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X: 232, 4. Oktober 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d.Dtschn. Buchhandel. Einkommensstufe: Einkommen bis RM 50.— von RM 51.— bis 100.— von RM 101.— bis 150.— von RM 151.— bis 200.— von RM 201.— bis 300.— von RM 301.— bis 400.— über RM 400.— Monatsbeitrag: RM —.60 RM 1.20 RM 2.— RM 2.70 RM 3.80 RM 5.30 RM 7.—. Die Ortsfachgruppen der Reichsfachgruppe Buchhandel der Deutschen Angestelltenschaft sind vom 1. November 1934 ab Ortsgruppen der Reichsfachschaft. Die Fachgruppenleiter führen als Ortsgruppen-Obleute der Reichsfachschaft die berufsständifche und berufsbildende Arbeit in engstem Zusammenhänge mit den dafür verantwortlichen Stellen des Gesamtbuchhandels fort, und die Ubungsfirmen arbeiten weiter im Verband der Ubungswirtschaft der DA. Auf allen Gebieten, wo es für beide Teile angebracht und förderlich ist, wird zwischen der DA und der Reichsfachschaft eine freundschaftliche Zusammenarbeit weiter gepflegt werden. Näheres darüber wird besonders bekanntgegeben. Berlin, den 1. Oktober 1934. Deutsche Angestelltenschaft. Reichsfachschaft der Angestellten in Buchhandel und Verlag in der Reichsschristtumskammer. Literaturkrilik (Fortsetzung zu Nr. 216.) Kritiker im Hauptberuf? vr. H. L. — Eine weitere Frage ist, ob der Kritiker, der Buch berichterstatter also, seine Tätigkeit als Hauptberuf ausüben solle, vr. Günther Haupt hat in seiner im Frühjahr erschienenen Schrift »Was erwarten wir von der kommenden Dichtung« über die berufslosen Dichter gewettert. Er sagte Dichter, meinte aber natürlich Schriftsteller, da wir sonst daran zweifeln müßten, ob Do. Haupt sich über das Wesen dichterischer und schriftstellerischer Arbeit im klaren sei. Die Frage ist immerhin von einiger Wichtig keit für unsere Einstellung zu dichterischem Tun überhaupt; sie soll ausführlicher bei einer andern Gelegenheit erörtert werden; sie berührt uns hier besonders für das Grenzgebiet des Buchbericht erstatters, da in der letzten Zeit bei Auseinandersetzungen über die literarische Kritik mehrfach gefordert worden ist, daß der Kritiker sein Amt im Hauptberuf ausübe, da anders eine zuverlässige Be richterstattung über die Neuerscheinungen nicht möglich sei. Wir sind der Meinung, daß es einer zuverlässigen und immer unbestech lichen Literaturkritik nicht zuträglich sei, wenn sie im Hauptberufe ausgeübt wird. Es gehört eine fast übermenschliche seelische Kraft dazu, dem Ansturm der Berufsgewohnheit, der materiellen Not wendigkeiten und alles dessen, was das Leben mit sich bringt, zu widerstehen, um die Arbeitslinie unter allen Umständen einzu halten. Ich habe mich gelegentlich mit einem hauptberuflichen Kritiker, der in den meisten Fällen ein gesundes Urteil hatte, über einige abzulehnende Neuerscheinungen unterhalten. Er sagte mir mit betrübtem Gesicht ganz ehrlich, daß er es sich nicht leisten könne, dies und jenes Buch, obwohl er es persönlich nicht schätze, abzulehnen, da die Zeitungen, für die er schriebe, nur positive Kri tiken brächten, und da er die Bcsprechungsausträge, um die es sich handelte, auch nicht zurückgeben könne aus Rücksicht auf die ihm daraus zufließenden Einnahmen. Ich weiß von einem andern hauptberuflich tätigen Kritiker, daß er grundsätzlich jedes Buch lobt, weil er nur mit solchen positiven Besprechungen bei den Zeitungen, für die er arbeitet, ankommt; was sich besonders vor der nationalsozialistischen Revolution auf das schlimmste auswirkte, weil es damals kaum zwei oder drei Zeitungen mit Litcraturbei- lagen gab, die so viel Mut und Charakter hatten, das Echte vom Falschen durch eindeutige Urteile zu scheiden. Einige ähnliche Bei spiele über die Tätigkeit hauptberuflich tätiger Kritiker sind mir bekannt, sie werden in der gleichen Weise jedem im literarischen Leben Stehenden schon begegnet sein. Ich möchte daher ganz offen die Ansicht aussprechen, daß ich die hauptberufliche Tätigkeit des Buchkritikers für untunlich halte, da sie sich fast in allen Fällen notwendig verhängnisvoll auswirken muß. Wenn erst Bücher deshalb besprochen werden, oder wenn Aufsätze über Bücher nur deshalb geschrieben werden, weil der Verfasser auf die ihm daraus zufließenden Einnahmen angewiesen ist, dann geht jedes klare, gesunde, unbestechliche, von keinen andern Rücksichten als den von uns schon genannten beherrschte Urteil über das literarische Schaf fen der Zeit zum Teufel. Kritiker sollte daher nur der sein, der auf einem so gesicherten Boden steht, daß seine Tätigkeit nicht störenden und den Zweck dieser Tätigkeit fälschenden Einflüssen ausgesetzt ist. 866 Eine der idealsten Berufsverbindungen für den Buchkritiker wird immer die Tätigkeit als Schriftleiter einer Zeitschrift oder als Schriftleiter der Schrifttumsbeilage einer Zeitung sein, da es ihm hier immer möglich sein wird, sich das herauszugreifen, wozu er sich, in Anerkennung oder Ablehnung, besonders befähigt fühlt, während er alles andere unter seinen Mitarbeiterstab aufteilen kann. Dazu tritt für ihn weiter die Möglichkeit, seine Urteile an den Urteilen der Mitarbeiter und die Urteile der Mitarbeiter an seinen Urteilen zu überprüfen. Um den Schriftleiter der Lite raturbeilage einer angesehenen Zeitung wird sich dann im Laufe der Zeit, sofern er eine geistig lebendige Persönlichkeit ist, ein Kreis von Mitarbeitern sammeln, der eine in den großen und wesentlichen Zügen einheitliche geistige Haltung vertritt, und in seinen Äußerungen mehr und mehr für Buchhändler und Leser zu einer autoritativen Stelle gesunder und zuverlässiger Urteile zu werden vermag. Natürlich werden auch dann immer Jrrtümer möglich sein, aber sie werden, wenn die Haltung des einen solchen Kreis führenden Schriftleiters einwandfrei ist, kaum das Wesent liche berühren, also kaum Schaden und Verwirrung anrichten. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß der Führer dieses Kreises dem Ganzen des literarischen Geschehens aufgeschlossen ist, daß er sich also nicht nur auf das beschränkt, was er seiner eigenen Be arbeitung vorbehält, da nur die klare Übersicht das Auge wach und den Blick frei erhält. Wir fassen zusammen: den Ergebnissen aller literaturkriti schen Arbeit wird es immer zuträglicher sein, wenn ihren Trägern nicht das materielle, sondern das geistige Erträgnis im Vorder gründe stehen kann. Was für das Publikum aber wesentlich und zuträglich ist, das bedarf keiner besonderen Formulierungen mehr. Freiheit der Kritik Es ist in der letzten Zeit von höchster Stelle mehrfach darauf hingewiesen worden, daß Kritik an sich keine für das Volksleben notwendige Funktion darstellt. Wir haben für das uns inter essierende Gebiet darauf hingewiesen, daß auch Literaturkritik, um ihrer selbst willen betrieben, keinem Bedürfnis entspreche. Eine weitere Frage in diesem Zusammenhänge ist die Freiheit der Kritik. Wir meinen diese Freiheit nicht im Sinn einer Liber- tinitüt den Einrichtungen des staatlichen Lebens gegenüber; dieser Zustand darf als überwunden gelten und wir jungen im National sozialismus stehenden geistigen Kämpfer sind froh darum. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir uns bei allem, was wir tun, den geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzen unterwerfen, die sich aus dem geistigen, kulturellen und seelischen Leben unseres Volkes ergeben. Wir beugen uns freiwillig darunter, in dem Be wußtsein, daß die Anerkenntnis dieser Bindungen uns in unserer Tätigkeit erst recht frei macht. Frei sein heißt, mit eigenem Willen seinem Volke dienen, das gilt auch für den Platz, an den uns das Schicksal gestellt hat. Da sich daraus für uns der selbstverständ liche Gehorsam dem Gebot unserer Führer gegenüber ergibt, brauchen wir eine Einschränkung dieser so verstandenen Freiheit in keiner Weise zu fürchten. Aber es ist merkwürdig, gerade seit der Zeit, da wir vom Staat her im freiwilligen Dienst an seinen