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5798 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 108, 10. Mai 1912. k^suer^erduvASn: Dsutsobo 8praobs uock 1-iteratul', Kun8t, kbsiu- xrovillL uvck ^Vsstkaleu, kbilosoxbis, 668ebioüt.6, Oariosa sto. — ^ntigu.-Latalo^ tilr. 65 6ss Kb6ini8oli6ll 6uoü- unä X un8t-^.utiquariat,8 vr. L. ^olts, Inbadsr: 6. ^,. ^Volkk. 8». 28 8. 624 Nru. in Koma, KOLLO ckolls 6oroaooliis I>s. 61. 8°. 35 8. 672 I^rn. Der strafrechtliche Schutz des literarischen Eigentums nach deutschem und österreichischem Rechte in rechtsvergleichender Darstellung. Von vr. Hans von Hentig. 8°. 101 S. Berlin 1612, Verlag von Julius Springer. 3 ^ ord. Sprechsaal. Heimliche Schleuderei. <Vgl. Nr. 102.» Die gleiche Erfahrung wie Herr Wellmann in Breslau machte auch ich, als ich die in Leiden erscheinende Talmud-Ausgabe nach Mskrpt. München, ed. Strack (700 ord ) der hiesigen Bibliothek der jüdischen Gemeinde offerierte. Ich erhielt die Nachricht, das Werk könne bei mir nicht bestellt werden, da eine Leipziger Firma — offenbar dieselbe, die im Breslauer Fall ihre Hand im Spiel hatte — ein billigeres Angebot gemacht habe. Derartige Fälle sind indessen so alltäglich, daß man sich darüber kaum aufregt. Berlin, den 6. Mai 1612. Louis Lamm. Die von Herrn Kollegen Wellmann geschilderten Zustände sind längst schon ein offenes Geheimnis. Bedauerlich ist, daß der deutsche Buchhandel trotz seiner anerkannt guten Organisation keine Mittel anwendet, gegen diese unhaltbaren Zustände einzu- fchreiten. Große Firmen, die besonders günstige Bezugsbedingungen haben, bieten wissenschaftliche (insbesondere juristische) Werke sofort nach Erscheinen mit 20—25A Rabatt als angeblich antiquarisch an. Ja selbst Werke wie Stein, C.-P.-O- oder Staub, H.-G.-B. werden schon in neuester Auflage antiquarisch angeboten, obwohl sie erst zur Hälfte erschienen sind. Wer von den Kollegen sich davon überzeugen will, möge bloß durch Vertrauensleute Offerten einfordern: sie werden ihm prompt zugehen. Bei großen teuren Handbüchern werden nicht nur frühere Auflagen desselben Werkes nach den festgelegten Bestimmungen des Verlags in Umtausch genommen, sondern auch jedes andere Werk, gleichgültig, ob es noch einen antiquarischen Verkaufswert hat oder nicht, und zwar mit Preisen, die den festgelegten Umtauschpreis des Ver legers resp. den wahren antiquarischen Wert bedeutend über steigen. Nicht lange wird es dauern, und ein ganz findiger Kollege nimmt auch andere Gegenstände als Bücher in Zahlung. Wo soll dieser unlautere Wettbewerb hinführen! Unter solchen Umständen bindet die Festlegung des Originalladenpreises nur diejenigen, die sich gewissenhaft an die Verkaufsbestimmungen halten. Das Schlimmste aber ist, daß diese werten Kollegen, denen die Idee der Warenhäuser »Großer Umsatz, kleiner Nutzen« als genialer Leitsatz vorschwebt, nur das Zeichen zur allgemeinen Schleuderei geben. Wer nicht ganzins Hintertreffen kommen will, wird gezwungen werden, diesen Unfug mitzumachen. Dann aber haben die Schleuderer nur sich selbst geschadet, da sie ja nicht mehr allein in der Lage sind, »jedes Werk sofort nach Erscheinen antiquarisch zu liefern«. Bei dieser Sachlage wäre es aber besser, ehrlich und offen zu handeln und den Originalladenpreis aufzuheben, als heimlich gegen Treu und Glauben hinter dem Rücken der Kollegen. Mögen diese Zeilen Anlaß zur Besserung geben, was allein ihr Zweck sein soll. Berlin ^V. 9, den 6. Mai 1912. Hermann Bahr. Die Anregung des Herrn Ewald Wellmann in Nr. 102 geht im wesentlichen auf die Frage hinaus, »ob nicht in besonders eklatanten Fällen auch andere als schriftliche Beweise (zur Über führung der Schleuderei) für vollgültig erachtet werden dürfen«. Noch weiter geht Herr Hugo Heller in seinem Eingesandt in Nr. 74 d. Bl., wenn er die Beibringung schriftlicher »Beweise« der Forderung gleichstellt, die Herren Einbrecher möchten jedesmal ihre Visitenkarte am Tatorte zurücklassen. Daß der Vergleich beson ders glücklich ist, wird man nicht behaupten können, da kein Richter auf einen solchen Indizienbeweis hin zu einer Verurteilung ge langen würde. Der bloße Verdacht genügt eben nicht, um eine Verurteilung zu begründen, und so bereitwillig der Vorstand des Börsenvereins die Verfolgung der Schleuderei aufnimmt, so wird man doch unter allen Umständen daran festhalten müssen, daß, wie im ordentlichen Verfahren die Verpflichtung zur Be weisführung dem Kläger obliegt, ehe sie von den Gerichten übernommen wird, auch der Vorstand des Börsenvereins nur in den Fällen eine Verfolgung von Schleuderfällen auf nehmen kann, wo ihm ein vollständig einwandfreies Beweis- material seitens des Klägers zur Verfügung gestellt wird. Darauf ist der Vorstand schon deswegen angewiesen, weil er weit un günstiger als die ordentlichen Gerichte gestellt ist. Denn während das Schlimmste, was diesen bei einem Fehlspruch passieren kann, in der Korrektur ihres Urteils durch die übergeordneten Gerichte besteht, setzt sich im gleichen Falle der Vorstand des Börsenvereins einer Schadenersatzklage aus. Er ist auch weder zur Abnahme von Parteien-, noch von Zeugeneiden berechtigt, ganz abgesehen davon, daß die elfteren wegen ihres dispositiven Charakters auch im Strafprozeß ihre Rolle ausgespielt haben. Ebenso scheidet für die Organe des Börsenvereins das Ehrenwort aus, dem keine rechtliche Bedeutung innewohnt, ja dessen Abnahme unter Umständen das Tatbestands merkmal einer strafbaren Handlung bilden kann. Sie können sich vielmehr nur auf beweiskräftige Urkunden, also Originalbriefe, Originalfakturen usw., oder, wo solche nicht beigebracht werden können, auf notarielle Bestätigungen des Inhalts dieser Urkunden stützen. Und zu einer wirklichen Überzeugung von der Schuld des Angeklagten werden die berufenen Organe des Börsenvereins, da alle Wahrheit subjektiv ist, nur da gelangen können, wo sie sich aus den beigebrachten Beweismitteln — unabhängig von der Meinung des Klägers — ein eigenes Urteil zu bilden vermögen. Ist das beigebrachte Material zur Überführung des Schleuderers ausreichend, so greift der Vorstand mit aller Energie ein, wobei es keinen Unterschied begründet, wer von den Folgen betroffen wird. Auf den bloßen Verdacht oder die subjektive Meinung des Klägers hin kann dagegen der Vorstand so wenig eine Ver urteilung aussprechen wie die ordentlichen Gerichte, ja er kann, ungünstiger gestellt als diese, bei Fehlen einwandfreier Beweis mittel nicht einmal eine Untersuchung gegen den Beschuldigten einleiten. Was für die Ausführungen der Herren Heller und Wellmann gilt, läßt sich auch auf das von Herrn Bahr Gesagte anwenden. In § 15 der Verkaufsordnung wird ausdrücklich gefordert, daß antiquarische Werke unter Wahrung der in §§ 17 und 18 ent haltenen Vorschriften im ersten Halbjahr nach Erscheinen (Aufnahmeindasamtliche Bücherverzeichnis des Börsenblattes) nur dann zu billigeren Preisen angezeigt und verkauft werden dürfen, wenn sie infolge ihrer Beschaffenheit nicht mehr neu sind oder sich nachweislich im Eigentum des Publikums befunden haben. Handelt es sich um Werke, die ihrer äußeren Erscheinung nach neu sind, so ist bei antiquarischem Angebot oder Verkauf nach § 18 der Verkäufer den betr. Organen des Börsenvereins gegen über zum Nachweis ihrer antiquarischen Eigenschaften verpflichtet. Der Sortimenter ist also der unlauteren Konkurrenz gegenüber durchaus nicht schütz- und rechtlos, so schwierig auch in besonderen Fällen die Beweisführung ist, und so gering der Trost sein mag, daß sich diese unlauteren Manipulationen letzten Endes gegen ihre Veranstalter selbst kehren. Denn eins ist zunächst sicher, daß durch derartige Praktiken Ruf und Vermögen des anständigen Sortimenters geschädigt werden, während der Schleuderer triumphiert. Daher sollte die Verfolgung dieser Schleuderfälle von den Betroffenen mit aller Energie in die Hand genommen und für das nötige Be weismaterial zur Überführung Sorge getragen werden, zumal Fälle dieser Art am Tatorte und unter dem frischen Eindruck des Geschehens in ganz anderer Weise verfolgt und klargestellt werden können als durch die Organe des Börsenvereins, deren Aufgabe immer nur exekutiver Natur fein kann. An ihrer Mit wirkung wird es dann nicht fehlen, wenn seitens des Sortiments die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Red.