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senblllttLrdeOEmVuchhlMdel 7°S."zeÄ.^al" m". ? iem Nr. 2«4. Leipzig, Montag den 13. November 1916. 22 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil Lehrlingsausbildung. Von Philipp Rath in Berlin-Wilmersdorf. I. Allgemeines. — DieBuchhändler-Lehranstalt zu Leipzig. Durch die Artikel von Karl Illing und Heinrich Hermes (Bbl. 1916, Nr. 192 und 224) ist die Frage der Lehrlingsaus bildung, die den Buchhandel schon so oft beschäftigt hat, von neuem angeschnitten worden. Es steht außer allem Zweifel, daß diese Sache höchst wichtig und dringlich ist, und daß sie das »ach dem Kriege noch in er höhtem Maße werden wird. Ich schrieb darüber im Bbl. 1997, Nr. 218 Folgendes: »Es ist eine unleugbare Tatsache, daß die Bildung unserer jungen Buchhändler zurzeit sehr viel zu wünschen übrig läßt. Die Klage, daß brauchbare und den zu stellenden Anforderungen gewachsene Kräfte namentlich für das Sortiment kaum zu finden sind, ist leider eine fast allgemeine. Das hat feine verschiedenen Ur sachen. Junge Leute mit ausreichender höherer Schulbildung haben sich in den letzten zwanzig Jahren in immer geringerer Zahl dem Buchhandel gewidmet, weil bei den besonders im Sortiment sich verschlechternden Erwerbsverhältnissen sich ihnen kaum Aussichten für ein derartiges Fortkommen bieten, wie es ihrer Schulbildung entspräche, während andere kaufmännische, besonders aber auch technische und selbst literarische Berufe für die Begabten wenigstens bald gut bezahlte Stellen erreichen lassen. Hat sich somit das Material der Lehrlinge und damit auch der Gehilfen im Buchhandel gegen früher verschlechtert, so hat sich gleichzeitig und im gleichen Matze die Möglichkeit ver ringert, in der Lehrzeit eine genügende Ausbildung und Weiter bildung zu erwerben. Die mit ungesunder Schnelligkeit sich vermehrenden Kleinbuchhandlungen können das nicht leisten, ebensowenig aber auf der anderen Seite die an Zahl zwar ge ringen, an Ausdehnung jedoch immer weiter wachsenden Großbe triebe. Ist in jenen der Umfang der Geschäfte ein derartig be grenzter, daß selbst dem Lehrling nicht viel Gelegenheit zum Lernen gegeben wird, so ist in diesen wiederum eine so durch greifende, in der Organisation großer Geschäfte bedingte Ar beitsteilung eingeführt, daß dadurch eine abgerundete, das Ganze umfassende Ausbildung fast zur Unmöglichkeit wird. In diesen Verhältnissen liegt eine große und leider noch nicht genug beachtete Gefahr für die gesunde Weiterentwicklung des Buchhandels. Wo der Nachwuchs den zu stellenden Anforderun gen, die im Buchhandel wahrlich nicht geringe sind, nicht mehr genügt, da muß ein empfindlicher Schaden für das Ganze die unweigerliche Folge sein — und darum: Vickeant ovnsuies!« Das hat sich im Laufe der Jahre nicht geändert; höchstens hat es sich verschlimmert. Will man nun von neuem darangehen, das zu bessern, von neuem Versuche machen, sowohl die Allge meinbildung wie die fachliche Ausbildung des buchhändlcrischen Nachwuchses auf eine höhere Stufe zu heben, so mutz man die Angelegenheit zunächst einmal historisch betrachten und die Er fahrungen, die auf diesem Gebiete bisher gemacht worden sind, an sich vorüberziehen lassen. Daraus muß man seine Schlüsse ziehen. Sonst betritt man immer wieder den verkehrten Weg, hat wieder den gleichen Mißerfolg, und schließlich verläuft die Sache wieder im Sande, wie schon so oft. Denn Versuche sind ständig gemacht worden, neben der Buchhändler-Lehranstalt zu Leipzig in anderen Städten Fortbildungsgelegenheiten für den Jungbuchhandel zu schaffen. Ehe aber zu den Versuchen Stellung genommen werden kann, die außerhalb Leipzigs gemacht worden sind, muß auf die Buchhändler-Lehranstalt zu Leipzig selbst eingegangen werden. Im Jahre 1853 gegründet, bildet sie bisher das einzige Unter nehmen dieser Art, das sich von Anfang an gehalten hat, das an Schülerzahl ständig gewachsen ist (1853 : 49; jetzt: 491) und das in letzter Zeit durch Errichtung neuer Abteilungen feinen Wir kungskreis sogar erheblich erweitern konnte. Die Erfahrungen, die hier gemacht worden sind, dürfen nicht unbeachtet bleiben. Gleich nach der Gründung hat sich eine Schwierigkeit herausgestellt, die überwunden worden ist, die aber an arideren Stellen, wo man nicht sofort die richtigen Maßregeln getroffen hat, begonnene Unternehmungen immer wieder hat scheitern lassen. Es heißt darüber in der »Festschrift zur Jubel feier am 4. Januar 1903« (S. II): »Mit einer Zahl von 49 Lehrlingen begann am 3. Januar 1853 der Unterricht. Aber schon nach den ersten Lehrstunden mußten die Lehrer sich überzeugen, daß, wenn nur irgend welche Fortschritte erreicht werden sollten, die Schüler, die zum Be ginn nur eine Klasse bildeten, notwendigerweise alsbald in zwei geteilt werden müßten. Die Verschiedenheit der mitge brachten Kenntnisse und Fähigkeiten erheischte dies unbedingt. Schüler, die früher das Gymnasium bis zur Sekunda besucht hatten, saßen neben solchen, die ihre Vorbildung in einer Dorf- schule empfangen; Lehrlinge, die schon in wenigen Monaten Gehilfen wurde», waren Mitschüler von Knaben, die kaum die Konfirmation hinter sich hatten, und denen die Bedeutung ihres künftigen Berufs noch in tiefes Dunkel gehüllt war.« Diese Lage ist überall die gleiche, und namentlich beim Be ginn eines neuen ähnlichen Unternehmens ist das zu beachten. Im Jahre 1873 ist in Sachsen der Fortbildungsschulzwang «»geführt worden, nach dem die aus der Volksschule entlassenen Knaben noch drei Jahre zum Besuche einer Fortbildungsschule verpflichtet sind. »Die Buchhändler-Lehranstalt ward dadurch genötigt, ihr Lehrziel den neuen Verhältnissen anzupassen. Man mußte sich daran genügen lassen, die Lehranstalt als eine Fortbildungsschule in erweitertem Umfang anzusehen«. (Festschrift. S. 24.) Das hat ihr in gewissem Sinne genützt; die Anzahl ihrer Schüler ist nach und nach beträchtlich angewachsen. In anderer Hinsicht aber ist es nicht von Vorteil für sie gewesen; diejenigen Leipziger Lehrlinge, die höhere Schulen besucht hatten, haben sich — weil sie nicht zum Besuche »verpflichtet« waren — von ihr geflissentlich ferngehalten, mehr ferngehalten, als das vor dieser Umwandlung der Fall war. Es ist eine Sache des Gefühls, die hier in Frage kommt, die aber doch sorgfältige Beachtung verdient. Es ist nicht leicht, ja es ist beinahe unmöglich, junge Leute aus höheren Bildungs anstalten zum Besuche einer Schule heranzuziehen, die dem Fortbildungsschulzwang unterliegt, oder sie zum Besuch von Kursen zu veranlassen, die einer solchen angegliedert werden 1495