Volltext Seite (XML)
ElbMall und Anzeiger. Amtsktatt der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. ^«74. Sonnabend, den 17. Mai 1890. 4«k. Jahrg. «ssss—MSSSSSSM———SSs—im—»»«W— Erscheint in Riesa aöchenwch viermal: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend unv Sonntag. — bonnemenropreis vieneijährnch l Mark 2L Psg — Bestellungen nehmen alle ikaiserl. Postanstallen. Postboten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schön), iow:e alle Boten entgegen. - In erste, welche bei dem auSgebreiteten Leserkreise eine wirksame Veröffent lichung finden, erbitten wir uns bis Montag, rcw. Mittwoch, Freitag oder Sonnabend vormittag» 8 Ubr. — JnsertivnSpreiS die dreigespaltene LorpuSzeile oder deren Raum lo Psg. Für Len atwesenten Friedrich Wilhelm Beulig, geboren am 16. August 1825 in Glmrbitz, ist Herr Onsrichier Julius Sucher daselbst am 26. April 1890 als Abwesenheitsvormund verpflichtet worden. Riesa, den 14. Mai 1890. König!. Amtsgericht. K.-Rath «inz. Bekanntmachung. Die am 30. laufenden Monats fällig werdende Einkommensteuer aus den 1. Termin dieses Jahres ist baldigst, längstens aber bis zum St. Mai dieses Jahres bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die hiesige Stadtsteuer- cinnahme abzusühren. Riesa, am 26. April 1890. Der Stadtrath. Klötz er. Ndl. Submission. Verschiedene Umbauarbeiten an den Nebengebäuden der hiesigen Pfarr wohnung sollen im Submissionswege vergeben werden. — Zeichnung. Be dingungen und Blanquet liegen von Freitag, den IS. dfs. Mts. an bei dem Unterzeichneten zur Einsicht aus. Versiegelte Offerten mit der Aufschrift „Umbauarbeiten in der hiesigen Pfarrwohnung" sind bis Mittwoch, den 81. Mai. e.. Mittags 18 Uhr, ebendaselbst einzurerchen und bleibt Auswahl unter den Bewerber« Vorbehalten. Riesa, den 14. Mai 1890. Der Bauausschusj des Kkrchenvorstandes. F. A. Grundmann, Vorsitzender. Submission. Der Neubau eines Schulgebäudes für die Schulgemeinde zu Pochra soll Mittwoch, den 88. Mai ds. Jahres, Nachmittags 4 Uhr im hiesigen Gasthofe nach dem Mindestgebot und unter den vor Beginn der Licitalion bekannt zu gebenden Bedingungen an einen Bewerber vergeben werden. Die Auswahl unter den Bewerbern behält sich der Schulvorstand vor. Zeichnung, Kostenanschlag und Bedingungen liegen bei Unterzeichnetem zur Einsicht aus. Pochra, den 12. Mai 1890. Popendicker, Vors. im Schulvorstand. Taijesgeschichte. Im Reichstag fand am Mittwoch die erste Lesung derMilitärvorlage statt. Der Kriegs minister von Verdy du Vernois leitete die Debatte ein und erklärte, die Vorlage werde vertraulich in der Commisstoa zu besprechen sein; im Allgemeinen sei daran festzuhalten, daß man mit den Nachbarstaaten gleichen Schritt halten müsse auf dem Gebiete der Organisation, und daß, wenn die Zeit verloren sei, man mit einem Schlag nicht Alles nachholen könne. Unmittelbar nachdem der Kriegsminister von Verdi du Vernois geendct, erhob sich als Erster unter den Reichs boten der greise Feldmarschall Graf von Moltke. Mit wenigen Schritten trat er an die vorderste Bank des zweiten Keiles der Rechten, stützte sich leicht mit zwei Fingern auf die Tischplatte, und sprach von hier aus, das Gesicht nach den Nationalliberalen gewendet, hoch aufgerichtet dastehend. Dann trat athemlose Stille ein, kein Räuspern, kein Husten störte das tiefe Schweigen; selbst die Sozialdemokraten verhielten sich lautlos, und nur häufiges Bravo unterbrach di- fast grabesähnliche Ruhe. Laut und klar, überall vernehmbar ertönte die Stimme des greisen Redners, nachdem derselbe die ersten zwei oder drei Sätze ziemlich undeutlich vorge- tragen hatte. Redner erklärte, wenn auch von allen auswärtigen Mächten Versicherungen friedlicher Absichten gegeben würden, so entbinde das doch nicht von der Fürsorge für die Sicherheit. „Wenn die Behauptung ausgestellt worden sei, milrtärische Vorkehrungen erfolgten nur üm Interesse der Besitzenden und die Fürsten seien es, rdelche die K.iege hervorriefen, so meine er, in ge wissem Sinne sii die ganze Nation die besitzende Klasse, denn wer hätte nicht irgend etwas zu verlieren? Die Fürsten und die Regierungen führen nicht den Krieg herbei, die Zeiten der Kabinetskriege liegen hinter uns, jetzt giebt es nur noch Volkskriege. Die den Frieden bedrohenden Elemente liegen bei den Völkern in den Begehrlichkeiten der vom Schicksal minder günstig ge stellten Klassen und in den NationalitätS- und Racen- bestrebunge». Hieraus könne sich der AuSbruch eines Krieges ohne den Willen, ja gegen den Willen der Regierungen entwickeln. Schwache Regierungen seien eine dauernde Kriegsgefahr ; eine starke Regierung kann heilsame Reformen durchführen. Wenn eia Krieg zum AuSbruch kommt, ist seine Dauer und sein Ende nicht abzusehen. Die größten Mächte Europas seien gerüstet wie nie zuvor; keine derselben könne in kurzer Zeit so vollständig niedergeworfen werden, um auf harte Bedingungen Frieden zu schließen, und wenn dies ge schehe, so würde sich der Besiegt« wieder aufraffen, um den Kampf zu erneuern. Wo eS sich um solche Dinge handele, müsse die Geldfrage zurücktreten. Denen gegenüber, die die Gelbkräfte gerade für Len Krieg wahren wollten, weil der Krieg Gelb und abermals Geld erfordert, bemerkte er: Hätten wir keine Ausgaben für militärische Zweck- gemacht, so wü'den die glänzen den finanziellen Verhältnisse nicht hindern, den Feind im Lande zu haben. Redner verwies in dieser Be ziehung auf die Erfah'ilngen zu Anfang dieses Jahr hunderts. I- bester die Streitmacht organisirt sei, j- geeigneler sei sie für den Krieg und umsomehr seien ai dere Mächte zum Frieden geneigt. Alle Regierungen stünden bedeutungsvollen Lebensfragen gegenüber; cr glaube, daß alle den Frieden zu erhalten bestrebt seien. Es würde sich fragen, ob sie stark genug sind. Eine Siche.heit könnten wir nur bei uns selbst finden." WaS Graf Moltke sagte und wie er es sagt-, --cs war in jeder Hinsicht fesselnd, zehnfach bewundernswerth und staunenerregend, aber bei einem Mann von 90 Jahren. Ohne Konzept, glatt und fließend, in geschicktem und oft geradezu elegantem Sotzbau ent wickelte er ruhig und langsam seine tiefburchdachten Gedanken mit vollster Frische des Körpers und Geistes. Abz. Richter führte aus, neben der militärischen Frage handle es sich auch um bürgerliche Fragen. Mehr Soldaten, bedeute weniger Arbeiter. Der Reichs tag könne sich nicht blos mit der Autorität zweier noch so hervorragender Militärs decken. Die Vorlage gehe in ihren Forderungen bezüglich der Präsenzstärke über alles Bisherige hinaus, Redner bemängelte die Ver gleiche mit Frankreich und Oesterreich in den Motiven zur Vorlage; Rußland fehle in den Motiven. In Frankreich sei mit der Erhöhung der FriedensprSsenz eine Herabsetzung der Dienstzeit verbunden; er meine, auch für uns könne die Erziehung zu militärischen Tugenden in 2 Jahren erreicht werben. Die Vorlage hänge eng zusammen mit den sccmlpolitischen Fragen. — Staatsminister v. Verdy verlas einige Stellen aus seinen früheren Reden, welche beweisen, daß ein end- giltiger Abschluß der militärischen Neusormationen und der Neuorganisationen nicht behauptet worden; das Motiv, die Forderung nur auf 3 Jahre zu stellen, liege in dem Bestreben, alle Hinderniste w-gzuräumen, welche der gedeihlichen gemeinschaftlichen Arbeit im Weg« stünden. Abg. Windthorst sagte, es frage sich, ob die neue Militärsordcrung zur Sicherung de» Reichs nothwendig sei und ob wir im Stande seien, dieselben zu bezahlen. Redner beantragte die Verweisung der Vorlage an eine besondere, aus L8 Mitgliedern be stehende Commission. Eine Reorganisation der obersten Reichsbehörden werde nicht viel Helsen, im Gegentheil viel Geld kosten. Redner erklärte, er wolle von solchen Reorganisationen nichts wissen. Die Commission werde darüber zu berathen haben, ob nicht eine alljährliche Festsetzung der Fliedenspräsenzstärke erfolgen solle und ob nicht eine Erleichterung der Dienstzeit eintreten könne. Minister v. Verdy erklärte, rdaß bei den ver bündeten Negierungen ein Gesetzentwurf bezüglich der Armeeorganisation in der Vorbereitung sei, übe: besten Giundzüge er in der Commission Mittheilungen werde machen können; über eine zweijährige Dienstzeit werde man sich noch bei dem bezüglichen Anträge unterhalten können; wenn die Regierungen hätten Erleichterungen schaffen können, so würden sie selbst damit hervorge- treten sein, aber zur Zeit könnten sie solche Zugeständ nisse nicht machen. Abz. Payer (Voltspartei) sagte, man werde prüfen müssen, ob die jetzige Forderung zum Bestände des Reiches nöthig sei. — Abg. Buhl glaubt, die Abrüstung sei deutscherseits am schwersten durch führbar; die Dienstzeit an sich sei ein außerordentlich wichtiges Erziehungsmittel. Wenn man die Forderung bewillige, so bewillige man sie nicht für die Fürste», sondern für das Vaterland (Beifall). — Staatssekretär v. Maltzan erklärte einer Ausführung Richters gegen über, daß von der vor einigen Monaten aufgelegten Reichsanleihe von 129 Millionen ein Theil sich aller dings längere Zeit in den Händen der Emissionshäuser befunden habe, daß aber zur N-ichskasse der ganze Be trag in den vorgesehenen Fristen voll eingezahlt worden sei. — Abz. Graf Udo v. Stolberg bemerkte, seine Partei stehe zum Sextennot wie früher; er wünscht, in der Commission möge womöglich volle Ueberein- stimmung erzi.lt werden. — Die Berathung ist am Mittwoch noch nicht zu Ende gekommen und ward heute Freitag fortgesetzt, aber es hat sich schon auS dem bisherigen Verlauf der Berathung ergeben, daß man mit Zuversicht die Bewilligung der geforderten Summe erwarten kmn. Sagte doch Windthorst am Schluß seiner Rede: „Wenn wir alle die Schwere der Militärlast empfinden, so habe ich doch die Ueberzeugung, daß in Deutschland Keiner ist, der nicht die noth- wendigen Mittel zur Erhaltung der Unabhängigkeit bewilligen wird. Den auswärtigen Feinden gegenüber giebt eS in Deutschland keine Parteien." Deutsches Reich. Der Kaiser hat dem bayrischen Minister deS Aeußeren von Crailsheim da» Grvßkreuz deS Rothen Adler-Ordens verliehen. Im Reichstage hat der Abg. Stöcker, unterstützt von Mitgliedern der konservativen Fraktion, folgend« Anträge eingebracht: 1) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, Maßregeln zu treffen, durch welche b«i Festhaltung deS GruudsatzeS der Parität das gleichzeitige Wirken von Missionaren verschiedener Konfession m denselben Bezirken der deutschen Schutzgebiete möglichst verhütet wird, 2) die verbündeten Regierungen zu