Volltext Seite (XML)
ganze» Zeit seines Aufenthaltes in Rußland in der Gesellschaft deS Erzherzog» Karl Ludwig verbleiben. ES würde die- al» eine Thatsache von höchster politischer Bedeutung angesehen. Die Kaiserin mit ihren Söhnen ist am Montag Nachmittag unter dem Geläut der Glocken in Saßnitz auf Rügen angelangt. Ein Seebündniß zwischen Deutschland, Italien und Englanv soll französischen Blättern zufolge dem Ab schluß nahe sein. ES handelt sich hierbei um die gegenseitige Unterstützung genannter Mächte in allen Streitfällen mit anderen Staaten, die den ihrigen ent gegengesetzte maritime und koloniale Interessen hätten. Der U'heber dieses Planes sei Lord SaliSbmy. Nach den Bedingungen deS Abkommens sollten die beiden an einem Streite nicht betheiligten Mächte bei jedem Zwiste der dritten Macht alS Schiedsrichter zur Schlichtung des Streites fungiren. Der Vertrag solle vor allen Dingen diesen schiedsrichterlichen Charakter haben und keine militärischen Abmachungen enthalten. — Die Meldung ist der Bestätigung sehr bedürftig. Wie die „Köln. Ztg." erfährt, äußerte der Reichs kanzler v. Caprivi bei seinem parlamentarischen Feste am Donnerstag zu einem unserer hervorragendsten Kolonialfreunde Folgendes: „Sie wissen, ich bin kein Kolonialsreund gewesen, aber ich habe wein jetziges Amt übernommen in der vollen Ueberzeugung, daß wir auf dem betretenen Wege nicht mehr zurück können, sondern vorwärts müssen. Ostafrita ist selbstverständ lich der Schwerpunkt unserer Kolvnralpolitik, und jetzt, nachdem ich das Abkommen mit England ge troffen habe, wird eS geradezu mein Ehrgeiz sein, daß aus Oftafrika etwas wird, das können Sie allen Ihren Freunden sagen." Die zum Bau der strategischen Eisenbahnen im dritten Nachtragsetat geforderten 10 305000 Mk sind von der Budgetkommission des Reichstags bewilligt worden, nachdem die Regierung eine Reihe geheim zu behandelnder Erklärungen abgegeben hatte. Die Pariser Morgenblätter vom 1. d. wifsm nach dem „V. T." von einem neuen Grenzfoll in den Vogesen zu melden. Vier Einwohner einer kleinen Ortschaft sollen von deutschen Grevzwächtern über- rvscht und ausiihre Weigerung, der eisten Aufforderung dieser zu gehorchen, mit Flirtei schössen bedacht worden sein. Einer von ihnen habe eine leichte Verwundung davongetragen. AuS der vom Unterpräfecten und dem Procureur der Republik angestcllten Untersuchung soll sich ergeben haben, daß es französische Holzdiebe ge wesen, die bei Verübung eines Forstfrevels auf deutschem Bodem angetroffen wurden und sich dabei sehr renitent gezeigt hätten. Der in Hamburg angekommene Ostasrika-Dampser „Sansibar" hat Geschenke des Sultans von Sansibar, darunter einen goldenen Tafelaufsatz für Kaiser Wilhelm überbracht. Der Landtag des Jürstenthums Lippe wird voraus sichtlich im Juli wieder zusammen treten. Wie ver lautet, wird die Regierung nunmehr das so »ft schon geforderte und seit Jahren in Aussicht gestellte Regent- fchastsgcsetz vorlezen. „Deutschland wach auf!" — unter diesem Titel bringen die „Köln. Ztg.", die „Münchener Allgemeine Zeitung" und die „Frankfurter Zeitung" im Inseraten teil einen Aufruf zur Einreichung einer Massen- Petition an den Reichstag gegen den deutsch-englischen Vertrag. Mit einem Federstrich sei daß Werk Wiß- manns und seiner Helden vernichtet, mit einem Feder strich sei die Hoffnung auf ein großes deutsches Colonial reich zerstört. „Laßt eine Massenbittschrift," so heißt es in dem Aufruf, „an den deutschen Reichstag offen und unumwunden aussprechen, daß jener Vertrag die Helle Verzweifelung in Tausenden geweckt hat, die mit jeder Faser ihres Herzens an Deutschland hängen. Männer aller Parteien, die bei dieser Gelegenheit sich lediglich als Deutsche fühlen, mögen die Sache in die Hand nehmen. Der Reichstag wird und muß diesem Wunsche Gehör schenken. De: Reichstag wird, so hoffen wir, mit einem überwältigenden Mehr vor die Regierung treten und ihr sagen: Der Vertrag mit England schädigt unsere Interessen und verwundet unser Ehrgefühl; er darf deshalb niemals zur Wirk lichkeit werden!" Die Nachricht, wonach die Festlandsmächte unter Führung Deutschlands übereingekommen sein sollen, Gegenmaßregrln gegen die Mc Kinley'sche Zvlltaris- dorlage zu ergreifen, entbehrt der Begründung. Deutsch land hat keinerlei Schritte gethan, um der etwaigen Rückwirkung, welche daS Zustandekommen der neuen amerikanischen Tarifbill auf seinen Handel haben würde, entgegenzutrrten. ES hat bis jetzt darin freie Hand. B om Reichstag. Am Montag wurde von einem sichtlich beschlußunfähigen und ermüdeten Hause der Rest des zweite» MchtragsetatS ohne weitere Zwischenfälle erledigt. Mit Spannung erwartete man nur die Vorlage betr. das Kaiser - Wilhelm - Denkmal, über welche nur eine einmalige Berathnng ftattsinden sollte. Indessen ward auf Antrag de» Freiherr» von Heeremann die Vorlage ohne jede Debatz« eürer Kom mission von 14 Mitgliedern überwiese«, nachdem Staatsminister v. Bötticher vorher den Wunsch auSge- drückt hatte, daß die Kommission ihr« Arbeiten noch vor der Vertagung erledigen und ihre Beschlüsse dem Reichstage zur Genehmigung unterbreiten möchte. — Bei der ersten Lesung deS Gesetzentwurfs über die ConsulargerichtSbarkeit auf Samoa und die Uebernahme der Bürgschaft deS Reichs für die durch Einrichtung der anderweitigen Rechtspflege daselbst erwachsenden Kosten am Dienstag erklärte der Bundescommissar Hellwig dem Abg. Hammacher gegenüber: Ein« Beein trächtigung der deutschen Consulargenchtsbarkeit lag der Regierung fern, cS sei nicht beabsichtigt, dieselbe anders als bisher zu gestalten. Alsbald ward in der folgenden zweiten Lesung vom Abg. Hammacher bean tragt, die Schlußworte des ersten Artikels „oder außer Hebung gesetzt" zu streichen. Das HauS stimmte zu und genehmigte mit dieser Aenderunq den ganzen Gesetz entwurf. Der zweite Nachtragsetat, betreffend die Erhöhung der Beamtengebälter, ward mit dem Antrag der Abga. Huene und Strombeck, wonach die Vorsteher der Postämter zweiter Klasse dasselbe Gehalt beziehen sollen, wie die Postsecretäre gleichen DienstalterS, unter Wegfall der Zulage von 300 Mk., im klebrigen nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. Bei der zweiten Lesung des dritten Nachtraasetats über rund 73 Millionen wie? der Abg. Richter auf die äußerst geringe finanzielle Erleichterung bin, die durch vermehrte Dispositionsbeurlaubungen eintrete. Die Vorlage ward ohne jede weitere Erörterung genehmigt. Eine große Anzahl von Wahlprüfungen werden gemäß den Commisfionsanträaen erledigt. Frankreich. Das Pariser Zuchtpolireigericht batte Anfangs beschlossen, die russischen Nihilisten wegen Komplotts gegen eine auswärtige Regierung zu verfolgen. Doch ist das Gericht jetzt davon abge standen, da eS die Schuldbewcise für ungenügend hält. Die Anklage wird sich auf die Herstellung und den Besitz verbotener Stoffe und Instrumente beschränken. Gegen den angeblichen russischen bezahlten Agenten Landcsin, von dem noch immer keine Spur aufzu finden ist, wird daS Kontumaz-Verfahren eingeleitet werden. Italien. Die Krisis der Stadtverwaltung NomS hat, wie zu erwarten war, zur Auflösung deS Magistrats und der Stadtvertretung geführt. Eine königliche Verordnung ernennt den Abg. Finocchiaro- Bprile zum köniql. Kommissar für Rom. — Hiermit ist aber die Krisis keineswegs gelöst, sondern vielmehr verschärft. Balkanftaaten. DaS am 28. ». in Sofia an dem Major Panitza vollzogene Todesurtheil hat erklärlicherweise in Rußland böseS Blut gemocht. DsS „Journ. de St. Petersbourg" sagt, Fürst Ferdinand habe vor der Hinrichtung daß Land verlassen und auf sein Begnadigungsrecht verzichtet; damit habe er be wiesen, daß er nicht allein nickt herrsche, sondern, daß er sogar nicht einmal in Bulgarien regiere und daß Stambulow dort zugleich Herrscher und Regent sei. Was Stambulow angehe, so hätte eS wahrlich nickt dieses neuen Aktes von Grausamkeit bedurft, um die Art seiner Herrschaft kenntlich zu machen, die ei» Schrecken sei. — Die Hinrichtung findet auch den Tadel der liberalen Zeitungen anderer Länder. DaS serbische Ministerium beantragte bei der Regentschaft, den König Milan wegen seiner letzten Rede lebenslänglich auszuweisen. Der Regent Ristitsch bat Milan, freiwillig daS Land zu verlassen. In Athen heißt eS, daß ein Schiff mit einer Waffenladung und Munition, sowie mit einer Anzahl Kretevseru an Bord, auS Cyra in aller Heimlichkeit nach Kreta abgegangen wäre. Schweiz. Der Rhein, welcher in Folge an haltenden Regens im Canton St. Gallen höher al» 1888 gestiegen war und mit allgemeiner Ueberschwemmung drohte, sank, nachdem plötzlich Schneefall eingetreten war. In DavvS und anderen Hochthälern liegt tiefer Schnee, alle Culturen daselbst sind schwer beschädigt oder vernichtet. Norwegen. Christian»«, 1. Juli. Der deutsche Gesandte Dr. Busch, sowie Seneralconsul Frhr. v. Oertzen und die bei Sr. Maj. dem Kaiser zum Dienst befohlenen Herren sind behufs Meldung Sr. Maj. dem Kaiser bis Förde: entqegengesahren. Ei« Dampfer mit dem Lomitee der städtischen Behörden ging um 11>/r Uhr ab, um Se. Maj. den deutschen Kaiser auf offener Se» zu begrüßen. In den Straßen herrscht reges Leben. Die Häuser sind reich beflaggt und mit Gunlanden geschmückt. Der Fremdrnzufluß ist ei« sehr bedeutender. Um 5'/, Uhr ankerte da» von der norwegischen Flottmabtheilung und ca. SO Lustdampfern begleitete deutsche Geschwader unter Salut schüsse» und Militärmuflk. Se. Majestät der Kais« begab sich hierauf anS Land, wo er von dem König, der de» Kaiser bereits a» Bord der Hohenzollera be grüßt hatte, dem Bischof von Christians» und de« Spitzen der Behörden unter dem Jubel der Bevölkerung enthusiastisch empfangen wurde. Durch die festlich ge schmückten Straßen bildeten Truppen und Coiporatioue« Spalier. Vor der Universität von den Student«« jubelnd begrüßt, begaben sich die Majestäten in einem Sechsspänner nach dem Schlosse, wo herzlicher Empfang seitens der Königin siattfand. Bcrmischtes. St. Jvhannisfest in Rom. Man schreibt der „Frkf. Ztg." vom 24. d. M. auS Rom: Die St. Johannisnacht, vom 23. auf 24. Juni, wird heute in Rom nicht mehr so gefeiert, wie vor alten Zeiten. Man hängt heute nicht mehr Kehrbesen vor die Fenster, um dadurch die H?xen fernzuhalten, welche in dieser Nacht ihr böses Spiel treiben sollen; die römische« Jungfrauen glauben auch nicht mehr daran, daß eine Nelke, die sie in dieser Nacht zum Geschenke erhalten, die Kraft besitze, den Geber dauernd an sie zu fesseln und das Wunder der ewigen Treue zu wirken, aber die Symbole dieses Festes, welches uns theils an die Walpurgisnacht, theils an die fränkischen Liebeswunder erinnert, sind bis auf den heutigen Tag beibehalten worden und die alte Sitte, die St. JohanniSnacht durch Gelage und Freudenfeuer zu begehen, besteht auch heute noch im römischen Volke. Schaarenweise bildeten die Einwohner der ewigen Stadt om Abend nach dem St. Lateransplatze und vor der alten (im Auftrage Papst ClemenS XII. erbauten) Basilika Batkrana geben sich Tausende ihr Stelldichein. Auf dem großen Platze, der sich vom Obelisk bis zum St. Jvhannisthor auSdehnt, wogt eine lärmende Menge auf und ab. Römische Arbeiter, mit vlouse und Mütze ziehen dahin, auf Mandoline und Guitarre spielend, während die Mädchen, in den bekannten kleidsamen Trachten, Volkslieder und die beliebtesten Gassenhauer singen. Die Muschelhändler haben ihre Buden primitiv ster Art ausgeschlazen, impcovisirte Zeltdächer, unter welchen auf rohen Holzbänken und Tische» munter gezecht wird. Und ebenso primitiv wie diese Wirths- häuser im Freien ist die Kost, welche darin genossen wird. Sie besteht aus in Wasser und Oel gekochten Schnecken und Muscheln, die massenweise vertilgt werden, und aus feurigem Landwcin. Beleuchtet sind diese Buden durch Petroleumlampen, übelriechende Oel- lampen und bunte Papierlampions. Blumenver käuferinnen bieten rothe Nelken und durchaus nicht süß duftende Knoblauchblüthen einzeln und im Körb chen feil und Mädchen aus dem Volke sowohl, als elegant gekleidet- Damen schmücken sich mit diesen glückbringenden Blumen. Interessant ist es, dem Treiben von denjenigen Punkten des Platzes aus zu zusehen, wo keine Buden stehen und wo vollkommene Finsterniß herrscht. Bon da aus macht daS buntbe wegte Leben einen fast traumhaften Eindruck und die majestätische Fassade der Basilika erscheint mit ihren unheimlich großen Statuen der zwölf Apostel wie eine phantastische Gespensterburg aus einem alten Märchen. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 2. Juli 1890. — In der gestern unter Vorsitz deS Herrn Rendant Thost abgehaltenen Sitzung des Stadtverord- neten-Collegiums, in der 16 Mitglieder, die Herren: Thost, Pietschmann, Starke, Hering, Heinrich, Bretschneider, Hammitzsch, Kreyß, Nitzsche, O. Barth, Thalheim, Thieme, Fritzsche, Donat, H. Barth und Müder, als RathSdeputirt« die Herren Bürgermeister Klötzer und Stadtrath Hille anwesend waren, wurde Nachstehendes verhandelt und beschlossen: 1. Die zwischen der Stadtgemeinde Riesa und den Herren Tischlermeister Eduard Walpert, StadtgutSbe- sitzer und Schankwirth Theodor Hermann, Karl August Berge!, Sattler Wilhelm August Marke, Kaufmann Karl Wilhelm Pinker, Friedrich Medicke, Fuhrwerkk- und Grundstücksbesitzer Robert Kirsche, sowie der Frau Christiane Henriette verehel. Schuman» und Frau Bertha verehel. Geißler abgeschlossenen Verträge, Landabtretungen zu Straßenbauzwecken betreff-, wurde einstimmig genehmigt. 2. Das Gesuch des Braumeisters, Herrn A. Vogl hier, Herabsetzung seines Pachtzinses um 25 Proz.