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Amtsblatt der Königl. Amtshauptmannschast Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Ries«. Druck und Berlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. 4». Zahrg. Erscheint in Riesa wöchentlich viermal: LienStag, Donnerstag, Sonnabend und Sonntag. — «bonnementspreis vierteljährlich 1 Mark 2s Pfg. — Bestellungen nehmen alle Kaisers. Posianstalicii. Postboten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schön), sowie alle Loten entaegc». — Inserate, welche bet dem auSgcbreitelen Leserkreise eine wirksame Verüfscnt- lichung finden, erbitten wir uns bis Montag, rech. Mittwoch, Freitag oder Sonnabend Vormittag- 9 Uhr. — JnsertivnsprekS die drcigcspaltcnc CorpuSzeile oder deren Raum ti> Psg. .1- 121. Sonnabend, den 9. August 1890. ElbcblM un- Anzeiger Bekanntmachung. Dis Grundsteuer auf den 2. Termin dieses Jahres wird am 1. August Mz und ist mit 2 Pf. pro Steuereinheit baldigst, längstens aber bis znm 14. August a. c. an die hiesige Stadtsteuereinnahme abzuführen. Riesa, am 28. Juli 1890. Der Stadtrath. i. v. Ruckdeschel. Rdl. Submission. Der Neubau und Reparaturvan des Schulgebäudes m Gohlis soll Somrtag, den 1v. August, nachmittags 5 Uhr im hiesigen Gasthofe nach dem Mmdestgebot öffentlich unter den vor der Licitation bekannt zu gebenden Bedingungen und unter Auswahl der Bieter vergeben werden. Zeichnung, Kostenanschlag und Bedingungen sind beim Herrn Kirchschul- lehrer Preil einzusehen. Der Schulvorstand zu Gohlis. Tagesgeschichte. Die Maßregelungen, mit welchen Herr Bebel in jüngster Zeit die widerspenstigen Parteigenossen, vor Mm die „Sachs. Arbeiter-Zeitung", im „Bert. Volks- blatt" bedroht, andererseits die Zornesausbrüche radikaler Tozialdcmokraten gegen die „leisetretendcn Führer", gegen die mit dem Gleichheitsprinzip nicht verträgliche Autoritäts-Inanspruchnahme geben den Blättern wieder einmal Anlaß, den Selbstzerfall der Nmsturzpartei vor- herzusagen. Wie oft haben sie vergeblich den Selbst- zersall des CentrnmS proguvstizirt, um bei jeder Wahl die hohnvolle Quittung dafür zu empfangen. Wie sind sic mit der Vorhersage des Zerfalls der freisinnigen Partei, bezw. mit der Erwartung, daß nach Bismarcks Weggang die intransigenten Elemente derselben aus ihrer beherrschenden Stellung zurttckgedrängt werden wurden, zu Schanden geworden. Es wird ihnen mit der sozialistischen Partei ebenso ergehen. Kommt es in ihr wirklich zu einer Kraftprobe, so werden es, wie immer, die Entschiedeneren gewinnen. Auch jene An nahme, daß nur das Sozialistengesetz die Partei zn- sammengchalten habe, daß sie nach Aufhebung desselben früher oder später in ihre disparaten Beftaudtheile auseinander fallen werde, daß dieser Zersetzungsprozeß anno 1878 bereits begonnen habe und nur durch das Sozialistengesetz gewaltsam unterbrochen worden sei, kann nur von solchen vertreten werden, welche die Zu stände vor den Attentaten nicht mehr in klarer Er innerung haben. Kein Mensch hatte damals ein Gefühl davon, als ob die Sozialdemokratie im Begriff wäre, zu zerfallen oder in schwächenden Spaltungen aus- einandcrzufallen. Auch mit der angeblichen Wirkungs losigkeit des Sozialistengesetzes ist es nichts. Sie datirt genau von dem Zeitpunkte an, wo die Erfolge der Oppositionsparteien nur noch auf kurze Zeit uud mit Mühe das Sozialistengesetz verlängern ließen und die Aussicht, es gänzlich zu beseitigen, immer größer machten. Es läßt sich diese Thatsache in dem zeitweiligen Rück gang, in dein längere Zeit stätigeu, dann sprungartigcn Wachsthum der Sozialdemokratie ziemlich genau statistisch belegen. In den großstädtischen Wahlkreisen, dem sichersten Sitze der Sozialdemokratie, betrugen die sozialistischen Stimmen 1878 214 428, 1881 161 905, 1884 262935, 1887 354 592 und 1890 536 403. Die Gesammtzahl der sozialistischen Stimmen gar sind von 763128 im Jahr 1878 auf 1427 323 im Jahr 1890 emporgeschuellt. Auch solche Autoritäten, welche das Sozialistengesetz verwarfen, weil es Märtyrer mache, verlangten, wie Schäffle z. B.: „Verschcüsung des gemeinen Straf- und Polizeigesetzes." Es nützt jetzt nichts mehr, zu untersuchen, ob solche Verschärfung nicht in unerträglicher Weise die Freiheit des ruhigen Bürgers beeinträchtigt hätte und ob nicht, um dies zu vermeiden, ins gemeine Recht solche spezifische Bestimm ungen hätten ausgenommen werden müssen, daß der Begriff Ausnahmegesetz, an den: übrigens Schäffle keinen prinzipiellen Anstoß nimmt, darin doch enthalten gewesen wäre. Aber sicher ist, daß wir mit der Auf hebung des S ozialistengesetzes einen Schritt ins Dunkel und zwar einen für unsere ganze Zukunft vielleicht entscheidenden Schritt thun werden. Man muß den Ton der sozialistischen Presse und Literatur vor 1878 kennen, nur zu ermessen, was uns mit dem ersten Oktober bevorsteht. Dabei ist es leicht, sich den Spott der Sozialisten über die blasse Furcht der Bvnrgevsie starkgeistig anzueignen. Mau kann persönlich ein hohes Maß von Manuesmuth besitzen und doch vor dein zu erwartenden Ansturm kommunistischer Barbarei gegen unsere Kultur Besorgnis; empfinden. Oder sind etwa die gegen die Sozialdemokratie mobilgemachten Streit kräfte so stattlich, daß inan den geistigen, sozialen, publizistischen Wettkampf niit der Sozialdemokratie nnter den durch den Ablauf des Sozialistengesetzes völlig veränderten Umständen aufnehmen zu können glaubt. Wer wollte das ohne Zandern bejahen? Es sind zwar gewiß nicht bloß jene Arbeiterkoalitionen auf nicht sozialistischem, patriotischem, christlichem Boden, auf welche wir in diesem Kampfe allein zu rechnen hätten. Die Arbeitgeber beginnen endlich, sich gleichfalls zu vrganisiren durch eine allgemeine Streikversicherungs kasse. Dazu kommt die gesammte nichtsozialistische Publizistik, und mittelbar alle staatserhaltendcn Kräfte und Einrichtungen. Allein man legt auf jene unmittel baren Gegengründungen, weil sie auf dem Boden des Arbeiterstandes selbst dem Sozialismus abgerungcn sind, mit Recht großen Werth. Vergleichen wir sie nun mit der sozialistischen Masse, so stehen in den evange lischen und katholischen Arbeitervereinen kaum 100000 der auf über eine Million angcwachsenen Sozialisten partei gegenüber. Man sagt sonst, die Minoritäten machen die Revolutionen. Hier in der sozialdemokratischen Partei haben wir bereits eine ungeheuere revolutionäre Majorität, deren Bestandtheile persönlich mehr oder weniger entschlossen für die Zwecke der Führer bereit stehen. — Auf der antisozialistischen Seite sehen wir im besten Falle Anfänge von Organisationen, viel guten Willen und noch manche Unklarheit über Wege und Ziele, aber weit nicht die Geschlossenheit und Opfer willigkeit, wie sie auch der Gegner an der Sozialde mokratie anerkennen muß. Nun bedenke man ferner, daß unsere internationale politische Stellung aus ver schiedenen Ursachen heute eine mehr gefährdete ist, als im Jahre 1878, daß die Arbeiterpartei unseren auf- wärtsstrcbenden Handel und Industrie durch ihre Streiks bereits zu einem gewissen Stillstand gebracht hat, daß ferner bei der entscheidungsvollen Erneuerung der Handels verträge im Jahr 1892, auf welche jetzt schon die Revanchefranzosen große Hoffnungen setzen, für ein durch die wieder völlig entfesselte Sozialdemokratie stürmisch durchwühltes Deutschland die Aussichten durchaus keine rosigen sind, — wird man bei alledem noch daran zweifeln können, daß am 1. Oktober eine gefahrvolle, entscheidungsvolle Periode für das deutsche Reich be ginnen wird. Man soll den realen Thatsachen gegen über sich ebenso von einseitigem Pessimismus, wie von einem unbegründeten Optimismus ferne halten. Aber Pflicht ist es, sieb die Thatsachen ungeschminkt vor Augen zu halten. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm wird von seiner Englandreis- am 11. d. in Berlin zurücker wartet, nachdem er zuvor noch der Insel Helgoland einen Besuch gemacht haben wird. Zur Reise Kaiser Wilhelms nach Rußland wird gemeldet, daß Prinz Albrecht von Sachsen-Altenburg und Reichskanzler v. Caprivi den Monarchen be gleiten, dessen ganzes Gefolge aus nur zehn Personen bestehen wird. Der Aufenthalt in Rußland wird neun Tage dauern. Von deutscher Seite sind am DienStag Abend der Geheime Regierungsrath im Reichsamt des Innern Wermuth und der Korvettenkapitän Geißler auf der Insel Helgoland angelangt und von dem Gouvernementssekretär Gaetke empfangen worden. Abends fand den deutschen Beamten zu Ehren Concert im Garten des Konversationshauses statt. Beim Vortrage der Nationalhymne stimmten die anwesenden Badegäste mit ein. — Wenn am S. d. die formelle Uebergabe erfolgt sein wird, begiebt sich der bisherige englische Gouverneur nach London, um seinen letzten Amtsbericht abzustatten. Den Kaiser hätte am 7. d. leicht ein Unfall treffen können. Als Se. Majestät Nachmittags mit der Dock-Eisenbahn nach dem Admiralitätshause zu rückkehrte, fuhr, als der Kaiser den Eisenbahnwagen verließ, die Equipage des Admirals Commerell zu nahe an den Wagen. Nur dadurch, daß der Kaiser behend zur Seite sprang, wurde die Collission verhütet. Das Handelsabkommen zwischen Deutschland und Rumänien vom 14. November 1877 ist von der rumänischen Regierung gekündigt worden. Das Reichs - Versicherungsamt soll eine auch äußerlich unabhängige Stellung, gleich derjenigen des Oberverwaltungsgerichts oder des Reichsgerichts, er halten. Das Gesetz betr. die Gewerbegerichte vom 29. Juli 1890 wird im „Reichsanzeiger" veröffentlicht. Zum Gouverneur von Kamerun soll der bayrische Landgerichtsrath Zimmerer ernannt werden. Frankreich. Nunmehr hat auch Frankreich eine Verständigung mit England über die Theilung der Interessengebiete in Afrika herbeigeführt. Das Abkommen besteht aus 2 Erklärungen. In der ersten willigt Frankreich ein, die Abmachung von 1862 dahin abzu ändern, daß England gestattet wird, seine Schutzherr schaft über das Sultanat Sansibar aufzurichten. Maskat ist von der Schutzherrschaft ausgenommen und bleibt unter den Abmachungen von 1862 bestehen. In der zweiten Erklärung erkennt England die französische Schutzherrschaft über Madagaskar an und unterwirft den englischen Konsul dem Exequatur der französischen Regierung. Außerdem erkennt England die Grenze der Interessensphäre Frankreichs in Afrika in der Ver längerung der französischen Besitzungen in Algier, am Senegal und am Niger an. Die Erklärungen sollen demnächst veröffentlicht werden. Zur Errichtung von Schutzposten gegen die Cholera i bewilligte der Senat 100,000 Frank. Aeußerst zufrieden zeigt sich die französische Presse > über dis Asfrwhme, welche die französischen Delcgirten