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Veröffentlichung geschieht mit ausdrücklicher Genehmigung k- Königs Humbert, welcher sogar verlangte, daß auf Persönlichkeiten keine Rücksicht genommen »erde. Der Inhalt deS Tagebuches ist sehr sensationell und ver breitet sich hauptsächlich über bisher unaufgeklärt ge bliebene Hof-Jntriguen. Frankreich. Das „Lvko 6s?»ris" kündigt die Ergänzung einiger Garnisonen an der Oftgrenze an in Folge der Bildung der neuen deutschen Armeekorps. Portugal. Die in Lissabon verhafteten Republikaner sollen so rasch wie möglich vor Gericht gestellt werden. Die Regierung hat sich für umfassende Maß egel« zu Gunsten der arbeitenden Klaffen ent schieden : ein Gesetz über Arbeit der Kinder und Frauen in den Fabriken, Arbeiterschiedsgerichte, Genossenschaften zu gegenseitiger Hilfe u. s. w. Die Befestigungen in der Nähe der Hauptstadt werden verstärkt und die Marine soll mit Torpedobooten und schnellsegelnden Kreuzern versehen werden. Tchweiz. Der Bundesrath hat seine Antwort an Deutschland auf dessen Ernladung zu einer internationalen Arbeite,schutzconferenz sestgest.llt und ei kennt darin an, daß das Vorgehen Deutschlands nicht bezweckt, der Berner Conferenz entgegenzutreten, sondern geeignet ist, die Lösung derjenigen Fragen, zu w.lcher die Schweiz die Initiative ergriffen habe, zu beschleunigen. Obwohl grünt s tzlich mit dem Vor gehen der deutschen Regierung einverstanden, ersucht der Bundesrath dieselbe doch um nähere Mittheilungen über die Form, in welcher die Corferenz abgehalten werden soll, sowie über das Datum und das Pro gramm für dieselbe. Rußland. Die Russifizirung der Ostseepiovinzen ist wieder um einen starken Schritt worwärls ge kommen. Die Regierung ernannte Professor Meykvw zum Rektor der Universität Dorpat — zum eisten Mal einen Ruffen. Balkaustaate». Aus Bulgarien wird ge meldet, daß daselbst vollständige Ruhe herrsche, die Ver schwörung Panitzas habe bei der Bevölkerung weder vor- noch nachher Boden gefunden, der Fürst und die Regierung seien vollständig Herren der Situation. Dr. Hintzpeter. Unter denjenigen Persönlichkeiten, welche aus An laß der in Vorbereitung befindlichen internationalen Arbeiterschutz-Maßregeln vom Kaiser Wilhelm in den Staatsrath berufen worden sind, befindet sich auch der Geh. Regierungsrath Dr. Hintzpeter aus Bielefeld. Obwohl derselbe im Allgemeinen bisher kaum oder nur wenig in die Oefsentlichkeit getreten ist, verdient er doch in hohem Grade allgemeines Interesse und zwar aus verschiedenen Gründen. Dr. Hintzpeter war Erzieher des einstmaligen Prinzen Wilhelm und des Prinzen Heinrich bis zu der Zeit, wo der ältere der Brüder die Universität Bonn bezog. Wie sich nicht nur damaligen Beobachtern schon offenkundig dar stellte, sondern wie auch die Gegenwart als greifbares prak tisches Resultat ergicbt, hat er die ihm gestellte Auf gabe in einer Weise aufgefaßt und durchgesührt, daß ihm heute das ganze deutsche Volk Dank dafür wissen muß. Dies bezeugte auch Kaiser Wilhelm selbst vor einigen Monaten in bemerkenswerthen Worten. Bei seinem Aufenthalte in Münster in Westfalen, nach Be endigung der dortigen Manöver sprach er bei einem Festbankett seine besondere Freude darüber aus, gerade mit Bewohnern der Provinz Westfalen zusammen zu sein. Durch seinen von daher stammenden Erzieher — eben Dr. Hintzpeter — habe er in die Treue, Tüchtig keit und zähe Energie der westfälischen Natur Einblick gewonnen; er könne sagen, daß er sich bemüht habe, von diesem Wesen möglichst viel auf sich übergehen zu lasten. Und die in diesem Geiste gehaltenen Grund sätze, welcke er zur Richtschnur seines persönlichen wie seines amtlichen Lebens gemacht habe, würden ihn auch in Zukunft das Richtige lehren. — Bald nach Kaiser Wilhelms Regierungsantritt veröffentlichte Dr. Hintz peter eine ausklärende Brochüre über die Eigenart seines früheren Zöglings; die nach Form und Inhalt gleich ausgezeichnete Schrift war ein erneuter Beweis der staunenswerthen Energie, mit welcher Dr. Hintzpeter Verstanden hatte, sich in dre Geistesart seines Zöglings zu vertiefen und aus der Erkenntniß dieses heraus ihr diejenige Richtung zu geben, welche er — im Einver- ständniß mit den Eltern und Großeltern — als die im Hinblick auf den dereinstigen hohen Beruf des Prinzen geeignetste halten mußte. — Und nun, wo Kaiser Wil helm an erster Stelle nicht nur des Reiches, sondern man kann wohl sagen der ganzen civilistrten Welt seinen ebenso schweren wie edlen Aufgaben praktisch näher tritt, will er des alter probten und -bewährten Beirathes nicht entbehren. Ohne daß ihm eine so hohe Bcamtenstellung, oder wenigsten» soweit in der Orff-nt- lichkeit bekannt ist, besondere technisch« Erfahrung zur Seite steht, ist Dr. Hintzpeter doch mit Recht der ur eigenste Vertrauensmann de» Kaiser». Die großen allgemeinen Gesichtspunkte unseres ganze« Kulturleben« »erde» in ihm einen der berufensten Vertreter finden, der zudem die Ueberzeugung haben darf, daß seine An schauungen an maßgebender Stelle stets eingehender Beachtung gewiß sind. Chinesisch- Titte». Tientsin, 21. Dezember. Bor drei Tagen ent ging der junge chinesische Kaiser einer tüchtigen Tracht Prügel, wenn nicht Ernsterem. Zum Berständniß muß vorangeschickt werden, daß die Bettler sowohl als die Diebe in China eine wohlgeordnete Kaste bilden, und daß gegen l tztere sich nur der Zubestehlende oder Be stohlene wehren darf; falls ihm ein Anderer, der nicht betreff n ist, hilft, verfällt er der Rache der Diebe, und ebenso, wenn er auch nur warnt. Ter junge Kaiser liebt es, allein in der Stadl sich zu ergehen. Vor drei Tagen nun bemerkte er auf einem solchen Spaziergange, wie ein Junge, ein Bettler, einem vor ihm hergehenden Chinesen die Pfeife aus der Tasche zu entwenden ver suchte. Ec ruft dem Manne zu, dieser ergreift den Jungen und walkt ihn tüchtig durch, worauf er ihn laufen läßt. Der Kaiser begab sich bald darauf in eines der vielen Gasthäuser, setzte sich an einen Tisch, um den Reden der dort versammelten Chinesen zuzu hören, wie er es liebt. Natürlich kennt ihn Niemand, was erklä I ch ist in einer Stadt, die ungefähr drei Millionen Einwohner hat und wo die Photographie noch nicht vorhanden ist. Nach einer kurzen Weile wird der Wiuh hinausgerafen. Bor seinem Hause sind etwa 30 Bettler versammelt, welche der Junge unter dessen zusammengerufen hat, und diese, nachdem sie sich Versichert, daß der Gegenstand ihrer geplanten Rache eben in diesem Hause fii, verlangen sie vom Wirth, daß er ihn herausgebe. Das ist vollkommen gerecht fertigt nach dem Verständniß und Brauche der Chinesen. Der Wirth bemerkte wohl, daß der in Gefahr stehende junge Mann kein einfacher Chinese fei, und in der Annahme, er sei der Sohn eines großen Mandarins, dem man sich wohl gefällig erweisen könne, machte er ihn auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam und fragte, ob er vielleicht Freunde in ter Nähe hätte, die ihm Helsen könnten; so lange bis dieselben einträfen, würde er die Verhandlungen hmziehen können. Der Kaiser schrieb auf einen Zettel in mandschurischer Sprache, welche die Chinesen nicht verstehen, dem Gou verneur des Palastes, in welcher Lage er sich befände, und verlangte sofortigen Beistand. Als der Wirth hörte, wohin er den Zettel zu senden hätte, freute er sich über srine kluge Zuvorkommenheit. Nach einigen Mi nuten erschien denn auch der Gouvernrur mit der Palastwache; die Bettler und Diebe wurden sämmtlich gefangen genommen und vier derselben, die am meisten gehetzt hatten, wurden nach kurzem Proceß hingerichtet, die Andern kamen mit Bambusschlägen davon. So märchenhaft dies erscheint, ist es doch vollkommen im chinesischen Volkscharakter begründet. Der junge Kaiser ist ein sehr aufgeweckter Mensch, der schon häufig das Tsung-li-yrmen durch seine selbstständigen, gegen allen Brauch sprechenden Handlungen und Urtheile überrascht hat. Leider hat das Volk kein Zutrauen zu ihm, was sich durch die Unglücksfälle, die in den Anfang seiner Regierung fielen, erklärt, nämlich die Ueberschwemmungen des Hoangho (Gelber Fluß), welche zwei Provinzen zur Hälfte verwüsteten und gegen 8 Millionen Menschen zu Bettlern machten, der Brand im Palast, wodurch etwa 4 Mill. Taels (etwa 20 Mill. Mark) an Staats- eigenthum vernichtet wurden, endlich neulich die Zer störung des Himmelstempels durch den Blitz und noch viele andere weniger bedeutende Unfälle. So sagt denn nun das Volk, dieser Herrscher werde der letzte seines Hauses sein, und falls diese Ueberzeugung sich auch dem unruhigen Süden mittheilen sollte, könnte leicht eine zweite Auflage der Taiping-Empörung erfolgen, deren Ausgang kaum günstig für den jungen Herrscher sein dürfte. Vermischtes. Eine leuchtende Kanonenkugel ist von einem russische» Offizier erfunden und von einer Commission dieser Tage in Rußland geprüft worden. Diese Kugel soll nach der „Anny- und Navy-Gazette" hauptsächlich zum Eklaireurdienst im Seekriege ver wendet werden. Ein Probeschießen hat ergeben, daß der Lichtesiekt des Geschosses, um eine feindliche Flotte bei Nacht beobachten und beschießen zu können, be deutend intensiver ist als die Leuchtkraft der bisher angewandten elektrischen Lichtkugel. Verheerend wirkt die feurige Kugel, wenn sie selbst in ein feindliches Neueste Nachrichten und Telegramme Seite 6. Schiff einschlägt; beim Anprallen an eine« feste« Gegenstand zerplatzt da« Gesäoß und di« nackr alle« Richtungen auseinander fliegenden glühende» Metall» theile find im Stande, do« ganze Schiff in Brand z« setzen. Biel Aufsehen erregt die stattgefunden« Ver haftung deS bekannten sacialdewokratischen Agitator», früheren Stadtverordneten Fritz Görcki in Berlin »egm Wechselfälschung und Unterschlagung. JnWongrowitz (Posen) sind drei Kinder, »elche in Abwesenheit ihrer Eltern die Betten angezüudet, im Rauche erstickt. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 17. Februar 1890. — Eine Anzahl der angesehensten Land»irth« SachsenS, welche der II. Ständekammer al- Abgeordnete angehören, e-läßt folgenden Aufruf: An die Landwirthe Sachsens. Es ist mehrfach zu Tage getreten, daß Landwirthe zweifel haft find, ob sie ihre Stimme einem bisherigen Mitglied« des Reichstages, das der Orbnungspartei angehört, aber gegen Er höhung Les Eingangszolles auf Roggen gestimmt hat, geben sollen. Dieser Umstand hat uns, (die unterzeichneten Land- wirtbc). Mitglieder »er Zweiten Kammer des sächsischen Land tags. veranlaßt, diese Frage einer Besprechung zu unterziehen. Hierbei sind wir zu dem Beschluß gekommen, unsere Berufs genossen dringend zu ersuche», hieran, d. h. an dieser Abstimm ung gegen die Erhöhung der Getreidczölle, Anstoß nicht zu nehmen, vielmehr kräftigst für die Wiederwahl eines solchen Kandidaten der Oidnungsparteien gegenüber den Sozialdemo kraten und sonstigen prinzipiellen Gegnern der Getreidezöllc einzuirclen. Die landwirthschaftüchen Zölle bilden em Glied in der Zollpolitik des Reichs zum Schutze der deutschen Arbeit. Bei der Bedeutung, welche die Erkaltung einer blühenden Landwirihschast im deutschen Reiche hat, ist seitens der Ord- uungsparteien Zustimmung zu einer einseitigen Aufhebung landwuthschaftlicher Schutzzölle sicher nicht zu befürchten. Es kann daher für den Landwirth hier kein Zweifel vcrliegen. Unsere Pflicht vielmehr ist es, unter allen Umständen zur Forder ung des Sieges über die Umsturzparteien für den Kandidaten der Ordnung-Parteien cinzutrelen, gleichviel ob derselbe Be amter, Landwirth, Industrieller oder sonst irgend welchen bürger lichen Berufes ist. Beweisen wir, daß wir nicht auf einseitigem engherzigen Slaudpunkte stehen. Laßt uns Mitwirken zur Schaffung einer aus dem Boden unserer Kuliurentwickelung stehenden Rcichstagsmehrhcit. Sie ist die Bedingung zur Aus führung Les von den verbündeten deutschen Regierungen ge tragenen großen Programmes unseres Kaisers zur socialen Befriedigung. die Bedingung zur Erhaltung der Kraft und Sicherheit unseres deutschen Vaterlandes. Im Anschluß hieran empfehlen wir die Wahl des Herrn Kammerherrn Freiherrn von Friesen. — Die 3. Claffe der 117. Königlich Sächsischen Landes-Lotterie wird den 3. und 4. März 1890 ge zogen. Die Erneuerung der Loose ist spätestens vor Ablauf des 22. Februar zu bewirken. — Nach der Statistik der Reichspostverwaltung sind im Jahre 1888 wiederum 249111 Postsendungen endgillig unbestellbar geblieben, d. h. sie konnten weder dem Adiessaten zugestellt, noch dem Absender zurück gegeben werden. Es waren 171698 Briefe, 104865 Postkarten, 16 880 Drucksachen und Waarenproben, 81 Briefe mit Werthen und 637 Packete. Hätten die Absender ihren Namen und ihre Adresse auf bez. inner halb der Sendungen niedergeschrieben, so hätten sie die Briefe rc. zurückerhalten. So aber mußten die Sendungen vernichtet werden. Man sollte deshalb stets seine genaue Adresse den Sendungen beifügen. Wie oft mag übrigens wegen dieser 249111 Sendungen von den interessirten Personen die Schuld an dem Verlust der Post zugeschoben worden sein!? — Veranlaßt durch das unaufhörliche Steigen der Kohlen, wie der wesentlichsten Rohstoffe, haben alle Pcpierfabrikantcn Sachsens, Schlesiens, Nord-, West- und Süddeutschlands eine bindende feste Convention zum Zwecke der Preiserhöhung abgeschlossen und er fahren sämmtliche Papiersorten eine sofortige allgemeine Steigerung von 10—15 Proc — Zur Geschäftslage auf der Elbe schreibt „Das Schiff": Das eingetretene Froslwetter bewirkte eine theilweise Stockung in den Verladungen, wie auch der Dampferbetrieb zeitweilig wegen starken Treibeises vollständig eingestellt werden mußte. In Hamburg bleibt das Güterangebot noch schwach; da aber auch die Schiffer sich nicht nach Ladung drängen, wurde ein Zurückgang der Frachten vermieden. Letztere dürften übrigens nicht so billig werden als in frühere» Jahren zur Zeit der Frühjahrsverschifsungen, da in Hamburg außer anderem Massengut namentlich viel Roheisen und Getreide erwartet wird. Auch im Thal verkehr ist es noch recht ruhig. In Magdeburg und Dresden werden zwar Zucker Verschiffungen, soweit solche die Versicherung mit Rücksicht auf das wechselnde A lter gestattet, vorgenommen, doch fehlt es noch vollständig an Stückgut. Desgleichen ist 'N Aussig von einem geschästslosen Kohlenmarkt zu berichten.