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Dir wend't den Kragen (Hals), thut ihm Dank sagen, Spricht: Vs» xratius, Herr HippokraS (Rossegebieter). Ihr bösen.Deutschen, man sollt euch peitschen, Dav ihr die Multersprach' so wenig acht't. Ihr bösen Deutschen, man sollt euch peitsche», I, unserm. Vaterland; pfui dich der Schänd!" Man sieht hieraus, daß allerdings Moscherosch'S eigenes Werk selbst an Fremdländerei leidet; aber er versichert selbst, er habe seine Schilderungen mit griechischen, lateinischen und welschen Brocken durchspickt, um „die ü la moäs Tugenden mit L la moäs Farben zu schildern". Freilich thut er hierin stellenweise deS Guten soviel, daß leicht die Verspottung auf ihn selbst zu- rücksällt. Wenden wir uns nun zu Männern, welche selbst Hand anlegten, die Sprache zu reinigen. In Florenz bestand eine LcsUerrnL della crusca, d. h. Akademie der Kleie. Man verglich nämlich die reine italienische Sprache mit gutem, reinen Mehl, die Fremdwörter darin mit Kleie. Wie die Kleie aus dem Mehle aus geschieden «erden müsse, so sei eS nöthig, die Sprache von Fremdwörtern zu säubern. Nach dem Muster dieser und anderer italienischen Akademien entstanden auch in Deutschland Vereine, sogenannte Sprachgesell schaften, die sich bemühten, die Sprachmengerei zu be kämpfen und eine Sprachreinigung herbeizuführen. Schon im Jahre 1617 gründeten 3 Herzöge von Weimar, 2 Fürsten von Anhalt-Köthen und 3 Edelleute, von denen der alte Geheimrat Kaspar von Teutleben den Vorsitz führte, die „Fruchtbringende Gesellschaft" oder den Palmenorden. Die italienische Akademie der Kleie hatte als Wappen eine Mühle; als Tisch benutzten die Mitglieder einen umgestürzten Backtrog; Mehlkörbe waren ihre Sitze rc. Diese Spielereien, die eines wissenschaftlichen Zweckes nicht würdig sind, wurden von dem deutschen Palmen orden nachgeahmt. Als Sinnbild wählte der Verein den „Indianischen Palmbaum" (Kokospalme) mit dem Sinnspruch: „Alles zum Nutzen". Eine Pflanze, eine Blume oder Frucht und dergl. wurde voa jedem Mit- gliede als Abzeichen gewählt. Dazu bekam jedes Mit glied einen dem Vereine entsprechenden Namen. Die Seele des Ganzen war Ludwig von Anhalt-Köthen. Sein Wappen war ein Weizenbivt mit dem Sinn spruch: „Nichts Besseres". Dazu hieß er in der Ge sellschaft: „Der Nährende". Hans Georg zu Anhalt wählte sich eine Maiblume und nannte sich „der Wohl riechende". Herr von Teutleben wurde „der Mchlreiche" genannt und hatte Weizenmehl zum Abzeichen. Eins der Mitglieder, ein Herr von Hille, genannt „der Un verdrossene", schrieb eine Lobschrift auf die Gesellschaft. Das Werk gewährt einen Einblick in die Entwicklung dieser merkwürdigen Gesellschaft. Auch Martin Opitz gehörte derselben an. Das bedeutendste Mitglied war Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst. In diesem Bunde führte er den Namen „der Untadelige". Der Vorgang dieser fürstlichen und adeligen Personen wurde vielfach nachgeahmt. Rümpler vom Löwenhalt gründete in Straßburg die „Aufrichtige Tanncngesellschaft", und durch Philipp von Zesen wurde 1643 in Hamburg die „Teutschgesinnte Genossenschaft" oder „Rosengesell schaft" gegründet, die bis ins 18. Jahrhundert bestanden hat. Zesen hatte allerdings eine recht merkwürdige Ansicht von dem Werthe der deutschen Sprache. Er hielt sic für die Sprache, von der alle Sprachen ab stammten und meinte, sie sei die Mundart, in der sich die Spracht des Paradieses erhalten habe. Die griechische und lateinische Sprache hielt er für Entartungen der deutschen Sprache. So behauptet er z. B., Herkules habe ursprünglich Heerkeule geheißen. Wie ein Sprach gelehrter auf derartige Ungereimtheiten verfallen kann, ist nicht wohl zu begreifen. Zesen ging auch in seiner Sprachreinigung zu weil. Er wollte z. B. das Wort Natur verbannen und setzte dafür Z-ugemutter. Das Theater hieß bei ihm Schauburg. Den Namen Venus ersetzte er durch Lustinne; aus Aurora machte er Röthinne. Statt „Vers" wollte er „Dichtling" gesetzt wissen. Das Fenster nannte er Tageleuchter, und dre Nase bekam den lieblichen Namen Löschhorn. Zu welchem Zwecke sollen denn Eigennamen, wie VenuS oder Aurora, durch deutsche Wörter ersetzt werden? Fenster (lateinisch lsnestra), Nase (lateinisch nusus) und Vers (versus) sind freilich keine ächt deutschen Wörter; aber derartige Wörter hat, wie schon oben gezeigt wurde, die deutsche Sprache sehr viele, und sie hat eben die Kraft besessen, dieselben so umzuwandeln, daß sie als vollständig deutsche Wörter erscheinen und nun Lehnwörter genannt werden. Lesen hat auch zu seiner Zeit schon seine Gegner ge sundem Der bedeutendste derselben war der Holsteiner Pfarrer und Kirchenliederdichter Johanne» Rist, der den „Schwanenorden" zündete, in welchem er„Ci«ber- schlpap" genannt wurde. Die Gesellschaft hat sich nach Rist» Tode aufgelöst. Die im Jahre 1644 durch HarSdörsser und Klai in Nürnberg gegründete „Gesell schaft der Schäfer an der Pegnitz", auch der „Gekrönte Blumenerden" genannt, hingegen hat ihr Leben bi» in unser Jahrhundert gefristet und sogar 1844 das Jubel fest ihres 200 jährigen Bestehens gefeiert. Von dem gelehrten und vielgereisten Harsdörffer, einem vornehmen Altbürger Nürnbergs, rührt der oft scherzweise erwähnte, sogenannte „Nürnberger Trichter" her. Es ist dies «in Buch, betitelt: „Poetischer Trichter, die Teulsche Dicht- und Reimkunst in 6 Stunden einzugießen. Nürnberg 1647". Harsdöisser bemüht sich besonders, bildliche Ausdrücke und schmückende Beiwörter in Auf nahme zu bringen. Für Blut sagt er „nasses LebenS- gold", für Frühling „Blumenvatter, Wolkentreuber, Freudenbringer", für Wein „Traurenzwinger, Schlaf- reitzer" u. dergl. Den Namen „der Spielende" führte Harsdöisser in seiner Gesellschaft mit Recht. Es muß den Sprachgesellschaften zum Lobe anerkannt werden, daß sie das löbliche und ehrenhafte Bestreben besaßen, die Reinigung der deutschen Sprache von fremden Bei mischungen angestrebt zu haben, und sie haben unstreitig einen Antheil an dem Gelingen dieses Strebens; aber größer ist doch das Verdienst Opitzens und seiner An hänger, von denen Logau schon genannt worden ist, während Paul Fleming, der Dichter des LiedeS: „In allen meinen Thaten", geb. am 5. Oktober 1609 zu Hartenstein a. d. Mulde, gest. 1640 in Hamburg, und Andreas Giyphius (Greif), als Mitglied der Frucht bringenden Gesellschaft der „Unsterbliche" genannt, geb. 1616 zu Großglogau in Schlesien, gest. 1664 zu Glogou, hier noch Erwähnung finden möge». (Schluß folgt.) Vermischtes. Aufruhr. Ludwigshafen, 3. August. Ein großer Aufruhr entstand in verwichener Nacht im nörd lichen Stadttheil (Hemshof). Um Mitternacht entstand in einer Wirthschaft ein Streit, den der mit einem Schutzmann anwesende Commissar nicht unterdrücken konnte (die andere Mannschaft der Polizeistation befand sich gerade auf Patrouillengängen), weshalb die Gendarmerie geholt wurde. Als dieselbe erschien, wurde sie mit Steinwürfen empfangen, worauf, als die Menge nicht auseinanderging, die Mannschaft ihre Gewehre in die Luft abschoß und dann mit gefälltem Bajonett verging, unterstützt von der mittlerweile eingetroffenen Schutzmannschaft. Die Menge zog sich langsam zu rück; als aber zur Verhaftung der Rädelsführer ge schritten werden sollte, fanden der Polizeicommissar so wohl als der Gendarmeriecommandant so heftigen Widerstand, daß sie erneut ihre Massen gebrauchen mußten, wodurch mehrere Ruhestörer verwundet, die beiden Beamten durch Stcinwüefe ebenfalls verletzt wurden. Gegen 3 Uhr Morgens war die Ruhe wieder hergestellt. Postdiebstahl. Ein Postdiebstahl größeren Um fanges ist am 4. d. in Frankfurt a. M. bei dem Postamt 9, dem neuen Postgebäude am Hauptbahnhof, entdeckt worden. Nach und nach kamen bei dem dasigen Postamt 9 mehrfach Packcte und Sendungen von Geld werth abhanden, namentlich solche, welche nach dem Elsaß gingen und an Militärs adrcssirt waren. Durch die Nachforschungen nach den vermißten Sendungen lenkte sich der Verdacht auf einen Beamten NamenS Hühner, welcher erst seit einem Jahr die Stelle eines Postschaffners bekleidete. Am 4. d. M. mußte Höhner in Begleitung zweier Kriminalbeamten nach seiner Wohnung in der Neuhofstraße gehen, wo eine Haus suchung viele Gold- und Werthsachen zu Tage förderte, welche von solchen Postdiebstählen herrührten. Höhner wurde sofort verhaftet. Eisenbahnunglück. Der am Dienstag Nach mittag vom Franz Josephs-Bahnhof in Wien abge gangene Personenzug der Staatsbahn nach Pilsen entgleiste gegen Mitternacht zwischen den Stationen Blovic und Nesvestic. Der ganze Zug stürzte von einem 16 Meter hohen Damm hinab. Ein Passagier des verunglückten ZugeS giebt in einem an die „Neue Freie Presse" gerichteten längeren Telegramm von der entsetzlichen Katastrophe und ihren Folgen folgende ergreifende Schilderung: Nur langsam löst sich der wirre Knäuel. Mit Mühe gelingt cs uns, einige Streichhölzer zu entzünden. Wir befinden uns Alle blutend inmitten von Trümmerhaufen; das Doch des Waggons ist gänzlich zerrissen worden und die Coupee- fenster sind dem Firmamente zugcwendet. Wir schlagen dieselben ein und kiiechen mühsam hinaus. Unter un» hören wir brausende Wasserwogen. Wir kriechen mit Lebensgefahr über di« Settenwand des demolirten Waggons. Auf dem Damme bietet sich unS ein Bild deS Entsetzens; vor unS ein Waggon auf dem Geleise ohne Dach, nur eine Seitenwand desselben ist erhalten. Links auf dreißig Schritt Entfernung liegt die Lokomotive t mit dem Tender umgeflürzt rauchend am Bache, die I Räter quer über dem Damm. SeitrrHrtS sechs Waggons , in Trümmern, da und dort die Schienen geknickt, das Erdreich aufgerissen. Oberförster Stickenwirth und ich kriechest auf ollen Vieren zur Lokomotive. Neben derselben kauern zwei Passagiere mit Kopfwunden. Der Lokomotivführer liegt stöhnend und verbrüht im Bache; wir ziehen ihn hervor und betten ihn iu'S Gras. Aus dem Tender der Lokomotive hängen die Füße deS buchstäblich zerdrückten HeizerS hervor. Wir klettern mühsam von Waggon zu Waggon, mit Hilfe anderer Passagiere die Verunglückten hervorziehend. Am schlimmsten hat die Katastrophe dem letzten Waggon mitgespielt, der nach rechts geschleudert worden ist. In demselben hatten sich Auswanderer nach Amerika befunden. Ein zweijähriges Kind war todt, rin Ar beiter dem Sterben nahe, zwei Frauen gräßlich verstümmelt. Eine Reihe furchtbarer Scenen spielt sich ab, in der finsteren Nacht schreien Kinder schreck erfüllt nach ihren Eltern. Wir reißen die Vorhänge von den Fenstern und benützen dieselben als Verbände für die Verletzten. Zugsführer Hrouba und daS un verletzt geblieben« Zugspersonal griffen mit größerer Auf opferung ein. Einundeinhalb Stunden dauerte die fürchter liche Situation, bis endlich von Pilsen und Blowitz die Hilfszüge eintrafen. Ohne Labung, halb trschövft wurden wir verbunden und theilS nach Pilsen, therls nach Blowitz überführt, wo wir nach vielen Stunden endlosen. Bangens eintrafen. Kaum zehn Personen sind unverletzt geblieben. Von einem bemerkenSwerthen UnglückSfall ist ein 6jähriges Mädchen in Berlin betroffen worden. Die kleine L. in der Reichenbergerstraße spielte mit einer Katze, als das Thier in plötzlicher Wuth auf das Kind zusprang und cs in die Finger der rechten Hand biß. Anfangs schenkten die Eltern der unbedeutenden Verletzung keine Beachtung. Nach Verlauf drein Tage waren aber 2 der verletzten Finger so bösartig ange schwollen, daß sie nunmehr einen Arzt zu Rathe zogen. Derselbe erkannte sofort die Gefährlichkeit der Wunden, die deutlich Spuren einer Blutvergiftung zeigten. Nach dem sich andere dagegen angewandte Mittel als ver geblich erwiesen, die Gefahr sogar sich noch vermehrte, blieb nichts Anderes übrig, als zu einer Operation zu schreiten. Der Arzt hat dem Kinde die beiden Finger abzenommen, da ohne diese Amputation daS Leben der Kleinen bedroht erschien. Die Beobachtung, daß der Biß einer gereizten Katze schwere Folgen nach sich ziehen kann, ist übrigens schon häufiger gemacht worden. AuS Pest, 7. August, wird gemeldet, daß das Städtchen Moor durch eine Feuersbrunst fast ganz zerstört worden ist; 200 Häuser sind niegergebrannt. Mehrere Menschen haben vas Leben eingebüßt. Die Nonne verbreitet sich immer weiter. Nach Melsungen aus Mainz richten die Raupen in den Wäldern von Gonsenheim große Verheerungen an und es sind bereits ganze Bestände ihres Nabelschmuckes beraubt. Allabendlich von 5 bis 8 Uhr begeben sich die älteren Schulkaaben in den Wald, um sowohl die Schmetterlinge zu fangen, als auch deren Eier zu ver nichten. Durchschnittlich fängt jeder Schulkunde am Abend etwa 1000 Schmetterlinge. Auch in Branden burg ist die Nonne verheerend aufgetreten. Jetzt breitet sie sich auch in Schlesien aus. Im Dominialfvrste zu Korangelwitz sind bereits 15 Morgen kiefernes Stangenholz von den plötzlich aufgetretenen Raupen kahl gefressen worden. Auch die Nonnenfchmetterlinge sind in ungemein großer Zahl aufgetreten. In einzelnen benachbarten Forsten sind binnen drei Tage» 20 692 Nonnenfalter gesammelt worden. Die Hitze in Amerika. Die bedeutende Hitze, von welcher wir Mitteleuropäer gegenwärtig heimgesucht wurden, scheinl ein Nordpolklima zu sein gegenüber der infernalischen Hitze, welche sich in den nordamerikanischen Staaten in den letzten Tagen häuslich niedergelassen hat. Die Unionstaaten wurden, wie aus New-Uork gemeldet wird, in den letzten Tagen von unerträglicher Hitze und verheerenden Stürmen heimgesucht. Kürzlich sollen an einem Tage am Sonnenstich dreißig Personen gestorben sein, darunter in Chicago neun und in New-Kork zwei Personen. Ueber eßbare Schwalbennester macht laut „Leipz. T." Prof. William Marshall, der bekannte Leipziger Zoologe, folgende Mittheilung: Die eßbaren Schwalbennester stammen von den sog. Salanganen, Verwandten unsers Mauerseglers, also keinen echten Schwalben. Mit den Nestern anderer Vögel lassen sich die Schwalbennester nicht vergleichen, eher noch mit dem Kokon einer Seidenraupt, denn die Nestsub- stanz ist wie die Seide nichts Anderes, als ein an der Luft erstarrtes AbschridungSprodukt von Munddrüsen,