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Zeit sind di« Beweist für die Richtigkeit der damaligen Diagnose von Frankreich selbst öffentlich geliefert worden. Man hat davon bei n«S wenig Notig genommen, aber doch nur deshalb, »eil Niemand an der Richtig keit zweifelte. Die radikale französische Presse gefällt sich noch heute darin, den General Boulanger zu ver herrlichen, parceyu'U a vaulu 1» xnvrrs, und der damalige KrregSminister Bonlanger hat selbst «iede'holt zugestandrn, daß er in der Thal zweimal zum Ikriege gegen Deutschland entschlossen gewesen sei; zu Beginn des JahreS 188V und bei der Schnäbele- Angelegenheit sei die Kriegsgefahr eine unmittelbar vorhandene gewesen. Boulangrr war, wie seine eigenen im Sommer 188S veröffentlichten Enthüllungen be weisen, bis iuö Detail auf den Krieg vorbereitet und hatte durch die Zeitung „^.vsnir national" mit deutschen Socialdewokraten Verbindungen angeknüpst, um sie als Agenten zu verwenden. Daß die kriegerischen Aspirationen BoulangerS nicht etwa nur Renommistereien sind, dafür liegen authentische Beweise vor. Der aus wärtige Minister im Ministerium Goblet hat bei seinem Ausscheiden auS dem Dienst erklärt, er riete ungern, aber mit dem erhebenden Bewußtsein von seinem Posten zurück, während seiner kurzen Amtszeit zweimal verhindert zu haben, daß das Haar zerschnitten wurde, an dem die friedlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich hingen. Die Kriegsgefahr im Jahre 1887 iß dadurch abgewendet worden, daß man in Frankreich durch die damaligen Wahlen be lehrt wurde, wie stark der nationale Gedanke in Deutschland sei. Man hatte sich darüber an der Seine getäuscht. Die französischen Staatsmänner hielten sich an die Thatsache, daß vor den Neuwahlen die Mehrheit im Reichstage aus Gegnern des Reichs und seiner Regierung zusammen gesetzt war. Oesterreich. Ungarn. Graf Hartenau erschien am Montag auch im Auswärtigen Amte zu Wien und hatte mit dem Minister Kalnoky eine längere Konferenz. (Dem Fürsten Ferdinand mag bei dieser Meldung nicht sehr behaglich zu Muthe gewesen sein und auch in den diplomatischen Kreisen Petersburgs dürfte man deswegen die Köpfe zusammenstccken.) Der Ministerpräsident Graf Taaffe hat mit Rück sicht auf die bevorstehenden Gemeinderathswahlen in Wien verschärfte Maßregeln gegen antisemitische Aus schreitungen angeordnet. Graf Julius Andraffy, der seit Wochen zwischen Tod und Leben schwebte, hat nunmehr der Natur den Zoll zahlen müssen. Am Dienstag Morgen gegen 3 Uhr ist er von seinen langen Leiden erlöst worden. Die größte politische That Ändraffy's war die An bahnung des durch den Besuch des Fürsten Bismarck in Wien im September 1879 besiegelten deutsch- österreich - ungarischen Bündnisses und die damit ver- bundcneSchöpfungdcs mitteleuropäischenFriedensbundes! Fürst Bismarck hat in Andraffy den berufensten und geschicktesten Mitarbeiter an der Sicherung des euo- paischen Friedens erkannt. Frankreich. Wer geglaubt hat, daß der Boulangismus todt sei, der wird durch den Ausfall der Nachwahlen vom Sonntag doch eines anderen be lehrt. Mit unerbittlicher Strenge hatte die Depulirten- kammer, wo es immer nur anging, boulangistische Wahlen für ungültig erklärt. Dafür haben nun die Ersatzwahlen stattzefuaden und die Boulangisten er rangen dabei sämmtliche Mandate wieder. Die „Rep. fr." sagt, die Wahlresultate seien traurig und er niedrigend für Paris. Der „Siocle" erklärt, die Wahlen hätten die Fortdauer des Bündnisses der Boulangisten und der Monarchisten dargethan. Die „Autoritä" meint, Pari« kehre der Regierung und der parlamentarischen Republik den Rücken. Die „Esta fette" behauptet, die Affäre Orleans führte den Boulangisten zahlreiche Strmmen zu. Im Pariser Figaro unterzieht sich der geistreiche Plauderer Saint-Genest der für ihn nicht sehr dank baren Aufgabe, seinen Landsleuten einige unangenehme Wahrheiten ins Gesicht zu sagen. Er weilt augen blicklich in Nizza, wo noch immer die Glinka'fche Oper „TaS lieben für den Zaren" unter überschwäch- lichen Kundgebungen der französischen Zuhörer aufge- jührt wird. Er schildert mit unbarmherziger Ironie, wie herablassend, ja oft spöttisch die anwesenden Ruffen dies? Gefühlsäußerungen der alliaozsüchtigen Repu blikaner aufnehmen und macht zugleich seinen Lands leuten begreiflich, daß fie die Einzigen in der Welt seien, die eine auswärtige Politik nach augenblicklichen Wallungen und Neigungen, nicht nach wirkliche» Interessen machen wollen. Ec weist dabei auf die vielbesprochene Stofsill'jche Broschüre hin und bemerkt sehr zutreffend, daß der Verfasser derselben den Deutschen etwas zumuthe, wa« noch niemals geschehen sei, solange die Welt besteh«: die Rückgabe eine» er oberten Gebiets ohue jede zwingende veranlass»»-. Man steht, der ehemalig« napoleonisch« Uuleroifizier liest den Franzosen schonungslos de» L«xt und raubt ihnen di« Wahnvorstellungen, in denen sie sich so sehr zu gefallen pflegen. Er nennt sogar an ernrr Stelle ihr Gebühren naiv und kindisch. Im Kohlenbecken von St. Etienne ist eine Aus- staubSbeweguug ausgebrochen. 400 Bergarbeiter wergerten sich «egen der Entlastung emeS Kameraden, in den Schacht „Jüdin" eiozufahren. Tie Bergleute von VrÜedoeus drohen, aus derselben Veranlassung zu streiken. Italien. „Kapitan Fracasta" und andere liberale Blätter versichern, der Papst habe am 1k. d. einen neuen Ohnmachtsansall gehabt, in Folge besten alle Audienzen hätten abgesagt haben müssen. Im Vatikan wl d d« Meldung de« genannte» Blattes entschieden al« gnuvdlos bejeichnet. Der Papst sei in den letzten drei Lagen zwar etwa« gedrückt und schwach, aber wohl gewesen. Sonntag hat der Papst die stille Messi in der HauScapeUe gelesen. Amerika. New-Uork, 17. Februar. Aus Rio de Janeiro ist heute ein Dampfer hier angelvmmen Mit 51 Personen, größtentherls Deutschen, an Bord, welche nach Brasilien ausgewandert waren, aber jetzt enttäuscht jurücklehren- Belgier«. Der Araberhäuptling Tippo Tipp, der bekanntlich durch Vermittlung Stanleys in den Dienst des Cvngvstaales getreten war, kommt infolge einer Einladung des König« Leopold nach Brüstet. «Schweden - Norwegen. Die schwedische Regierung hat aus die veetrauliche Anfrage des deutschen Gesandten Or. Busch wegen Theilnahme Schwedens an der Berliner Arbe.terschutz-Konserenz geantwortet, sie wünsche lebhaft, durch weitere geeignete Maßregeln den Arbeitern eine bessere Lage bereiten zu können, und werde gern an einer Konferenz zu solchem Zw cke theilnehmen. Balkanstaaten. Von der bevorstehenden Ab dankung des Prinzen Ferdinand von Bulgarien im Anschluß an die Panitza-Verschwörung tauchen in den Blättern mehrfache Mlttheilungen auf. Der Prinz selbst soll diesen Gedanken erwägen, Stambulow halte ihn jedoch entschieden zurück. Auch in Petersburg scheint man die Abdankung des Koburgels für bevor stehend zu halten. Das Beweismaterial dafür, daß bei Panitza's Ver schwörung russische Einflüsse eine maßgebende Rolle spielten, scheint sich sehr zu vervollständigen. Der „Köln. Ztg." wird aus Sofia berichtet, die Untersuchungs- Commission gegen Panitza habe viele Briefe beschlag nahmt, die auf die russische Politik ein schlimmes Licht werfen. Es befinde sich darunter ein Brief, in weichem von baldiger Waffensenbung die Rede ist. Man glaubt, Kalubkow habe auf erhaltene Weisung gehandelt. Srrueste Nachrichten und LclegrrrmMr. Pest, 18. Februar. Die Leiche des Grafen Ar- drasty trifft am 20 Februar hier ein und wird in das Palais der Attatemie der Wissenschaften überführt werden. Die Einsegnung der Leiche erfolgt voraus sichtlich am Freitag Vormittag, worauf dieselbe mittels Separatzuges nach Triebes gebracht wird. Die Kai serin richtete an die Wrttwe des Verstorbenen eine Beileidsdepesche mit dem Ausdruck des aufrichtigsten Schmerzes. Pest, 18. Februar. Der Ministerpräsident Tisza zeigte in der Klubkonferenz der liberalen Partei die Einbringung eines Gesetzentwurfs an, nach welchem dem Grafen Andraffy in Anerkennung seiner um Thron und Vaterland erworbenen Verdienste ein Monument in Budapest auf Staatskosten errichtet werden solle. Paris, 18. Februar. Der „TempS" meldet auS Besanxon, der General Regner habe bei der Ueber- nahme des Kommando's des siebenten Armeecorps in einer Ansprache hervorgehoben, daß ihm die Wacht an diesem Theile der Grenze anvertruut, unb ihm damit ernste Pflichten auferlegt worden seien; er werde sie erfüllen, denn er wisse, daß das Vaterland auf den Opfersinn der Mannschaften rechnen könne. Der Polizeipräfect theilte dem Herzog von Orleans mit, die stetig anwachsende Zahl der Personen, welche die Erlaubniß zum Besuche einholen, überschreite be reits die zulässigen Grenzen. Basel, 18. Februar. Nach dem vom Großen Rath deS Kantons Basel-Stadt angenommenen Kranken- versicherungSgesetz, daß noch der Volksabstimmung unter liegt, sollen alle in Basel beschäftigten Arbeiter, auch wenn sie in angrenzenden deutschen Gemeinden wohnen, unentgeltliche Verpflegung im Baseler Spital unv Hausbesuch durch Baseler Merzte genieße». Der Jahres beitrag beträgt 12 Franks, wovon die Hälfte von dem Arbeitgeber gezahlt wird. Bei eine« Einkommen weniger al« 1200 Krauts «ird der Jahresbeitrag erlass». London, 18. Kebruar. Gladstone empfing Henle eine Deputation der Bergarbeiter, «elch« dessen A». sichte» über die achtstündig« Arbeitszeit erbat. Gladsso» wies auf die Schwierigkeit hin, diejenigen Leute zur Niederlegung der Arbeit zu zwingen, welche gewillt seien, dieselbe fortzusitzen; er behalte sich hierin sei» Entscheidung und Freiheit der Behandlung dieser Frage vor. Londotn, 18. Februar. Die amtliche „Gazette" veröffentlich dir Ernennung de« Kommandanten des deutschen KreuzergrschwaderS Vizeadmiral Deinhard zum Ehrenmitglied der Militärabtheilung deS Bath. OrdenS 2. Klaffe. St. Etienne, 18. Februar. Ja der hiesige, ArbeitSbörse wurde heute eine Versammlung von Grubenarbeitern abgehalten und für die Gruben der hiesigen Bergwerks - Gesellschaft allgemeiner Aus stand beschlossen. Delegirte wurden beauftragt, diesen Beschluß auch den Grubenarbeiters der andere, Gesellschaften deS hi-sigen Kohlengebietcs mit- zutheilen, und es liegen Anzeichen vor, die befürchte, lasten, daß der allgemeine AuSstand sich auf alle Werke des diesseitigen Kohlenreviers auSdehnen werde. Christiania, 18 Februar. Der Nordlaad fahrer Dr. Nansen hielt heute Abend in der Geo graphischen Gesellschaft hiersilbst einen Vortrag über die von ihm geplante Nordpol-Expedition. Derselbe beabsichtigt, ein möglichst starkes Schiff bauen zu lasten, mit stark eingebogcnen Seiten, um vom Eise nicht zerdrückt, sondern eher gehoben zu werden. Die Fahrt soll durch die Behving-Straße gehen Und cs soll versucht weiden, mittelst der dort vorhandenen günstigen Strömung soweit wie möglich nordwärts zu gelangen und lhunlichst bald die neu-sibirischen Inseln zu erreichen. Von hier aus soll die Weiter reise nach dem Nordpol stattfinden, bis wohin dec Strom wahrscheinlich führe. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 19. Februar 1890. — Anläßlich der morgen Donnerstag von Vor mittags 10 bis Nachmittag 6 Uhr stattfindenden Reichstagswahl bringen wir in Erinnerung, daß die Stadt Riesa in drei Wahlbezirke eingetheilt worden ist. Den 1. Wahlbezirk bilden die östlich der Schützen straße und Krrchgaffe gelegenen Häuser eivschlreßlich dieser beiden Straßen. Den 2. Wahlbezirk brlden die von der Schützenstraße und Krrchgaffe bis zur Pausitze» und Riede, lsgsstraße gelegenen Häuser, ausschließlich der letzteren beiden Straßen. Den 3. Wahlbezirk bilden alle von der Pausitzer- und Nieder lagst raße, einschließlich dieser beiden Straßen, bis zur Gröbaec und Weidaec Grenze gelegenen Häuser. Die Wahl lokale befinden sich: für den 1. Wahlbezirk im Gast hofe zum Stern, am Altmarkt, für den 2. Wahlbr- zirk im Rathhause, 1. Stock, für den 3. Wahlbezirk im Hotel Münch, Gartensaal. — Das Reichstagswahl-Ergebniß in unsernr Bezirk gedenken wir, soweit möglich, morgen Donners tag Abend mittelst Extrablatt bekannt zu geben und werden letzteres in den hiesigen Restaurationen auslegcn lasten. Eine allgemeine Verbreitung läßt sich, da die Wahl bis 6 Uhr Abends dauert und die Resultate uns erst entsprechend später zugehen, nicht bewirken. — Die am letztvergangeneo Sonntage gehaltene Stiftungsfeier des hi-sigen Ev. Männer- und Jünglrngsvereins begann Nachmittag 4 Uhr mit Festgottesdienst in unserer Kirche, wozu der geehrte Stadtrath und Kirchenvorstand freundlichst Erlaubniß ertheilt hatten., Die Festpredigt hielt diesmal Herr Pastor Werner aus Gröba. über die Geschichte von der Auferweckung des Jünglings zu Rain (Luc. 7, 11—17). Das Brbelwort wurde als Bild unserer Männer- und Jünglingsvereine den zahlreichen Zu hörern von dem geschätzten Herrn Prediger in tief durchdachter Weise ausgelegt. Möchte keines Jünglings Lebenslauf dem so sinnreich gedeuteten Laufe des Jordan gleichen, der im Tobten Meere endigt. Nachdem «ine Motette vom Chore herab erklungen war, schloß die kirchliche Feier. Sinn begaben sich die VercinSgenossen mit ihren Gästen aus Dresden, Großenhain, Oschatz und au« der Nähr in den Gartensaal deS Herrn Hotelier Münch, um bei gemeinschaftlichem Abendbrote und darauf folgenden Pianosorte-, Violinen-, GesangS- und sonstigen Vorträgen noch etliche Stunden fröhlich beisammen zu sein. Herr Superintendent O. Hang, unsere Geistlichen und mehrere Herren Pastoren an der Ferne und Nähe, sowie Glieder hiesiger OrtSbe- hörden erfreuten die VereinSgenossen und andere Gaste auch bei diesem Theile deS Festes durch ihre Gegen-