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^ 900, 28. Dezember 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. «nchhandrl. 14891 stimmten Raum nicht zu knapp bemessen, durch geschickte Inszenierung von Preisausschreiben, Verlosungen oder dergleichen ihre Auflagen bis ins Ungeheure steigern. Mit der Auflage wächst aber natürlich auch der Einfluß und die Verbreitung der betreffenden Zeitung, und damit auch der Jnsertionspreis; wie hoch dieser ist, werden wir gleich sehen. Wenden wir uns nun zur französischen Presse selbst. Ihr vornehmster Vertreter ist immer noch »Do Bomps«, fraglos die bedeutendste politische Tageszeitung Frankreichs, ein Blatt, das sich von kleinlichem Parteigezänk stets fernhält und sich in politi schen Fragen selbst bei größter Erhitzung der Gemüter immer eines feinen, anständigen Tones befleißigt und auch dem andern Teil sein Recht läßt. In der Weltpolitik hat Iw 'Dowps ein Wort mitzureden, und die Diplomatie bedient sich seiner nicht selten; wenigstens sind seine Nachrichten die sichersten und kommen den »offiziellen« nahezu gleich. Der einzige Vorwurf, den man dem »Bowxs« machen könnte, ist der, daß er im Rufe steht, grausam langweilig zu sein. Scherzweise erzählt man sich in Paris, daß Arzte, wenn einer ihrer Patienten an Schlaflosigkeit leidet, diesem genannt werden, der in der vornehmen Pariser und internatio nalen Gesellschaft viel gelesen wird und auch im Ausland weit verbreitet ist. Der 1''1§aio hat vor einigen Jahren eine schwere Krisis durchgemacht und scheint seitdem seine frühere führende Stellung nicht mehr so ganz einnehmen zu können. Immerhin ist er auch heute noch ein bedeutendes Blatt; die Rezension eines Buches im I'ixaro (wozu er sich leider nur viel zu selten entschließt) ist mit einem guten verlegerischen Erfolg des betreffenden Werkes meist gleichbedeutend. Auch ist der I'iAaio die teuerste Zeitung: ein Jahresabonnement im Weltpostverein kostet 86 Frcs., ein solches auf den »'lewps« nur 72 Frcs. — In nahem Abstand folgt der »6au Ioi8«, dessen heutiger Besitzer und Chefredakteur mit dem merkwürdig deutsch klingenden Namen Arthur Meyer es ver standen hat, sein Blatt zum Organ der allerersten französischen Geburtsaristokratie zu machen. In sehr vornehmer Abgeschlossenheit wendet sich der (-uulois, noch viel ausschließlicher als der I'i^aro, an das Aristokratenviertel im I'aubom-A kaint-doi-muln in Paris. im Buchhandel einen guten Klang Haben, wie den Marquis Costa de Beauregard, Maurice Barros, Paul Bourget, Emile Faquet, Henri Lavedan, A. Vandal, Edmond Rostand, den kürzlich ver storbenen Francois Coppoe u. a.; aber leider läßt sich dem Oauloi» ein gewisser Chauvinismus und eine etwas stark durchschimmernde klerikale Färbung nicht ganz absprechen. — Ebenfalls viel weniger einseitig veranlagt ist der »(-11 Dlu-s«, der besonders als Vertreter von französischem Witz und Esprit gilt. Auch diese Zeitung ist noch recht teuer (Preis des Jahresabonnements im Weltpost verein 64 Frcs.), dürfte aber, da weit weniger exklusiv als z. B. der Oaulois, eine größere Auflage drucken als dieser. Als literarisch bedeutendste Pariser Tageszeitung gilt das vorzüglich redigierte »Journal ckos Dodats«, das heute von den billigen Volksblättern leider längst überholt worden ist und viel von seinem früheren Einfluß verloren hat. Immerhin gilt vom »ckoarna.1 ckos Debüts« ungefähr dasselbe wie vom ll'owps, nur daß Journal ckos Dobuds, in Paris kurzweg »Des Debüts« genannt, auch eine der ältesten Zeitungen Frankreichs (gegründet 1789); unter Napoleon 1. mußte es seinen Titel in »Journal cle l'Lwxnro« ändern. Auch ist das »Journal ckes Debats« von allen Pariser Zeitungen diejenige, die, dem vorzugsweise literarischen Charakter des Blattes entsprechend, noch am häufigsten Bücherrezensionen bringt, und zwar meistens recht gute, d. h. sachgemäße. Selbst für deutsche Verleger dürfte sich die Einsendung von Rezensions exemplaren an diese Zeitung empfehlen, aber natürlich nur von solchen Werken, die auch in Frankreich auf ein größeres Interesse rechnen dürfen. Alle diese Blätter wenden sich an eine bestimmte Gesellschafts klasse, sind ziemlich teuer — der Einzelpreis der Nummer beträgt außer beim lournal ckos Debüts, das 10 Cts. kostet, überall 15 Cts. — und demzufolge ist ihre Auflage die bei keinem der genannten Blätter (vielleicht mit alleiniger Ausnahme des 'Domps) die Zahl von 50 000 Exemplaren überschreiten dürfte, verhältnismäßig gering. Auch ihr Einfluß auf das große Publikum ist gegen frühere Jahrzehnte entschieden zurückgegangen, denn der Arbeiter oder Bauer konnte sich bei den damaligen hohen Preisen den war, die ganze moderne Zeitungstechnik von Grund aus umzu gestalten, die es ermöglichte, große Auflagen in wenigen Stunden herzustellen, und eben durch die Größe der Auflagen zu einem Preise, der es auch dem Bescheidensten erlaubte, sich seine eigene Zeitung zu halten. Der Einheitspreis für volkstümliche Pariser Blät er beträgt bekanntlich einen Sou (— 5 Cts.); das ist ein Preis, den auch gern bezahlt. Der Franzose liest nämlich überall, auf der Bahn, im Omnibus, während der Zwischenpause im Theater, ja sogar im Gehen auf der Straße auf dem täglichen Wege von oder zur Arbeit. Dieser Einheitspreis von 5 Cts. hat aber auch noch in einer anderen Beziehung sein Gutes: es gibt nämlich, wenig- Zahlungen von oder an die Post, beim Bäcker usw. werden auf 5 Cts. auf- oder abgerundet), und somit können die Zeitungs verleger sich nicht mehr gegenseitig unterbieten. Sie können, wenn sie die Zugkraft ihres Blattes erhöhen und der Konkurrenz den Rang ablaufen wollen, nicht den Preis ermäßigen, sondern nur den Umfang ihrer Zeitung vergrößern. So erleben wir das seltsame Schauspiel, daß verschiedene Blätter bei gleichem Preise manckmal den dreifachen Umfang haben: es gibt Blätter zu 4, 6, 8, bei einzelnen Reklameausgaben sogar zu 10 und 12 Seiten. Also für die Summe von 5 Cts. oder 4 Pfennig hat man eine ganze Menge Lesestoff, der das Prädikat »gut« allerdings nur selten verdient. Blätter in diesem Umfange werden nach deutschen Begriffen freilich nicht groß erscheinen; aber es ist zu beachten, daß die Zeitungsreklame, da viel zu teuer, in Frankreich noch wenig ausgebildet ist. Meist enthalten diese Blätter nur auf der letzten Seite Inserate, zum Teil auch noch auf der vorletzten; alles andere ist Lesestoff oder wird durch Theater-, Sport- und Börsenberichte, durch den Kurszettel, mehrere Romanfeuilletons oder versteckte Reklamen ausgefüllt, von denen später noch die Rede sein wird. Dann fällt auch der stets große Preisunterschied in die Augen: während einzelne Nummern von deutschen Zeitungen fast nie unter 10 erhältlich sind, bildet in Paris der Preis von 5 Cts. (und das sind nur 4 H!) die Regel, und höhere Preise sind die Ausnahme. (Schluß folgt). Kleine Mitteilungen. * Bon» Tendenzroman mit der Lchwindelretlame. (Vgl. Nr. 296, 297, 298, 299 d. Bl.) — Wir haben schon darauf hingewiesen, daß das verwerfliche Vertriebsmittel Peter Ganters im Jahre 1906 einen Vorläufer gehabt hat. Von einem viel älteren Vorgänger erzählt das »Berliner Tageblatt« vom 22. Dezember wie folgt: Ein Vorgänger Peter Ganters. Der Reklameschwindler und Pseudoverleger Peter Ganter, dessen Bluff nicht den erhofften Millionengewinn abwarf, hatte in Frankreich einen Vorgänger, über den in einer älteren Anekdotensammlung von einem französischen Autor ein bedenkliches Geschichtchen erzählt wird. Die Anekdote findet sich in der »Bibliothek des Humors, gesammelt und heraus gegeben von E. O. Hopp« im neunten Bande Seite 175. Sie lautet: »Von einem heute sehr berühmten Pariser Schriftsteller wird ein tolles Stücklein erzählt, das in den Anfang seiner Laufbahn fällt. Er hatte seinen ersten Roman veröffentlicht, »1.6 Duo cko Oonevo« betitelt, den aber niemand lesen und noch weniger kaufen wollte. Während der Badezeit in Nizza erhielt eines Tages ein dort mit seiner Frau sich aufhaltender Würden träger folgenden Brief ohne Unterschrift: »Ein Freund teilt Ihnen mit, daß Sie in dem Roman »Do Duo cko Oonovo« auf Seite 131 ff. Enthüllungen über das Privatleben Ihrer Fcau finden werden«. Der Gatte hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich 3.50 Frcs. herzunehmen und den » o Duo cko üonöve« zu kaufen, ohne auch nur eine Spur der versprochenen Enthüllungen zu finden. Am Abend saß er mit mehreren 1939*