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48, 1. März 191Ü. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f- d. Dtschn. Buchhandel. 2635 sitzen, den Absatz zu fördern und das Publikum nicht selten irrezusiihren. Es ist auch, objektiv betrachtet, nicht zu bezweifeln, daß die Ausstattung eines Werkes mit der Jahres zahl des der Erscheinungszeit folgenden Jahres an sich zu Unrecht geschieht und eine unwahre Angabe enthält. Aus diesen Gesichtspunkten erblickt daher Fuld in der Vordatierung eine unlautere Reklame, die den Anspruch auf Unterlassung loslöst, da an sich eine objektiv unrichtige Angabe über ge schäftliche Verhältnisse in öffentlichen Reklamen zu Welt bewerbszwecken anzunehmen ist. Indes wird hierbei der wichtige Umstand Übersehen, ob denn die Vordatierung nach der Auffassung aller gerecht und billig denkenden Berufsgenossen als ein illoyales Mittel zur Förderung Und Hebung des Absatzes anzunehmen ist, oder ob sie nicht vielmehr nach den Anschauungen und geschäft lichen Gewohnheiten der in Betracht kontmenden Interessenten kreise den Charakter einer Verkehrssitte angenommen hat. Nun besteht nicht nur in Deutschland, sondern zum Teil im internationalen Buchhandel die Gewohnheit der Vor datierung von Büchern, und zwar ist dieser Brauch auf die Gepflogenheit des Sortimentsbuchhandels zurückzusühren, wonach ein Buch meist nur ein Jahr als neu gilt, und zwar nur das Jahr hindurch, das als Erscheinungsjahr auf dem Buche angegeben ist. Nach Rausnitz' Ansicht (im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 31. Dezember 1909, Seite 16 027) bedeutet daher die Jahreszahl nicht so sehr das Jahr des Erscheinens, als vielmehr das Jahr, in dem das Buch im Buchhandel als Neuigkeit vertrieben wird. Der Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler hat sich bisher gegen die Vordatierung nicht ausgesprochen und damit durch sein Stillschweigen zu erkennen gegeben, daß es sich um eine alte, begründete und allgemeine Geschäftsgewohnheit handelt. Auch in der Eingabe an das Reichsamt des Innern vom II. April 1908 betreffend die Wettbewerbsnooelle hat der Vorstand wohl über eine Reihe von Mißständen Klage geführt und Vorschläge zu deren Abstellung gemacht, aber dabet die Vordalierung mit keinem Worte erwähnt. Wenn nun auch sonst die Formen des unlauteren Wettbewerbes, unter denen der Buchhandel zu leiden hat, sich nicht schlecht hin Mit den Formen decken, die für andere Erwerbs- und Geschäftszweige in Betracht kommen, vielmehr spezieller Art sind und sich aus den besonderen Eigentümlichkeiten des Buchhandels erklären, so handelt es sich doch bei der Vor datierung um eine Gepflogenheit, die auch im sonstigen kaufmännischen Leben häufig zu beobachten ist. Zunächst ist zuzugeben, daß Geschäftsgewohnheiten oder auch Unsitten, selbst wenn sie üblich sind, schlechthin nicht dadurch zu erlaubten werden; insbesondere hat die fortschreitende Ethisierung des Erwerbslebens, die in der Verschärfung der Vorschriften der Novelle ihren Ausdruck gefunden hat, dazu geführt, daß in dem Konkurrenzkämpfe nur lautere, den Gepflogenheiten des achtbaren Geschäftsmannes entsprechende Mittel angewendet werden dürfen. Der Hinweis aus gewisse eingerifsene Mißbräuche kann daher nicht in allen Fallen mißbräuchliche Gewohnheiten der Geschäftswelt entschuldigen; nur dürfen die Anforderungen auch nicht ins Ungemessene gespannt und zu hoch geschraubt werden. Was dem redlichen Kaufmann als »Mir«, als sittlich einwandsfrei gilt und als Übung im Verkehr beobachtet wird, dem muß sich auch der einzelne Konkurrent, dem dies Verhalten un bequem ist, unterwerfen. Er kann nicht einen ihn im Einzel salle belästigenden allgemeinen Brauch im Wege der Klage abstellen, sondern unterliegt einem derartigen Verkehrsbrauch ebenso wie die Konkurrenten. Betrachtet man nun die verschiedenen Berusskreise, so lassen sich Vordatierungen und gleichliegende ähnliche Hand lungen auf den verschiedenste» Gebieten des gewerbliche» und kaufmännischen Lebens, des Handels sowohl wie der Industrie, beobachten. So preist der Fahrradhändler oder die Gewehrfabrik usw. Räder, Automobile, Re volver oder Flinten, an deren Vervollkommnung und Ver besserung in dem laufenden Jahre gearbeitet ist, und die bereits gegen Ende des Jahres in der neuen Aufmachung in de» Verkehr gebracht werden, als Modell des folgenden Jahres an und vertreibt sie allgemein unter der Bezeichnung Modell 1909, 1910 usw , auch wenn sie bereits gegen Ende des vorhergehenden Jahres hergestellt und vertrieben wurden. Dieselben Gepflogenheiten lassen sich in der Bekleidungs industrie bei Herauskommen der neuen Moden seststellen. Auch hier werden Stoffe und fertige Kleidungsstücke mit der Angabe des dem Entstehungsjahr folgenden Jahres versehen und als Modelle und Muster des kommenden Jahres an gepriesen. Was aber auf anderen Gebieten recht und billig ist, muß auch dem Verleger zugestanden und ihm schlechthin ge stattet werden, das gleiche Recht für sich in Anspruch zu nehmen und die im Laufe der letzten Hälfte, mindestens aber die gegen Ende des Jahres erschienenen neuen Werke der Literatur usw. mit der Angabe des dem Erscheinungsjahr nächsten Jahres zu versehen. Es handelt sich eben in allen diesen Fällen nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen und Anschauungen um einen allgemeinen Brauch, der nach der Auffassung aller Kreise, innerhalb deren der betreffende Vorgang sich abspielt, nicht die Bezeichnung als Mißbrauch verdient, vielmehr als Verkehrssitte angesprochen werden muß und sogar teilweise internationale Geltung gewonnen hat. Ist das aber der Fall, so kann die Vordalierung nicht als eine im Sinne der Vorschrift des Z 3 des Unlauteren Wettbewerbs-Gesetzes unrichtige und unlautere Reklame, die den Unterlassungsanspruch loslöst, angesehen werden. Hier muß vielmehr die buchstäbliche Auslegung des Gesetzes der Verkehrssitte weichen und die Anwendbarkeit der Vorschrift der Novelle ausgeschloffen sein. — Streng hiervon zu trennen ist die hierher nicht gehörige und hier nicht zu erörternde Frage, ob etwa der Kauf von derartigen Werken vom Ersteher wegen Irrtums, Täuschung usw. angefochten werden kann. Aus dem Deutschen Buchgewerbehaus in Leipzig. Die Lehre vom Gesichtssinn und den Farben als Grundlage der Photographie. Im Maschinensaal des Deutschen Buchgewerbehauses in Leipzig hat gegenwärtig die Sammlung von Apparaten Auf stellung gefunden, die unter Leitung des Herrn Di-. Goldberg, Lehrers an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, von seinen Schülern der Abteilung für photographische Reproduktionstechniken hergestellt wurden und in der Gruppe Be lehrung und Unterhaltung der Internationalen Photographischen Ausstellung in Dresden 1909 ausgestellt waren. Auf Befürwortung der Direktion der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe hat das Ministerium seine Genehmigung zur leihweisen Überlassung der Apparate an den Deutschen Buch gewerbeverein erteilt. Durch diese Apparate, die mit verhältnismäßig geringen Mitteln hergestellt sind, ist der Versuch gemacht, die wissenschaft lichen Grundlagen der Photographie weiteren Kreisen zugänglich zu machen und in anschaulicher Form die für den denkenden Photographen wichtigsten Gesetze und Ergebnisse der Psychologie, Physiologie und Physik zusammenzufassen. Wenn schon die ein- farbige Photographie durchaus auf den Forschungsergebnissen dieser Wissenschaften fußt, so ist dies bei der Farbenphotographie noch weit mehr der Fall. Trotzdem ist die Kenntnis der einfachsten Tatsachen aus diesen Gebieten äußerst selten anzutreffen, jeden falls weit seltener als umfassende Kenntnisse der photographischen Chemie. 340*