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Xi 141, 18. Juni 1924. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel, gzgl S Redaktioneller Teil (Nr. 95.) Verein Leipziger Kommissionäre. Für den Währungs-Bar Verkehr mit Bulgarien bitten wir zu beachten, daß die korrespondierend Bankverbin dung der Sächsischen Staatsbank Leipzig nicht mehr die Loagao Osnei-sts c><- LulZ-u-is, Sofia, ist, sondern die Deutsche Bank, Sofia. Einzahlungen sind also bei dieser Bank auf das Konto der Sächsischen Staatsbank, Leipzig, zugunsten des betreffenden Kommissionärs zu tätigen. Leipzig, den 13. Juni 1924. Verein Leipziger Kommissionäre. Einiges zur Geschäftsaufsicht. Von Shndikus vr. A. H e ß. Was im letzten Absatz des Artikels »Wirtschaftliches und Rechtliches zur Geschäftsaufsicht» in Nr. 135 des Börsenblattes ausgefiihrt wird, verdient besondere Hervorhebung; die Gründe, die sich gegen die Verlängerung der in den Kriegsjahren als berechtigt anzuerkennenden Schutzmaßnahmen für den zahlungs unfähig gewordenen Schuldner anführen lassen, überwiegen bei weitem diejenigen, die jetzt noch in Anwendung auf wirtschaft liche Verhältnisse, die als Folgen des Krieges anzusehen sind, Vvrgebracht werden können. Gewiß haben auch gute alte Firmen unter der Ungunst der Zeit schwer zu leiden; die Fälle aber, wo bisher solche Unternehmen in das schützende Gatter der Ge schäftsaufsichtsverordnung geflüchtet sind, dürften selten sein. Schließlich finden altbewährte Firmen, die mit ihrem Liefe ranten- und Abnehmerkreis eng verwachsen sind, auch ohne ge setzliche Eingriffe Möglichkeiten, aus vorhandenen Schwierig keiten herauszukommcn und im Notfälle ein Moratorium zu erlangen. So verhilft die Gesetzgebungsmaschine durch ihr Ein greifen nur dazu, das mancherlei Faule und Morsche durchzu halten und ihm das Leben zu fristen, von dem der unabwend bare Reinigungsprozetz die deutsche Wirtschaft befreien sollte. Wir haben wieder einmal erlebt, daß ohne wesentliche Nach prüfung der Zweckmäßigkeit im weitesten volkswirtschaftlichen Sinne Kriegsmaßnahmen auf die Nachkriegszeit übertragen und damit die bürokratische Zwangswirtschaft künstlich in eine Zeit transplantiert wurde, in der die Wirtschaft schon längst wieder frei aller Fesseln dastehen müßte, um sich selbst zu helfen. Wie wenig die Einmischung des Bürokratismus, der sich in der Hand habung der Geschäftsaufsichtsverordnung gar nicht umgehen läßt, ausrichtet und nur die Gefahr birgt, gute Absichten in ihr Gegenteil zu verkehren, zeigen die Erfahrungen schon der ersten Wochen nach der Umstellung der ursprünglichen Kriegsverord nung. In der Hauptsache nehmen die Wohltat der Neuerung Nachkriegsgründungen in Anspruch, die in der Inflationszeit hochgekommen sind und nunmehr dem ersten Austurin der Krise unterliegen, weil ihnen das festgefügte Fundament fehlt. Anstatt daß sie fallen und die bei ihnen lagernden Waren frei werden, werden sie künstlich am Leben erhalten. Im Wege des ordentlichen Konkursverfahrens würde die Liquidierung der Waren sicher zur Preissenkung beitragen, die doch mit anderen gesetzlichen Maßnahmen, beispielsweise dem Preistreibereirecht, so zäh angestrebt wird; im Schutze der Geschäftsaussicht kann es sich der Jnflationsaufkäufer bequem machen und seinen Liefe ranten mindestens ein langes Jahr auf Bezahlung warten las sen, während er aus dem Erlös seinen »bescheidenen- Lebens unterhalt bestreiten darf, der Gläubiger aber das Nachsehen hat. »Der Schutz der Schwachen« — diesen Satz könnte man als Motto über die Geschäftsaussichtsverordnung setzen — ist zwar ein schönes Schlagwort, für seine Durchführung hat aber ein gesundes Wirtschaftsleben keinen Raum, und erst recht ein sol ches nicht, das wieder gesunden soll. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß gerade diese Nachsicht gegenüber dem Schuld ner die gesunden und noch kräftigen Firmen mit infizieren kann, insofern, als sie Gefahr laufen, völlig leer auszugehen, weil ihnen ein Zugriffsrccht zur rechten Zeit verwehrt ist. Aber selbst wenn schließlich eine langsame Befriedigung bei gutem Willen des Schuldners möglich ist, so liegen noch wichtige andere Gründe vor, die starke Zweifel in die Zweckmäßigkeit der Geschästsauf- sicht berechtigt erscheinen lassen. Da eine öffentliche Bekanntmachung bei Stellung unter Ge- schästsaussicht nicht erfolgt, weiß kein Geschäftsmann beim Er werb eines neuen Kunden, ob er nicht vielleicht ein Beaufsich tigter ist. Trotz der Aussicht können bekanntlich mit Geneh migung der Aufsichtsperson weitere Geschäfte getätigt werden. Es ist Wohl selbstverständlich, daß es sich eine reelle Firma sehr überlegen würde, ob sie an eine unter Aufsicht stehende Firma liefern soll; sicherlich nicht ohne Vorauszahlung. Bei der Geschäfts stelle des B.-V. sind bereits verschiedene Anfragen cingegangen, ob Auskunft über eine bestimmte Firma gegeben werden könnte, weil man sich vor Annahme des Auftrages in dieser Richtung vergewissern wollte. Die Geschäftsaussichtsverordnung droht also eine große Unsicherheit im gegenseitigen Geschäftsverkehr zu schaffen, ein bedauerliches Mißtrauen, das unter der Herr schaft des Konkursrechts nicht nötig war; denn der im Konkurs befindliche Geschäftsmann ist nicht voll geschäftsfähig. Die Einwendung, die Sicherung beruhe in der Einsetzung einer Aufsichtsperson und des Gläubigerbeirates, ist nicht stich haltig. Die Erfahrung lehrt, daß die Auswahl der Aufsichts personen sehr zu wünschen übrig läßt; vielfach hat der Auf- sichtsfllhrende von der in Frage kommenden Branche keine Kenntnis und ist, da er selbst Geschäftsmann sein wird — ein Berufsfremder versteht ja erst recht nichts von der Sache —, durch sein eigenes Unternehmen voll beschäftigt. Der Beauf sichtigte hat daher freie Hand und wirtschaftet in der alten Weise ruhig weiter, wozu er ja dank seiner unbeschränkten Geschäfts fähigkeit in der Lage ist. Die Rechte des Beirates aber sind nach der jetzigen Fassung der Verordnung so außerordentlich eng umgrenzt, daß eine Auswirkung nur in ganz geringem Maße in Betracht kommt. Wenn schon in Berücksichtigung der der Geschäftsaussicht zugrunde liegenden Schutzmotive mit einer möglichst baldig«» Aufhebung nicht zu rechnen ist, so muß wenigstens eine be schleunigte durchgreifende Reform gefordert wer den; die Gläubigerschaft und die Gesamtheit hat ein Recht darauf. An erster Stelle ist zu fordern: öffentliche Bekannt gabe der unter Aufsicht gestellten Firmen in der Tagespreise. Nur auf diese Weise kann der jetzt be stehenden Rechtsunsicherheit gesteuert werden. Eine Mitteilung an die zur Zeit der Eröffnung bekannten Gläubiger genügt nicht, ebensowenig die Benachrichtigungen der Handelskammer oder anderer öffentlich-rechtlicher Berufsvertretungen. Gerade die neuen Gläubiger, für die ein wesentliches Interesse besteht, zu wissen, mit wem sie es zu tun haben, bleiben im Ungewissen. Der Einwand, die öffentliche Bekanntgabe verfeme die beauf sichtigte Firma, schlägt nicht durch. Im Gegenteil wird der Veröffentlichungszwang manchen Schuldner abhaltcn, sich zu schnell mit einem Antrag ans Gericht zu wenden. Sofort mit Verhängung der Aufsicht ist der Gläubigerbeirat ei nzu setzen, dem weitgehende Be fugnisse einzuräumen sind, die er im Wege der Majoritätsab- stimmung ausübt. Er hat die Aufsichtsperson zu bestimmen, zum mindesten aber das Recht, die vom Gericht bereits ernannte Persönlichkeit zu bestätigen oder eine andere, fach« und fach kundigere an ihre Stelle zu setzen. Vor allein aber — und das 1104