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4046 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 87, 17. April 19lä. Händler bekämpft werden. Die Möglichkeit, das einfache Publi- kum in den Laden zu ziehen, hat der Buchhandel also nicht ge habt. — Die billigen Hefte bringen nur einen kleinen Gewinn, und es verlohnt sich daher unter den obwaltenden Umständen für den Sortimenter nicht, sie in gröberer Menge zu führen, be- ziehuugweisc ihnen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Sortimenter hat sie aber nicht ganz vernachlässigt — er führt die billigen Jugendbücher und auch die billigen Serien, aber er hat erfahren müssen, daß sie vom gutgestellten Publikum, das teure Bücher bezahlen könnte, gekauft werden. Eine Volksbuchhandlung, die nur oder doch borwiegend bil lige Bücher führen will, kann nur bestehen, wenn sie durch eine Organisation getragen wird und ständig eine finanzielle Unter stützung erhält; das zeigt die Entwicklung des christlichen Buch handels. Eine andere Möglichkeit des Betriebs einer Volks buchhandlung wäre die, daß der Buchhandel mit einem Papier- und Galanteriewarenhandel verbunden würde; aber diesem Plane erwüchsen daraus Schwierigkeiten, daß es schon viele Papierläden und ähnliche Geschäfte im Arbeiterstadtteile gäbe. Möglich sei es auch, den Absatz des Volksbuchhändlers durch die Angliederung eines Kolportagebetriebs wesentlich zu fördern. Hingegen sei nicht wahrscheinlich, daß der Betrieb einer Volksbuchhandlung als Filiale einer bestehenden größeren Sortimentsbuchhandlung gewinnbringend sein werde. Der Betrieb der Volksbuchhandlung erfordere nämlich in ganz besonderem Matze einen tüchtigen Lei ter. Fände sich aber ein solcher, und brächte er die Filiale in die Höhe, so würde er wahrscheinlich nach Beendigung seiner vertrag lichen Verpflichtungen eine eigene Buchhandlung in der Nähe der früher geleiteten Filiale gründen und dieser dadurch die Kundschaft entziehen. Die Vertreter des Jugendschriften-Aus schuss es machten dem gegenüber folgendes geltend: Die Ein richtung einer Volksbuchhandlung hat nur dann Berechtigung, wenn sie als ein geschäftlich rentables Unternehmen angesehen werden kann. Es darf vom Buchhandel keineswegs erwartet werden, daß er etwa aus idealen Gründen sich an einem geschäft lichen Unternehmen beteiligt, das sich auf die Dauer nicht selbst tragen kann. Nur die sichere Aussicht auf geschäftlichen Gewinn darf den Buchhandel veranlassen, dem idealen Bedürfnis nach einer Volksbuchhandlung in der Praxis gerecht zu werden. Etwas anderes haben die Volksbildungsfreunde auch nie vom Buch handel erwartet oder gefordert. Die Volksbildungsbestrebungen haben jedoch bewiesen, daß ein starkes geistiges Bedürfnis in breiten Schichten der Ar beiterklasse vorhanden ist, das sich gerade auch in der Form des Lesebedürsnisses äußert. Der große Erfolg der öffentlichen Bücherhalle zu Hamburg gibt auch einen Maßstab für dieses Be dürfnis. Es braucht also nicht erst geweckt zu werden, es ist viel mehr bei sehr vielen Menschen schon da, und nur für feine weitere Ausbreitung und Pflege ist Sorge zu tragen. Ferner ist erwiesen, daß diese Volkskreise verhältnismäßig erhebliche Mittel für die Befriedigung geistiger Bedürfnisse aufzubringen bereit sind, wenn sie nur dazu angeregt werden. Die große Zahl der Menschen im Arbeiterstadtteil, die gleichartige Bedürfnisse haben, verspricht einen Massenabsatz der guten billigen Literatur. Aus der Ge wohnheit zu lesen muß also nur die Gewohnheit, Bücher zu kaufen und sich eine eigene Hausbibliothek zu schaffen, entwickelt werden. Durch die billigen Jugendschriften, deren Herausgabe von den Jugendschriften-Pcüfungs-Ausschüssen veranlaßt worden ist, ist überhaupt zum erstenmal wieder das Bedürfnis nach einer Familienbibliothek geweckt worden. Die neue Zeit verlangt neue Methoden und Wege: mit dem Ladengeschäft ist ständig oder zeitweilig eine größere Bücherausstellung, eine Art Lesezimmer oder etwas Ähnliches zu verbinden; bei Veranstaltung von Vor trägen, in den Versammlungen von Bildungsvereinen, Gewerk schaften und andern Organisationen sind entsprechende Bücher verkaufseinrichtungen durch den Volksbuchhändler zu schaffen; desgleichen können in Fortbildungsschulen und Volksbibliothcken Verkaussgelegenheiten für Bücher eingerichtet werden. Der Volks buchhändler mutz Erzieher und Organisator sein. Als Ergebnis der Aussprache des gemeinsamen Ausschusses wurde zum Schluß des ersten Abends sestgestellt, daß das Sorti ment der Großstadt in seiner heutigen Form nicht daran in teressiert sei, von sich aus für die energische Verbreitung der billigen guten Literatur, beziehungsweise für die Gründung von Volksbuchhandlungen in Angliederung an das bestehende Sorti ment etwas zu tun. Es verspricht sich keinen geschäftlichen Nutzen davon. Will man trotzdem die Volksbuchhandlung, so muß man entweder den Papierhändler des Vorortes zum Buchhändler mit guter billiger Literatur ausbilden oder das Sortiment muß im Interesse der Entwicklung seines Standes eine neue Form des Buchhändlers, den Volksbuchhändler, schaffen, dessen geschäft liche Interessen dann aber ganz anders gerichtet sind als die des heutigen Sortiments der Großstadt. Da die Verwirklichung des letztgenannten Vorschlags für das Sortiment und seinen Nachwuchs eine wertvolle Erweiterung seines Arbeitsgebiets dar- zustellcn schien, wurde darüber in einer zweiten Sitzung der ge meinsamen Buchhändler« und Lehrerkommission eingehend ver handelt. (Fortsetzung und Schluß folgen.) Aus dem englischen Buchhandel. m. (II vgl. Nr. L3.) Ostern. — Amerikanische Ausgaben. — Internationale Preisfest setzung. — In Msnioriam. — Leihbibliotheksverkäufe. — Kinder bücher. — lkbs Lritisb sack korsign Libls Socistzu — Kunstnotizen. Die diesjährigen frühen Ostern haben für die Kaufmanns- Welt viele Nachteile gehabt, und nun wird wieder der alte, ursprünglich in Deutschland entstandene Plan betreffs der Fest legung des Osterfestes diskutiert. Schon im Vorjahre wurde aus dem internationalen, in Boston abgehaltenen Kongreß der Han delskammern ein dahingehender Beschluß einstimmig gefaßt, dem die Londoner Handelskammer, die »Lssooiatsck Obambers ok 6om- maraa« und die vereinigten Handelskammern des britischen Welt reiches freudig zustimmten. Wie verlautet, sollen die interessier ten Kreise in Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staa ten von Nordamerika bereit sein, diesen Plan verwirklichen zu helfen, umsomehr, als von den kirchlichen Autoritäten, sowohl den evangelischen wie den katholischen, irgendwelche Schwierig keiten nicht gemacht werden, ja der Papst selber soll sich für die Än derung ausgesprochen haben. Es ist unnötig, darauf hinzuweisen, welchen großen Vorteil eine solche Festlegung für den Gesamt buchhandel haben würde, da die diesjährigen Unbequemlichkeiten jedem Sortimenter und Verleger bekannt sind. Während der deutsche Verleger der nahen O.-M.-Abrechnung in optimistischer Spannung entgegensieht, und der deutsche Sortimenter sich mit Remittenden und Disponenden abplagt und um die notwendige Deckung sorgt, enrpfängt der englische, respektive Londoner Kol lege die Chefs oder Vertreter der amerikanischen Häuser, die wie die Schwalben im Frühjahr, nach den britischen Inseln fliegen, um dort Verlagsideen auszutauschen oder zwei bis drei Kontinente umfassende Geschäfte abzuschließen. Neuerdings fin det eine Menge in Amerika gedruckter Bücher ihren Weg nach London, hauptsächlich Restauflagen und billige Nachdrucke frei- geworüener europäischer Werke. Man gibt sich drüben gar nicht mal die Mühe mehr, diese Werke zu revidieren oder neuzusetzen. Das Buch wird einfach photographiert und das neue Verlags- unternehmen des findigen amerikanischen Verlegers auf photo- inechamschem Wege hergestellt. Derartig hergestellte Büchet sind z. B. die amerikanischen Ausgaben des ersten Teiles des be kannten englisch-russischen Wörterbuchs von Alexandroff und die russisch-englische Grammatik von Nurok. Soeben wurde einem hiesigen Verleger die auf diesem photomechanischen Wege her gestellte Auflage von Weslehs bekanntem englisch-deutschen Wörterbuch (Tauchnitz) angeboten, die nach einer älteren Auf lage hergestellt und infolgedessen Wohl nachdruckssrei ist. Leider wurde mir der Name der unternehmenden amerikanischen Firma nicht anvertraut .... In englischen Verlegerkreisen gibt man sich der Hoffnung hin, daß der neue Präsident der Vereinigten Staaten, vr. Wood- row Wilson, die hohen Einfuhrzölle auf englische Bücher sehr erniedrigen oder gar ganz abschassen wird. Falls diese Erwar- lFortsctzung aus Seite 4081.)