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EüMall und Anzeiger. Amtsötatt der Königs Amtshauptmannschast Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. IAH. Sonntag, den 28. September 1890. 48. Jahr-. ' . -..---SS«----- Erscheint in Riesa wöchentlich viermal: Lienstag, Donnerstag, Sonnabend und Sonntag. — «bonnemcntspreis vierteljährlich l Mark 2S Psg. — Bestellungen nehmen alle »aiserl. Postanstalten, Postboten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schön), sowie alle Loten entgegen. — Inserate, welche bei dem ausgebreiteten Leserkreise eine wirksame Veröffent lichung finden, erbitten wir uns bis Montag, resp. Mittwoch, Freitag oder Sonnabend Vormittags 9 Uhr. — JnsertionSpreiS die dreigespaltene EorpuSzeile oder deren Raum 10 Psg. Bekanntmachung. Durch das vor Kurzem stattgehable Elbbochwasser sind auf Diesbarer Flur 49 Stück Stämme, 5 - Bretter, 1 Bierfaß, gezeichnet: Naumann und einige Holzstücke angeschwemmt und geborgen worden. Es wird dieser Fund mit der an den beziehentlich die Eigenthümer ge richteten Aufforderung hierdurch veröffentlicht, sich unter Nachweis deS GigeuthumsrechteS binnen Jahresfrist, vom Tage der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung an gerechnet, zu melden, da beim Unterbleiben einer solchen Meldung nach Ablauf dieser Frist nach § 239 des bürgerlichen Gesetz buchs verfahren werden wird. Großenhain, am 23. September 1890. Die Königliche Amtshauptmannschast. L. 2398 vr. Waentig. B. Die Landrenten aus den Termin Michaelis dieses Jahres sind -iS zum 6. Oktovcr dieses Jahres, die Landkaffenbeitrage auf den 2. Termin sind nach i Pf. ^ro Einheit bis zum 14. Oktober dieses Jahres und die Einkommensteuer auf den 2. Termin 1890 ist mit der Hälfte des Jahrcsbetrags bis zum 21. Oktober a. c. bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die hiesige Stadtsteuer einnahme adzusühren. Riesa, am 27. September 1890. Der Stadtrath. * Klötzer. Rdl. Hk 1» für das „Elbeblatt und Anzeiger" erbitte« k eN k A» uns spätestens bis Vormittags s Uhr des je- welligen Ausgabetages. Die Geschäftsstelle. Tagesgeschichte. Den optimistischen Schwärmern für allgemeine AbMung und ewigen Frieden könnte ein Artikel der „Repudligue Francrise", dec sich unter der Ueberschrift: „8avoir Lttsnärs" (zu warten verstehen) über die gegenwärtige Lage der internationalen Politik vom französischen Standpunkte aus ergeht, reichen Stofs zum Nachdenken bieten, — wenn sie überhaupt nach denken wollten. Seit Jahr und Taz: genauer seit Abschluß des Frankfurter Friedens, befinden sich die Franzosen in einem Zustande, der ihrem Temperament und ihren traditionellen Neigungen so wenig als mög lich zusagt: in dem Zustande des geduldigen Abwartens. Und worauf warten sie? Auf den Augenblick, wo es ihnen vergönnt sein soll, ihren Rachebuist an den Siegern von 1870/71 zu stillen, sich die verlorenen Provinzen und Milliarden zurück-, nebst dem linken Rheinufer und womöglich dem ganzen deutschen National vermögen dazu zu holen, oder, wie die in den „gemäßigten" französischen Preßorganen angewcndete Umschreibung lautet: auf den Augenblick, wo die „den Dingen inne wohnende Gerechtigkeit" zum Durchbruch kommen wird. Es ist dieses Zuwarten auf unbestimmte und auf un bestimmbare Frist ein saures Stück Arbeit für Leute, welche so wenig an Beherrschung ihrer Leidenschaften und gewaltthätigen Instinkte gewöhnt sind, wie die Franzosen, und wer weiß, wie die Geduldsprobe aus gefallen wäre, wenn nicht der stete Anblick der Tag und Nacht auf dem Posten stehenden schlagfertigen deutschen Staats- und Heeresleitung gleich einem Permanenten Kaltwasserstrahl in den siedenden Kriegs patriotismus jener initiativebegabten Minderheit wirkte, die beim Eintritt kritischer Wendungen in Frankreich sofort das H-st an sich reißen würde. Nach dem eigenen Geständnisse des oben angezozenen Blattes hat Frankreich „seit zwanzig Jahren dem beobachtenden Europa eio Schauspiel dargcboten, das keineswegs banal ist; eS hat sich mittels rastloser Arbeit aus den Niederlagen deS „Schreckensjahres" erhoben; es hat ein Heer geschaffen, dessen solide Eigenschaften die bei den Nocdmanövern zugegen gewesenen fremdländischen Offiziere eben erst feflgestellt haben; es hat sich eine Regierung ge geben, welche in der Lage ist, den Drohungen ihrer Gegner Trotz zu bieten und letztere unschädlich zu machen, wenn sie die Schranke der Gesetzmäßigkeit überschreiten sollten. Durch die Art, wie Frankreich die innere Ordnung sich« gestellt, hat es den im Auslande ziemlich allge mein verbreiteten Jrrthum zerstreut, als ob seine Regierungsform Frankreich dazu verurtheile, ein ständiger Herd der Beunruhigung zu sein. Es hat vielleicht durch seine Arbeit und Loyalität die Werthschätzung d« Einen und die Sympathien der Anderen verdient." Ein Land, welches sich einer Situation wie die von der „Rep. Franx" geschilderte, erfreut, sollte eigentlich mit dem, waS es hat und ist, vollauf zu frieden sein können. Das französische Blatt aber schließt: „In dieser Lage kann Frankreich warten und ohne Furcht den Vorgängen ringsum zuschauen." Dem Kenner der realpolitischen wie der volkspsycholog.schen Zustände Frankreichs wird damit allerdings nichts Neues ge sagt. Aber Angesichts der von gewissen „volksthiim- lichen" Parteien gegenüber dem großen Haufen systematisch befolgten Taktik, die demokratische französische Republik als ein an Verständniß für die höchsten Ideale der Humanität den Monarchien hundert Mal überlegenes Staatswesen hinzustellen und insbesondere den angeb lichen „Friedenskult" der Republik Lobeshymnen zu widmen, bei obligaten Seitenhieben auf den unersätt lichen „Militarismus" in Deutschland, kann es nichts schaden, wenn gelegentlich der wahre Tatbestand wieder einmal, wie es in den vorstehend mitgetheilten Geständ nissen einer schönen Seele der Fall ist, in Erinnerung gebracht wird. Mögen Frankreichs Staatsmänner und Generale die friedlichsten, korrektesten Allüren zur Schau tragen: sie selber wissen am besten zu beurtheilen, was in Wahrheit dahinter steckt. Damit ist aber auch der deutschen Politik ihr Endziel genau vorgezeichnet: zu verhindern, daß der psychologische Moment, auf den Frankreich im Stillen wartet, überhaupt jemals eintrete, und wenn das sich nicht ermöglichen läßt, daß er wenigstens ss lange hinausgeschobcn werde, als in den Kräften der ehrlichen Friedensfreunde: Deutsch lands und seiner Verbündeten steht. Jede Opposition gegen diese Politik, welche diejenige unseres Kaisers und seiner Regierung ist, hilft indirekt das Heranrücke» der Kriegsgefahr beschleunigen und kennzeichnet sich sonach als Feind des Volkswvhles und der nationalen Sicherheit. Deutsches Reich. Wie die „Schweidnitzer Zeitung" ankündigt, sieht man in Kreisau einem noch maligen Besuch des Kaisers an dem Geburtstage des Generalseldmarschalls Grafen Moltke entgegen. Seitens der größeren englischen Rhederei-Gesellschaften geht man jetzt mit der Absicht um, dem Streiksanatismus der seemännischen Trade-Unions dadurch einen Dämpfer aufzusetzen, daß man Arbeitskräfte vom Auslande heronzieht. ES scheint, daß man in erster Linie auf Einstellung deutscher Seeleute rechnet. Den Anfang hat die Union Steamship Company in Southampton gemacht, indem sie für ihren Dienst 48 Matrosen in Hamburg angeworben und bereits nach Southampton übergeführt hat. Londoner Blätter zollen diesem Vor gehen lauten Beifall, und eS steht zu erwarten, daß die Anwerbungen deutscher Seeleute für englische Rechnung demnächst einen größeren Umfang gewinnen. Die dies seitigen Jnteressenkreise dürften daher gut thun, recht zeitige Vorsorge zu treffen, um durch einen etwaige« erheblicheren Abschluß deutschen seemännischen Personals nach englischen Plätzen nicht in Verlegenheit gesetzt zu werden. Wie man dem „B. T." meldet, ist am Dienstag in Bagamoyo ein Araber wegen Sklavenhandels öffentlich gehängt worden. Diese Nachricht, welche die Haltung der Deutschen gegenüber dem Sklavereiunwesen kennzeichnet, ist zugleich das beste Dementi der durch die „Times" und das „Reutersche Büreau" verbreiteten unwahren Meldungen über eine von den deutschen Be hörden in Bagamoyo und Dar-es-salam erlassene Proklamation, welche den öffentlichen Sklavenhandel gestatte. Unter der Ueberschrift „Was will das werden?" widmet die „Kölnische" den Verhältnissen nach dem 1. October eine interessante Betrachtung, welche in einer systematisch gruppirten Entwickelungsreihe die von dem Aushören des Sozialistengesetzes zu erwartenden Folgen bespricht, dann zugleich aber auch auf die Er fahrung verweist, daß im Leben gesunder und zukunfts reicher Völker jedes Uebel gerade in seinem unerträg lichen Uebermaße durch eine heilsame Reactionswirkung das Gegenmittel hervorzurufen strebe. So dürfe man auch in diesem Falle die Entfaltung einer anderen Entwickelungsreihe erhoffen, welche mit jenen lebens feindlichen Bestrebungen den Kampf aufnehmen kann. Die künstliche Mäßigung, welche die Sozialdemokratie sich aus taktischen Rücksichten aufzuerlegen sucht — so heißt es dann weiter — dürfte ohne Zweifel nicht lange vorhalten. Die von früher her bekannten Aus schreitungen werden sich in ihrer ganzen abstoßenden Rohheit an die Oberfläche drängen, und man kann erwarten, daß alsdann auch die nebelhafte Unklarheit und die verwaschene Sentimentalität, mit welcher mancher Bürger heute noch die soziale Frage behandelt, verschwindet. Mancher Agrarier, der heute wohlgefällig zusieht, wenn die Industrie von trüben Fluth-n bedroht wird, mancher Kapitalist, der sich für eine Opferpolitik begeistert, die ihn ungeschoren läßt, werde endlich die höchst einfache Wahrheit erkennen, daß es sich in diesem Kampfe nicht um die Industrie, nicht um einzelne Zweige des bürgerlichen Gewerbefleißes handelt, sondern daß für Jeden, der überhaupt etwas zu verlieren hat, Sein oder Nichtsein auf dem Spiele steht. Dann werde das Bürgerthum seine Reihen vielleicht fester zusammenschließen, der klägliche Streit um konstitutio nelle und konfessionelle Doktorfragcn, der Hader um allerlei kleine Freiheitsarabesken an dem herrlichen deutschen Reichsbau muß vor dem feierlichen Ernst der Lage verstummen und Verräther und Ueberläufer werden keinen Pardon mehr finden, mögen sie sich in klerikale