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— Wir erhalten falzende Zuschrift: . Geehrter Herr Redakteur! Wie verlautet, schicken sich unsere städtischen Behörden in, am 21. Oktober als dein Tage, an welchem vor 25 Jahren unsere Gasanstalt daS erste Mal ihr Licht leuchten ließ, zu jubiliren. Man kann über die Be rechtigung einer derartigen Jubelfeier getheilter Meinung sein, und Nörgler, die es allezeit giebt, wissen auch bekanntlich an Allen: etwas auszusetzen, und meinen, daß man nur die Gelegenheit benutze, um wieder ein mal etwas „anzuessen". Wer aber jene sturm- und drangvollen Tage vor 25 Jahre» mit erlebte und die hochgehendcn Wogen der öffentlichen Meinung damals hat beobachten können, der wird sich auch noch heute jener Errungenschaft freuen und den 21. Oktober einer Auszeichnung für würdigerachten; denn die Errichtung einer Gasanstalt war für die damalige Zeit eine Er rungenschaft im wahrsten Sinne des Wortes. Lieber Herr Redakteur, ich meine, es dürfte vielen Lesern Ihres geschätzten Blattes jetzt nicht unlieb sein, au Altes, vergangenes, wohl auch längst Vergessenes wieder erinnert zu werde», und zu erfahren, was die Chronik aus jener Zeit erzählt. Die Beleuchtungsfrage der Stadt beschäftigte schon seit dem Frühjahre 1861 die hiesige Bürgerschaft, weshalb die städtischen Behörden im März beschlossen, die Stadt ihrer ganzen Ausdehnung nach und zwar einschließlich der Bahnhofsstraße mit 12 Laternen, (!l welche durch Photogen gespeist werden sollten, zu beleuchten. Das Ungenügende des ganzen Vorhabens jedenfalls einsehcnd, berichtet dann Las hiesige „Elbeblatt" im Herbste desselben Jahres, Laß der Stadtrath beabsichtige, an Stelle der bereits beschlossenen Straßenbeleuchtung eine Gasanstalt zu errichten, auch schon Erkundigung über die Kosten der Herstellung und Unterhaltung eingezogeu habe. Ja, man sei schon zu der Ueberzeugung gekommen, daß eine Gasanstalt bei Abnahme von 400 Flammen ren- tiren könne. Doch die Aengstlichen der Bürgerschaft bezweifeln einen derartig hohen Gasverbrauch und be ginnen schon über die kommenden hohen städtischen Abgaben zu jammern. Nun verstreicht das ganze nächste Jahr (1862h ohne daß diese Angelegenheit wesentlich gefördert wird. Erst in der Stadtverordneten- Eitzung vorn 28. Februar 1863 wird die Einführung Ler Gasbeleuchtung beschlossen. Sofort erheben sich gleich Unkenrufen die Stimmen der Gegner. Sogar Ler sonst immer fortschrittlich gesinnte Gewerbeverein spricht sich gegen den Plan aus und sammelt Material, welches die Undurchführbarkeit und Unrentabilität einer solchen Anstalt für unsere Stadt beweisen soll. Ebenso legt ein hochangesehener Bürger sein gewichtiges Wort in die Waagschale der Gegner und plaidirt in einer längeren Auseinandersetzung, daß man Petroleum- Beleuchtung einführcn möge, da dieses jetzt neu in Gebrauch kommende Leuchtmittel um 12 oh billiger als Gas und 90"/z billiger als Rüböl sei. Die Veleuch- tnngssrage, nun einmal in Fluß gebracht, wird von jetzt ab immer brennender. Das Stadtvcrordneten- Kollegium ersucht im September den Stadtrath nm nunmehrige Einführung der Straßenbeleuchtung, wenn nicht durch Gas, so doch durch andere billige Brenn stoffe, und erklärt sich gleichzeitig nochmals entschieden gegen die geplante Uebertragung der Errichtung einer Gasanstalt an eine Aktien-Gesellschaft, indem es an die gemachten Erfahrungen bei der Sparkasse erinnert. Darauf resvlvirt der Nach, daß die angerufene hohe behördliche Entscheidung betreffs der zwischen beiden städtischen Kollegien schwebenden Differenz erst abzu warten sei und man in Folge dessen wohl schwerlich eine interimistische Beleuchtung der Straßen in diesem Iah e werde zur Ausführung bringen können. Endlich fand nun auch am 22. November 1863 die längst vom Gcwerbeverein in Aussicht gestellte Bürgcrver- sammlung im Kronprinzsaale statt. Der vom Verein bestellte Referent führte dabei aus, daß zur Errichtung einer Gasanstalt ein Kapital von mindestens 17,500 Thaler nöthig sei, der jährliche Aufwand für Unter haltung der Anstalt aber incl. Reparaturen und Gehalte 1360 Thaler betrage, und daß, wenn man auch die gezeichnete Flammenzahl von 175 auf 230 erhöhe, diese mit den Flammen der Straßenbeleuchtung 670,000 Kubikfuß Gas konsumircn würde«. Ta aber 1060 Kubikfuß Gas auf 3 Thaler zu stchcn kämen, so würden die geplanten 50 Straßcnflammen — die wcr dhcllen Nächte schon abgerechnet — einen Aufwand von mindestens 800 Thaler erfordern Und daraus ;cg der Referent den Schluß, daß 1) diese 800 Thaler ie ohnehin schon hohen städtischen Anlagen um ein utendes steigern müßten, 2) demgemäß die Er- "0" ng einer Gasanstalt vorzeitig genannt werden 3) unter diesen Umständen die Verausgabung so bedeutenden Kapitals beim Mangel an städtischen ögen und bei mindestens zweifelhafter Verzinsung nicht gerechtfertigt sei und beantragt 4) daß man von Gas absehen, dagegen eine Beleuchtung einführen solle, die jährlich 400 Thaler' nicht übersteige. Die Gas freunde hielten dem entgegen, daß ihren Unterlage» gemäß 1000 Kubikfuß Gas nur 2'/, Thaler bis 2^/z Thaler kosten könnten und die Straßenbeleuchtung nur 530 Thaler beanspruchen würde, und daß die Ausgaben für Photogen- oder Solarölbeleuchtuug nach dem Bei spiele von Oschatz mindestens ebensoviel betragen würden. Zudem vergrößere sich die Stadt stetig und das Kapital sei leicht aus hiesiger Sparkaffe zu 3*/,"/» zu be schaffen. Aber Niemand wollte sich belehren lassen und seine vorgefaßte Meinung aufgeben. Von dritter Seite wurde sogar die Nothwendigkeit der Straßenbeleuchtung bestritten und der Vorschlag gemacht, noch einige Jahre zu warte», andere Städte von gleicher Größe (Riesa hatte damals ca. 4800 Einwohner) Hütten ja auch keine Gasbeleuchtung. Man solle lieber den Schank- wirthen, welche sich dazu erboten hätten, Laternen an ihr.» Schankwirthschaften auf Kosten der Stadt zu unterhalten, die Straßenbeleuchtung einstweilen über lassen. Eine glücklich gestellte Abstimmungsfrage über die Nothwendigkeit der Straßenbeleuchtung machte end lich allem unnützen Streit und diesbezüglichen Er örterungen ein Ende, denn die Nothwendigkeitfsrage wurde mit 66 gegen 46 Stimmen verneint. Zum Segen der Stadt haben sich aber die standhaften Vertreter der selben nicht beirren lassen, sondern sind von dem Wege, etwas Ordentliches und Ganzes zu schaffen, nicht ab gewichen. Mit 5 gegen 4 Stimmen tritt am 8. April 1864 das Stadtverocdncten-Kollegium dem stadlräth- lichen Beschlüsse bei, die Errichtung einer Gasanstalt sofort in Angriff zn nehmen. Kaum ist die sogenannte Paul'sche Hohle als paffender Platz dafür ausersehen und der Blochmann'sche Kostenanschlag zur Gasanstalt im Betrage von 19,997 Thaler zur Begutachtung vorgelcgt, so entstehen neue Schwierigkeiten. Herr Lvhgerbermeister Thomas und die angrenzenden Haus besitzer erheben Einspruch, sodaß der Bau abermals sistirt werden muß. Nachdem auch endlich dieses Hindcrniß durch Abweisung der Nekourserhebenden seitens hoher Behörde beseitigt worden ist, beginnt der Bau der Anstalt nach dem Ostei feste 1865. In der Voraussetzung, daß schon, wie cs geplant war, die ersten Gasflammen Anfang September brennen würden, stellt der Stadtrath am 27. Juni den Pionier-Feldwebel Traugott Nietschel als Hafenmeister, Straßen- lind Gasinspektor unter Garantie von 350 Thalern Gehalt an. Endlich brannten Sonnabend den 21. Oktober die lang ersehnten Flammen in den Privat- und Gast häusern zum ersten Male, leider aber hielt an diesem Abende das Gas nicht aus und wurde dadurch Alles plötzlich in ägyptische Finsterniß gehüllt. Wohl oder übel mußte man sich bequemen, die schon bei Seite gestellten Lampen und Leuchter wieder hervorzuholen, um in den Gastwirthschaften den Gästen ein neues, wenn auch weniger Helles Licht , aufzustecken". Da gab's für die Uebelwollendeu und „Besserwisser" wieder viel jndiziren. Doch sie hatten sich auch diesmal geirrt. Am nächsten Abende hielt das Gas ans, und es brannten Montag, den 23., die Gasflammen an allen Orten der Stadt. So hat das Gas lustig weiter geleuchtet bis auf den heutigen Tag, obschon die Anstalt inzwischen so manchen Wandel erfahren hat. Und als am 18. Oktober 1867 die erste Gaskaffen- Rechnnng veröffentlicht wurde und einen Kassenbcstand von 588 ThaUr aufwies, werden wohl auch die Gegner der Neuerung sich mit der Straßenbeleuchtung ausze- söhnt haben. Ganz unwillkürlich denkt man bei solchen Reminiscenzcn auch an die Gegenwart. So war es sonst, und wie in es jetzt'? Fast ebenso! Durch Kampf zum Sieg! Die Welt geht ihren Lauf, oder wie Galilei gesagt haben soll: „Und sie bewegt sich doch!" Im Uebrigen guten Appetit zum Gas-Jubelschmaus wünschend, verbleibe ich Ihr ergebenster Chronikschreiber. —* Tie Ewffnung deS Betriebes auf Ler 7,95 km langen r.ormalspurigcn ScunLäibahnlinic Kamenz- Elstra wird am 20. Octob.-r d. I. erfolgen. Tie Lmie enthält au er dem Anschlußbahnhofe Kamenz die Haltestelle Mesa, Thonberg-Priesitz und Elstra (End station). Die Ausgabe der Fahrkarten auf den Halte stellen Wusa und Thonberg-Priesitz erfolgt durch den Zugführer. Diesbar. Vergangene Nacht zwischen 12 und 1 Uhr brannte in Seußlitz das Scheuer'fche Wohnhaus mit anzcbauter Scheune bis auf die Umfassungsmauern nieder. Entstehungsrnsache ist zur Zeit unb.kannt. Schon bei der Elbüberschwcmmung ward Scheuer mit betrcss.-n. * Dresden, 18. October. Vom kzl. Landgericht wurde heute Ler Bahnwärter Hermann Seifert, dem die fahrlässige Verschuldung an dem in der Nacht vom 7. zum 8. August d. I. am Eis nbahaübergange bei der köaigl. Billa in St-edle» stairgffnndenen Un- glückSfall zur Last gelegt nuro, zu zw.i Jahren Ge- fängniß vcrurthcilt. Bekrnntlich fand damals der Restaurateur Louis Zscheyge den sofo Ligen Tod; dessen 15 jähriger Sohn und der Kutscher wurden schwer verletzt. Von den Hinterlassenen ZschcygeS ist gleichzeitig eine Tivilklage gegen den EisenbahnfiSeuS auf Zahlung einer Entschädigungssumme von 150000 Ml. anhängig gemacht worden. Dresden, 17. October. Die Errichtung eines städtischen Electricitätswerkes in Dresden, die schon in naher Aussicht zu stehen schien, ist wider Erwarte« nunmehr wieder in weite Ferne gerückt, indem die Dresdner Stadtverordneten in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen haben, „unter Ablehnung der Rathsvorlage mit der Errichtung eines städtischen Electricitätswerkes zur Zeit noch Anstand zu nehmen und vorerst die Ergebnisse der im Jahre 1891 in Frankfurt a. M. statlfindenden elektrischen Ausstellung abznwarten." Freiberg. Bei dem Umkipprn einer zu der am Thurmhofschacht aufgest-llten Steinmaschine gehörigen, mit Steinen beladenen Low y kam vorgestern Vormittag der böhmische Arbeiter Hnalh mit dem lirken Bein so unglücklich unter den Wagen, daß das Bein zer trümmert wurde. Der Schwerverletzte wurde mittelst Siechkorb:s in das StadtkrankenhauS überführt. Reichenbach i. V. An den unw it der soge nannten „Schwarzen Tafel" gelegenen alten Schiefer brüchen ist der 16 Jahre alte Maurerlehrling Harnisch aus Roitzschau eingeschossen vorgefunden wurden. Die Schrotladung ist demselben von hinten in den linken Unterschenk l eingedrungen. 15 Schrote sitzen ziemlich tief im Bein. Ucber den Hergang der Sache schwebt noch völliges Dunkel. Schmölln. In der Gutsbrcnere, eines nahen Torfes stürzte vergangene Woche b im Ausschöpfen deS Bieres der Brauereipäckter in den siedendes Bier ent- halsinden BraukcssA. Seine in der Brauerei mit be schäftigte Gattin zog ihn heraus und zog sich dabei an Armen und Händen ebenfalls bedeutende Verletzungen zu. Der Beauereipächter starb nach einer halben Stunde. Eine Viertelstunde war er noch bei Besinn ung und mag daher fürchterlich gelitten haben. Der selbe hinterläßt eine zahlreiche unversorgte Familie, deren Schicksal allgemeine Theilnahme erregt. Leipzig. Einen schnellen Tod sand Mittwoch Vormittag eine in Gohlis wohnhafte Marklhelfers- Ehefrau. Als sie in der 2. Etage eines daselbst in der Möckeru'schen Straße gelegenen HausgrundstückeS Fenster putzte, stürzte sie herab und fiel so unglücklich, daß sie auf dec St lle todt liegen blieb. Bon einem merwürdizen Zufall wird aus Machern berichtet. Dort verlor der Sohn eines Feldbesttzers bei den Ecnteaibeiten vor zwei Jahren einen w>rth- vollen R.ng, der trotz aller aufgrwendeten Mühe nicht wieder aufzufinden war. I, der heurige» Kartoffel ernte, vosige Woche erst, ist der Verschwundene wieder aufgetaucht, und wo? in einer Kartoffel, die mit auf gelesen wurde. Anfänglich ist selbige in den Ring hinein und später um denselben herum gewachsen, so daß er ziemlich tief im Innern der Kartoffel steckte. Marktberichte. Siiei'o, 18. Oclober. Butter vr. Kilo M. 2.40 bis 2.S2. Mer pr. Scheck M. 3,60. Käse pr. Schock 2,40. Kartoffeln pr. Ctr. M. 2,— bis 2,20. Krauthäuptcr pr. Schock Mk. 2,so. Zwiebeln pr. s Liter 60 Pf. Neueste Nachrichten und Telegramme. Rudolstadt, 18. Oktober. Der Landtag'des Fürsten- thums ist aus den l l. November einbcrusen worden. Wien, 17. Oclober. Die Direktion der Tramway-Sc- scllschast hat die Sortierungen der Bediensteten zum Theil zu gestanden, zum Theil aber abgelehnt, sodaß ein Streck noch droht. Jnsolgedeffen wurden säinmtlichc Dclegirte der Be diensteten von Ler Polizeidircction vorgeladen und aufgefordert, den Streit mit allen Mitteln zu vc hüten, La die Regierung bcre t sei. wegen der Forderungen der Bediensteten zu inter- veniren. jedoch nur, wenn dieselben den Dienst nicht einstellien. Rom, 17. October. Die Kathedrale in Siena ist durch Unvorsichtigkeit von Rleiarbcitern, welche die Kuppel rcparirtcn. theilwetfe niedcrgebrannt: das Feuer zer störte die Zink- und Bleibedacknuig der Kuppel und die Be dachung des Kirchenschiffes: der Dachstuhl selbst widerstand jedoch. Aus Florenz waren Feuerweh leutc mit Löfchapparaten zu Hilfe geeilt. Seit heute früh ist der Aetna wieder in Thätiqkeit; dem Centrackegel entströmt eine ungeheure vulkanische Dampf fäule. Aus der Seite von Giarre sand ein Erdbeben mit Aschenregen statt. Rom, 18. Octorer. Der Brand der Kathedrale in Siena ist nahezu gelöscht. Der Schaden wird aus looooo FrcS. ge schätzt. Bon den Kunstwerken im Innern ist siineS beschädigt. Das Gebäude ist mit i Million FrcS. versichert. Paris, 18. Oktober. Im Anschlüsse an die letzten Manöver beauftragte der Kncgsmimster Len General Billot, die PlNheidigungSwerke dcL MaaSgcbictcS ciugehcnL zu in- spizircn.