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Über Gprachmengerei und Dprachreinigung.*) Fortsetzung. Als fick» im Jahre 1883 die Luther»»« Deutfch- l»vdi> anschickten, daS Jubelfest der vor 400 Jahren erfolgten Geburt Luther« zu feiern, da ist Luther von gegnerischer Seite mehrfach verunglimpft und sonder barer Dinge beschuldigt worden; aber auf derselben Seite giebt eö auch Männer, die auf einem andern Standpunkte stehen. So sagte z. B. der katholische Prälat Döllinger von ihm: „Luther ist der gewaltigste Voll««»»», der voltSthümlichste Charakter, den Deutsch land-je besessen." Luther war stets bemüht, seine Schriftsprache durch Ausdrücke aus dem Dolksmunde zu bereichern. So ging er z. B., als er die Opfer gesetze des alten Testaments übersetzte, zu den Fleischern und befragte sie nach ihren Benennungen der inneren Körpertheilc. Über die Schwierigkeiten, welche zu be wältigen waren, äußert er sich selbst folgendermaßen : „Lieber, nun es verdeutscht und bereit ist, kann's ein jeder lesen und meistern; läuft einer jetzt mit den äugen durch 3, 4 blätter, und stößt nicht einmal an; wird aber nicht gewahr, welche Wacken und klöze da gelegen sind, da es jetzt überhin geht, wie über ein ge hobelt (gehobeltes) bret, da wir haben müssen schwizen und uns ängsten." Über die Methode seiner Ver deutschung aber sagt Luther: „Wenn Christus spricht: Lx sbunclantia coräis ete. und ich soll dolmetschen „Aus dem Überfluß Les Herzens redt der Mund", sage mir, ist daS deutsch geredt? so wenig als: Überfluß des kachelofenS; sondern also redet die Mutter im Hause und der gemeine mann auf der« markt, dem du auf daS maul sehen sollst: Weß das Herz voll ist, deß geht der Münder über! Item da der engel Mariam grüßt: Maria voll Gnaden! wo redt der deutsche man so? Er denkt an ein faß voll bier oder beutel voll goldeS. Darum habe ich's verdeutscht: du holdselige! Und hätte ich das beste Deutsch nennen sollen, so hätte ich also verdeutschen müssen: Gott grüße dich, du liebe Maria! Denn so viel will der engel sagen, und so würde er geredt haben, wenn er hätte wolln sie deutsch grüßen. Wer deutsch kann, der weiß wol, welch ein herzlich fein wort das ist: du liebe Maria! Der liebe Bott, der liebe kaiser, der liebe mann; ich weiß nicht ob man das wort „liebe" auch so herzlich und genug sam in lateinischer oder anderen sprachen reden möge, das also dringe und klinge ins Herz durch alle sinnen, wie es thut in unserer spräche". Die Reformation fand aber zunächst im Norden Deutschlands Eingang; daher verbreitete sich auch daselbst die Sprache Luthers früher als im Süden, und oadurch fanden viele norddeutsche (nieder- oder platt deutsche) Wörter Aufnahme im Hochdeutschen. Diese Vermengung plattdeutscher Ausdrücke mit der hoch deutschen Sprache ist aber nicht etwa als ein Fehler zu beklagen; sonder» sie muß als eine Bereicherung unserer Sprache nur gern gesehen werden. Derartige niederdeutsche Ausdrücke sind z. B. wringen, Wrack (englisch rvraek, vom niederdeutschen Zeitworte ve-gNen — für untauglich erklären), Küpe und Küper neben Kufe und Küfer (Böttcher), Schöppe (eigentlich sclrepps) neben Schöffe, Tau (Schiffsseil), Tute, Tüte (von tuten ----- auf dem Horne blasen), Deich (niederdeutsch 6ilc ----- Erdwall, Damm), knacksen, Knicks, knicksen, knicken, Flaus und Flausch (Schafpelz), Franze, Franse, Franze (vom französischen tranxe), Spitzname (wahrscheinlich von spit ----- Spotts, Stempel (mittelhochdeutsch: Lleinptel, althochdeutsch: stainpk, vergl. stampfen), Klempner (von Klamps — Bindeholz, welches an beiden Seiten festhält), Klepper (rasch laufendes Pferd von klsppsn ----- hurtig laufen), klettern (klattersn), Krempe, flöten gehen (----- dahinfließen, vom Wasser weggespült werden), Rhede (richtiger: Reede-Ankerplatz, von räcl ----- bereit), Rheder, Rhederei, Theer (tsr, ta«r), Thran (trän), Kladde, Krabbe. Die neuere Naturwissenschaft hat aus dem Plattdeutschen das Wort Lurch entlehnt, indem zunächst Oken dadurch den un zutreffenden Namen Amphibium zu ersetze» suchte. (Lork oder Lurch-Kröte.) Später zerlegte man die ge normte Klaffe in 2 Klaffen, nämlich in die der Kriech- thiere und die der Lurche. Auch bei hochdeutschen Dichtern sind vereinzelt plattdeutsche Ausdrücke anzu treffen. Wenn z. B. Goethe im „Totentanz" schreibt: „Gebärden da giebt eS vertrackte", so soll daS heißen: „Da giebt «S verzogene oder verzerrte Gebärden". Brrtlackt ist Mittelwort vom Zeitwort trechen, trekkeo, trecken ---- ziehen. (Ein Schiff wird getrekkt ------ eS wird am Snl gezogen.) Doch kehren wir nun bezüg *) In der ersten Fortsetzung dieses Aufsatzes in Nr. IN d. Bl. steht aus Seite 4, Jene 47 und 48, irrthümlich: .ockvrte ist das Mittelwert der Gegenwart" statt: „Mittelwort »er Vergangenheit". lich der Entwicklung des Hochdeutschen in« Reformations zeitalter zurück. Al« die reformatorische Bewegung ihr Ende erreichte, trat auch ein Stillstand in der Entwickelung der deutschen Sprache eia, und die Ge lehrten der damaligen Zeit trugen auch nicht dazu bei, derselben förderlich zu sein. Im 16. Jahrhundert hat eS nur ein Mann gewagt, vor Studenten deutsch zu sprechen; daS war der Mediziner Philippus Aureolus Thevphrastus Paracelsus von Hohenheim zu Basel; aber sein Vorgang blieb ohne Nachahmung. Lateinisch war die Sprache der Gelehrten. Auch ihre Namen übersetzten sie in« Griechische oder Lateinische oder gaben ihnen wenigstens Endungen aus diesen Sprachen. Selbst Luther schreibt seinen Namen fast stets „Marti- nuS Luther»«" und fein nächster Freund übersetzte, der allgemeinen Zeitrichtung folgend, seinen guten und ehrlichen deutschen Namen „Schwarzerd" ins Griechische und nannte sich Melanchthon. Sehnliches thaten auch andere Gelehrte. So nannte sich z. B. Johannes Müller aus Königsberg in Franken R.SAiomontanus — Königsberger. So blieb es auch im 17. Jahr hundert. Dazu kam, daß Deutschland in immer größere politische Abhängigkeit vom Auslande gerieth. In der Folge entlehnte die Schriftsprache des 16. und 17. Jahrhunderts eine ungeheure Menge von Wörtern aus der französischen, spanischen, italienischen, lateinischen und griechischen Sprache, daß die deutsche Sprache einer bunten Narrenjacke glich. Namentlich im 30-jährigen Kriege griff durch daS fremde Kriegsvolk eine Sprach mengerei ohne Gleichen um sich. Folgendes Beispiel mag hiervon Zeugniß geben: Vom 26. Juni bis zum 8. September 1632 stand bei Nürnberg Gustav Adolf der friedländischen und bayrischen Armee gegenüber. Der von den Schweden endlich gewagte Angriff schlug gänzlich fehl, und da die Gegend furchtbar ausgesogen war, zog Gustav Adolf am 8. September ab, indem er in bester Ordnung und mit klingendem Spiel an Wallensteins Lager vorbeizog und sich nach der Donau wendete. Wallenstein aber schreibt in seinem Berichte an den Kaiser: ... „So hat sich der König bei dieser iinprs88a (ital. — Unternehmung) gewaltig die Hörner abgestoßen, indem er allen zu verstehen gegeben, er wolle sich des Lagers bemächtigen oder kein König sein, er hat auch sein Volt über die Maßen lU8corrra§ir6t: (franz. — entmuthigt), daß er sich so lrLrarUo8Llirsrrto (spanisch — auf gut Glück) angeführt, daß sic in vor fallenden Occa8iorren (latein. — Gelegenheiten) ihm desto weniger trauen werden. Die meiste Schuld dieser Sprachmengerei trugen damals die höheren Stände. Sie verachteten die deutsche Sprache geradezu. Die Gelehrten schrieben, sprachen und dichteten lateinisch, an den Höfen und beim Adel sprach man am liebsten französisch. Die Geistlichen allerdings hielten ihre Predigten in deutscher Sprache; aber ist eS denn zu verwundern, wenn auch sie bei dem allgemeinen Zuge der Zeit, um ihre Ge lehrsamkeit zu zeigen, ihre Predigten mit lateinischen, griechischen und hebräischen Wörtern spickten- Auch die Bibel enthält vereinzelte Fremdwörter, z. B. Testa ment, Evangelium, Apokiypha. Braucht man sich aber auch darüber zu wundern, daß das Volk auf den thörichten Wahn kam, cs sei ein Zeichen von Bildung, wer es verstehe, möglichst viele Fremdwörter anzurvendcn? Zum Glück gab es aber auch damals schon Männer, die sich dieser Sprachmengerei widersetzten. Schon Luther geht dem undeutschen Treiben auf den Universitäten zu Leibe, indem er in seiner Schrift: „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" schreibt: Die uniuersiteten dorfften auch wohl eyner gutten starken reformation, Ich muß es sagen, es verdrieß wen es wil. Ist doch allis was das bapstum hat eingesetzt und ordiniert, nur gericht, auf sund (Sünde) und yrthum zumehrenn, was sein die Vniuersiteten, wo sie nit anders, dan bißher, verordnet? den, wie das buch Machabeorum (Buch der Maccabäer) sagt: Gymnasia Epheborum et Grec- glorie (Bildungsanstalten für junge Leute und zwar von heidnischer Wsltsörmigkeit), darynnen ein frey leben gefuret, wenig der heyligen schrisst vnd Christ licher glaub zeleret wirt, vnd alle in der blind heydnischer meyster Aristoteles regiert, auch wcyttcr den Christus. Hie were nu mein rad, das die bucher Aristoteles, Phisicorum, Metaphysice, de Anima, Ethicorum, wilchS bißher die besten gehalten, gantz wurden abgethan, mit allen andern, die von natürlichen dingen sich rumen, so doch nichts di ynnen mag geleret werden, Widder von natürlichen noch geistlichen dingen, datzu seine »eyuung niemant bitzher Vorständen, vnd mit vnnlltzer erbeit, studier» und kost, ßouiel edler zcyt vnd seelen, vmb sonst (umsonst) beladen gemeßen sein." Das Verdienst aber die deutsche Sprache in der Dichtkunst zu Ehre« gebracht und der deutsche» Dichtung bei den Gelehrten und Vornehmen Achtung verschafft zu haben, gebührt Martin Opitz*). Dieser Mann ist zwar mit Ehren überhäuft worden, die er nicht verdient hat. Seine Freunde nannten ihn den „schlesische» Schwan" oder den „Boberschwaa", und ein ganz,« Jahrhundert lang hat man ihn den „Vater der Dichtkunst" oder „einen Fürsten de« deutschen LiedrS" genannt. Sei« Gedichte, die sich allerdings auf verschiedenen Gebieten der Dichtkunst bewegten, erschienen in 3 starken Bände» und erlebten eine ganze Menge Auflagen, obgleich sie lauter Mittelgut enthalten und dazu zum guten Teile nur Übersetzungen auS fremden Sprachen sind. Auch war es gerade nicht ehrenwerth, daß er sich in Pari« zu Spionsdiensten verwenden ließ, wie er sich auch de« Adelsstand auf eine sehr eigenthümlichc Weise erwarb;**) aber eben das Verdienst, der deutschen Dichtung wieder zu ihrem Rechte ve> Holsen zu haben, darf ihm nicht geschmälert werden. Ein Anhänger OpitzenS war Friedrich von Logau, geb. 1604 zu Brockgut bei Nimptsch, gest. 1655 zu Liegnitz. Die damalige« traurigen Zustände unseres Vaterlandes finden eine» Widerschein in feinen Gedichten. Aber man sieht auch in ihnen sein treues deutsches Herz, welches daS Elend seiner Zeit tief beklagte, sich jedoch dadurch nicht erdrücke« ließ und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht verlor. Er wandte sich auch gegen die Verirrungen seiner Landsleute auf anderem Gebiete als auf sprachlichem. So schreibt er z. B.: „Französische Kleidung". Diener tragen insgemein jhcer Herren Lieverey; Soll's denn sein, daß Frankreich Herr, Deutschland aber Diener fty? Frey:s Deutschland, schäm' dich doch dieser schnöden Knechterei". Bitteren Spott brachte den Verkehrtheiten dn verschiedenen Stände, indem er hauptsächlich alles Fremdländische und Unwahre bekämpfte, Johann Michael Moscherosch (eigentlich: Musenrosh). Er wurde geb. 1601 zu Wilstädt im Elsaß, wurde 1656 Rat des G-asen von Hanau, trat! später in die Dienste des Kurfürsten von Mainz und zuletzt der Landgräfin von Hessen staffel. Er starb 1669. Sein Hauptwerk: „Wunder liche und wahrhafte Gesichte Philanders von Sitte wald, d. i. Strafschriften HanS Michael Moscherosch von Wilstädt" besteht aus 14 Gesichten (Visionen), von denen das eine überschrieben ist ,,.V 1er rnoäs- Kehraus" und sich hauptsächlich gegen die Sprachmengerei wendet. Der ehrliche Moscherosch schreibt darin: „Ist euch das wälsche gcwäsch mehr angelegen als die männliche Heldensprache eurer Vorfahren? Solche Sprachverkäyerung ist anzeigung genug der Vntrew, die du deinem Vaterlande erweisest; deine ehrlichen Vorfahren sind keine solchen Mischmäscher gewesen, die jhr fast miteinander jetzt seid." Ihr mehr als unver nünftigen Nachkömmlinge! Welches »»vernünftige Thier ist doch, das dem andern zu Gefallen seine Sprache oder Stimme nur änderte? Hast du je eine Katze, einem Hunde zu Gefallen, bellen, einen Hund der Katze zu liebe mauchzen hören? Nun sind wahrhaftig in seiner Natur ein deutsches festes Gemüt und ein schlüpfriger welscher Sinn anders nicht als Hund und Katze gegen einander geartet, und gleichwohl wollet ihr, unverständiger als die Tiere, ihnen wider allen Dank nacharten. Hast du je einen Vogel plärren, eine Kuh pfeifen hören? und ihr wollet die edle Sprache, die euch angeboren, so gar nicht in Obacht nehmen in eurem Vaterland? Pfui dich der Schande! Fast jeder Schneider will jetzund leider Der Sprach' erfahren sein und red't Latein, Welsch und französisch, halb japanesisch, Wann er ist toll und voll, der grobe Knoll. Der Knecht Matthias spricht dona dies, Wenn er gut Morgen sagt und grüßt die Magd; -) Opitz ist geboren 1»S7 zu Bunzlau i» Schlesien, studirtc in Frankfurt an der Oder und in Heidelberg und flüchtete des Krieges und der Pest wegen 1620 nach Sen Niederlanden. Dann wandte er sich nach Jütland und später nach Sieben bürgen, wurde Lehrer ain Gymnasium zu Weißenburg und kehrte später in seine Heimat zurück. Am Hofe des Herzogs von Liegnitz war er längere Zeit fürstlicher Rath. Für cm Trancrgedicht auf den Tod des Erzherzogs Karl krönte ihn Kaiser Ferdinand II. zum Dichter und adelte ihn, indem er ihm den Beinamen von Boberfeld beilegte. Durch ein Lob gedicht auf König Ladislaus von Polen erwarb er sich bei diesem die Stelle eines Sekretärs und Historiographen. Als solcher starb er 1639 in Danzig an der Pest. Von einem Bettler, dem er ein Almosen reichte, war er angcsteckt worden. ""1 Er kand damals im Dienste des Grafen Hannibal von Dohna, der in Schlesien die Protestanten auf das Blutigste verfolgte, um sie in den Schoost der römischen Kirche zurückzu führen. Opitz, selbst Protestant; dichtete zu des Grafen Ehre ein „Lob des NricgSgottcS" und übersetzte in seinem Auftrage das lateinische Werk eines Jesuiten, in welchcm zu beweisen versucht wurde, die römische Kirche sei das allein wahre Christen tum, inS Deutsche. Für diese Dienste sandte ihn der Graf nach Wien, wo er sich eben den Adtlszusatz „v.n Boberfeld" durch Lobhudelei erwarb.