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81. 8. April 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d, Dtschn. Buchhandel. 4321 stammt aus dem Atelier des Jean Foucquet, und seine schönsten Miniaturen sind von der Hand des großen Meisters selbst. Er ist ein unvergleichliches Monument der französischen Kunst des fünf zehnten Jahrhunderts, auf dessen Besitz Bayern mit Recht stolz sein kann. Jean Foucquet selbst nun teilt das Schicksal so mancher großen Künstler. Wir wissen recht herzlich wenig von seinem Leben und seinen Werken. Man hat ihm überhaupt erst seit einem halben Jahrhundert besonderes Interesse zugewendet, und endlich hat er den Platz eingenommen, der ihm mit Recht gebührt. Eine große Anzahl von Veröffentlichungen ist seitdem über ihn erschienen. Er hat die großen flämischen Meister gekannt und hat Italien gesehen. Unter den Miniaturisten seiner Zeit nimmt er eine so eigenartige Stellung ein, daß man ihn schon mehr den Malern der Renaissance zuzählen sollte, und er hat mehr als ein anderer den späteren Künstlern den Weg gezeigt. Geboren gegen 1416 in Tours, starb er ebendaselbst um 1480. Die erste Nachricht, die wir von ihm haben, ist sein Aufenthalt in Italien zwischen 1443 und 1477, wo er ein Porträt des Papstes Eugen IV. malte. Antonio Averulino mit dem Beinamen Filarete, Architekt und Bildhauer in Florenz, war der Vermittler bei dem Auftrag für dieses Porträt, das allseitig die größte Anerkennung fand. Filarete spricht in einer Abhandlung davon und rechnet Foucquet zu den ersten Künstlern. Im Jahre 1461 treffen wir den Meister wieder in Frankreich, wo er 1475 Hofmaler Ludwigs XI. wird. Sichere Nachrichten haben wir, abgesehen von dem Porträt Eugens IV., nur noch über zwei seiner Werke. Francesco Florio aus Florenz, der sich in Tours aufhielt, spricht 1477 in einem Briefe an einen Freund in Rom von den Sehenswürdigkeiten von Tours und gedenkt mit Bewunderung der Gemälde Foncquets, die sich in einer Kirche dieser Stadt befanden. Von diesen wunder vollen Malereien, durch die nach der Schilderung Florios Foucquet alle Meister seiner und der früheren Zeit übertroffen hat, ist leider nichts mehr vorhanden, und auch von dem Porträt Eugens IV. ehlt jede Spur. Ein besseres Schicksal hatte das dritte beglaubigte Werk Jean Foucquets, die Handschrift der Ilutiquüss ckucka'iques in der Libliotbsque nationale zu Paris. Hergestellt für Jacques d'Armagnac, kam sie nach dessen Hinrichtung 1477 in den Besitz von Pierre von Bourbon, Schwiegersohn Ludwigs XI. In einem von den beiden Bänden nun findet sich eine Notiz von Francois Robertet, dem Sekretär von Pierre de Bourbon, in der es heißt daß die besten Miniaturen der Handschrift sind: »äs la main cku' bon paintre et sulumiusur cku roi Toys Xls, cksban Vouequet, natik cks Tours«. Dazu kommen jetzt noch als Werke des großen Meisters die Ilsurss des Etienne Chevalier und der Münchener Boccaccio. Vielleicht gelingt es späteren Forschungen, noch weitere Bilder folgen mit Sicherheit für den Meister in Anspruch zu nehmen. Die Erwerbung der kostbaren Handschrift in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, um die uns Frankreich mit Recht be neidet, ist ohne Zweifel das Werk des Kurfürsten Maximilian I. Dieser hat auch das Gebetbuch des Kaisers Maximilian mit den Randzeichnungen Dürers, das Karl Giehlow 1907 in Faksimile druck herausgegeben hat, in seinen Besitz gebracht. Diese Tat des kunstsinnigen Fürsten, dem so die Münchener Bibliothek zwei ihrer schönsten Kleinodien verdankt, verdient um so mehr Anerkennung, wenn man bedenkt, unter welch schwierigen Verhältnissen und in welch traurigen Zeiten diese Erwerbungen stattsanden. Über das Schicksal des Kodex bis zum Jahre 1628 wissen wir nichts- In diesem Jahre erscheint er zum erstenmal in einem der für die Münchener Kunstsammlungen so überaus wichtigen Jnventarien, die zu Zeiten des Kurfürsten Maximilian I. angelegt worden sind. Es heißt dort, daß sich in der »Kammer galerie« befinde »ein auf Pergament geschribenes Buch, in Folio, genannt -loannos Sooeatius, bistoirs ckss nobles bommss et ksminss, mit Villen groß vnnd klainen sauber gemalten Historien, ist in roth mit golt getruckhtes Leder vnd 2 vergulten Claufuren ein- gebundten«. Es kann kein Zweifel sein, daß hier von unserem Boccaccio die Rede ist, der sich heute noch in dem beschriebenen Einband befindet. Diese Ausführungen haben wohl zur Genüge gezeigt, daß es sich tatsächlich um eine höchst bedeutsame Publikation handelt. Zum Schlüsse sollen noch einige Worte über diese selbst folgen. Eigenartig ist die Art des Zustandekommens dieses Werkes. Das Hauptverdienst gebührt einem deutschen Verleger. Der interessante Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. Text, dessen erster Teil uns alles Wissenswerte über die Hand schrift selbst sagt und in dessen zweitem Teil die einzelnen Minia turen kurz, aber treffend erklärt werden, stammt von dem franzö sischen Grafen Paul Durrieu, der, wie bereits gesagt, gegenwärtig die erste Autorität aus diesem Gebiete ist und durch seine bis herigen Studien allein dafür berufen schien. Die Ausführung der Tafeln wurde der deutschen Firma Meisenbach Riffarth L Cie. in München anvertraut, die ihre Aufgabe in glänzender Weise ge löst hat. Da eine Wiedergabe der Farben des Originals unter blieb, war es nicht leicht, den rechten Ton zu finden, der die Wirkung der herrlichen Malereien dennoch möglichst zur Geltung brächte. Eine eingehende Betrachtung wird zeigen, daß dieses vollständig gelungen ist. Den Druck des Textes besorgte die französische Druckerei Durand in Chartres, da man in Deutsch land kein entsprechendes Papier und keine passende Type fand. Diese Arbeitsteilung hat ja auch insofern eine Berechtigung, als es sich um ein französisches Kunstwerk in deutschem Besitz handelt, zu dessen Veröffentlichung so beide Nationen das ihrige beigetragen haben. Das Werk befindet sich lose in Mappen, so daß man Tafeln und Text leicht zur Hand nehmen und mit Muße betrachten und studieren kann. Allen, die an dieser Publikation mitgearbeitet haben, darf man zu dem schönen Gelingen Glück wünschen; gar manchem Kunstfreund wird durch sie Freude und ästhetischer Genuß in vollem Maße bereitet werden. Möge auch dem Verleger neben der idealen Befriedigung der verdiente mate rielle Erfolg zu teil werden! I. Menth. Die Amerikanische Literatur 1908. (Schluß zu Nr. 80 d. Bl.) Biographie. Die Feier des hundertsten Geburtstages Lincvlns brachte eine Ausgabe seiner Werke in neun Bänden von Marion Mills, die »Tinooln Osntennial Lleckal« von Jules Edward Roine, ferner 25 Werke von und über Lincoln. Verschiedene Schauspielerbiographien sind im vorigen Jahre erschienen. Walter Browne und E. Le Roy Koch gaben heraus »V^bo's XVbo cm tbe StaZe 1908«, Walter Hernes Pollock »Impression» ok Henry Irving«, Brereton ein »Dike ok Henry Irving«, zwei Bände, Paul Wilstach »Riobarck Llansüelck tbe kckan anck tke Xotor«, Ellen Terry eine Autobiographie »Story ok iny lile«; die »Otbsr Days« von William Winter bringen Berichte und Erinnerungen von dem Kritiker der New Aorker »Tribüne«, die zwei Generationen umspannen. Von musikalisch biographischen Werken sind zu nennen »Stokes's Tneyolopsckia ok Nusio null Llusieiavs«, »Nusioal Nemories« von George Putnam Upton, »Llaucks Xebille Debussy« von Louise Liebich, »Dersonal keeolleotions ok Riobarck IVa^ner« von Angelo Neumann, dem bekannten um die Aufführung der Wagnerschen Musikdramen verdienten Theaterdirektor; »Tbe Opsras ol^Va^ner« (Plan, Musik, Geschichte mit vielem biographischen Material) von I. Cuthbert Hadden; »ckobannes Drabms« von H. C. Colles. — Zwei Bücher erschienen über Whistler: »Tbe Dike ok ckamss 4VbistIer« von Mr. und Mrs. Pennell und »4Vitb 4VbistIsr in Vsnies« von Otto Henry Bacher. Biographien von amerikanischen Staats männern usw. waren zahlreich. »Neu ok Xmerioa« ist ein bio graphisches Wörterbuch der Zeitgenossen aller Kreise. Von besonderen biographischen Schriften seien erwähnt: »Tbe Tiks guck Detters ok KeorZe Danerokt« von de Wolfe Howe; »ckobn Skerman« von Kerr; »Detters guck literary Nemories ok Samuel ckones Tücken«, herausgegeben von John Bigelow; »Tbomas rllva Lckison« von Francis Arthur Jones; IVsskin tbe IVbits Dause rvitb Tbeockors liooscvslt« von William Bayard Hale, dem Schriftsteller, dessen angebliches Interview mit Kaiser Wilhelm unterdrückt wurde; »Tbomas Daüey XIckrieb« von Pendleton Grcenslett; »OonesrnrnA Dakeackio Dearn« von Gould, welches Buch große Erörterungen veranlaßte; »LckZar^. ?oe« von Mach; von Beacon*)-Biographien: »Obarlss Diekens« von Kitton; »Osear >Vücks« von Jngleby; »Henrik Ibsen« von Gosse und »Ibsen, tbe Nan anck bis Dlays« von Montrose I. Moses. Das literarische Publikum hat viel gesprochen von dem »Dike ok ^lios Vresman Dalmer« von George Herbert Palmer, ihrem Manne und langjährigem Vorsteher des *) Name des Herausgebers einer Reihe von Biographien. 562