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Nichtamtlicher Teil. ^uclialur ei altera par8. Auch ein Beitrag zum Kapitel der «Rundschreiben». (Vgl. Nr. 276, L7S, 279, 290, 292 d. Bl.» Der Beschluß der Freiburger Buchhändler, dem sich Kollegen in Göttingen und Hamm schon angeschlossen haben, während in anderen Orten sicherlich nach Weihnachten weitere Erklärungen dazu folgen werden, hat in einigen Kreisen eine gewisse Nervosität erzeugt, die sich teils im Börsenblatt, teils in der Allgemeinen Buchhändlerzeitung, namentlich aber in .Privatzuschriflen kenntlich macht. Es dürfte darum be rechtigt sein, auch einen Angehörigen der Gegenpartei zu Lorle kommen zu lassen, wobei ich aber ausdrücklich ^erkläre, daß ich weder in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins Freiburger Buchhändler, noch überhaupt im Namen des Vereins schreibe. Hierzu würde cs einer Aus sprache im Verein bedürfen, und dazu ist jetzt vor Weihnachten keine Zeit. Was ist denn nun eigemlich geschehen, daß man uns vorwirst, wir vergäßen auf der einen Seite vollständig unsere Interessen, wir verschlössen einfach vor den Neu erscheinungen unsere Tür, wir zwängen die Verleger zu größeren Ausgaben, so daß sie in ihrer wohllöblichen Absicht, uns zu Weihnachten mit der Gewährung von Mehrrabatt zu überraschen, wieder stutzig würden, usw. usw.? Nichts, absolut nichts, ist eigentlich die richtige Antwort. Denn was der Verein in seiner Gesamtheit offen aus gesprochen hat, ist ja gar nichts Neues. Wer nur etwas im Sortiment Bescheid weiß, dem war es schon lange bekannt, daß es in vielen Geschäften Brauch ist, seinem Kommissionär zur Herbstzeit Anweisung zu geben, das Zettelpaket still schweigend verschwinden zu lassen. Wenn wir dies nun offen erklären, so ist es m. E. nur zu begrüßen. Es zeugt nicht nur von moralischem Mute, mal offen zu sagen: die Wege, die wir bisher gewandelt sind, sind nicht mehr gängig, sondern es regt doch auch zum Nachdenken an, ob wir wirklich nichts Besseres für den von Großvaters Zeiten überkommenen Modus zu setzen haben. Denn was damals sehr praktisch war, ist heute durch die Verhältnisse unbrauchbar geworden. Darüber herrscht doch in beiden Lagern gar keine Meinungsverschieden heit: so kann es weder mit der BUcherproduktion, noch mit der Zirkularüberschwemmung weiter gehen, weil eben kein Mensch — mag er geistig noch so hervorragend veranlagt sein — mehr imstande ist, die Produktion zu beherrschen, weil kein Sortimenter mehr fähig ist, all die Anzeigen, die er täglich zu verarbeiten hat, von der Zeit ganz abgesehen, in sich aufzunehmen. Wem wird also gedient, wenn es so weiter geht? Niemandem. Denn auch der große Verleger findet für seine oft recht wichtigen Anzeigen nicht mehr die Aufmerksamkeit, die er zu beanspruchen berechtigt ist» der kleine Verleger — und in dieser Lage befinde ich mich selbst — kann überhaupt nur schwer zu Worte kommen, weil er von den größeren durch die großen Anzeigen und die vielen Prospekte erdrückt wird. Und gerade dieser dürfte uns für unser Vorgehen zu Dank verpflichtet sein, weil wir das Börsenblatt allein als das offizielle Ankündigungsorgan betrachten. In allen Zuschriften wird desselben gar nicht Erwähnung getan. Man könnte wirklich meinen, es existiere gar nicht mehr, wenn man alle die Vorwürfe liest. Dabei erscheint es doch in einer täglichen Stärke von ca. 50 Seiten, wird von allen Sortimentern, die ihr Geschäft modern betreiben wollen, sei es aus erster, sei es aus zweiter Hand, gelesen. Wenn die Verleger wüßten, wie viele noch nach des Tages Last und Mühen ihre Mußestunden mit der Lektüre des Börsenblattes ausfüllen müssen, sie würden über unseren Schritt ganz anders denken. Denn er ist kein Schlag gegen den Verlag, sondern er stellt eine Abwehr gegen eine Plage dar, für die wir außerdem noch die Kosten zahlen sollen. Und indem wir das abweisen, wird der erste Schritt zur Besserung erfolgen. Wird der Verleger gezwungen sein, das Porto aus seiner Tasche zu zahlen, dann wird er es sich sehr reiflich überlegen, ob es notwendig ist, neben der Anzeige im Börsenblatt noch einen Prospekt an dieselben Adressen vom Stapel zu lassen. Wenn er aber von der Notwendigkeit eines solchen überzeugt ist, dann wird er ihn wieder nur solchen Firmen zustellen, die voraussichtlich an dem Inhalte desselben ein Interesse haben. Heute wird ganz mechanisch damit ver fahren, davon kann wohl jeder Besitzer eines Spezial- sortiments ein Lied singen. Der Verleger wird also in Zukunft nur das tun müssen, was wir Sortimenter schon sehr lange mit den uns für das Publikum überlassenen Prospekten vornehmen — eine Auslese treffen. Es handelt sich also bei unserem Vorgehen darum, wieder gesunde Zustände einzusühren, das Inserat im Börsenblatt wieder zu Ehren zu bringen, den Prospekt aber wieder auf die Ausnahme zurückzuführen. Nun wird man mir erwidern: das Börsenblatt in seiner heutigen Anlage gibt uns nicht die Mittel, unfern Verlag, der häufig keine großen Spesen verträgt, so bekannt zu machen, wie cs für uns wünschenswert ist, denn kleine Anzeigen verschwinden bei dem Durcheinander und bei den vielen ganz- und halb seitigen Inseraten vollständig. Diese Antwort dürste be rechtigt sein, denn ich glaube, auch in diesem Punkte sind die Verleger und die Sortimenter einig, daß das Börsenblatt reorganisiert werden muß, daß die jetzige Anlage wohl von finanztechnischer Seite ausgezeichnet ist, daß sie aber sonst viele Mängel ausweist. Wir sind jetzt mit unseren Schulden, die uns der Besitz eines eigenen Hauses auferlegt hat, so weit, daß wir bei den Publikationen des Börsenoereins nicht mehr in erster Linie zu fragen haben: wieviel bringt uns das Börsenblatt ein, sondern zunächst, wie dient es den Gesamtinteressen? Meines Erachtens bedarf es gerade in bezug auf die Anzeigen einer Neuordnung, mag diese auch mit pekuniären Opfern verknüpft sein. Eine solche Neuordnung muß aber von einer Kommission beraten werden, es hat daher jetzt sehr wenig Wert, die Kollegen mit Vorschlägen zu befassen?) Führt der Beschluß der Freiburger Buchhändler dazu, daß man der ganzen Anzeigenfrage näher tritt und etwas Besseres an die Stelle des Veralteten und den heutigen Bedürfnissen nicht mehr Rechnung Tragenden setzt, dann haben wir uns den Dank des Gesamtbuchhandels erworben. Bleibt aber alles beim alten, dann muß man es jedem einzelnen überlassen, wie lange er sich die Überschwemmung mit Anzeigen auf seine Kosten noch gefallen lasse» will. Niemals aber darf man uns für unser offenes Vorgehen mit Beschimpfungen belegen, wie es von seiten einer Leipziger Verlagsfiima an einem hiesigen hochgeachteten Kollegen geschehen ist. Freiburg i. Br., k. Dezember 1908. Hans Speyer. Die Ausnahme des obigen Eingesandt verzögerte sich einesteils, weil die Redaktion des Börsenblatts sich erst durch *> Es fehlt hier eine Stelle mit Änderungsvorschlägen für den Anzeigenteil des Börsenblatts. Sie ist im Einverständnis mit Herrn Speyer weggeblieben. Herr Speyer erklärt sich bereit, den Be ratungen mit seinen Vorschlägen an die Hand zu gehen. Red.