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^ 101, 2. Mai 1912. Nichtamtlicher Teil. die Besetzung des Geschästsführerpostens die größten Schwierig, in unserer Stadt vor sich gegangen. Diejenigen Meßbesucher, leiten, zumal im amerikani chen Geschäftsleben das persönliche > die die thüringischen Eisenbahnlinien benutzen, werden zum Moment eine weit ausschlaggebendere Rolle spielt, als bei uns zu Lande. Aus diesem Grunde hat auch, soweit wir informiert sind, der Vorstand des Börsenvereins keineswegs die Absicht, »einen jungen, kenntnisreichen, unternehmenden Deutschen im Alter von 28—35 Jahren« nach Amerika zu schicken, der die Zentralstelle in ein bis drei Jahren kaput macht, um auf ihren Trümmern seine spätere Selbständigkeit aufzubauen. Er wird sich vielmehr nach einem Manne umsehen — am besten vielleicht einem Deutschamerikaner — der die dortigen Verhältnisse kennt und sich klar darüber ist, daß nur im Viel und nicht im Vielerlei, nicht in der Übertragung der Formalitäten des deutschen Buchhandels, sondern in der Anpassung an den amerikanischen Markt das Geschäft liegt. Was ein Einzelner, nur auf sich selbst angewiesen, drüben erreicht hat, warum sollte das einem Unternehmen versagt sein, das, getragen von dem Vertrauen des deutschen Buchhandels, von vornherein eine ganz andere Stellung im dortigen Geschäftsleben einnimmt als ein simpler Anfänger? Nichts wäre falscher, als in den 15 Millionen Deutscher in Amerika ebensoviele Bücherkäufer zu sehen, aber ebenso wenig ist es richtig, den Standpunkt des amerikanischen Biblio thekars in dieser Frage als den all ein maßgeblichen hinzustellen, weil für die Bibliotheken allein das Unternehmen nicht bestimmt ist. Diese Klarstellung soll nicht unseren Dank gegen alle, die sich bisher zu dem Projekt äußerten, mindern, sondern nur dartun, daß die Gesamtheit der Aufgaben einer solchen Zentralstelle in Betracht gezogen werden muß, wenn man sich ein richtiges Bild von ihr machen will. Red. Leipziger Briefe. IV. Wenn Ver Sonntag Kantate wie in diesem Jahre mitten in die schöne Zeit der Baumblüte fällt, so ist im Einklänge mit der Natur jener Zustand geschaffen, den der Dichter gern mit den Worten »Ein Blütcntraum« bezeichnet, überschüttet von dem weitzen und rosafarbigen Segen steht der Baum im goldenen Glanze der Frühlingssonne; tausend Verhetzungen sprechen aus seinen Zweigen, und nur wenige werden erfüllt — ein Blütentraum. — Um über dem Wohl und Wehe des Standes zu Rate zu sitzen, kommen die deutschen Buchhändler zur Ostermesse nach Leipzig und bringen als Reisegepäck tausend Wünsche und Hoffnungen mit. Nur ein Teil davon reift zur Frucht — — ein Blütentraum. Wie aber in der Natur durch den unter all dem Glanze verborgenen Ernst alles Werdens die freudige Stimmung nicht verdorben wird, so ist auch der deutsche Buchhändler weit davon entfernt, dem zwar klar erkennenden, immer aber lähmenden Pessimismus anheimzufallen, der ein Feind des Fortschritts und der ge sunden Entwicklung ist. Ein froher Optimismus war allezeit das Kennzeichen der Kantatetage. Nur die Freude an der Arbeit und das Vertrauen aus die eigene gute Sache vermögen uns jene große Widerstandsfähigkeit zu verleihen gegenüber mancherlei inneren und äußeren Gefahren, die unseren Stand bedrohen. Wir wissen, daß unsere Gäste beide Erfordernisse mitbringen, und wir mischen gern das Gefühl der Freude mit dem der Dankbarkeit für den Opfersinn der Männer, die unse- ren Stand vertreten. Sie dürfen auch in diesem Jahre auf einen guten Empfang in Leipzig rechnen; alle Vorbereitungen sind getroffen worden, um ihnen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Und wenn all die Anstrengungen des offiziellen Teiles, selbst die des Kantateschmauses bewältigt sind, bleibt als süßer Trost die Veranstaltung »Bukama«, das Fest am Kantate-Montag, das immer noch den Beweis dafür erbracht hat, daß das Kräutlein Humor in Leipzig wie «Hedem üppig wuchert, unverwüstlich wie die edle Knoblauch pflanze in unseren Wäldern, deren liebliches Aroma nur der Einheimische genügend kennt. Manche Veränderungen sind seit dem vergangenen Jahre Böücnblatt skir den Deutschen Buchhandel. 79. Jatsraanfl. ersten Male tm neuen Zentralbahnhose aussteigen und darüber erstaunt sein, welche gewaltigen Fortschritte dieser größte deutsche Bahnhofsbau gemacht hat, und welche durchgreifen den Wandlungen sich in seiner Umgebung vollzogen haben. Ein heißer Wettstreit war es, der um die Bahnhofsbuchhand lung entbrannt war. Unter andern befand sich auch unser Sortimenterverein unter den Bewerbern; und wenn er unter legen ist, so mag er sich damit trösten, daß nur einer der Sieger sein kann. Ob der Gedanke, sich durch Bildung einer Genossen schaft den Bahnhofsbuchhandel zu sichern, ein glücklicher ist, steht noch dahin. Es hat aber keinen Zweck, darüber zu rechten. Das Höchstgebot dürfte ausschlaggebend gewesen sein, und das Unglück hat es gewollt, daß es von anderer Seite abge geben wurde. So sind denn die drei vereinigten Leipziger Bahnhofsbuchhändler, die den Vorteil der praktischen Erfah rung in diesem Zweige des Buchhandels zur Seite haben, die Gewinner; ob glückliche Gewinner, muß erst die Zukunft lehren. Denn wenn auch zu erwarten steht, daß gerade in den nächsten zwei Jahren — der vertraglich festgelegten Pachtzeit — der Verkehr in Leipzig besonders gewaltige Dimensionen an- nchmen wird, so dürfte cs doch nicht leicht sein, heute schon die Größe des Niederschlages festzustellen, der auf das Bücher geschäft am Bahnhof entfällt. Wir wünschen den beteiligten Firmen einen guten Erfolg, damit ihre Hoffnungen nicht den Blütenträumen gleichen, die so viel verheißen und so wenig halten. Die Kräfte, die bei dieser Gelegenheit in unseren Sortimentern wach geworden zu sein scheinen, finden in der kommenden Zeit ein weites Feld anderweitiger Betätigung. Draußen auf dem blutgetränkten Boden der Schlachtfelder von 1813 geht das Riesenwerk des Völkerschlachtdenkmals der Vollendung entgegen. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Gelände der »Iba«, der Internationalen Baufachaus stellung, die im nächsten Jahre eröffnet wird. Die Vorbe reitungen sind bereits zu sehen. Im folgenden Jahre (1914) wird das gleiche Terrain die für uns ganz besonders bedeu tungsvolle Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, die »Bugra«, aufnehmen. Das sind außerordent liche Gelegenheiten, die eine aufmerksame Wahrnehmung aller Geschäftsmöglichkeiten für den Buchhändler erfordern. Eins wird das andere nach sich ziehen, Kongresse und andere Ver anstaltungen werden folgen, und es wird in diesen Jahren, wenn nicht alle Zeichen trügen, in Leipzig ein ununterbroche nes Kommen und Gehen sein. Mitten in diesen angenehmen Aussichten, von denen wir ebenfalls wünschen, daß sie keine Blütenträume sind, über rascht uns die Kunde, daß das sächsische Staatsminifterium mit der Absicht umgeht, die tierärztliche Hochschule in Dresden nach Leipzig zu verlegen. Es macht sich ein Neubau an Ort und Stelle nötig, und die Regierung hat keine Lust, ihn in Dresden auszuführen; vielmehr wird sie dem Landtag eine Forderung über drei Millionen Mark zwecks eines Neubaues in Leipzig vorlegen. Diese Hochschule wird gegenwärtig von über 200 Studenten und Hörern besucht; der Lehrkörper be steht aus etwa 25 Professoren und Dozenten, wozu noch eine größere Anzahl Assistenten kommen. Für die Bibliothek steht ein jährlicher Etat von 4000 ^kk zur Verfügung. Der von den Professoren geteilte Wunsch, die Hochschule der Leipziger Uni versität anzugliedern, an der bereits ein Vclerinärinstitut be steht, erscheint begreiflich, da den Studenten sowohl als auch den Professoren durch die Angliederung an die Universität ein viel größerer Kreis wissenschaftlicher Anregungen und geistigen Verkehrs geboten wird, so daß die Hoffnung auf eine Steigerung der Frequenz keine trügerische sein wird. Es scheint also Leipzig für die gelehrte Welt doch noch einige An ziehungskraft zu besitzen, wenn auch von seiten eines unserer 70g