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DieoStag, Lea 2l. Januar 188S. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den SO. Januar 1890. — Ueber die ElbschifffahrtS-verhältniffe im Winter belehrt ein Rundschreiben deS Hamburger Speditioas- hauseS R. Großmann wie folgt: Wann wird die Fluß schifffahrt eröffnet?" „Wann gehen die Kähne ab, welche schon v>rr Weihnachten voll belaven wurden?" so ungefähr lauten die Anfragen, welche io alle» mvg- Beilage zum „Mbettatt uns Anzeiger." ———— 48. Jahrg. T-,«»«-schichte. ... .... Die sreikouservative Partei ist al« erst« mit einem ' de« Charakter«, dem mau die Geistlichen nicht em Wahlaufruf auf dem Kampfplatz« erschienen. Sie be- ' flirwo'tet darin Förderung d;« JnnuogSweseos, Ei höhung der Beamtengehälter und stärkere Heran ziehung der vermögrnSkrästigeu Bevölkerungsklaffen namentlich de« Kapital«, zu den Lasten dieser Er höhung, erklärt sich für Kolonialpolitik und verspricht am Schluffe für vermehrten Arbeiterschutz einzutreten. Ueber diese ihre social« Politik äußert sie sich am Schluffe also: „Die mrlfacheo, zum Theil ausge dehnten Arbeitseinstellungen mit ihren großen Ge fahren für unser gesamwtes wirthschaftliche« Leben und für unsere Kulturentwicklung machen die Erhaltung deS socialen Friedens zur wichttgst.n Au,gäbe v-e nächsten Zukunft. Den berechtigten Ansprüchen der Arbeiter muß Geltung verschafft, den Arbeitgebern gegen Ausschreitungen Schutz gewährt und der ge wissenlosen Agitation zur Hervorrufung muthwiüiger Ausstände wirksam vvrgebmgt werden. Fest davon überzeugt, daß da« deutsche Volk der Gefahren für die gedeihliche friedliche Entwicklung nach innen und außen sich bewußt ist, Welchen un« ein Reichstag mit einer allein durch die leidenschaftliche Bekämpfung der Politik, welche Deutschland groß und stark gemacht hat, verbundenen Mehrheit entgegensühren könnte, treten wir zuversichtlich vor die Wähler. Eingedenk dessen, daß da« Wahlrecht zugleich die Wahlpflicht in sich schließt, möge da« deutsche Volk bei dem zum ersten Male für fünf Jahre vorzunehmenden Reichs tagswahlen den Beweis liefern, daß e« entschlossen ist, das hohe Gut nationaler Einheit, Freiheit und Macht gegen innere und äußere Feinde zu vec- theidiqen." Deutsche- Reich. Der Großherzoz und die Großherzogin von Baden werden für die nächste Zeit noch ia Berlin verbleiben, bis die Angelegenheiten, die den Nachlaß der Kaiserin Augusta betreffen, geordnet sind. Die „Post" theilt einige Einzelheiten auS dem Testament der Kaiserin Augusta mit. Danach theilen sich in den größten Theil ihres 7 Millionen nicht übersteigenden Vermögen«, wovon 4 Millionen au« der Erbschaft Kaiser Wilhelms stammen, die Groß herzogin von Baden und Prinz Heinrich. Auch der Kaiser soll mit einem Bermächtniß bedacht worden sein. Dasjenige Kapital, welches der Kaiserin von ihrer Mutter, der Großherzogin Maria Paulowna, zukam, geht an da« großherzogliche Hau« von Sachsen zurück. Ihren WohlthätigkeitSfin» hat die Kaiserin durch große Legate an Wohlthätigkeitsanstalten aufs Neue bewährt, ihre Dankbarkeit durch Vermächtnisse an ihr nahestehende Personen. Das Palais Unter den Linden bleibt nach den Bestimmungen des Kaisers mit seiner ganzen Einrichtung, Möbeln, Kunstgegen ständen, vorläufig in demselben Zustande, wie eS die Kaiserin bewohnt hatte. Auch der herrliche Winter garten wird so erhaltenes» daß daS Ganze vorläufig als eine Stätte weihevoller Erinnerung dienen kann. Nack einer beim Khedive eiogetroffeuen Depesche muß Emin Pascha sich einer gefährlichen Ohrenoperation unterziehe«. Da» ßbnmt« der nieder,heinisch-westfälischen Berg arbeiter soll an den bergbaulichen Verein ein Schreibe« gerichtet haben, in welch«« dasselbe vom 1. Februar ab 50 Procevt Lohnerhöhung «nd achtstündige Schicht einschließlich Ein- und Ausfahrt verlangt. Eine Uebersicht über die Rechnungsergebnisse. der 64 gewerblichen BerufSgenofsenschafteu gicbt die Zahl der betheiligten Betriebe auf 350,697, die Zahl der verstcherungSpflichtigrN Personen auf 4 320 S63, die Zahl der entsckädigungspflichtigen Unfälle im Jahre 1888 auf 18,809 an. Demnach find im Jahre 1888 auf 100000 versichert« Personen 435 entschädigte Unfälle vorgekommen. Die Summe der angewiesenen Entschädigungen betrug 8 6SS788 Mk. 57 Pf., daS ist 229 Mk. -77 Pf. pro Unfall. Die reinen Ber- waltungskosteü betrugen 8 277 220 Mk. 80 Pf., das ist pro Betrieb 9 Mk. 34 Pf., pro entschädigungS- pflichtigen Unfall 86 Mk. »2 Pf. vom Reichstag. Der Reichstag beendrte am Sonnabend bi« zweite EtätS-Berathung unter der An nahme de» EtatSgesetze«, wobei Abg. v. Bennigsen di« Aufgabe de« nächste» Reichstage« betonte, zu prüfen, ob große Ausgaben nicht auf de» ordentlichen Etat zu übernehmen seien. Abgeordneter v. Huene begründete den Antrag, betreffend die Wehrpflicht der Gerstlichen. Abgeordneter v. Kleist-Retzow lehnte da« Bedürfniß nach eiuer Aenderung de« bestehenden Gesetze« für die protestantisch«« Theologen ab. Abg. v. Enecceru« nannte licht» Variationen jetzt täglich eialaufen. Und diese Fragen scheinen nicht uur nicht unmotivirt, sondern voll berechtigt zu fein. Die Elbe ist seit nunmrbr völlig eisfrei und die Temperatur ist so milde, d^ man ansängt, au einen »och kommende» Winter nio c mehr glaube» zu «ollen. ES liegt somit nicht« näher, al« verwundert zu fragen, warum der Verkehr auf der Elbe, dieser mächtigen Verkehrsader so still bleibt, warum die Hunderte beladener Kähne ruhig in ihren Winterhäfen verbleiben und damit Güter im Werthe von vielen Millionen ihrer eigentliche» Bestimmung entziehen. Nun, di« Theorie — wenn mir die« Wort hier erlaubt ist — deckt sich bekanntlich noch immer mit der Praxis, so auch in voiliegeuder Sache nicht Den Schlepp-Verkehr von Hamburg nach der Obe Elbe, wobei ich die Abzweigung Hamburg-Havelort- Berlin nicht in Betracht ziehe, vermitteln zusammen etwa 108 Dampfer, (einschließlich der Eildampse und wenn wir heute fragen, wo sich diese stattliche Flotte befindet, oder warum sie ihrer Bestimmung, d> i Waareo-Verkehr auf der eisfreien Elbe zu vermittel nicht nachkommt, so erfahren wir, daß eine große A zahl dieser Dampfer — ich schätze '/« der 108 -- außer Betrieb gesetzt wurde, respektive werden mußt-' damit die kleinen und großen Schäden, welchen jeder Dampfer im Laufe einer SchifsfahrtS-Periode unterlieg:, gründlich auSgebessert «erden können. Zu solche a Reparaturen läßt der Sommer nicht die nvthige Muße die unwillkommene Winterpause ist, die gegebene, au gezwungene Zeit dafür, und dieser Umstand erklärt was sonst nicht recht begreiflich erscheinen will. D> kleine Neben-Umstand, daß die auf den Dampfern w: auf den Kähuen beschäftigten Leute, welche ihr Fahr zeug in der Schifffahrts-Saison nur selten oder n verlassen dürfen, auch mal eine kurze Zeit bei ihrer Familie sein wollen, dars dabei außer Betracht bleibe,' Dieses Gewohnheitsrecht der Arbeitnehmer spart den. Arbeitgeber viele Lohnauslagen. Würden nun die jcj t entlassenen Leute einberufen, würde der Betrieb mit den nothdürftig hergestellten Dampfern ausgenommen, und eS käme, was jetzt Mitte Januar, durchaus nist unwahrscheinlich, sondern recht gut möglich, neuer Frost mit Treibeis und Eissperre im Gefolge, so wäre der entstehende Schaden für alle Betheiligten un« meßlich: für die Dampfer- und Kahnbesitzer großer Ver lust an Löhnen und Material, für die Versicherung« gesellschaften ungezählt« Havarien, welche unausbleiblich eintreten müssen, weil die Winterhäfen an den Unter- weqSstationen nicht annähernd Raum und Schutz ge währen. Die wenigen zur Zeit in Betrieb befindliche., Dampfer bemühten sich in den letzten elbeiSfreien Tagen, diejenigen Kähne, welche in Unterwegsstationen liegen geblieben waren, in ihre Bestimmungshäfen zu schleppen; dies wird inzwischen vollbracht sein. Im Uebrigeu tragen sämmtliche SchifffahrtSgefellschaften der Früh jahrsstimmunz ii. sofern Rechnung, als sie ihre Winter arbeiten beschleunigen lassen, und wenn die jetzige mild? Witterung noch kurze Zeit anhält, so sind sie gerüstn und bereit, den nahezu vollen Betrieb wieder aufzu nehmen. * Strehla. Infolge Veranstaltung de« hiefiger Reich-Verein« hielt am vorigen Sonnabend, den 18. Januar, Herr Or. Oertel au» Leipzig vor zahlreicher Zuhörerschaft im Saale de« Rathskellers einen Vortrag über di« Errungenschaften im deutschen Reiche und über da«, wa« für dasfelbeuoch zu erstreben sei. Einleitend wie» Redner daraus hin, -aß am 18. Janua I87l da» deutsche Reich errichtet worden sei, daß heute, a» 18. Januar 1890, der patriotische Dichter »art Gerok, der de- Reiches Glanz mit geistigem Auge längst vorder geschaut, zu letzten Ruhe gebeitet worden sei, nachdem vor acht Tage, die hohe Gemahlin de» Hcldentaiser» Wlihelm» I. ebenfalls ihr. letzte Ruhestätte gesunden habe. Mit Blut und Sisen se die Wiedergeburt Deutschland» erkämpft worden. Mit dem Aus blühen und Erstarken de» Reich» sei e» ein mächtiger Hör, de» Friedens geworden. Wie Sin Mann stehen die deut schen Fürsten in staunenSwerther Einmüihigkeit zusammen, nw oa» Errungene zu erhalten und zu befestigen. Diese Ent Wickelung der Dinge in unserm Baterlande liege in keiner Ge schichte begründet, und e» sei nur möglich, die Errungenschaft« weiter auszubauen, wenn die alte deutsch« König-treue nicht weiche, noch wanke, sondern immer mehr und voll und ganz erstarke. Ehe Kaiser Wilhelm 1. sein Haupt zur Ruhe gelegt habe er die großartige Reform begonnen, die den Zweck habe dem deutschen Volke den Frieden im Innern zu geben. In vom Herzen kommenden und zu Herzen gehende» und bade, in der Form durchaus vollendeter Weise führte nun Redner feinen Zuhörern vor, was geschaffen worden ist -um Wohle der Landwirthjchast. de» Handwerk» und der Lohnarbeiter, und wat die deutsche Solontalpvlitik erstrebe. ES sei aber dem Werke die Krone noch nicht ausgesetzt; sondern es gebe noch sehr viel zu leisten. Im Osten, Norden und Westen von Elementen umgeben, die unsere« « ' Grenzen cu,engen möchten, t - dürsten wir einer starb, Militärmacht. La b.el. Gewähr, daß dem Reiche »friede 'Vyaiten b-che. t ili t de« Antrag eine Beeinträchtigung der allgemeine» Wehr pflicht; der Militärdienst sei wichtig für die Schul« ' de« Charakter«, dem man die Geistlichen nickt entziehen dürfe, wa« diese selbst nicht wünschten. Abg Robbe hatte nicht« gegen die Beschränkung de« Anträge« auf die katholische» Geistlichen einzuwenden. Schließlich wurde der Antrag Huene mit 121 g«ge» 89 Stimmen abgelehnt, dagegen die Anträge auf eine Aenderung der Weh,pflicht der katholischen Theologen nach Kleist und Kardoiff angenommen. Der Antrag Windthorst auf Aushebung de« Expatriirung« - Gesetze« wurde in der dritten Lesung angenommen. Bei der dritten Lesung deS Anträge« Windthorst, betreffend di« Sicherung der Lulle in den deutschen Schutzgebieten, erklärten die Abqa. Kulemann und Struckmanu sich dagegen. Abg. Srocker (Siegen) befürwortete den Gegenantrag, welcher bezweckt, die gleichzeitige Wirksamkeit verschieden kon fessioneller Missionare in denselben Bezirken zu verhüten. Beide Anträge wurden abgelehnt. Bei der Schlußab stimmung über di« Anträge, betreffend den Befähigungs nachweis, stellte sich die Beschlußunfähigkeit deS Hause« heraus. Die Sitzung wurde hierauf geschloffen. Oesterreich.Unzarr». Den deutsch-böhmischen Ausgleich bezeichnen die Wiener Blätter als vollzogen. DaS schwierigste Kapitel, die Sprachenfrage, ist erledigt worden. Ueber diejenigen Streitfragen, über welche die Konferenz eine Verständigung erzielte, wird die Regierung dem böhmische» Landtag, beziehungsweise dem Reichs rath Gesetzentwürfe vorlegen. Rußland. Die Entdeckung von neuen Ver- schwö.unzen gegen den Zaren wird Londoner Blättern aus Petersburg gemeldet. Oberst Bojeikow von der karserlichen berittenen Garde sowie mehrere Offiziere der Pet rsburger Garnison, welche der Betherligung an der Verschwörung hochverdächtig waren, verübten Selbstmord. Täglich finden Verhaftungen von Offizieren des Heeres und der Flotte, sowie von Zivilbeamten, selbst in Hofkreiscn statt. Italien. Der Herzog von Aosta, der Bruder Königs Humberts, ist gestorben. Ueber die Krankenge schichte des Dahingeschiedenen wird gemeldet: Am Montag voriger Woche erkrankte Prinz Arnadeo. Die Aerzte nahmen zuerst an, daß Influenza vorliege, konflatirten indrß sodann Bronchitis mit dazuge tretener Lungenentzündung. Eist am Donnerstag nahm die Krankheit eine bedenkliche Wendung an. Am Sonnabend früh um em Uhr, noch ehe König Humbert am Krankenlager des Prinzen einget, offen, schien der Todeskampf einzutreten, allein durch Inhalation von OxyzengaS wurde dem Patienten eine Erleichterung verschafft. Am Sonnabend früh wurden in allen Kirchen Turins öffentliche Gebete abgehalten und die Bevölkerung umdrängte theilnahmsvoll den Palast. Gegen Mittag überbrachte der Kardinal Alimonda, der Erzbischof von Turin, dem Sterbenden den päpstlichen Segen, den die Gemahlin des Herzogs, Prinzessin Lätitia, telegraphisch erbeten hatte. Mittags 1 Uhr langte König Humbert ia Turin an. Als der König daS Krankengemach betrat, brach er in Thräaen auS. Der Sterbende erkannte sofort den König, der einige Zeit mit ihm allein blieb. Der Kronprinz, der so eben seine Orienttris« augetreten, wurde sofort zu- rückberufen. Belgien. Der kaum beendete ArbeiterauSstand im belgischen Kohlengebiete von Lharleroi ist schon wieder aufgeflammt, und zwar diesmal in einer Heftig keit die alle bisherigen Ausstände in diese« Bezirke übertrifft. Die Ursache« find neue Streitigkeiten der Arbeiter mit den Arbeitgebern über die Zeit der Ar beitsstunden. Die Stiinmung der Streikenden ist der art gewaltthätig, daß di- militärische Besetzung der Arbeiterbezirke nothwenig wurde. Am 17. zerstörte ein Tynamilverbrrchen in der Ortschaft Binche daS HauS deS GlaSfabrikanten Durieu und verwundete eine Person. Am Sonntag Vormittag ging eine weitere Escadrvn reitender Jäger von Tournai nach Charleroi ab, wo bereits am Sonnabend Truppen zur Auf rechthaltung der Ordnung eingetr offen sind. Der Ministerrath beschloß, in verschiedenen Garnisonen die Infanterie zu co»signiren.