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Handlung Perles) zur Frage der Papierversorgnng im Vcrlagsbuch- handel folgendes interessante Referat: Jede Zeit arbeitet mit daran, den Schatz geflügelter Worte zn bereichern, und unsere» so schweren und schicksalsvollen Tagen war es Vorbehalten, zwei neue Worte einzubürgcrn, von denen freilich eines einen nnsiimpathischen Klang hat: »Kriegskonjunktur« und »Kriegsgewinner«. Sehr begreiflich, daß jene Industrien, die direkt für den Bedarf an Bernichtungsinstrumenten arbeiten, große Gewinn- zisfern answeisen; was die Kriegsgewinner betrifft, so sagt man, daß sie eine »en anfsteigende, ansehnliche Schicht umfassen, die nicht wenig zu der äußerlich sehr günstig erscheinenden wirtschaftlichen Vage des Staates beitragen, indem sic als begehrliche, stürmische nnd zahlnngswillige Konsumentin auftritt. Die »Kriegskonjnnktnr« hat sich aber bekanntlich nicht auf die Mnnitionsindustrie beschränkt, sondern sie hat auch viele andere Pro duktionszweige ergriffen, nnd namentlich im letzten Halbjahr hat der österreichische Berlagsbnchhandel, der von einer ungestörten und flotten Papicrerzeugnng abhängt, unter zwei Momenten zu leiden: 1. unter der außerordentlichen Preissteigerung des Papiers, 2. unter der Pa piernot — Papiermangel scheint mir nicht die richtige Bezeichnung. Bon den Bertretern der Zeitungen haben wir gehört, daß nach langwierigen Verhandlungen die Preiserhöhung bei Notationspapier mit 10 Heller für das Kilo bis Ende Dezember festgelegt wurde; fin den Berlagsbnchhandel kommt ja ausschließlich Flachdruckpapier in Betracht, nnd bei diesem beträgt der Preisanfschlag jetzt etwa 150 °/o, das heißt das früher mit 40 Heller bezahlte Kilo kostet jetzt 100 Heller. Wie spielt sich derzeit die Papierbestellnng ab? Lassen Sie mich einmal den Hergang erzählen. Man hat von einer Papierfabrik bis her für eine stets wiederkehrende Gelegenheit eine bestimmte Papier- svrte bezogen. Man wünscht dies wieder zu tun und versucht die Bestellung bei der bisherigen Bezugsquelle. Die erste allgemeine Antwort, erteilt von einer Papierfabrik, die sich stets bemüht hatte, den Zwischenhandel anszuschalten, lautet: Versuchen Sie's doch beim Grossisten, der hat ein großes Lager. Man wendet sich an einen Grossisten. Der sagt: Aha, ich weiß schon, weshalb die Fabrik, die sich in Friedenszeiten bemüht hat, bei meinen Kunden anzukommen, mich jetzt als Bezugsquelle empfiehlt. Ich soll ihr das Odium der Preistreiberei abnehmen nnd auf meine Schultern laden; ich danke für das in Wien übliche und jetzt besonders oft geübte »Abschasteln«. Man wendet sich also an die Fabriken und wird sofort an die selige Kinderzeit erinnert, an das schöne Spiel: Vater, leih mir die Scher, dort ist leer! Nr. 1 schickt einen zu Nr. 2, Nr. 2 zn Nr. 3, Nr. 3 zn Nr. 4. Nr. 1 sagt nämlich geringschätzig: Diesen minderen Stoff erzeugen wir jetzt nicht. Nr. 2 sagt: Papier von so geringem Gewicht erzeugen wir jetzt nicht. Nr. 3 sagt: Satinierte Papiere er zeugen wir jetzt nicht. Hat man Glück, ist man ein Sonntagskind, so erklärt sich die Fabrik Nr. 4 bereit, die Bestellung anzunehmen, natürlich 150"/« Aufschlag nnd ohne Lieferungsverbindlichkeit, ferner allerhand Strafverschärfungen, will sagen Erschwernisse bei den Nebenbedingungen, bezüglich Abnahme, Zustellung, Zahlungsweise usw. Und immer dabei die Drohung: Wenn Sie nicht heute bestellen, morgen ist's noch teurer. Nun ist ja der Nat, den man erhält, sehr einfach; es wird gesagt: Sie brauchen das Papier für Bücher für den Handel, das Publikum muß eben mehr bezahlen. Das ist ja heutzutage die allgemeine Melodie, die von allen mit Begeisterung gepfiffen wird. Hat doch selbst jene Abendzeitung, die sich die Bekämpfung der Preistreiberei znm Ziel gesetzt hat, es nicht vermeiden können oder wollen, den Bezugspreis um 50 "/«, (oder wie sie sich ausdrückt, 50 vom Hundert) zu erhöhen. Es gibt Leute, welche das Sinken der Kaufkraft des Geldes durchaus nicht für ganz unbedenklich halten und die es nicht als ein Ziel »aufs innigste zu wünschen« betrachten, daß 100 Heller nur mehr die Kaufkraft von 30 Heller haben aber schließlich, das sind Streitfragen für die Gelehrten der Volks wirtschaft. Die Veröffentlichungen des Buchhandels sind teils periodische, teils nichtperiodische Druckschriften. Die periodischen bestehen ans Zeitschriften, zumeist fachlichen Inhalts, und Liefernngswerken. Eine Erhöhung des Bezugspreises für die Fachzeitschriften ist bei dem Umstande, daß die Kriegszeit die Anzahl der Abonnenten stark reduziert hat (infolge von Einberufungen, Evakuierungen, Schwierigkeiten der Postvcrsendung, ungünstige wirtschaftliche Lage des betreffenden Standes usw.), in den meisten Fällen ein Ding der Unmöglichkeit. Was die Liefernngswerke betrifft, so wurden sie zumeist vor dem Kriege oder zu Beginn des Krieges in Angriff genommen und damals ein den Herstellungskosten entsprechender Ladenpreis bestimmt. Ihn jetzt Verantwortlicher Redakteur: Emil T h o m a s. — Verlag: Ter^B ö r s c u 684 nach den geänderten Verhältnissen zn erhöhen, würde für eine große Anzahl von Abnehmern die Veranlassung sein, den weiteren Bezug aufzugeben. Der Nat, die Ladenpreise der Bücher zn erhöhen, ist einfach, aber nicht unbedenklich. Soll ich alle die oftmals besprochenen Schwierig keiten der österreichischen VerlagSprodnktion nochmals vor Ihnen er läutern? Der österreichische Buchhandel bildet mit dem deutschen ein gemeinsames Gebiet. Bücher, die in Deutschland erzeugt werden, gehen zollfrei herein, womit wir ja alle sehr einverstanden sind, aus guten nnd gewichtigen Gründen. Sie bewerben sich hier mit Erfolg um den Absatz. Die Produktionsverhältnisse der Bücher bringen es mit sich, daß bei einer größeren Auflage die Herstellungskosten in einem geringeren Verhältnisse wachsen als die Anzahl der Exemplare. Die Kosten des Satzes bleiben sich, wie Ihnen bekannt ist, gleich, ebenso die eventuellen Kosten für den Zeichner und die Klischees, ferner für die Propaganda. Deutschland hat eine Einwohnerzahl von über 65 Millionen, Österreich zählt etwa 12 Millionen Deutsche. In Deutschland gibt es, praktisch genommen, keine Analphabeten. In Österreich gab es, nach der Statistik vor dem Kriege, gemischtsprachige Länder mit 100, 200, 300, 500, 600, ja sogar 700 Analphabeten auf je 1000 Einwohner. Kann nun irgendein Zweifel darüber herr schen, daß bei erhöhtem Papierpreise die Konkurrenzfähigkeit und Verkanfsmöglichkeit des österreichischen Buches noch mehr eingeschränkt wird? Es geht das Gerücht, daß die Negie rung wohl geneigt, ja entschlossen sei, den für die Zeitungs- indnstrie arbeitenden Papierfabriken Rohmaterial zu verschaffen, da sie von der Wichtigkeit der gedruckten öffentlichen Meinung in Kriegs zeiten überzeugt ist; dagegen soll sie den Flachdrnckpapier erzeugenden Fabriken sehr kühl gegenüberstehen. Ich bin nicht in der Lage, dieses Gerücht auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen, würde es aber sehr be dauern, wenn dem so wäre. An der Bedeutung der Bücher in dieser Zeit, sowohl für das Hinterland wie für die Front, ist nicht zu zwei feln. Wer sich davon einen klaren Begriff machen will, der lese Briefe, die aus den Schützengräben, ans den Unterständen nach Wien geschrieben werden; mit großer Übereinstimmung heißt es da: Wir haben genug zu essen, zu trinken nnd zu rauchen — aber schickt uns Bücher, schickt uns jede Woche ein Bücherpakct! Die Papierfabriken erklären die Preissteigerung als notwendig, zufolge der Schwierigkeit der Beschaffung der Rohmaterialien, wie Holz, Zellulose, die ja gewiß einen nennenswerten Prozentsatz bei der Fabrikation ausmachen, dann solcher Materialien wie Schwefel, die ganz bestimmt nur eine sehr nebensächliche Nolle spielen. Wieder muß ich eines Gerüchtes oder einer in Abnehmerkreisen verbreiteten Auffassung Erwähnung tun: Man will wissen, daß die Schwierigkeiten der Herstellung den Papierfabriken gar nicht so un gelegen kommen. Ein klassisch gebildeter Herr sagte mir in dieser Be ziehung: Lempsi aliquiä liaeret. ES bleibt immer etwas hängen — von einer Preiserhöhung. Hat man die Preise um 150«/, erhöht, so werden — wenn der ersehnte Frieden eintritt — die Konsumenten bei einer Ermäßigung ans die Hälfte anfatmen — und es bleibt immer noch ein Aufschlag von 75°/«. Das Kartell wird schon seine Wirkung nicht verfehlen. Abhilfe in dieser schweren Kalamität kann, wie ich glaube, nur die Negierung schaffen; ihre Sache wäre es — nnd darum sollte sie gebeten werden —, die Herstellung zu erleichtern durch alle Maßnahmen welche die Holzgewinnnng fördern, rascher und billiger gestalten, durch Ermöglichung von prompten Bahnversendungcn, durch Beistellung von Arbeitern aus den Gefangenenlagern usw. Die näheren Details an- zngeben, sind wir wohl kaum in der Lage; die hohe Regierung allein kann, wenn sie will, dieser Schwierigkeiten Herr werden. Persoualllachrichttll. Gestorben: am 20. Mai nach kurzer Krankheit im Alter von 78 Jahren Herr G u st a v S t r i ck e r in Mülha n s e n i. E. Er war Präsident des Kirchlichen Vereins für innere Mission, Inhabers der Evan gelischen Buchhandlung des Kirchlichen Vereins in Mülhausen i. E., und hat diese Buchhandlung mitgegründet. Franz Jlwof f. — In Graz ist Hofrat Professor I)r. Franz Jlwvf im 85. Lebensjahre gestorben. Jlwof hat der Geschichtsforschung, ins besondere jener der Steiermark, durch unermüdlichen Forschungseifer nnd die volkstümliche Art seiner Darstellung große Dienste geleistet. Ans der Fülle literarischer Arbeiten von bleibendem Werte, die er ge schaffen, seien hier nur erwähnt: »Die ältesten Bewohner Nori- knms«, »Goethes Beziehungen zu Steiermärkern«, »Der Protestantis mus in Steiermark, Kärnten und Krain«, »Das Postwesen in seiner Entwicklung von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart«. verein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsches Buchhändlerhaus. Redaktion und Expedition: Leipzig, Gerichtsweg 26 sBuchhändlerhaus,.