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ObMall und Aiychcr. Awtsötatt der König!. Arntshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Stiess. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. 88 43. Jahrg Sonntag, den 29. Juni 1890. Srschrmt m Riesa wöchentlich viermal: LienStag, Donnerstag, Sonnabend und Sonntag. — Rbonncmentspreis vierteljährlich 1 Mark 25 Pfg. — Bestellungen nehmen alle Naiserl. Postanstalten. Postboten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schön), sowie alle Boten entgegen. — Inserate, welche bei dem ausgebreitetcn Leserkreise eine wirksame Berössent» lichung finden, erbitten wir uns bis Montag, rcsp. Mittwoch, Freitag oder Sonnabend Vormittags 8 Uhr. — JnsertivnSpreiS die dreigespaitene Corpurzeile oder deren Raum 10 Pfg. Bekanntmachung. Die Ende dieses Monats fällig werdenden Landrenten auf den Termin Johannis laufenden Jahres sind baldigst, längstens aber bis zum 7. Juli a. e bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die hiesige Stadtsteuereinnahme abzuführen. Riesa, am 27. Juni 1890. Der Stadtrath. Klötzer. Rdl. Bekanntmachung. ----- Ditte. Veranlaßt durch die schönen Erfolge, w.lche in anderen Städten mit den sogenannten Ferienkolonien erzielt worden sind, hat der unterzeichnete Stadt rath beschlossen, auch in unserer Stadt während der bevorstehenden großen Schulserien einer Anzahl von armen, schwächlichen oder kränklichen Kindern eine Kräftigung und Erholung zu Theil werden zu lassen. Da bei der gesunden Lage unserer Stadt mit ihrem herrlichen Park eine Ueberführung der Kinder nach einer anderen Gegend in ländlichen Auf enthalt sich verüberflüssigt, so soll denselben doch täglich Vormittags eine reichliche Quantität frischer guter Milch mit einem Brötchen, Mittags ein einfaches kräftiges und reichliches Mahl und zum Vesper wiederum Milch mit Brötchen verabreicht werden. Die Mahlzeiten sollen bei gutem Wetter im Park, bei schlechtem in der Turnhalle gehalten werden. Der «nterzeichnete Ttadtrath richtet an alle Freunde -er Armen «nd Kinder die ergebene Bitte, zu dem edlen Zwecke bald und recht reichlich beizufteuern, da es nur hierdurch mög lich wird, den bedürftigen Kindern die ihnen so nöthige Stärkung nnd Kräftigung zn verschaffen. Beiträge werden an den durch Plakate kenntlichen Sammelstellen ent« gegengenommcn, außerdem wird eine Liste durch einen Sammelboten ausge tragen werden. Riesa, den 21. Juni 1890. Der Stadtrath. Klötzer. * Bekanntmachung. Herr Friedrich Georg Wolf hier ist von dem unterzeichneten Stadtrathe als Bollstreckungsbeamter und Rechnungsrevisor sowie als Controleur des Staatsstenereinnehmers, Herr Carl OSwalb Hammitzsch als Stadthauptkaffenkontroleur verpflichtet und angestellt worden, was hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Riesa, den 27. Juni 1890. Der Stadtrath. Klötzer. S. Tagesgeschichte. Nachdem die Vertagung des Reichstags vom 8. Juli bis 18. November durch den Reichskanzler bei dem Reichstag beantragt ist, an deren Annahme nicht gezweifelt wird, gehen die parlamentarischen Verfüg ungen dahin, außer der Militärvorlage nur noch vie beiden Nachtragsetats und den Antrag betr. die Er richtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals vor Beginn der Vertagung zur Erledigung zu bringen, was man spätestens bis zum 5. Juli zu erreichen gedenkt. Der dritte Nachtragsetat ist übrigens dem Reichstage zu gegangen. — Die Arbeiterschutzcommission tritt Diens tag wieder zusammen und gedenkt noch zwei oder drei Sitzungen abzuhalten, um nach Abschluß der Be- rathung über die Frauen-, Kinder- und Nachtarbeit sich ebenfalls zu vertagen. In parlamentarischen Kreisen wird angenommen, daß die Kommission bereits ein paar Wochen früher als das Plenum seine Arbeiten wieder aufnimmt. Mit der Annahme der Militärvorlage am Donners tage hat der Reichstag eine wichtige Entscheidung ge fällt. Der Friedensstand unseres Reichsheeres ist so mit, da dis dritte Lesung voraussichtlich keine Aeuderung bringen wird, bis zum Schluß des Reichs-Rechnungs jahres 1893/94, das ist bis 31. März 1894, auf die Höhe Von 486 983 Mann festgestellt. Der diesen Bestand festsetzeade Z 1 der Vorlage wurde, wie wir bereits mittheilten, mit der immerhin ansehnlichen Mehrheit von 211 Stimmen (gegen 128) angenommen. Die Mehrheit bestand aus den beiden conservativen Fractionen, den Nationslliberalen, den Polen und dem Centrum mit Ausnahme von 18 Mitgliedern des letzteren, während die Minderheit aus diesem Centrums- Bruchstück, den Deutsch-Freisinnigen, der Volkspartei und den Socialdemokraten gebildet wurde. Der bekannte Antrag deS Abg. Bamberger auf „zweijährige Dienst zeit" hatte mit 205 gegen 184 Stimmen Ablehnung gefunden, während andererseits die Resolution des Abg. Windthorst hinsichtlich der Abstandnahme von der Heranziehung aller Wehrfähigen gegen die Stimmen der Conservativen und Socialisten zur Annahme ge langte. Angenommen wurde» zugleich die Resolutionen wegen Einführung der einjährigen Bewilligung, sowie betreffs einer erwünschten Herabminderung der Friedens stärke durch Vermehrung der Dispositions-Urlauber und Verlängerung der Rekruten - Bacanz und endlich wegen der empfohlenen „ernstlichen Erwägung der Ein führung der zweijährigen Dienstzeit". Das hiermit vorliegende Ergebniß dieser Abstimmung bildet selbst verständlich den Gegenstand mannigfacher Betrachtungen in der Tagespresse. , Ein Freund des Herrn v. Wißmann hat diesen in Brindisi angetroffen und mit ihm eine Unterhaltung über allerlei afrikanische Fragen gehabt. Herr v. Wiß mann kannte damals noch nicht den Inhalt des deutsch englischen Abkommens, weshalb von demselben nicht die Rede war. Ueber die Natur der englischen Ränke und Umtriebe hat er sich aber in sehr bemerkenswerther Weise geäußert. — Major v. Wißmann betonte vor nehmlich die unberechtigte und unheilstiftende politische Rolle, welche sich die englischen wie gleichfalls die deutschen evangelischen Missionare avmaßen, und er verglich deren Treiben nicht eben Vortheilhaft mit den guten Werken, christlichen Einfluß, Kultur und Sitt lichkeit fördernden Bemühungen der opferfähigen und unermüdlich wirkenden katholischen Missionare. Während er die Letzteren als Grundpfeiler der Civilisation be zeichnete, versicherte er, daß die englischen wie deutschen protestantischen Missionare geradezu sein Werk erschwerten und hindern, so daß die großen auf Missionswesen ver wendeten Summen in der That weggeworfen seien, ja daß diese Herren, statt zu nützen, durch ihre politische Agitation nichts wie Unheil anrichteten. — Sehr aner kennend sprach er sich über das schneidige Vorgehen und die Erfolge des Dr. Peters aus, der mit einer Handvoll streitbarer Begleiter — etwa dreißig im Ganzen — beständig fechtend sich eine Bahn durch die feind lichen Stämme erkämpft und seine Aufgabe prächtig gelöst habe. Sehr zufrieden ist Wißmann auch mit seinen sudanesischen Truppen und bestätigt, daß die selben unter guten Offizieren und eiserner Disziplin herrliche Soldaten abgäben. Deutsches Reich. Fitz st Bismarck soll sich einer vertrauten Persönlichkeit gegenüber, die ihn darüber befragte, ob er das durch die Ernennung Dr. Miquel's zum Finanzminister erledigte Mandat für Kaiserslautern annehmen würde, dahin ausgesprochen haben, daß von seiner Seite einem bezüglichen Vorschläge nicht wieder sprochen werden würde. Es heißt, daß der Kriegsminister, General v. Verdy, seine Entlassung angeboten habe. Ob die Nachricht auf Thatsachen beruht, läßt sich noch nicht erkennen. Es war früher bestritten worden, daß die Regierung überhaupt die Frage einer Verkürzung der Dienstzeit in Erwägung gezogen habe. Nach den jetzt vom KriegS- minister abgegebenen Erklärungen kann indessen an dieser Thatsache ein Zweifel nicht mehr bestehen. Es sind di- Gutachten von 240 kommandirenden Generalen, Brigade - Generalen, Regimentsoffizieren eingefordert worden, und von diesen 240 hat sich nur Einer zu Gunsten einer Verkürzung der Dienstzeit ausgesprochen. Wenn in den Verhandlungen über die neue Heeresvor- lage wiederholt die Behauptung aufgestellt wurde, daß auch militärischerseits die Zulässigkeit der zweijährigen Dienstzeit anerkannt würde, so kann nach den Mit theilungen des Kriegsministers in den Kreisen der höheren Offiziere diese Ansicht nicht zu viel Vertreter habe». Eine Abendunterhaltung bei dem Reichskanzler General v. Caprivi am Donnerstag vereinigte in dem Palais in der Wilhelmstraße außer zahlreichen Mit gliedern des Bundesraths und den preußischen Ministern Abgeordnete aller Fraktionen mit Ausnahme der Sozial demokraten. Speisen und Getränke mundeten vortrefflich. Die Tafel war in dem völlig neu hergerichteten, prächtig auszeschmückten Kongreßsaal aufgeschlagen. Außer Roth und Rheinwein wurve Sekt und Spatenbier kredenzt. Toaste wurden nicht ausgebracht. In zwangloser Unter haltung blieben die Gäste bis gegen Mitternacht bei sammen. Der Reichskanzler machte allein die Honneurs und hatte für jeden der Erschienenen ein freundliches Wort. Besonders lange unterhielt er sich mit dem Abg. Windthorst. Im Gespräch mit konservativen Abge ordneten berührte General v. Caprivi u. A. das deutsch englische Abkommen und äußerte, daß gemeinhin den Gebieten am Tana ein zu großes Gewicht beigelegt werde, was umsoweniger begründet sei, als bereits durch Schiedsspruch die Inseln Patta und Manda den Eng ländern zugesprochen seien; ohne den Besitz jener Eilande sei aber das übrige abgetretene Gebiet anerkanntermaßen ohne wesentlichen Werth. Wiederholt wies Herr von Caprivi auch auf die besondere Wichtigkeit der freund schaftlichen Beziehungen mit England hin. Auch seiner Genugthuung über die Annahme der Militärvorlage in zweiter Lesung gab der Herr Reichskanzler mehrfach Ausdruck. Auf Grund verlässigster Mittheilungen wird jetzt versichert, daß die verbündeten Regierungen an dem Termin des 1. Januar 1891 für die Einführung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung fcsthalten — eine anders lautende Angabe beruht auf Jrrthum.