath Niuckdcschel, der dem SchulauSschusse über 10 Jahre lang augchört, immer Verständnis, voll und unverdrossen an der Hebung deS Schulwesens unserer Stadt mitgearbeitet und sich auch als warmer Freund der Lehrer jederzeit bethiitigt hat. Au seiner Stelle entsandte der Stadtrath das ncugc- wiihlte RatbSmitglied, Herrn Bretschneider, in den Schulausschuß. Im llcbrigen ist die Zusammensetzung deS Schulausschusses die srühcre geblieben, so das, er jetzt aus folgenden Herren besteht, Bürgermeister Klötzer, Vorsitzender, den Stadträthen Röhrborn und Bretschneider, den Stadtverordneten Tbvst, Hammitzsch, Starke, Thalheim, H. Barth, Pietschmauu, Pastor Führer, Schuldirektor Bach, Oberlehrer Cantor Müller und Lehrer Reinhardt. Da? Lehrerkollegium bestand zu Beginn des Schuljahres auS 36 Mitgliedern. Bei diesem Bestände ist cs das Jahr hindurch ver blieben, und nur eine Veränderung trat am Ende des Schuljahre? durch den Abgang der Frau veno. Brückler ein, die das Amt einer ersten NadelarbeitSlehrcrin Ostern d. I. niederlegte. Sowohl im Schulausschusse als auch im Schoße der städtischen Collcgten nahm man Veranlassung, Frau Brückler, die diesen Unterricht 1878 unter schwierigen Verhältnissen übernommen hatte, für ihre ersprießliche Wirksamkeit den Dank der Schulgemeinde auSzusPrechcn. Dem Be- chlrisse deS SchnlauSschusses, für Frau Brückler eine geprüfte Nadel arbeitslelneriu anznstellen, sie mit 900 Mark jährlich zu besolden und zu 30 Stunden wöchentlich zu verpflichten, traten beide Collegien bei. Als solche wählte man Fräulein Jenny Caroline Steglich, die bis Osten, d. I. die gleiche Stellung an der Stadtschule zu Dippoldis walde bekleidet hatte. Infolge Vermehrung der Schulklasse», die Ostern d. I. vorzrck nehmen wär, machte sich von demselben Zeitpunkte ab die Errichtung neuer Lehrcrstcllen nothwendig. Zunächst »rußte irr der einfachen Bürgerschule die gemijchte Abtheilung, mit deren Aufbau Ostern 1890 begonnen worden war, um eine (die 5.s Classe weitergesührt werden, sodann aber war Ostern d I. in der höheren Mädchenschule die für das siebente Schustahr bestimmte 2. Classe einzurichten. Weiter er schien cs im Interesse der besseren körperlichen Ausbildung der Echüler unserer Eiusacheu Bürgerschule als nützlich rrud wüuschenSwerth, deu Unterricht im Turnen auch in dieser Schulabtheilung schon im 5. Schul jahre beginnen zu lassen, und endlich wurde eine Anzahl von Stunden bcnöthigt für Vermehrung deS Unterrichts in Deutsch und Singen. Aus Vortrag des Direktors beschloß der Schulausschuß, die 31. und 32. ständige Lchrerstelle zu errichten und erstere au Fräulein Doris Rosa Nebel, die Michaelis 1891 als Vertreterin für Herrn Jost eingetretcn war, zu verleihen, letztere aber mit einem Lehrer zu besetzen, der die Befähigung zur Ertherlung von Turnunterricht besäße und die Prüfung für Turnlehrer an der königl. Turnlehrerbildungsanstalt zu Dresden bestanden haben müßte. Aus freundliche Empfehlung deS Direktors dieser Anstalt, de? Hern: Bier, wählte der Schulausschuß für diese Stelle Hern, Alfred Menzel, der bis Ostern d. I. das Amt eines Hilfslehrers an der Schule zu Oberncuschönberg bei Olbernhau be kleidet hatte, und der, da er die WahlsühigkeitSprüfung noch nicht - abgelegt hat, zunächst als Bicar die Stelle verwaltet. Endlich wurde als Stellvertreter für Herrn Jost, dessen Urlaub noch bis Michaelis d. I. dauert, der SchulamtScandidat Max Diersche aus Mohorn, vorgcbildet auf dem K. Lehrerseminar zu Nossen, überwiesen. Aus An ordnung deS Königl. Bczirksschulinspectors wurden diese Lehrkräfte, nämlich die Herren Menzel und Diersche und Frl. Steglich, am 26. April durch Herrn Schuldirector Bach verpflichtet und eingewiesen. Frl. Nebel war schon am 9. April durch Herrn Bczirksschulinspector Dr. Gelbe als ständige Lehrerin verpflichtet worden und wurde am 26. April durch den Direktor eingcwiesen. Mit Einschluß deS VicarS für Henn Jost zählt demnach das Lehrerkollegium 39 Mitglieder, nämlich (den Direktor, 27 ständige Lehrer, 3 ständige Lehrerinnen, 3 Hilfslehrer, 1 HilsSlehrerin, 2 Virale rnd 2 Lehrerinnen für Nadelarbeitcn. Von sonstigen Vorkommnissen innerhalb des Colleginms sei noch erwähnt, daß Henn Cantor Müller in Anerkennung der Verdienste, die er sich in, Laufe seiner nun 36 jährigen Thätigkeit um die hiesige Schule erworben hat, von dem hohen CultuSministerium der Titel „Oberlehrer" verliehen wurde. Die gesetzlich geordnete Haupteonserenz der Lehrer deS Schul bezirks Großenhain fand am 17. November im Hotel de Saxe in Großenhain statt. Der Vorsitzende, Herr Bczirksschnlinspector Dr. Gelbe, eröffnete dieselbe mit einer Ansprache, in der er seine? ver storbenen Amtsvorgängers, deS Herrn SchulratheS Wigand, der sein schweres Amt 18 Jahre lang treu und gewisseuhast verwaltet hat, in warmen und herzlichen Worten gedachte, und sich sodann unter Zu grundelegung des Ausspruches Herders, des Pädagogen unter den deutschen Dichtern, daß die Lehrer „Licht, Liebe, Leben" verbreiten sollen, in eingehender Weise über die Pflichten der Schule und der Lehrer verbreitete. Weiter wurde die Versammlung erfreut durch Vortrüge der Herren Biirgerschullchrcr Zobler au? Großenhain rind Cantor Richter aus Lampertswalde über den „Zeichenunterricht" in der Volksschule, wobei ersterer die allgemein gütigen Grundsätze dieses Faches und seinen Betrieb in der mittleren und höheren Volksschule, letzterer die Anforderungen im Auge behielt, denen man auch in der Dorfschule genügen kann. ES wurde eine Commission gewählt und derselben die Aufgabe gestellt, diesen Gegenstand weiter zu erörtern, die Grundsätze sür den Zeichenunterricht sestzustellen und den Stoss für denselben auszuwählen. Als Frucht der Arbeiten der Commission wird nächstens ein von Herrn Zeichenlehrer Zobler in Großenhain bearbeiteter Zeichenlehrgaug erscheinen, der jedenfalls sür den ganzen Bezirk verbindlich werden wird. In den Conferenzen des Collegiums, die unter dem Vorsitze des Direktors stattfnnden, wurden regelmäßig Gegenstände ans der Schul- zncht und aus dem inneren Schulleben behandelt; außerdem wurden über folgende Themen Referate erstattet: I. Die englische Volksschule im Jahre 1890. 2. Die Chemnitzer Denkschrift über den Memorir- stoss. 3. Neue Bahnen des Zeichenunterrichts. 4. Theodor Körner. Ein Lebensbild. 5. Rechtfertigung der Schule der Reformation wider ungerechtfertigte Angriffe katholischer Geschichtsschreiber. 6. DaS Wesentliche im Zeichenunterricht. 7. Bemerkungen zur Behandlung biblischer Geschichten. 8. lieber Verknüpfung der einzelnen Zweige des deutschen Sprachunterrichts. Nach dem Schriftchcn Dr. GöhlS. 9. Ein RevisionSbild. Fürst Bismarck in den „Erinnerungen" einer Palastdame der ehemal. Kaiserin Eugenie. Es ist für uns Deutsche ein erhebendes Gefühl, wenn die Größe und Bedeutung der Männer unseres Vaterlandes, die wir als die auscrwählten Rüstzeuge in der Hand der Vorsehung anstaunen, auch Anerkennung von Seiten unserer Feinde findet. Die lobenden Urtheile aus den Reihen der uns mißgünstigen Völker über die Personen, welche dem deutschen Vaterlande Ruhm und Ansehen gaben, sind sür uns um so beachtlicher, als diese anerkennenden Aeußerungen immer als die That einer wahrheitsliebenden, von Vorur- theilen unbeeinflußten Seele angesehen werden müssen. Sie bekunden neben Wahrheitssinn einen Weitblick, Selbstver leugnung, Adel. Diese schätzenswerthen Eigenschaften finden wir in dem Urtheil der geistreichen, feingebildeten Madame A. Carette über Bismarck. Genannte Dame war wegen ihrer hohen geistigen und körperlichen Vorzüge an den Hof Napoleons lll. berufen worden, woselbst sie als Palastdame der von ihr schwärmerisch geehrten Kaiserin Eugenie reichlich Gelegenheit hatte, Personen und Dinge, die in der Welt damals von sich reden machten, in nächster Nähe beobachten zu können. Ucbcr den Eindruck, den die Persönlichkeit Bismarck's in Paris am Kaiserhofe machte, berichtet A. Carette in ihren „Erinnerungen aus den Tuilcrien" wie folgend: Als der König von Preußen im Jahre 1869 nach Paris kam, empfing der Kaiser ihn persönlich mit einem großen Gefolge auf dem Nordbahnhof. Er hatte einen der liebenswürdigsten Herren des Hofes, den General Jurien de la Graviere beauftragt, sich speciell dem Grafen Bis marck zu widmen, damit der Premierminister durch seine anregende Unterhaltung daran verhindert würde, gewisse peinliche Kundgebungen, welche man gegen ihn befürchtete, zu bemerken. Der Wagen mit den beiden Herrschern wurde nur durch den Ruf: „Es lebe der Kaiser!" begrüßt; der zweite mit dem Marschall von Moltke fuhr unbemerkt durch die Menge, doch als dieselbe in dem dritten die Reckenge stalt des Herrn von Bismarck in der historischen, weißen Kürassiruniform und dem Stahlhelm auf dem charakteristischen Kopfe gewahrte, wurden einige unharmonische Zurufe und Zischen laut. Herr von Bismarck gab diesen Kundgebungen die denkbar feinste Wendung. „Ich bin Ihnen sehr verbunden, Herr Admiral," sagte er zu Herrn von Jurien, der bemüht war, die Aufmerksam keit des Ministers allein sich zuzulenken, „aber ich habe diesen Empfang erwartet und bin dadurch nicht überrascht. Wir Männer der Politik können es nicht Allen recht machen, deshalb müssen wir Partei nehmen für uns selbst!" Durch diesen Ton wurde die Unterhaltung leicht nnd ungezwungen. Diejenigen übrigens, welche damals Gelegen- heit hatten, Herrn von Bismarck zu sehen, haben von ihm einen Eindruck empfangen, der von dem, was man im großen Publikum im Allgemeinen über den „Eisernen Kanzler" denkt, sehr verschieden ist. Er hatte in seinen äußeren Formen die vollendete Höflichkeit eines Edelmannes, einen glänzenden Geist und sogar jene Leichtigkeit und Gewandtheit des Ausdruckes, den man in der ganzen Welt den „französischen Geist" nennt. Als ich bei einem der großen Bälle, welche man damals in den Tuilerien gab, während des von mir angeführten Kotillons den Grafen Bismarck in einer fernen Ecke dem Tanze zuschauend gewahrte, kam mir der boshafte Gedanke, ihm einen Rosenstrauß zu bringen als Aufforderung zu einer Walzertour, denn der preußische Ministerpräsident war da mals der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Er nahm das Bouquet an und indem er sich der damit ver bundenen Aufforderung unterwarf, tanzte er mit mir in mitten des allgemeinen Wirbels eine geradezu vollendete Walzertour. Dieser kleine Zwischenfall, der zu dem Ernst des Grafen Bismarck und zu der Nolle, die er damals schon in der Diplomatie spielte, so recht im Gegensatz stand, erheiterte die anwesenden Fürstlichkeiten und anderen Gäste sehr, denn man hatte wohl kanm erwartet, Herrn von Bis marck unter der tanzenden Jugend zu sehen. Als er mich an meinen Platz zurückführte, nahm er eine künstliche Rose aus seinem Knopfloch und überreichte sie mir mit den Worten: „Madame, haben Sie die Gnade, diese Rose zum Andenken an den letzten Walzer meines Lebens, den ich nie vergessen werde, anzunehmen." Ueber dm Stand der Arzneiwissenschaft und über die Aerzte in Persien veröffentlicht ein russischer Arzt, der sich einige Monate im Reiche des Schah aufhielt, folgende Einzelheiten: „Die per sische Heilkunde ruht in den Händen der „Dalliaks" (Barbiere) und des Klerus. Die Dalliaks haben das Recht, die Krank heiten des Körpers zu behandeln, während der Klerus nach dem persischen Gesetz das Recht besitzt, die Krankheiten des Körpers und der Seele zu heilen. Die Mittel, deren er sich dazu bedient, bestehen vornehmlich in Gebeten, die er an Gott und seine Heiligen, Hassan, Azzat-Ali und den Pro pheten richtet, und in Flüchen, die gegen die bösen Geister geschleudert werden. Der Dalliak wendet materielle Mittel an, als da sind: sein Rasirmesser, Blutegel und einige Pflanzen, die ihn seine orientalische Phantasie als heilkräftig betrachten läßt. Für ihn gicbt es keinen Unterschied zwischen den einzelnen Krankheiten: Keuchhusten, Halsbräune, Diphthc- ritis, Wassersucht, Cholera, Scharlach, — das ist ihm Alles eins. Einen Blick nur wirft er auf den Kranken und erklärt sofort, daß dieser vom Teufel besessen sei; dann beginnt die Behandlung. Der Dalliak schcert seinem Opfer ein pracht volle Glatze, schneidet mit seinem Rasirmesser einige geheim- nißvvlle Zeichen in die Schädelhaut und läßt das Blut ruhig fließen. Die Wirkung ist geradezu grandios; der Patient stirbt meistens schon nach kurzer Zeit in Folge übermäßigen Blutverlustes, und der Dalliak drückt ihm mit den Worten: „Gott hat es so gewollt!" die Augen zu. Wird der Kranke aber gesund, was ja auch hin und wieder vorkommt, dann erhält der Dalliak ein vorher ausbedungenes Geschenk. Taub heit wird radical in folgender Weise beseitigt: Man flößt dem Kranken mittelst einer riesigen Spritze zwei Tropfen Krötenblut oder drei Tropfen Zwiebelsaft ins Ohr ein; wenn er dann noch nicht hört, so ist dem verstockten Menschen überhaupt nicht zu helfen. Alle arzneiwissenschaftlichen Ge heimnisse vererben sich vom Vater auf den Sohn, und wenn der Dalliak zufällig keinen Sohn hat, ist er verpflichtet, ein Kind zu adoptiren und es zu unterrichten, damit es nach dem Tode des Adoptivvaters das von diesem betriebene Medicin- geschäft fortsetze."
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