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Lautan, 23. September. Gestern Nachmittag hat der beim hiesigen Magistrat angestellte Steuerein nehmer Bogel wegen großer Unterschlagung von ihm anvertrauten Geldern die Flucht ergriffen. Die unter- schlagene Summe soll sich auf ungefähr 23000 Mk. belaufen. Bogel war gestern Nachmittag noch in dem Lafsenlocale und entfernte sich in der dritten Stunde ,uS demselben, nachdem er zuvor einem jungen Manne den Auftrag rrtheilt hatte, um 4 Uhr einen Brief dem Herrn Bürgermeister zu überqeben. In diesem Briese klagt sich der ungetreue Beamte selbst an. Es wird in der Stadt allgemein angenommen, daß Bogel die Unterschlagungen durch geschickt auSgeführte Fälschungen in den Büchern schon seit längerer Zeit betrieben Hot. Bei den Prüfungen der Taffe war die selbe stets in Ordnung. Neben der geschädigten Stadt gemeinde dürfte auch eine hiesige Kranken! sse durch die ungetreue Verwaltung des Vogel in Mitleidenschaft gezogen sein. — Vogel geht mit dem Körper nach Mn gebeugt, ist 41 Jahre alt, hat kurzen Backen- mid Schnurrbart und trägt eine goldene Brills. Er war mit dunklem Stoffanzug bekleidet. Eingesandt. Wie ich ans einem Berichte ihres geschätzten Blattes s lese, will der Landwirthschaftliche Kreisverein in Leipzig , den Zwischenhandel am do-tigen Biehhofe beseitigen. > Die Idee hat im ersten Augenblicke etwas Bestechen- j dis; denn wenn uns Landwirthen der bisherige Gewinn der Händler zu Gute ginge, so wäre uns um ein Be deutendes geholfen. Ob ober die Ausführung sich so leicht wird machen lassen, wie wohl Mancher denkt, ist doch wohl eine andere Frage. Darüber will ich als einfacher Landrxirth nicht entscheiden, ob der Zwischen bandel nothwendig und nützlich ist; das mögen die Herren VolkSwirthe ausmachen, und die liegen sich deswegen, so viel ich weiß, noch sehr in den Haaren. Freilich, wie es die letzten Jahre her war, wo das Lieh wenig und das Fleisch viel kostete, da scheint es doch, als hätten die Herren Händler ein Bischen zu sehr in ihre Taschen gewirthschaftet. Jetzt, wo das Schlachtvieh so knapp ist, müssen sie ja ihre Pfeifen etwas einziehen, und es schadete auch wohl nicht, wenn man ihnen immer ein wenig mehr auf die Finger sehen könnte. Wie man aber den Zwischenhandel be seitigen will, möchte ich doch gern wissen. Daß wir I licht selbst unser Vieh nach dem Schlachthof- bringen I lönnen, ist wohl keine Frage. Will man nun das ge- I sammte Schlachtvieh der Landwirthe einem der jetzigen I Großhändler in Kommission geben, so macht man di'sen I zum Herrn des Marktes und dann sind nicht blos I unsere Thiere, sondern auch wir die Gelieferten. Einen I eizenen Kommissar anzustellen, das würde doch wohl I zu kostspielig werden. Ein Dummer darf es nicht I jun, denn der kommt nicht hinter die Sbliche der I Händler, sondern läßt sich und damit auch uns hinter I bas Ohr hauen. Ein Mensch aber, der das Seine I gelernt und in der Sach- Erfahrung hat, der will I erstens einen hohen Gehalt haben und zweitens auch I dann gesichert sein, wenn der Karren schief geht. Ehe I er nicht weiß, wie der Hase läuft, kann er sich auf I Provision nicht einlassen, und arbeitet er nur auf festen I Gehalt, dann hat er wieder nicht genug Interesse an I dem Umsatz. Gesetzt aber den Fall, eS gelingt, den I ruhten Mann zu finden und ihn angemessen zu honoriren, I wie soll erS nun anfangen, um auf dem Schlachthofe I zu Rande zu kommen? Da steht ein Haufen Rinder, I eia Haufen Schöpse, ein Haufen Schweine, bei allen I soll zu gleicher Zeit gekauft und verkauft werden; I denn wir liefern doch nicht blos jedesmal eine Sorte. I Tn Pllß er also schon wenigstens zwei Gehülfen haben, auf >dic er sich verlassen kann, die wollen aber auch I gut bezahlt sein. Und wie bekommt er das Vieh hin I nach dem Schlachthofe? Er selber kann cs nicht aus- ! laden, hintreiben und beaufsichtigen. Deshalbmuß er mehrere Treiber halten und besolden. Das kostet alles I viel Geld! Jedoch die Noth sängt schon an, ehe das I Vieh nach Leipzig kommt. Wenn ich heute zwei I Kälber zum Verkaufe stelle, so nimmt sie mir der I Händler ab. Er kauft aber in der Umgegend so viel I zusammen, daß er eine Wagenladung hat. Wie soll ichs denn nun machen, wenn der Kommissar in Leipzig I den Verkauf besorgt. Soll ich weine 2 Kälber per I Fracht hinschicken, daS verursacht viel zu viel Kosten. Da muß er doch hier auch Agenten haben, die das Vieh cinsammeln und wagenweise verschicken. Ich denk, der Apparat wird zu groß und wir könnten leicht aus dem Regen in die Traufe kommen. Wenn f heute der Händler dos Lieh nicht zur reckten Zeit adholt, so mache ich ihm Abzüge; an wen soll ich mich aber später halten? Und wenn das ,Alles nicht wäre, Verden die Händler sich ruhig die Sache aus der Hand winden lassen? Werden sie nicht vielmehr Kopf und Kragen daransehen, um die neue Konkurrenz nicht aufkommen zu lassen, und wen« si« eine Zeitla«g auch ohne allen Verdienst wirtbschafte« sollten? — Und wie ist eS denn nun mit andern Städte«, die doch auch , Fleisch brauchen? Jetzt notirt Dresden okt. höher, wie Leipzig, und Chemnitz zahlt gewöhnlich 2—3°/, mehr, und die Landwirthe hiesiger Gegend liefern deshalb ihr wenigste» Vieh nach Leipzig. Sollen wir nun überall unfern Kommissar mit seinem großen Schweife von Händlern, Agenten und Treibern anstelle«? Ich finde «ich da nicht auS, zumal wenn ich noch daran denke, daß die Fleischer meist nicht baar bezahlen können, sondern längeren Kredit beanspruchen mässen. Werden da nicht Pleiten kommen und den vermutheten Gewinn in Verlust verwandeln? Doch daS Alles wird ja die Commission auch in Erwäaung ziehen, und wenn eS ihr gelingt, alle die Zweifel zu beseitigen und eine» geeigneten Modus zu finden, so soll eS von Herzen freuen - den Einsender. „ES stiebt kein schöner «eben!" Rom, 23. September. Ein italienisches Räuber-Idyll aus der aller modernsten Zeit ist es, das bei der Beschreibung der Thaten des großen Räubers Tilurzi aus den Spalten der italienischen Presse vor uns anftaucht. Gemäch licher und poetischer kann es im Banditenleben über haupt nicht zuaehen! Seit über 21 Jahren (!!!), so erzählen die römischen Blätter, haust im Walde von Lamone, seinem ureigensten Territorium und Staat, wenn man so sagen w'll, der ehrwürdige jetzt 71 Jahre alte Banditengreis Tilurzi, der Patriarch all der Räuberhorden, die sich in der Camvaqna von Viterbo (Provinz Rom) Herumtreiben und Vater Tilurzi unbe dingten Gehorsam zollen. Seit die bösen Carabinieri vor einigen Wochen ihm seinen treuen Genossen Biagini erschossen, ist der ehrwürdige Alte allein, versteht es aber trotzdem meisterhaft, sein in der ganzen Gegend verbreitetes Ansehen auf's Strengste aufrecht zu erhalten, ja beständig zu vermehren. Zu diesem Zwecke dirigirt er seine unter dem Befehl eines gewissen Fioravanti stehende Bande aus strategischer Entfernung und mit großem Geschick, versäumt es aber nicht, sich von Zeit zu Zeit seinen „Truppen" und dem Landvolk zu zeigen, das ihm blind ergeben ist. Tilurzi hat es nämlich nicht auf die kleinen Bauern abgesehen, die er im Glgentheil stets beschenkt und, wo sie vom Pächter chikanirt sind, unterstützt und rächt. Seine Opfer sind im Gegentheil die großen Landbarone, die Gutsbesitzer, Pächter rc., von denen eine große An zahl, um ihrer Haut sicher zu sein, in ein regelrechtes Steuer- und Abgabeverhältniß zu dem gefürchteten Briganten getreten ist. Zahlt einmal ein Gutsbesitzer nicht, so darf er sicher sein, daß in einer der nächsten Nächte sein im Freien weidendes Vieh getödtet, seine Scheunen in Brand gesteckt werden. So rächte sich Vater Tilurzi an einem geizigen Gutsbesitzer jüngst dadurch, daß er nicht weniger als 12 seiner Heuschober anzündete; und einen anderen, der einen Banditen an dis Carabinieri verrothen hatte, holte er selbst am hell lichten Tage aus der Mitte von 200 mit Sensen bewaffneten Bauern heraus und erschoß ihn corarn pudlico, ohne daß sie eine Hand gegen ihn rührten. Dabei gicbt der Banditen-Patriarch seiner dem armen Landvolk zugcwandten Protektion oft rührenden Aus druck. Einem Bäuerlein wurde unlängst sein Schwein gestohlen, und er selbst (das Bäuerlein nämlich) bei dieser Gelegenheit fürchterlich geprügelt. Natürlich klagte das Bäuerlein nicht der Gendarmerie, die ja doch machtlos ist, sein Leid, sondern dem im Geheimen waltenden und richtenden Vater Tilurzi, den das kindliche Flehen des armen Contadino rührte. Tilurzi verspricht dem Bäuerlein zu seinem Rechte zu verhelfen und den frechen Dieb (der zudem als unverschämter Konkurrent in die geheiligte» Rechte Tilurzi's selbst eingeqriffen) zu bestrafen. Gesagt — qetban. Am Tage darauf wird dem Bäuerlein das gestohlene Schwein gesund und munter grunzend in den Stall gebracht; den Dieb aber findet man erschossen auf dem Felde! Da Tilurzi und seine Schaar jeden Berrath auf's Fürchterlichste rächen und zwar so, daß ihrer Vendetta noch niemals ein Spion oder Verräther ent gangen ist, so darf cs Niemand Wunder nehmen, wenn die Autorität des greisen Condottiere unter dem armen und unwissenden Landvolk eine überaus große ist. l Dabei ist die Behörde aus Mangel an Geldmitteln » zur Bestechung von Spionen, sowie an Gendarmerie- i und Polizeipersonal außer Stande, dem Treiben ernst lich zu steuern und so kann auch — ein ganz unbe greiflicher Fall, wenn die Blätter Recht haben! — Tilurzi seit beinahe einem Vierteljahrhundert im Walde von Lamone unbeschränkt regieren! Das Schönste ist, daß > der alte Gaunermur im Sommer „arbeitet", den Winter ' aber in Mailand und Paris zubringen soll! Tilurzi'» Familie lebe außerdem in alänzenden p-kuniären Ver hältnissen! Die römische „Capitale", fordert nun di« Regierung auf, dem Banditen Nest bei Viterbo eia gründliches Ende zu machen und zwar wie die» beim sizilianischen Brigantaggio der Fall war, durch einen regelrechten seitens des Militär» inszenirten Feldzug. Neueste Nachrichten und Telegramme. Athen, 26. September. Wie verlautet, werde die Verlobung der Prinzessin Marie von Griechen land mit dem Großfürsten-Thronfolger höchst wahr scheinlich bei dem Besuch desselben in Athen verkündet werden. — Der Kronprinz und die Kronprinzessin würden sodann kurz nach der Rückkehr de» König» nach England reisen. Paris, 26. September. Die Berichte aus dem Ueberschwemmungsgebiet in Südfrauk-eich lauten nach dem „B. T." immer trostloser. Für das Departement Ardöchc allein betragen, den amtlichen Ziffern zufolge, die Verluste an Menschenleben über 40, diejenigen an Werthen 6 Millionen Francs. Dutzende von Dörfern find halb zerstört und die Wege, sowie Brücken in einem Zustand, welcher die Kommunikation in gewissen Gegenden monatelang unmöglich macht. Die Fahipost von Mayres nach Äubenas wurde unterwegs von den Fluthen überrascht und fortgeriffen, das Fuhrwerk ver schwand spurlos mitsammt den Pferden und Reisenden. Lissabon, 26. September. Nach aus Goa ein gegangenen Nachrichten ist dort die Ruhe vollständig wieder hergestellt. Die von Jose Jznacio Loyola und seinen Freunden gesandten Telegramme über im Lande herrschende Zwistigkeiten find falsch. Die Munizipal wahlen verlaufen vollkommen ruhig und siegt die Loyola gegnerische Partei. Cherbourg, 26 September. Der Seepräfekt stattete dem am Bvrmittag hier eingelaufenen öster reichischen Geschwader einen Besuch ab, wobei derselbe mit 13 Kanonenschüssen begrüßt wurde. Die öster reichische Musikkapelle spielte die Marseillaise. Von den militärischen Seebehörden war der Befehl ertheilt worden, dem österreichischen Geschwader eine gute Aufnahme zu bereiten. Das französische Geschwader traf hier Nach mittags 4 Uhr ein und tauschte mit dem österreichischen den üblichen Salut aus. Algier, 26. September. Ein Cyclon hat in Philippeville großen Schaden angerichtet. Cöln, 27. September. Der Reichskommiffar Major v. Wißmann ist in Begleitung seines Ad jutanten Dr. Bumüller und des Chefs in der afri kanischen Schutztruppe Freiherrn von Gravenreuth heute früh auf dem hiesigen Centralbahnhof eingetroffen und vom Präsidenten der hiesigen Lokalabtheilung der deutschen Kolonialgesellschaft, einigen Offizieren und zahlreichem Publikum begrüßt worden. Bern, 27. September. Die Tessiner Konser vativen haben beschlossen, die heutige Verständigungs konferenz nur durch eine Abordnung, bestehend anS dcm Ständeralh Soldati und dem Nationalrath Dazzoni zu beschicken, um die Erklärung abzugeben, daß die Konservativen sich von der Wiedereinsetzung der Regierung in keine Verhandlungen einlassen. Seitens des Bundesraths wohnen der Konferenz Ruchonnet, Droz und Hammer bei. Stockholm, 27. September. Bei den Reichs tagswahlen in Stockholm fielen sämmtliche 24 Mandate zur zweiten Kammer den liberalen Freihändlern zu. Washington, 26. September. Der Termin, bis zu welchem die fremden Regierungen mit den Vereinigten Staaten ein gegenseitiges Uebcreinkommen betreffs freier Einfuhr amerikanischer landwirthschaft- licher Produkte abschließen können, ist bis zum 1. Januar 1892 verlängert worden. Washington, 26. September. Das Tarifgc- setz tritt mit dem 6. October in Kraft. — Die zur Berathunz desselben eingesetzte Conferenz hat ver schiedene von dem Senat angenommene Zollsätze ab geändert. Sächsisch - Böhmische Dampfschifffahrten. Abfahrt von Müblbcrg — 7 12,tv - - Strehla i>,30 8,1 o 1,2s - Riesa 7,15 11- 2,2s Ankunft in Meißen 1«,— 1,4" 5,5 . - Dresden 12,55 4 45 8 Abfahrt von Dresden 6,35 12,30 3,15 . . - Meißen 8,30 2,25 5,5 Ankunft in Riesa 10,20 4,15 7 - - Strcbla ti.s s 7,40 - - Mühlberg 11,50 5,45 —