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12280 «Srlenbl-tt I, d. Dtschn, »u«r-nd-r Nichtamtlicher Teil. »U »S5. 2 November IS08. Nichtamtlicher Teil. Schulszenen in Inkunabeln. Der Freude am Bilde, die sich in den handschriftlichen Büchern lundgegeben hatte, mußten auch die Drucker gerecht zu werden suchen, und ihr Bestreben, den Anforderungen zu entsprechen, erstreckt sich bis auf die Schul- und Lehrbücher. Für die Forschung haben dann diese Bilder oft wertvolle Anhaltspunkte zur Bestimmung von Entstehungsjahr oder Trucker ergeben, weshalb es von Wichtigkeit wurde, zu sammengehörige Gruppen solcher Bilder in besonderer Dar stellung zu behandeln. Eine im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert sehr beliebte und auch wohl naheliegende Illustration für Schul bücher war das Bild des dozierenden Lehrers und des lernenden Schülers. Schon 1843 haben Moser und Jaeck im 4. und 5. Bande des Serapeum auf diese Holzschnitte hingewiesen, und der um die Jnkunabelforschung so hoch verdiente Robert Proctor veröffentlichte 1894 in der Biblio graphie«*) eine Abhandlung darüber, in der er fünf Haupt- arlen von Holzschnitten unterschied, die alle gemeinsam den Spruch zeigen i «Iccipies tauti äoetoris äogiuat» ksnoti und die danach unter dem Namen Accipies-Holzlchnitte zusammen gefaßt werden. Schon vor 14 Jahren äußerte Proctor den Wunsch, daß diese Bilder, die in vielen Fällen auf Grund einer besonderen Eigenheit den bestimmtesten Schluß auf die Identität des Druckers des betreffenden Buches liefern, nach ihren verschiedenen Formen sestgestellt und registriert werden sollten. Dieser Wunsch ist jetzt, fünf Jahre nach dem tragischen Tode dessen, der ihn ausgesprochen hat. in weitestgehender Weise in Erfüllung gegangen, und wiederum ist es der für die Jnkunabelforschung so erfolgreich tätige Straßburger Buch händler Paul Heitz, der der Wissenschaft dielen Dienst der Herausgabe geleistet hat. Freilich stand er nicht allein; denn der Plan zur Edierung dieser Bilder war ziemlich gleichzeitig auch noch an zwei anderen Stellen gefaßt worden. Einmal war es W. L. Schreiber, der beabsichtigte, das Verzeichnis der deutschen Biicherholzschnitte des IS. Jahrhunderts als eine Fortsetzung seines Manuel herauszugeben, und dann die »Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke«. Diese trat bei Bekanntwerden der anderweitigen Verwirk lichung des Gedankens bereitwillig zurück, mit Heitz vereinigte sich Schreiber, und das Ergebnis liegt nunmehr in dem 100. Heft der Hcitzschen Studien zur deutschen Kunst geschichte vor.'*) Bisher ist ziemlich allgemein angenommen worden, daß die Stammmutter dieser weiterhin stark verbreiteten Dar stellungen in Köln das Licht der Welt erblickt habe. Hier hat der Drucker Heinr. Quentell zum erstenmal 1490 eine Schulszene als Buchschmuck benutzt. Wir sehen ein enges Gemach, in dem ein mit Nimbus ausgestatteter Mann vor einem Lesepult sitzt. Er doziert zwei auf dem Boden sitzen den Schülern aus einem aufgefchlagenen Buch, über den Häuptern dieser Figuren windet sich ein Spruchband mit dem oben zitierten Vers. Durch das in der Hinterwand befindliche halbrunde Fenster fühl man eine gebiraige Land schaft. in der ein Baum steht. Auch die linke Seitenwand hat ein Fenster, in dem ein gebogener Strich als Bergrücken gedeutet werden kann. Der Umstand, daß auf der rechten *) Abgedruckt in Proctor, Oiblio^rnpbioul lilssnz-s. London 1903. **> W. L. Schreiber und Paul Heitz, Die deutschen »Accipies«- und Llagieter onm äisoixulis - Holzschnitte als Hilfsmittel zur Inkunabel-Bestimmung. Strahlung, Heitz. 71 S. ». 77 Abbildgn. 10 Schulter des Heiligen eine Taube sitzt, hat Franz Falk veranlaßt, den Mann als den Papst Gregor den Großen anzusprechen, der eine Taube als Symbol führt, als Patron des Schulwesens gilt und an dessen Festtag, dem 12. März, das Schuljahr begann.*) Dieser Annahme glaubt Schreiber widersprechen zu müssen; einmal, weil der Mann nicht dis päpstliche Tiara, sondern einen einfachen Gelehrtenhut auf dem Kopse trägt, was für einen mittelalterlichen Zeichner und Holzschneider eine nicht anzunehmende Ungenauigkeit bedeutete; dann aber erinnert er daran, daß bei dem ersten Buch, das Quentell mit dem Bilde schmückte. Thomas von Aquin eine wesentliche Rolle spielte**) indem darin die Traktate des Petrus Hispanus wesentlich verbessert worden waren gemäß den Lehren des heiligen Thomas. Der eigentliche Verfasser, der Dominikaner Petrus Hispanus. kann in dem Bilde nicht in Frage kom men. weil er nicht heilig gesprochen worden ist und die Figur, wie schon gesagt, einen Heiligenschein trägt. Die Folgerung, daß sie den heiligen Thomas darstellen solle, wäre hiernach noch nicht zwingend; Schreiber glaubt aber den Be weis. daß die Inschrift aoeixiee tauti äoctvris ckogmata saueti speziell mit dem Heiligen zusammenhängt, aus einer Aus gabe der tloxulata führen zu können, die Quentell 1498 gedruckt hat. Dort ist der Titel noch mit folgendem Zusatz gut tauti ckootoria sauoti seotatores existuut siueerissiwi xroxaxatorosgno tickoliasinü. Ich sehe darin freilich ebenfalls noch keinen Beweis dessen, was behauptet wird. Es geht nur daraus hervor, daß unter dem großen heiligen Lehrer der heilige Thomas verstanden werden soll. Wenn nun das Spruchband sagt, daß der Schüler nun die Lehren eines so heiligen Lehrers hören wird, so braucht der Verkünder nicht notwendig dieser Lehrer selbst zu sein, wenn das auch nahe- iiegt. In der Tat wird diese einleuchtende Annahme erst durch einen Quentellschen Holzschnitt zur Gewißheit, der einen Lehrer mit der Taube auf der Schulter darstellt, der direkt auf einem Bande als der hl. Thomas bezeichnet wird. Auch den Ruhm, das Urbild für die weiteren Bilder mit Schulszenen gewesen zu sein, nimmt Schreiber dem besprochenen Schnitt von 1490 Er weist nach, daß es in Wirklichkeit verschiedene, völlig von einander unabhängige Typen gibt, die teilweise aus weit älterer Zeit stammen, auch keineswegs sämtlich deutschen Ursprungs, sondern zum Teil dem Auslande entlehnt sind. Schon die Handschriften enthalten in Initialen und Bildern Schulszenen, und Schreiber weiß u. a von einem Bild aus einer Handschrift nach 1425 zu berichten, das Alwin Schultz in seinem Buch »Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert« veröffentlicht hat und den Accipiesdrucken überraschend ähnlich sei. In gedruckten Büchern, wenn wir von Initialen absehen. erscheint der erste größere Holzschnitt mit einem Lehrer und Schüler in einem von Martin Flach in Basel um 1473 gedruckten Cato. Der Stock diente als Kopfleiste und zeigt deshalb ein niederes, längliches Format. Der Lehrer sitzt auf einem reichen Stuhl und zählt an den Fingern, der Schüler, der anscheinend auf einer Erderhöhung sitzt und ein *1 Die Schul- und Kinderfeste im Mittelalter. Frankfurt 1880 u. Centralbl. f. Bibliothekwesen. Bd. 12 (1893) S. 33. **) Es waren die am 7. April 1400 gedruckte »Ooxulata