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48. Jahrg. Dienstag, dm 17. Juni 1890. Beilage zum MveAattr und Anzeiger". AM a»»S Vor* und iesa. nmi- ch-n 's- rmrge l st UN- schrne. st es Füße, >r der inen- g mit erden. > Er- wenn bank stlien- Preis lt r. 1 e. hlotz- -olz- t, zu rsterr, i hält )b. t, auch »»»ach. konn- nbier wird in ird der lusflug nd die :r des ebeten, «fein falon chlreich nd. Tagesgeschichte. 7 Einig« Blätter v-rbreitea' die Meldung einer Parteicornspondeaz, daß die Stellung dr»/preußischen KriegSminister» wegen der Gefährdung der Militärvor lage durch „da-Lanciren dec ZukunstSideea" erschüttert sei. JnS Deutsche übersetzt, soll die» heißen: Der KriegSmiaUer verdy du Vernoi» habe eigenmächtig die ZakUnftSpläne der Heeresverwaltung in Bezug auf die Berstiehrung der Friedenspräsenz enthüllt, dadurch die Aussichten der jetzigen Militärvorlage wesentlich verschlechtert und sich in die Gefahr gebracht, seine EntldffuNg nachsuchea zu müssen. ES sind aber erst wenige Lage verflossen, seitdem der Reichskanzler von Tnprivi in der Militär-Commission ausdrücklich erklärt hat, er habe sich unmittelbar nach der Uebernahme seines jetzigen Amtes mit dem preußischen K-iegSministerS dahin geewigt, daß die weiteren, »och unter seinem Borgänger gefaßten Pläne bezüglich der Vermehrung des Heere» der Volksvertretung offen dargelegt werden sollten. Es ist ganz selbstverständlich, daß eine der artig« wichtige Brrrmbarunz, deren mögliche Folgen vhbe Weiteres erkennbar waren, nicht ohne die aus drückliche Billigung deS Kaisers zur Ausführung ge bracht worden ist. Die erwähnte Meldung bedarf deshalb keiner beglaubigten Widerlegung. Sie ist von vornherein unglaubwürdig. Nunmehr wird halbamtlich bestätigt, daß der Reichs kanzler den Kaiser auf dessen Reise nach Rußland be gleiten werde. Man hört, daß dieser Entschluß in Folge einer besonderen Einladung des Czaren gefaßt worven ist. Der Czar hat den begreiflichen Wunsch, den neuen deutschen Reichskanzler näher kennen zu lemen. General v. Caprivi seinerseits hat wiederum das nicht minder begreifliche Verlangen, die leitenden europäischen Politiker näher kennen zu lernen. Des halb wird er seinen Souverän nach Rußland begleiten und voraussichtlich auch im Laufe dieses Sommers mit den leitenden Staatsmännern O-sterreich-Üngarns und Italiens, später wahrscheinlich auch mit dem Kaiser von Oesterreich in Schlesien zusammentreffen. Daß alle diese Zusammenkünfte neben der persönlichen Seite auch eine politische Bedeutung haben werden, ist ja unbestreitbar. Aber es wäre grundfalsch, irgendwelche bestimmte politische Zwecke damit in Verbindung bringen zu wollen. Die persönlichen Beziehungen der beiden Herrscher können durch wiederholte längere Begegnungen au Herzlichkeit gewinnen, aber die Beziehungen der beiden Nachbarreiche selbst sind durch die ganze europäische Gestaltung so fest umschrieben, daß daran auf absehbare Zeit hinaus schwerlich eine wesentliche Aenderuag vor genommen «erden könnte. Der Petersburger Offiziöse der „Politischen Correspondenz" hat sich ja auch beeilt, dies zur Beruhigung der Franzosen zu verkünden. Da» war eigentlich unnöthig, nachdem selbst der außer ordentlich entgegenkommende Entschluß des deutschen Kaisers, unmittelbar nach seinem Regierungsantritt dm allerersten Besuch beim Czaren abzustatten, ohne politische Folgen geblieben ist. Hat roch sogar der Czar lange genug gezögert, «he er diese außerordent liche Aufmerksamkeit durch seinen Gegenbesuch erwiderte. DewtfchieS Reich. In Ems ist die amtliche Meldung eirigetroffen, daß die Kaiserin für diese- Jahr die geplante Badereise aufgegeben hat. DeriKaiser trifft am Mittwoch, 25. Juni, Vor mittags, in Kiel ein und steigt im Schlosse des Prinzen Heinrich ab.- Der Kaiser wohnt am Donners tag der Marine-R«gatta um den KaiserpreiS bei und geht am Freitag Abend mit der Flotte von acht Panzerschiffen inSee. Der Kaiser befindet sich an Bord des Flaggschiffes „Kaiser". Der gestrige 15. Juni rief die Erinnerung an jenen Tag deS derhängnißvollen Jähre» 1888 zurück, an welchem Kaiser Friedrich sein edleS Haupt zum letzten Schlummer neigte. In stiller Wehmuth gedenkt die deutsche Nation jener bitteren Todesstunde und jener ganzen schweren Zeit, in welcher sie ohn mächtig zusehen mußte, wie ein furchtbare» tückische» Leiden, Stück um Stück fortnagend, daS theure, viel versprechende Leben vernichtete, a«S dem reckenhaften Helden voa Wörth den gebrochenen kaiserl. Dulder und endlich einen stillen Mann machte. — Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich, die mit Ihren kvnigl. Hoheiten den Prinzessinnen Victoria, Margarethe, der Frau Erbprinzesstn von Meiningen und der Prinzessin Feodora am Sonntag Vormittag in PotStam eintraf, begab sich nach der Friedenskirche und legte daselbst au dem Sarge weiland Sr. Majestät deS Kaiser- Friedrich einen Kranz »jeder. Um 12 Uhr fand in der Kirche zu vornstädt für dir Allerhöchsten «nd Höchsten Herrschaften ein Gedächtmßgotte-dienft statt. Um 12'/« Uhr begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften nach der FriedeuStirche und be sichtigten da» Mausoleum und die Grabkapelle. Zu Füßen deS Sarge- d«S verewigten Kaiser» Friedrich legte Se. Majestät der Kaiser einen Lorbeerkraaz mit weißer Schleife, auf welcher der Allerhöchst« Namens zug mit der Krone angebracht war, nieder. Auch von den übrigen Mitgliedern der kaiserl. Familie wurden prachtvolle Kränze, febenso von anderen Fürstlichkeiten und von ehemaligen Leibregimentern niedergelegt. Bon r/,3 bis 6 Uhr war die Grabkapelle für da» Publikum geöffnet, welche- zahlrächst ehrfurchtsvoll passirte. Die Vertagung des Reichstages ist, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten, in vierzehn Tagen in Aussicht genommen. Man rechnet, daß bis dahin der NachtragSetät für die Tolonialzwecke, die Militär vorlage, das GewerbegerichtSgesetz und vrrschiedeae kleinere Gesetzentwürfe erledigt werden können. Die Arbeiterschutzvorlage wurde vertagt. Der Verlauf der Berathungen über die Beamtenbesoldungserhöhung läßt sich noch nicht übersehen. Die Militär-Kommission des Reichstages gedachte am Montag ihre Arbeiten durch Feststellung des Ge setzentwurfs zu beendigen. Einstweilen ist dieErstattung eines schriftlichen Berichts und zwar voraussichtlich durch den Abgeordneten Grafen Udo Stolberg in Aus sicht genommen. Bleibt eS bei diesem Entschluss-, so dürfte etwa am Mittwoch der Bericht verlesen werden und die zweite Lesung im Plenum in der letzten Woche dieses Monats stattfinden. Durch den Tod des Abgeordneten v. Wedell-Malcho« ist daS Mandat für Angermünde-Prenzlau erledigt. Dieser Wahlkreis, welcher stets konservativ gewühlt hat, würde gewiß geneigt sein, das freigewordene Mandat dem Fürsten Bismarck, welcher bekanntlich ein solches erwünscht, zu übertragen. Die Konservativen haben jedoch die Absicht, ihren alten Führer, den bei ter letzten Wahl in seinem bisherigen Wahlkreise gegen Dr. Dohrn unterlegenen Herrn v. Helldorff-Bebra auf zustellen, und diese Kandidatur wrrd in dem Organ der nationolliberalen Partei, der „Natlib. Corr.", für selbstverständlich erklärt. Die in Vaden gebauten strategischen Bahnen sind stattliche Bauten, durch welche Süddeutschland in sieben vollständig leistungsfähigen Bahnen mit dem deutschen Westen verbunden ist. Im Jahre 1870 waren es bloß drei Linien. Nunmehr befinden sich im Ganzen und Großen längs der deutschen Grenze neunzehn U-bergänge über den Rhein, während sechzehn Bahnen ihre von Osten nach Westen laufenden Doppel- w-ge den Truppen zur Disposition stellen. Vom Reichstag. Zur Berathung stand am Sonnabend die zweite Lesung deS Gesetzentwurfs. über Gewerbegerichte. Der Abg. DreSbach befürwortete den Antrag deS Abg. Auer, die Errichtung der Gewerbege- richte obligatorisch zu machen, welcher sich mit den Wünschen deS CentralverbandeS der deutschen Industriellen decke. Die fakultative Errichtung der Gewerbegerichte würde zu einem Rattenkönig rechtlicher Bestimmungen führen. Mit den obligatorischen Gewerbegerichten würde man den Arbeitern eine wirkliche Wohlthat erweisen. Der Abg. Eberty war gegen den Antrag deS Abg. Auer und sprach für einen eigenen Antrag: Die Ge nehmigung des Ort-statuts sei nur dann zu versagen, wen« dessen Bestimmungen den Anforderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen. Der Abg. Kurtz ist gegen die Anträge der Abgg. Auer und Eb-rty. Der Minister von Bötticher war für die CommissionSfaffung. Der Antrag des Abg. Eberty würde nicht verhindern, daß bei kleineren Commune«, wo man nicht mit der nämlichen Sachkunde,, wie bei größeren vorgehe, unzweck mäßige Bestimmungen in daS OrtSstatut aufgenommen würden; gegen den, Antrag-deS Abg. Auer spreche die Bedürfnißfrage, mache man die Sewerbegericht« obliga torisch, so werde davon vielfach nicht Gebrauch gemacht werden. Die Abgg. Pfetten und Cuny waren für die Commissionsanträg,. Die Abgg. Singer und Harmeniog für den Antrag des Abg. Auer. Der Abg.Harmening beantragte die Genehmigung zu dem OrtSstatut nur dann zu versagen, wenn dasselbe den Gesetzen wider spricht. Minister von Bötticher bat, den Antrag abzu lehnen, da er da» Princip der Gemrmdeordnung ver letze. Der Abg. Eberty zog seinen Antrag zu Gunsten d«S Harmening'schen zurück. Der Antrag de» Abg. Auer ward schließlich abzelehnt; bei der Abstimmung übe, den Antrag deS Abg. Harmening stellte sich die Beschlußunfähigkrit dr» Hause» heran«. Arawkretch. In Frankreich ist jetzt viel von dem Gesetzentwürfe die Rede, der vorberütet werden soll, um alten Arbeitern Renten zn sicher». Die Ar- beiter mit weniger al» 8000 Frank Einkommen sRlerr gegen eine JahreSzahlung von 88 Frank noch 80 Jahren 380 Frank Rente erhalte». Der Staat schießt IS Frank zu. Unter dem Kaiserreich« wurde eine ähnliche Kaffe gegründet, welche kaum einige Zehn tausende Mitglieder erlangte, obwohl Jedermann sich betheiligen konnte und der Beitrag blo» 17 Krank jährlich betrug. Italia«. Bei Berathung deS KriegSbndget» unterzog der General Mattei die gesammten Einrichtungen im italienischen Heere einer überaus herben Kritik. Die Organisation der Artillerie sei mangelhaft, auch daS rauchlose Pulver habe sich nicht bewährt, der Kriegsminister habe außerdem die Disziplin der Arme« erschüttert. Schließlich drang Matt« auf schleunige Einführung eines neuen kleinkalibrigen Gewehres. Der Krieg-Minister protestirte energisch gegen die Anklagen Matteis. Aste«. Nach den letzten Nachrichten au» China ist auf der Insel Formosa ein allgemeiner Aufstand der Eingeborenen ausgebrochen. Die gegen die Stämme im Nordost«« abgesandten Regierungstruppen mußten, vom Feinde und von Krankheiten angegriffen, umkehren. Der befehligende General ist degradirt und ein Oberst, welcher den Sold der Truppen unterschlage» hatte, enthauptet worden. Auch scheinen die Chinesen einige Kanonen verloren zu haben. Im Süden haben sich die Eingeborenen erhoben, weil sie durch einen höheren Beamten betrogen worden zu sein scheinen. Amerika. Einen deutsch-amerikanischen National feiertag beabsichtigen di« Deutschen in Nordamerika einzuführen. Zu diesem Zweck fand in Milwaukee eine große Versammlung statt, zu welcher mehr al« 300 größere deutsche Vereine aus allen Theilen der Bereiniztea Staaten Vertreter entsandt hatten. Nach langen Debatten, während man unter Anderen den Sedontag und den Tag deS Stralauer FischzuaS vor geschlagen hatte, einigte man sich auf den 6. Oktober, an welchem Tag sich vor 83 Jahren die ersten deutschen Kolonisten in Germautown uiedergelaffen hätten. Es wurde auch sofort ein Komitee erwählt, welches die Vorbereitungen zur Feier dieses TageS in allen von Deutschen stärker bewohnten Städten Nordamerikas vor bereiten soll. Gleichzeitig wünschte man, daß zu jenem Tage von dem Komitee eine Broschüre veröffentlicht werden möge, welche die Verdienste der Deutschen um die allgemeine kulturelle Entwickelung der Bereinigten Staaten darstelle. Vermischtes. Zu der gemeldete« Pulverexplosion in Spandau wird noch Folgendes berichtet: Die neu« Pulverfabrik, welche außerhalb der FestungSmauer, an der Havel anstoßend, etwa 1000 in von der Berliner Chaussee entfernt liegt, besteht aus den Fabrikgebäuden, de» Reserve-Pulverlägern und den Trockeoschuppen, welche letztere — 20 an der Zahl — etwa 150 in je von einander entfernt sind und zwischen denen sich stets »och der Sicherheit halber ein Erdwall in Höhe der Schuppen befindet. Di« Trockenschuppen, welche durchweg eine Länge von circa 40 in haben und 20 rn breit und L in hoch sind, sind auS Fachwerk, ^zölligen Bohlen hergestellt und besitzen massive Wände, während die Dächer au» getheerter Pappe gefertigt find. Am Freitag Mittag, 5 Minuten vor '/«I Uhr, die 1500 Arbeiter der Pulverfabrik waren fast sämmtlich des ungünstigen Wetter» wegen, ihr Mittagbrod verzehrend, in den Kleiderschuppen, erfolgte plötzlich eine mehrere Sekunden anhaltende Detonation; die in eine« der Trocken schuppen befindliche Schießbaumwolle hatte, vermuthlich durch Selbstentzündung infolge einer entstandenen Reib ung oder durch zu große Hitze in dem Schuppen, sich entzündet und trotz der oben geschilderten Vorsichts maßregeln hatte sich die Explosion drei Nachbarschuppen mitgetheilt, deren Inhalt ebenfalls explodirte. Durch die ungeheure Gewalt de» Luftdruckes «ar einer der Kleiderschuppen, i» dem sich etwa 180 Personen be fanden, in sich zusammengebrochen und hatte die sännnt- lichen Arbeiter unter sich begraben. Zwei der Trocken schuppen waren gütlich vom Srdbodea verschwanden, die Steine aus, Entfernungen von 100 n» maherge- schleudert, die dicken Batten total zersplittert und größer« bi» einen Centner schwere Stücke 15 m hoch empor geschleudert, «ährend von de» beiden anderen Schuppen nur die Bedachungen auSgeriffen und die Seitemväade zum Thril zertrümmert stad. Die vier