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EL soll auch kin Dank gefordert, sondern eS soll nur fest gestellt werden (»eil eS von sozial demokratischer Seite geleugnet wird), daß die deutsche ReichSgesetzgebung für die Freiheit und das Wohl befinden der Arbeiter schon längst in ausgiebigster Weise gesorgt hat, schon zu einer Zeit, wo von einem Drucke der sozial demokratischen Bewegung auf Regierungen oder Reichstagsabgeordnete nicht entfernt die Rede sein konnte. Denn in dem Reichstag 1867 70 saßen nur drei Sozialdemokraten (Bebel, Jörsterling und Liebknecht), und die Gesammtheit der Stimmen, welche die Mitglieder dieser Partei (welche sich damals noch „sächsische BolkSpartei" nannte) ausbringen konnte, betrug 1867 nur 15 064, also »/i, von dem, was sie 1887 betrug. Auch das Haftpflichtgesetz, welches seiner Zeit von den Arbeitern mit so großer Freude begrüßt ward, datirt seinem eigentlichen Ursprünge nach aus dem Reichstage 1867—70. Denn der Antrag auf ein solches (der, beiläufig bemerkt, von einem Kreise national liberaler Männer in Leipzig ausging) ward vom Reichs tag in seiner Sitzung von 186S empfehlend dem Reichskanzler überwiesen, und das Gesetz selbst war beim Beginn des Reichstages 1871 bereits fertig. Was die Reichsgesetzgebung in dem letzten Jahr zehnt — infolge der von unserem unvergeßlichen Kaiser Wilhelm 1. persönlich gegebenen Anregung — für die Arbeiter gethan hat, daS Kran ken lassen- und Unfallversicherungsgesetz und das In validen- und Altersversorgungsgesetz, ist in frischer Erinnerung und braucht daher hier nicht ins Gedächtniß gerufen zu werden. Ls ist auch genug sam darüber gesprochen und geschrieben worden, wie groß einerseits die Geldopfer find, welche in Folge dieser Gesetze das Reich und die Arbeitgeber bringen, andererseits die B ortheile, welche durch die selben den Arbeitern zufließen. In letzterer Hinsicht sei nur erwähnt, daß die Krankenversicherung etwa 5 Millionen, die Unfallversicherung 8- 9 Millionen, die Jnvalidenversorgung 11 Millionen Arbeitern zu Gute kommt, daß in Folge des bereits in voller Wirksamkeit befindlichen Unfallversicherungsgesetzes im Jahre 1888 8705648 Mk. Entschädigungen für Unfälle an von solchen betroffene Arbeiter oder deren Familien auSgezohlt wurden, daß nach dem Jn- validengesetz ein Arbeiter, der in der 4. Lohnklasse wöchentlich 7 Pfg. (das ist der Betrog von »/? Glas Bier oder kaum 2 Cigarren) Beitrag zahlt, nach 5 Jahren, wenn er erwerbsunfähig wird (nachdem er bis dahin zusammen 16 Mt. 45 Pfg. Beiträge gezahlt hat), jährlich ca. 115 Mk., nach 20 Jahren, wo er im Ganzen 65 Mk. 80 Pfg. beigesteuert hat, jährlich circa 129 Mk. erhält, einer in der 1. Lohnklosie nach 5 Jahren 140»/2 Mk. (für 35 Mk. 25 Pfg. Beitrag), nach 20 Jahren 232 Mk. (für 141 Mk Beitrag) u. s. w. Die Beiträge der Arbeitgeber und des Reichs für die Unfallversicherung und die Invaliden- und Altersversorgung berechnen sich zusammen auf 228 Millionen jährlich. Wollte man hierzu noch die Summe schlagen, welche von einzelnen Arbeitgebern aus vollkommen freiem Willen jahraus jahrein bald hier, bald dort in Beträgen von 10000, 20000, 50000, 100000 bis zu 1 Million Mark (wie noch vor Kurzem wieder von der Firma Krupp) in Stiftungen und Verwend ungen oller Art zum Besten ihrer Arbeiter aus gegeben werden (für Arbeiterwohnungen, Schulhäuser, Versteuern zu Spar- und Consumvereinen u. s. w. u. s. w.), so möchte noch eine erklrckliche Summe weiter herauskommen. Für die sächsischen Arbeiter kommt noch insbesondere Etwas in Betracht, was nicht unerwähnt bleiben darf, weil von sozialdemokratischer Seite man auch diese Thatsache zu verdunkeln versucht hat. Das ist die Veranlagung der directen Steuern. In einem bei den letzten sächsischen Landtagswahlen „An die Wähler des 2. und 3. städtischen Landtags wahlkreises" (in Leipzig) gerichteten sozialdemokratischen Flugblatt hieß es: „DaS sächsische Einkommensteuergesetz ist eines der bestrn derartigen Gesetze in Deutschland; es trifft aber verhältnißmäßig hart die kleinen Ein kommen, während die größeren relativ besser fahren." Das ist wiederum ein recht schlagender Beweis, wie entweder die krasseste Unwissenheit oder böser Wille dir klarsten Thatsachen entstellt, um die Arbeiter unzufrieden zu machen und sie gegen diebe stehende Staatsordnung zu verhetzen. In keinem Punkte ist der durchaus arbeitrrfreundliche Charakter unserer Gesetzgebung und der gewaltige Fort schritt, der auch darin gegen früher stattgefaoden hat, so deutlich sichtbar, als im Punkte der directen Steuern. Während in früheren Zeiten daS stattfand, wa» jenes Flugblatt rügt, nämlich eine Bevorzugung der Wohlhabendere» zu Ungunsten der Aermeren, z. B. durch die sogen. Kopfsteuer, die auf jedem Einwohner lastete, gleichviel, ob er etwa« verdiente und wie viel, ja, die in manchen deutschen Länder sogar jedes einzelnen Familienglied traf, so daß kinderreichen Tagelöhnerfamilie bisweilen bis zu 12 oder 15 Mk. Steuer jährlich zahlten — statt dessen findet nach unserem heutigen sächsischen Einkommensteuergesetze, welches in der That keines der besten in ganz Deutschland ist", das gerade umgekehrte Berhältniß statt. Die niedrigsten Ein kommen — bis mit 300 Mk. — zahlen gar nichts, die von 400 Mt. Mt. jährlich, das ist r/, vom Hundert, die von 500 Mt. 1 Mk. oder '/» vom Hundert, weiterhin die von 800 Mk. 4 Mt. oder vom Hundert, die von 1250 Mk. (wohl so ziemlich dem höchsten Einkommen eines ge wöhnlichen Arbeit rS) 8 Mk. oder "/zz vom H under t, wogegecn die darüber hinausgehenben Einkommen 1, 1,8, 2 s bis 3 vom Hundert entrichten, also prccentual 8 bis 24mal so hoch herangezozen sind, wie das niedrigst besteuerte Einkommen, 5 bis 15mal so hoch, wie das nächstniedrige u. s. w. So kommt es, daß etwa 84 Piocent oder mehr als ^5 der sämmt- lichen Steuerpflichtigen (die unteren Einkommenclafsin) zusammen die eine Hälfte, 16 Procent oder noch nicht '/s (die Wohlhabenderen) die andere Hälfte der ganzen jährlichen Steuersumme bezahlen! So steht es mit der Fürsorge unserer Reichs- und Staatsgesetzgebung für die Arbeiter! Nun die andere Frage: was haben denn bis jetzt die Socialdemokraten für die Arbeiter gethan? Sie haben, als zuerst die Frage der Arb,iter- schutzgesetze im Reichstag zur Verhandlung stand, sich daran so gut wre gar nicht betheiligt, vielmehr größtcnlherls durch ihre Abwesenheit geglänzt und es vorgezogen, unterdessen Agitationsreisen durch Deutschland zu machen mrt Benutzung ihrer (damals noch für das ganze Reich giltizen) Eisenbahnfreikarten! Sie haben gegen das Unfallversicherungs gesetz und ebenso gegen das Invaliden- und Altersversicherungsgesetz gestimmt. Bei Gelegenheit des Haftpflichtgese yes that Herr Bebel eine Acußerung, welche bezeichnend ist für den ganzen politischen und parlamentarischen Stand punkt dieser Herren. Er meinte: „Wir National liberalen hätten mit der Beantragung dieses Gesetzes einen guten Griff gethan." Damit wollte er sagen: wir hätten diesen Antiog gestellt, um uns die Arbeiter günstig zu stimmen. Daß man etwas thun kann und thut aus reinem Gerechtigkeitsgefühl und uneigennützigem Interesse für einen ganzen ehren- werthen Stand, davon scheinen diese Herren keine Vor stellung zu haben. Ihnen ist es ja immer nur darum zu thun, die Arbeiter an sich zu locken. Und weil die ruhrgen, arbeitsamen, sparsamen, häuslichen und zu friedenen Arbeiter nicht für sie zu haben sind, darum suchen sie diesilbin in jeder Weise unzufrieden zu machen; darum spotten sie über die pflichttreuen Farnilrenväter; darum eifern sie gegen die Sparsamtzdit, wie schon Lassalle gegenüber dem warmen Freunde der Arbeiter Schulze-Delitzsch that, der die Arbeiter zur Sparsamkeit ermahnte; darum treiben und drängen sie die Arbeiter in Streiks und immer neue Streiks hinein, auch wenn sie voraussehen können, daß die zu weit gehenden Forderungen der Streikenden nach der ganzen Lage des betreffenden Industriezweiges nicht bewilligt werden können. Um so besser, so entsteht neue Unzu friedenheit, neue Gährung unter den von ihnen aufge hetzten Arbeitern, und dann blüht der Weizen der Socialkemotiatie! Eine friedliche Ausgleichung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern dagegen ist ihnen zuwider, darum sind sie keine Freunde der Gewer be schieds- gerichte, wo im Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitern Streitigkeiten zwischen solchen geschlichtet werden; darum haben sie, wie seiner Zeit in öffent lichen Blättern berichtet und nicht widerlegt ward, die Bildung jener Arbeiterausschüsse zu Verhindern gesucht, welche der Startr'sche Fabrikantenverein im sächsischen Erzgebirge zu dem Zweck ins Leben rufen wollte, um an ihnen ein Mittel friedlicher Ausgleichung und gemeinsamer Förderung der beiderseitigen Interessen zu haben. Das sind die Thaten der Socialdemokratie! Ob solche den Arbeitern zum Heil oder Un heil gereichen, das zu entscheiden, kann man wohl den verständigeren unter diesen selbst überlafsenfl Unter den wrrthvollen Gaben, welche die deutschen I Regierungen den Arbeitern freiwillig entgeg« I gebracht haben, wäre auch noch daS allgemei s für Alle gleiche Wahlrecht zu nennen. A das war ein großer Act deS vertrauens l Regierungen zu den Arbeitern. Man traute ihr so viel Einsicht und so viel BaterlandSlie zu, daß sie dasselbe nicht gegen ihre eigen, wahren Interessen und nicht gegen daS al gemeine Interesse des Reichs kehren würd. Ob aber dies nicht der Fall wäre, wenn sie sich blinden Anhängern der Socialdemokratie mißbrauch ließen — auch das mögen sie bei sich selbst entscheide (Lech». Tbl) Tagestjeschichte. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm soll de. Geh, Kommerzienrath v. Stumm seinen demnächstig« Besuch in Neunkirchen zugesagt haben und bei dies Gelegenheit eine Deputation der fiskalischen Berga beiter anhören wollen. Die Mitglieder des StaatSraths sind, wie eS heiß ersucht worden, das zur Vertheilung gelangen! Material als geheime Sache zu behandeln. Ter P-vvinziallandtag in Schleswig bewilligte eil stimmig 125000 Mk. für das Kaiser-Wilhelms-Denkm« der Provinz Schleswig-Holstein in Kiel. Der Afrikareisende Gerhard Rohlfs schlägt in de „Köln. Ztg." die Beschaffung von 500000 Mk. durc Sammlung für Emin Pascha vor. Mit dieser Summ soll Emin Pascha sich ausrüsten, durch die deutsch Interessensphäre nach Uganda und Unjo.o zurückkehrer wo wahrscheinlich, wie Rohlfs meint, ein bloßes E scheinen schon hinreichen werde, die ehemals von ihn beherrschten Provinzen ihm wieder zuzusühren. Dami würde zugleich Deutsch-Oftafrika sein Hwterlcnd be kommen. Oesterreich. Um dem Raten- und Renten- briefschwindcl, d. h. dem Verkauf von Werthpopiererr gegen Ratenzahlungen ein Ende zu machen, hat der Abg. De,schalte» im österreichischen Abgeordnetenhaus« einen Gesetzentwurf eingebracht, in welchem sowohl der Verkauf von Antheilloscn (Promissen und Partialen), sowie der Verkauf böisenmäßiger Efskten gegen Raten zahlungen verboten und unter die gleiche Strafe ge stellt wird, wie das durch die Lottovorschristen unter sagte Spiel. Rückwirkend soll das Gesetz nicht sein. Es wäre namentlich für Österreich, wo derartige Ge schäfte in viel weiterem Umfange blühen, als in Deutsch land wünschenswerth, wenn dieser Art von Ausbeutung der Untenntmß ein fester Riegel vorgelegt würde. Aus Laibach berichtet man der „Gr. Tgsp.": „In Folge der vorjährigen Mißernte ist in mehreren Theilen des Landes, insbesondere dem AdelSberger Bezirke, Hungersnoth ausgebrochen. Der Landesausschuß hat sich bereits veranlaßt gesihen, aus dem ihm zur Ver fügung stehenden Credite zehn Waggons Kukuruz an kaufen und unter die nothleidende Bevölkerung der Gerichtsbezirke Adelsberg und Jllyrisch - Feistritz ver- theilen zu lassen. Der zu diesem Zwecke vom Land tage bewilligte Credit von 20000 Gulden reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die immer mehr um sich greifende Noth auch nur theilweise zu beheben. Der Landesausschuß wandte sich daher an die Regierung mit der Bitte um eine Staatsunterstützung und ein zinsenfreies Dar lehn von 300000 Gulden für die Nothleidenden." In der Deputirtenkammer hat sich am Freitag eine royalistische Partei gebildet, d. h. also mit der ausdrücklichen und offenen Absicht auf Wiedereinführung des Königthums. Eine vom Club der Jungczechen nach Pardubitz auf den 2 März einberufene Versammlung, worin die politische Situation berathcn und ein Vortrag über die nationale Bedeutung des böhmischen Reformators Huß gehalten werden sollte, wurde von Seiten der Behörde verboten. Das Befinden des Grafen Androssy hat sich noch nicht gebessert. Nach dem am Sonntag auSge- gebcnen Bulletin hatte der Kranke infolge starker Schmerzen eine vollkommen schlaflose Nacht; der Appetit mangelt gänzlich und die Kräfte haben ab genommen. Das Fremdenblatt erklärt, von unterrichteter Seite werde bestätigt, die in Wien stattgehabte Anwesenheit des Grafen Hartenau habe nur den Zweck gehabt, dem Kaiser für die Aufnahme in den österreichischen Staats verband zu danken. Die Meldung, Graf Hartenau werde demnächst das Kommando eines Regiments er halten, sei durchaus unbegründet. Italien. In politischen Kreisen sieht «an mit großer Spannung der Veröffentlichung des Tagebuchs des verstorbenen Prinzen AmadeuS entgegen. Die