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schlecht ernährt. Die freie Zeit, welche die Schule ihnen läßt, müsse» sie zu Hause fitzen und spulen. Brod, Kartoffeln, Butter und Mehl machen im Durch schnitt der 28 untersuchte» Familien zusammen nahezu SO Proc., das Brod allein 5L Proc. der gesummten Energiezufuhr auS. Die Kartoffeln bilden Mittags Tag für Tag daS Hauptgericht; sie erscheinen öfters auch Abends und zuweilen auch Morgens. Die Kartoffeln bilden fak das einzige «arme Gericht in der Kost. Die meisten Weberfamilien essen weder Fleisch noch Fleischwaare». Grüne Gemüse werden nur wenig gegessen. Zum Einkauf sind sie ihnen zu «Heuer. Das hauptsächlichste Getränk ist Kaffee, aus kichoüe, gebrannter Gerste oder anderen Kaffeesurrozaten. Branntwein wird nicht getrunken, Bier nur aus nahmsweise. Als gewöhnliche tägliche Kost kann zelten: früh Milchkaffee oder Mehlsuppe, Brod mit Butter; Mittags Kartoffeln in der Schale mit Salz und Butter, Milchkaffee, Brod, Nachmittags Milch kaffee, Brod und Butter; Abends abgerahmte oder Buttermilch oder Bollmilch, Brod mit Butter — oder Kartoffeln mit Salz, Butter und Brod. Das Mittagessen eines Factors, also eines besser situirten Webers, wurde bei einem Besuche aus Kartoffeln, Quark, Brod und Milchkaffee bestehend gefunden." Lemerkenswerth ist, daß, wie Herr von Rechenberg hervorhebt, die Laufitzer Handweber „trotz des außer ordentlich geringen Einkommens" und trotz der dadurch bedingten Ernährungsweise „einen wohlgeordneten Haushalt «nd ein zufriedenes, in keiner Weise elendes Leben führen". Die Untersuchungen über den Haupt- zegenstand deS Buches werden folgendermaßen zu- sammengestellt: „Die Ernährung der Handweber stellt eine Minderernährung t-otz völliger Sättigung dar, entstanden geringeren Theils durch den den Appetit herabsetzenden Einfluß des dauernden Aufenthaltes in den niedrigen, schlecht gelüfteten Stuben, vornehmlich aber durch die ungenügende Geschmacksanregung der einföimigen und in Rücksicht hierauf nicht hinlänglich fettreichen Kost" Herr von Rechenberg meint, es be dürfe noch mancher grundlegenden Untersuchung, ehe die Ernährungslehre zu einer angewandten Wissen schaft wird, erinnert an den Satz des Physiologen Boit: „Es ist in hohem Grade auffallend, baß zur Feststellung einer rationellen Ernährung der Hausthrere viele Kiäfte, auch mit Unterstützung des Staates, Ihätig sind, namentlich in den sogenannten agricultur- chemischen Belsuchsstationen, daß sich dagegen um die Ernährung des Menschen kaum Jemand bekümmert", und kommt zu folgenden Schlußsätzen: „Die Kenntniß der menschlichen Ernährung ist eine sociale Frage von höchster Tragweite. Soll sie wirksam gefördert «erden, st giebt es kein anderes Mittel, als die Errichtung eines hinreichend ausgestatteten Instituts, welches ohne jeden Lehrzweck ausschließlich dazu bestimmt ist, die Ernährung des Menschen zu stubiren. Ein Staat, der dies unternimmt, würde sich ein Denkmal für alle Zeiten setzen und dabei doch nur seinen eigenen praktischen Nutzen wahren." Man vergleiche übrigens einmal vomrtheilslos Lage und Stimmung dieser armen Handwcber mit der Lage und Stimmung unserer Fabrikarbeiter und man wird finden, daß die Leute, welche am meisten Geschrei machen, gar nicht so schlecht gestellt sind. Pirna, LgDAugust. Die bereits früher mehrfach erwähnten Hausindustrieschulen haben gegenwärtig eine Krisis durchzumachen. In unserer Stadt bestand eine Schnitz- und Korbflechtschule; dieselben sind jedoch bis auf Weiteres geschloffen, da seitens oer König!. Staatsregierung die Bedingungen der Beseitigung eines SchulausschuffeS, sowie die Gewährung freier Schul räume mit Heizung und Licht seitens der Stadt gestellt worden sind. Die Meinungen sind in dieser Jndustrie- schulfrage sehr getheilt; angesichts der ersprießlichen Tätigkeit, welche die gedachte» Schulen bisher ent falteten, dürfte einer Erfüllung der gestellten Beding ungen und damit dem Fortbestehen dieser Einrichtungen aber immerhin daS Wort zu reden sein. Die hier wieder holt veranstalteten Ausstellungen von Erzeugnissen der Hausiudustrieschule boten stets ein recht erfreuliches Bild. Aus der sächsisch-böhmischen Schweiz, 30. August. Die ungünstige Witterung der letzten Auguflwoche hat wesentlich dazu beigetragen, daß auch diejenigen'Sommergäste, welche ihren Aufenthalt nicht an eine bestimmte Zeit zu binden hatten, nach der Heimath zurückzekehrt sind. In fast sämmtlichen Ort schaften deS Eldthales, sowie in Len Sommerfrischen Hohenstein, Hinterhermsdors, Gohrisch, Cunnersdorf und Schweizermühle ist die gewohnte Stille wieder eingetreten. Sayda, LS. August. In Neuhausen bei Sayda erregte großes Aufsehen die Verhaftung des Stellmachers »nd Wagenbauers Louis Wagner, weil derselbe nach dem „Dr. Anz." im Berdacht steht, sein neugeborenes Kind vergiftet zu haben. Die Untersuchung erfolgte durch die Staatsanwaltschaft Freiberg, dem kgl. Bezirks arzte unter Mitwirkung deS Neuhausen» «nd deS Saydaer ArzteS und währte viele Stunden. Gravirende Momente muß dieselbe ergeben haben, weil sie die Festnahme Wagners zur Folge hatte. Dem Verhafteten wurde zu Anfang der Woche daS achte Kind geboren, von welchen nur noch L am Leben sind, die übrigen starben stets nach wenigen Lebenslagen, trotzdem die Kinder gesund und kräftig gewesen sein sollen. "Nach dem nun daS letzte Kind abermals so plötzlich verstarb, erstattete die Leichenwäscherin beim Gemeindevorstände Anzeige, der «eitere Anzeige an die Staatsanwaltschaft gelangen ließ. Die Beerdigung des Kindes wurde beanstandet. Ferner schreibt man dem „Dr. Anz." unterm 30. August: Die Untersuchung gegen den wegen Verdachtes des Giftmordes verhafteten Stellmachcrmeister Wagner rn Neuhausen zieht immer weitere Kreise. Sie erstreckt sich auch auf die Ergründung der Todesursache eines Stiefsohnes Wagners, welcher vor ungefähr 10 Jahren verschwunden war utid den man damals nach kurzer Zeit bei Cunnerswalde in einem Teiche ertrunken aufgefunden hat. Der Staatsanwalt aus Freiberg weilte auch gestern noch in Neuhausen um verschiedene Personen in Angelegenheit der Untersuchungssache gegen Wagner zu vernehmen. Bezüglich der früher verstorbenen Kinder wird dem Wagner kaum etwas nachzuweisen sein. Markranstädt, 30. August. Seit längerer Zeit beschäftigt man sich hier mit der Frage, ob es zweck mäßig und für das Wohl der Stadt ersprießlich sei, wenn an Stelle der gegenwärtigen Gemeindeordnung die revidirte Städteordnung eingesührt werde. Unser Ort, der für industrielle Anlagen sich ganz besonders eignet, wächst stetig, so daß auch der Verwaltung immer größere und schwierigere Aufgaben erwachsen. In Er wägung aller bei der Angelegenheit in Betracht kommenden Umstände ist denn auch vom G-meinderath beschlossen worden, hier die revidirte Städterordnung, womit gleich zeitig die Einsetzung eines Juristen als Bürgermeister bedingt werden würde, einzuführen. Nossen, 29. August. Daß vor dem Genuß von Pilzen, die man nicht genau kennt, nicht genug gewarnt werden kann, beweist wieder ein Todesfall, der gestern in einer Bahnwärter-Familie in der soge nannten Herrnaue unterhalb Kloster-Zella sich zuge tragen hat. Die Frau des betreffenden Bahnwärters ist gestern nach dem Genufle eines Pilzgerichts ge storben und zwei ihrer Kinder liegen noch krank darnieder. Leipzig, 30. August. Die geringe Baulust dieses Jahres ist rückwirkend auf viele Erwerbsvsr- hältnifse. So haben einzelne Ziegeleien ihren Betrieb schon gänzlich eingestellt, andere haben denselben wesentlich beschränkt; in den Steinbrüchen geht es gleichfalls flau her, man will, da sich über das kommende Baujahr noch kein Urtheil bilden läßt, sich nicht große Vorräthe lagern. Die Löhne gehen mehr und mehr zurück und Ablehnungen finden fast wöchent lich statt. Der Rückgang macht sich am meisten in den Putzarbeiten bemerklich; im Vorjahre verlangte man für Häuserabputz mit dreimaligem Oelanstrich per Quadratmeter bis 1,40 Mark, in diesem Jahre bieten Scharwerksr die gleiche Arbeit schon für 80 Pf. per Quadratmeter an. Dieser Rückgang ist nicht ohne Einfluß auf die Bauplatzpreise geblieben, ebenso für die Grundstückspreise, da die Wohnungen schwer an sicher zahlende Micther zu vermielhen sind, und da in den Vorjahren viele Bauspeculanten mit geringen Mitteln bauten, so sind Zwangsverkäufe jetzt gerade keine Seltenheit. Vermischtes. Rhein-Katastrophe. Das „B. T." bringt folgendes Telegramm aus Hohenems, 30. August. In Folge der anhaltenden Regengüsse ist heute Nacht eine Rhein-Katast.ophe einzetreten, deren Folgen noch un heilvoller werden dürften, als 1888. Der Eisenbahn damm von Hohenems bis Götzis steht unter Wasser, die Ernte ist total vernichtet; der Regen dauert fo>t. Peters und seine Somali. Die „Staatsb. Z." berichtet: Ergreifend war in Aden der Abschied Dr. Peters von seine» getreuen Somalis. Dr. PeterS er wähnte in einer Unterhaltung, er Labe dxm Führer der zur Expedition gehörigen Somalis, dem Häuptling Hussein, der augenblicklich noch in Aden «eilt, Hoffnung gemacht, ihn cventuell nach Deutschland kpmmen zu lassen. Sofort erboten sich zwei ter an der Unter haltung theilnehmenden Herren, die Kosten für diese BesuchSreise deS SomolihäuptlingS zu tragen und un verzüglich wurde in einer telegraphischen Depesche nach Aden an Hussein die Weisung übermittelt, mit dem nächsten Pvftdampfcr noch Deutschland abzureisea. Man wird also,in etwa drei Wochen Gelegenheit haben, einen Vertreter dieses interessanten BolksstammeS „Unter den Linden" promenireo zu sehen. Neueste Nachrichten und Telegramme' Lauterberg a. Harz, 31. August. Der Reichs kommissar v. Wißmann begiebt sich heute in Begleitung seines Adjutanten Dr. Bumiller nach Brüssel und Ost ende, um daselbst dem König von Belgien einen Be such abzustatten. Boa dort geht Major v. Wißmann nach Bremen, Hamburg, Cöln und gedenkt am IS. September in Berlin eiuzutreffen. Eisenach, 31. August., Die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung hält hier ihre dies jährige Jahresversammlung ab. Nach geschäftlichen Mitteilungen wurde heute über HauswirthschaftS- Unterricht verhandelt. Triest, 31. August. Der Lloyddampfer „Helios" ist, von Lonstantinopel kommend, heute Nachmittag hier eingetrosse». Bern, 31. August. Der Rhein hat auch bei Koblach den Damm durchbrochen, wre im Jahre 1888; doch ist der Umfang der Ueberschwemmung größer als damals. Die Dörfer Koblach, Maeder, Altach und Lustenau in Vorarlberg stehen völlig unter Wasser; besonders ernst ist die Lage in Höchst. Auf der Schweizer Seite des Rhein ist von Bauriz bis Montlingen und Rueti Alles ein See von gestautem Hinterwaffer. — Die Eisenbahn zwischen St. Margarethen und Bregenz ist unter brochen. Die Noth ist sehr groß. Sofia, 31. August. Die „Agenre Balranique" sagt bezüglich der Nachricht französischer Blätter, wonach Prinzessin Clementine der Mütter des Major Panitza eine Pension angeboten hätte, daß in hiesigen unterrichteten Kreisen davon durchaus Nichts be kannt sei. Bilbao, 31. August. Die Königin-Regentin traf, von dem Ministerpräsidenten Canovas de Castillo be gleitet, gestern Nachmittag von San Sebastian hiersclbft ein und wurde von der zahlreich zusammengeslrömten Menschenmenge mit begeisterten Zurufen begrüßt. Boa hier fuhr die Königin-Regentin weiter nach dem eng lisch-spanischen Schiffsbauhof in Portugalete, woselbst dieselbe dem Stapellaufe des neue» Kreuzers „Jnfanta Maria Tercsa" beiwohnte. AbendS erfolgte die Rück kehr nach San Sebastian. New-York, 31. August. In der Standard- Coke-Fabnk in Scottsdale (Pcnnsylvanien) haben 1000 Kohlenarbeiter w gen Beschäftigung von Nichl-Gewerk- vcreinlern die Arbeit eingestellt. Melbourne, 31. August. In den Straßen ! Melbourne's, die theilweise wieder elektrisch erleuchtet sind, herrscht heute vollständige Ruhe. Eine Kund gebung, an der sich gegen 40000 Personen betheiligt hatten, verlief sehr ruhig. Es wurden mehrere Reso lutionen angenommen, in denen den Tradc-Unions Eng lands der Dank für ihre Sympathie und materielle Hilfe ausgesprochen wird. — Die Rheder lehnten den Antrag ab, mit den Vertretern der Streikenden zu verhandeln, bevor sie mi» den vereinigten Arbeitgebern sich belachen hätten. — Die Regierung von Sydmy beschloß, einen Theil der Quais zu verbarrikadiren, damit die Nicht-Unionisten unbehelligt arbeiten könnten. 2 neue elegante Piamaos, in Nußbaum matt und blank, bei öjähriger Garantie, sind preiswerth zu verkaufen » Kastanienftratze SS. Stadtpark Niesa. . Dienstag, de« S. September , DM" grosses patriotisches fvst-Lonvvrt -WU zur Feier der 20. Wiederkehr der glorreichen Schlacht bei Sedan, gegeben von der verstärkten Stadt- Capelle (22 Mann) unter Leitung ihres Direktors Schtverdtfeaer. PW" Anfang S Uhr. Programm s. Nr ILL Eintritt LS Pfg. Zu einem recht zahlreichen Besuch laden ganz eraebenst ein E. Kanlfnß. H. Schlverdtfeger, Stadt-Musikoirector.