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9832 Nichtamtlicher Teil. ^ 260. 8. November 1904. Da Voltaire die Ausgabe nicht verhindern konnte, wäre es doch richtiger gewesen, van Duren den korrekten Text zu lassen; statt dessen aber ließ er sowohl im Haag bei einem andern Verleger, als auch bei einem Verleger in Paris eine neue Ausgabe veranstalten. Am 18. August schrieb er an den Abbs Moussinot: mindestens tausend Taler isous) zahlen, wovon ein Zehntel, wenn es Ihnen recht ist, für Sie sein soll. Ich habe keinen Anteil, weder am Manuskript, noch am Profit. Ich führe nur meinen Auftrag aus.« Während Prault in Paris die Herausgabe vorbereitete, tat Voltaire das gleiche bei einem Verleger, namens Paupie im Haag. Mit seinem Schreiben vom 22. September sandte er schon eine Abschrift (oder einen Probedruck?) an Friedrich den Großen. Seine Absicht erfahren wir aus seinem Schreiben vom 12. Oktober an den König: »Tag und Nacht habe ich an dieser neuen Ausgabe arbeiten lassen Ich lasse Exemplare davon in ganz Europa ver breiten, um die Ausgabe von van Duren zu Fall zu bringen, die übrigens sehr fehlerhast ist. Wenn nach Vergleich der beiden Ausgaben Ew. Majestät mich zu streng befinden, wenn hinzufügen wollen, brauchen Sie mir es nur mitzuteilen; da ich die Hälfte der neuen Ausgabe von Paupie kaufen will, um sie zu verschenken, und da Paupie die andere Hälfte schon an seine Korrespondenten im voraus verkauft hat, werde ich in vierzehn Tagen eine korrektere Ausgabe in Angriff nehmen lassen, die Ihren Intentionen entsprechen wird. Es wäre besonders deshalb notwendig bald zu wissen, wozu Ew. Majestät sich entschließen werden, um denjenigen einen Anhaltspunkt zu geben, die das Werk ins Englische und Italienische übersetzen wollen. Erteilen Sie mir, Sire, genaue Ordres. Wenn Ew. Majestät finden, daß die Ausgabe von van Duren durch die neue noch nicht genügend erstickt wird, wenn Sie wünschen, daß man so viel Exemplare wie möglich von der van Dürens aus dem Handel zurückzieht, so mögen Sie nur befehlen. Ich werde deren so viel wie möglich zu rückziehen und zwar unauffällig in fremden Ländern, denn er zusetzen; es ist dies eine jener Schwindeleien, gegen die nichts zu machen war. Ich bin gezwungen, hier einen Prozeß gegen ihn zu führen; die Absicht des Gauners war, allein Herr der ersten und der zweiten Auflage zu sein. Er wollte nicht bloß das Ma nuskript, das ich seinen Händen zu entziehen versuchte, sondern auch das verbesserte Manuskript drucken. Cr will unter dem Alante! des Gesetzes uns betrügen. Er stützt sich darauf, daß, da daß ein Buchhändler, der allein in Europa das Vervielfältigungs recht hätte, wenigstens 30000 Dukaten verdienen würde.« Der König wurde anscheinend ziemlich ärgerlich über diese Verlagsgeschichte. In einem Schreiben von Rheinsberg (Oktober 1740) bemerkt er: haben, denn die Streitigkeiten, in die er Sie mit van Duren hin einzieht, verursachen der gebildeten Welt eine Art Bankrott von 14 Tagen Ihres Lebens.» Als der König nun die ersten Exemplare erhielt, erklärte er, daß das Werk mit den Änderungen Voltaires ihm nicht gefalle, und daß er selbst in Berlin eine neue Ausgabe Her stellen lassen wolle. Er ließ sogar in den Zeitungen beide Ausgaben desavouieren (die von van Duren und die von Pauvie); aber schon vor Ende Oktober sah er ein, daß die Regierungsgeschäfte ihm vorläufig keine Zeit ließen, sein Werk umzuarbeiten. Lange Jahre später (1753) sahen Voltaire s) und °) Auf der Rückreise von Berlin begriffen. Voltaire hatte sich bekanntlich mit dem König entzweit. Später tauschten sie aber noch zuweilen Briese mit einander aus. van Duren sich wieder und zwar zufällig in Frankfurt a. M. Colini'o) erzählt dies wie folgt: einer Rechnung für Bücher, die er Voltaire 13 Jahre vorher ge liefert hatte. Da er Voltaire nicht antraf, ließ er mir die Rechnung ^rück.^Voltaire las sie und fand, daß die verlangte Summe^ fü^ natürlich in großer Verlegenheit beim Anblick des geohrfeigten Buchhändlers; aber ich wußte ihm keinen bessern Trost zu spenden als die Bemerkung, daß er die Ohrfeige von einem berühmten Van Duren gab sich übrigens damit nicht zufrieden. Er ließ Voltaire vor den Bürgermeister von Frankfurt laden, der die Rechnung für richtig befand und ihn zur Zahlung verpflichtete. In einem Brief aus Paris, den 22. September 1746, schreibt Voltaire an Friedrich den Großen: »Ich weiß, daß Ew. Majestät Herrn Thiriot befohlen haben, ihr alle Ausgaben') zu senden, die er erlangen kann; aber sie sind alle so unförmlich und so fehlerhaft, daß ich keine einzige darunter anerkennen kann. Die der Ledet ist eine der schlechtesten, und besonders ihr sechster Band wäre strafbar, wenn man in Holland die Frechheit der Buchhändler bestrafen könnte. »Ew. Majestät werden vielleicht nicht ungern erfahren, daß die Waffen des Königs, meines Herrn, und ihr Erfolg in Flandern neue Betrügereien seitens der holländischen Buchhändler ver hindert haben. Ein Sekretär, den Madame du Chätelet leider selbst mir gegeben, hatte in Brüssel sich die Mühe gemacht, mehrere Briefe von mir und Madame du CHLtelet und sogar mehrere Ew. Majestät abzuschreiben und hatte sie in Verwahr gelassen bei einer Händlerin in Brüssel, namens Desvignes, die „Zum blauen Bande" wohnt. Diese Frau hatte einen Teil an die Ledet ver kauft, die sie in ihrem 6. Bande abgedruckt haben, und sie stand in Unterhandlung wegen der übrigen, als der König, mein Herr, Brüssel einnahm. Wir wandten uns sofort an Herrn de Sschelles, der zum Intendanten der eroberten Länder ernannt worden war. Er begab sich zu der Frau Desvignes, nahm die Papiere an sich und schickte sie der Marquise du Chätelet zurück.« Die Erklärung Voltaires ist nicht gerade sehr plausibel, und auch Friedrich der Große scheint ihn im Verdacht ge habt zu haben, daß er der Veröffentlichung der Briefe nicht ganz fern stand. In seiner Antwort vom 26. Januar 1749 war Voltaire allerdings sehr entrüstet über diesen Verdacht, und er bemerkte dann: »Wenn die Amsterdamer Buchhändler gehenkt zu werden verdienten, soll denn der große Friedrich schließlich ärgerlich darüber sein, daß die Nachwelt erfährt, daß er mich mit seiner Güte beehrt hat?« Friedrich der Große hatte seine Gedichte nur in ge ringer Auflage für seine Freunde drucken lassen, und diese mußten sich verpflichten, die Bände zurückzugeben, sobald sie den Hof verließen. Im März 1760 erfuhr er nun zu seinem großen Ärger, daß seine Gedichte in Frankreich veröffentlicht worden seien. Voltaire war in Frankfurt gezwungen worden, den Gedichtband an den Residenten v. Frersiag zurückzugeben. Man vermutete aber, daß er sich heimlich eine Abschrift an- gefertigt hatte. Besonders war es Nicolai, der in seinen »Freimütigen Anmerkungen« diesen Verdacht offen aussprach, und zwar unter Bezugnahme auf eine ihm »von glaub würdiger Seite zugetragene Erzählung«. Neuerdings hat Moritz Türk in einem Aufsatz in den »Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte- (1900) nach zuweisen versucht, daß Voltaire au dem Diebstahl unschuldig gewesen sei und daß ein gewisser Bonneville, der zuerst Sekretär des Marschalls von Sachsen war und später als ">) Non ssjour LUPI88 äs Voltairs. Paris 1807. 8°. S. 181. — Der Name wird auch Collini geschrieben. ") Der Voltaireschen Werke.