Volltext Seite (XML)
38. Jahrg 14S Donnerstag, den 17. Decembcr 1885 «rsäicint in Nie ja wöchentlich dreimal: DtenStag, Donnerstag und Lonnaoen» «bannementSpreiS vierteljährlich 1 Mark 2b Pfg — Bestellungen nehmen alle »aiserj. Postanstaitt» Poftbvten, die lirreditionen in Riesa und Strehla (Z. Schön), iowic aUr Buten entgegen — Inserate, welche bei dem auSgebreitcten Leserkreise eine wirksame Veröffentlichung finden ervincn n >' uns dis Lags voran Burnuilaar v Uvr JnsertionSpreis die dreigejpallene CorpuSzeile oder deren Raum lO Psg. GMall und AliMr. Amtsblatt ser Mnlgt. AmtstzaWtmMnsOast Großenhain, des Kürngl. Amtsgerichts und des StadttathS zn Riesa. Druck unv Verlag von langer « Hinter! iw in Niet'a — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. In Berliner parlamenta rischen Kreisen nimmt man an, daß der Reichstag sich am Donnerstag bis zum 8. Januar k. I. vertagen wird. Auf die Tagesordnung der ersten Sitzung nach den Ferien wird voraussichtlich die erste Beralhung der Vorlage, betreffend den Nord-Ostseekanal, gesetzt werden. Der Bundesrath wird die Pause in seinen Arbeiten erst kurz vor dem Feste eintreten lassen und wahrschein lich seine Thätigkeit früher wieder aufnehmen, als der Reichstag. Die Hauptthätigkeit der Ausschüsse wird sich zunächst der Zuckersteuer-Vorlage zuwenden. Am Montag beschäftigte sich der Justtzausschuß mit der Beralhung ver Verhältnisse in den deutschen Schutz gebieten. Dem Herzog von Cumberland ist von der zustän digen Behörde die Aufforderung zur Zahlung der Erb schaftssteuer in Höhe von 500000 M. aus dem Nach laß des Herzogs Wilhelm von Braunschweig zugegangen. Falls der Herzog diese Zahlung verweigern sollte, wird das vorläufig zurückbehaltene Bevern'sche Kapital im Betrage von 100000 Thaler Gold mit Beschlag be legt werden. In Centrumskreisen wird ein Antrag auf Aufheb ung Les Zeugnißzwanges der Redakteure vorbereitet, für welchen man auf die Unterstützung der Liberalen rechnet. Die freisinnige Partei hat zum Etat der Verbrauchs steuern folgende Resolution eingebracht: Die Einführung des Branntweinmonopols ist in politischer, wirthschaft- licher und finanzieller Beziehung verwerflich. Die Socialisten beantragen zum Militär-Etat, daß die Familien einberufener Reservisten und Landwehr leute unterstützt werden sollen. Der neue Erzbischof von Kölv, Or. Krementz, hat am Montag Abend seinen feierlichen Einzug in Köln gehalten. In der Strafsache gegen den dänischen Kapitän a. D. Sarauiv aus Kopenhagen und den Literaten Röltger aus Mainz wegen Landesverralhes hat dec erste Strafsenat des Reichsgerichts vor einigen Tagen be schlossen, das Vermögen der beiden Angeklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung der Untersuchung mit Beschlag zu belegen. Vom Reichstag. In der am Montag fort gesetzten Beralhung des EtatS knüpften sich an das Kapitel „Reichsgesundheilsamt" die verschiedensten Wünsche. Abg. Lingens forderte eine Untersuchung über die sanitären Einflüsse der Kirchhöfe, der Abg. Geiser eine Organisation von Gesundheitsämtern über das ganze Reich. Die Abgg. Zeitz, Ulrich und Bürklin, von denen die ersten beiden Brauereibesitzer sind, ver langten ein Gesetz, in welchem der Gebrauch von Surrogaten bei der Wein- und Bierfsbrikation ver boten wird, der Abg. Witte ein solches über den Ge brauch giftiger Fa-.ben. Die Abgg. Langerhans und Greve traten für eine obligatorische Leichenschau ein und letzterer legte eine Petition des Berliner Vereins für Feuerbestattung auf Einführung der fakultativen Leichenverbrennung auf den Tisch des Hauses nieder. Allen diesen Wünschen sagten die Herren vom Regier ungstische, Staatssecretär von Bötticher, und Direktor im Reichsschatzamt, Köhler, nach Möglichkeit der Geld mittel und Arbeitskräfte Gewährung zu. Beim Etat des Reichsversicherungsamtes kam wiederum in einer Debatte zwischen den Abgg. Gamp, Barth, Schrader und Kröber die Zweckmäßigkeit und der Erfolg der Berufsgenossenschaften zur Sprache. Der socialbemo- kratische Abg. Kräcker nahm Gelegenheit, bei dem Titel, welcher für die Ausführung des Sozialistengesetzes aus geworfen ist, sich über die Schließung seiner Druckerei in Breslau zu beschweren, ohne eine Aeußerung vom Regierungstische zu erzielen. Beim Kapitel der Armen pflegestatistik lenkte Abgeordneter von Ow das Augenmerk der Behörde auf die Landarmenpflege, die durch Abänderung des Gesetzes für den Unter stützungswohnsitz einer düngenden Reform bedürfe. — Am Dienstag genehmigte man in erster und zweiter Losung den Gesetzentwurf, betreffend di: Controle des Reichshaushalls und des Landeshaushalts von Elsaß- Lolhringen pro 1885/86. In der zweiten Lesung des Heeresetats wird eine Zulage von 900 M. für den Generalstabsarzt der Armee bewilligt, für den dritten Landwehrinspecteur für Berlin, obschon der Kriegsminister lebhaft dafür eintrat, abgelehnt, ebenso nach den An trägen der Commission statt 49 Kanzleisecretäre beim Kriegsministerium nur 45, statt 45 Offiziere für die Landesvermessung nur 40 bewilligt. Im Fortgänge der Sitzung ward entsprechend den Commissionsan trägen auch die Erhöhung des Durchschnittsgehalts der Zahlmeister abgelehnt. Statt 1240000 M. für comniandirte Offiziere und Commando-Zulagen werden nur 761000 M. bewilligt; die von der Commission beantragte Streichung von 904 049 M. für Hafer rationen an Pferde wurde gleichfalls genehmigt, ob schon Bundcscomuussar General Haenisch diese Forder ung als unabweisbar erklärte, wenn nicht die Ent wickelung der Kavallerie gehindert werden solle. Bei dem Capitel Bekleidung und Ausrüstung wünscht Putlkamer-Plaulh im Interesse der deutschen Woll- produclion die Bekleidung der deutschen Soldaten mit deutscher Wolle. Der Kriegsminister sagte, sein Be streben sei möglichste Begünstigung der inländischen Production, bei der Wolle sei es aber uncontrolirbar, ob das Tuch aus deutscher oder aus Colonialwolle hergestellt sei, auch dann, wenn nur mit deutschen Fabrikanten abgeschlossen würde. Das Capitel wurde bewilligt, ebenso Capitel Garnisonverwaltung, Servis wesen, letzteres mit geringen Abstrichen. Bei Capitel Verpflegung der Ersatz-Reserve und Mannschaften be antragte Harm die Einstellung von 2000000 M. für Preußen, 100000 M. für Sachsen und 50000 M. für Württemberg zur Unterstützung zur Uedung einbe rufener Reservisten und Landwehrleute. Der Kriegs minister erklärte, der Antrag gehöre nicht in den Militär-Etat, sondern in den Etat des Innern. Koeller war gegen den Antrag. Haupt beantragte die Verweisung an die Budget-Commission. Richter er blickt in dem Anträge einen tactischen Widerspruch der Socialdemokraten. Sollte sich zeigen- daß ein Noth- stand vorliege, namentlich bei dem Arbeiterstande, sei Abhilfe nolhwendig, aber nicht nebenher beim Etat, sondern durch besonderes Gesetz. Abg. Auer bemerkte, die sonstige Stellung der socialdemokratischen Partei zum Etat sei durch den Antrag Harm nicht geändert, seine Partei lehne den Etat ab, nicht weil sie die Ausgaben nicht nöthig halte, sondern weil ihr die jetzige Regierung nicht zusage. Der Antrag Harm ward an die Budgetcomunssson verwiesen. Oesterreich. Das ungarische Unterhaus nahm am Montag den Getzcnlwurf, belr. die Verlängerung der Mandatsdauer von 3 auf 5 Jahre, mit 215 gegen 130 Stimmen an. Frankreich. Am Sonntag haben eine große Anzahl von Stichwahlen zur Deputirtenkammer statt gefunden, von denen die in Paris das meiste Interesse halten. Doch ist es daselbst noch nicht zu einer end- giltigen Entscheidung gekommen; die verhältnißmäßig meisten Stimmen erhielten die Radikalen, nächst ihnen der Deutschenfrcsser Decoulede. Es muß nochmals Stichwahl stattsinben. Italien. Das von den Italienern am Rothen Meere besetzte Massauah ist von ihnen nun einfach annektirt worden, nachdem die ägyptischen Truppen, die sich bisher noch daselbst befanden, abgezogen sind. Der Sultan wollte dagegen in Rom Einsprache erheben, jedoch der Vicekönig von Aegypten hat sich bereits mit einer ihm von Italien zu zahlenden Gelbentschädigung einverstanden erklärt. Spanien. Das Kriegsgericht in Cartagena hat vier Personen, die an dem letzten dortigen Putsch be- theiligt waren, und welche es versucht hatten, sich des Arsenals zu bemächtigen, zum Tode verurtheilt. Die Presse jener Stadt hat sich telegraphisch an die Königin um Begnadigung gewendet. Der Thronprätendent Don Carlos soll an der Kehlkopfsschwindsucht leiden und sein Zustand sich neuerdings sehr verschlimmert haben. Aegypten. Die Aufständischen im Sudan rühren sich wieder. Zwar sind die Nachrichten darüber schwer auf ihre Wahrheit hin zu prüfen und muß mau besonders gegenüber den Siegesberichten der Engländer ziemlich vorsichtig sein. Fest steht nur, daß die Sudanesen, wenn auch langsam, gegen das eigentliche Aegypten vorrllcken. Daß die Gefahr zunächst für Oberägypten nicht unbedeutend ist, beweist der kürzlich mitgetheilte Beschluß der englischen Regierung, Ver stärkungen nach dem Sudan zu senden. Die offiziöse Schönfärberei kann über die mißliche Lage im Sudan nicht täuschen. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 16. December 1885. — Der Winter, der in voriger Woche einen so schneidigen Anlauf genommen hatte, hat uns in Folge der erhöhten Temperatur vorläufig wieder Valet sagen müssen, und zwar zum großen Leidwesen nicht blos der Jugend und aller erklärten Freunde des Eissports, sondern auch unserer Geschäftswelt. Man sieht es in den Geschäftskreisen gern, wenn vor Weihnachten auf den Fensterscheiben die Eisblumen blühen und auf den Straßen der Schnee knistert. Und in der That, es herrscht in der Stadt ein ganz anderes Leben und auch ein viel regeres Geschäftsleben, wenn die weiße Schnee decke die Erde überzogen und Helles Schellengeläut, untermischt mit lustigem Peitschenknalle, die Luft durch zittert, als wenn die Erde schwarz aussieht wie die lange Winternacht und die Menschen in der nebel grauen Atmosphäre, durch welche das Licht der Straßen laternen nur matt hindurchschimmert, langsam und unsicher einherschleichen, um vor den oft reizend und auf das Geschmackvollste arrangirten Schaufenstern stehen zu bleiben und die dort äusgelegten Weihnachtsgegen stände in jedem nur erdenklichen Genre zu besichtigen und zu bewundern. Ungezählt sind die Wünsche, die dabei in den Herzen namentlich der Kinder und der Damen aufsteigen und entweder still verschlossen in der Brust mit umhergetragen oder bei passender Gelegen heit an rechter Stelle ausgesprochen ober doch so rn- gedeutet werden, daß derjenige, an den sie gerichtet sind, keines weiteren Commentars zu ihrem Verständniß be darf. Mögen daher denn alle diejenigen, die berufen sind, am frohen Weihnachtsfeste die Rolle des heiligen Christs zu spielen und dem Grundsätze: „Geben ist seliger, denn Nehmen!" zu huldigen, für solche Wünsche ein offenes Ohr, ein williges Herz und — einen ge füllten Beutel haben. Die Weihnachtsausstellungcn in unserer Stadt haben dafür Sorge getragen, daß alle Weihnachtswünsche, auch die weitgehendsten, befriedigt werden können. — In Sachen der bei Riesa projectirten Erbauung eines Winterhafens und der Erweiterung des Elbquais, sowie einer neuen Quaiverbindungsbahn ist von Dresdner Herren, nachdem die erste diesbez. Petition gründlich abgefallen, dieser Tage noch eine weitere Eingabe an den Landtag gerichtet worden, welche dahin geht, den Landtag zu ersuchen, seinen Beschluß in der Sache