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PV 2S2, 4. Oktober 1912. Nichtamtlicher Teil. so bestimmt einleuchteten, daß er sogar von einer Wieder holung der Bayreuther Aufführungen aus dem Münchener Theater ganz abstand. Wie könnte ich diesem Vorgänge gegenüber Ihrem Vorschläge gemäß über den »Parsifal« verfügen! Nie darf und kann ich ihn auf anderen Theatern aufführen lassen*): er sei denn — daß sich ein wirkliches -.Wagnertheater« ausbilde, ein Bühnen-Weih-Theater, welches — ja ge wiß, wandernd, das über die Welt verbreite, was ich bis dahin rein und voll auf meinem Theater in Bayreuth gepflegt habe. Halten wir diesen Gedanken für Ihre Unternehmung unentwegt fest, so kann Wohl die Zeit kommen, woichkeinemHof-oderStadt-Theater,son dern dem wandernden Wagnertheater auch einzig den .Parsisal übergebe..**) Im Jahre 1882 gestattet Wagner Neumann sogar, ihm einen Vertrag bezüglich des »Parsifal« borzulegen, doch hören wir, was Reumann darüber erzählt: »Wagner war eben daran, den Vertrag (der Neumann das Aufführungsrecht für alle Länder übertrug, falls Wag ner den Parsifal von Bayreuth loslöste) zu unterzeichnen, als er plötzlich innehielt. Mit der Feder in der Hand saß er eine Weile nachdenklich vor dem Schreibtisch; dann wandte er sich langsam zu mir: ,Neumann', sagte er mit weicher Stimme, ,ich habe es Ihnen versprochen, und wenn Sie darauf bestehen, unterschreibe ich Ihnen den Vertrag. Sie würden mir aber einen großen Gefallen tun, wenn Sie heute nicht darauf beständen. Sie haben mein Wort, der Par sifal gehört keinem anderen als Ihnen.,**) Daraus verzichtete Neumann auf die Unterschrift. Man beachte die Wandlung in des Meisters Ansicht: 1879 glatte Ab lehnung; 1881 Ablehnung, aber Möglichkeit, mit einem wan dernden Wagner-Theater den »Parsifal« aufzufllhren; 1882 Bereitwilligkeit, einen derartigen Vertrag zu unterzeichnen. Nur dem plötzlichen Tode (6 Monate nach obiger Unter redung) ist es zuzuschreiben, daß das deutsche Volk den »Par sifal« nicht schon seit 28 Jahren kennt, denn bei einem vierten »Anklopfen« hätte Neumann sein Ziel erreicht, oder Wagner selbst wäre mit dem »Parsifal« durch die Welt gefahren. (Fallen die »Getreuen« von Bayreuth nicht in Ohnmacht, daß Wagner selbst, sogar mit der Eisenbahn, den Gral aus Bayreuth entführen wollte?) Eben wird noch ein Wort Wag ners bekannt, das immer mehr erkennen läßt, daß ihm stets auch Aufführungen des »Parsifal« außerhalb Bayreuths vor geschwebt haben. Frau Elisabeth Förster-Nietzsche erzählt im »Tag« folgendes: »Ich war von der Aufführung des ,Parsifal' aufs tiefste erschüttert. Als nun Wagner den Wunsch äußerte, mich allein zu sprechen, wagte ich es in dieser Privataudienz, ihm meine Empsindungen auszudrllcken und hinzuzufügen, wie innig ich es bedaure, daß mein Bruder nicht diesen höchsten Genuß haben könne. ,Ach nein', sagte Wagner, ,nach Bayreuth kommt er nicht, aber vielleicht ziehe ich einmal mit meinen Künstlern umher, sodatz er de» Parsifal anderswo hören könnte.'« Geht aus all diesem nicht klipp und klar hervor, daß Wag ner mit einer Aufführung des »Parsifal« außerhalb Bayreuths schon zu seinen Leb- zeiten rechnete? Warum hat die Bayreuther Schutz- *> Hermann Bahr fuhrt nur bis hierher den Satz an und bricht dann ab; es ist also anzunehmcn, daß er ihn nur deshalb nicht zu Ende fuhrt, weil er ihn vollständig nicht slir seine Zwecke brauche» kann. **> Ans »Angelo Neumann's Erinnerungen an Richard Wagner«. <L. Staackmann, Leipzig.) truppe dem deutschen Volke verschwiegen, daß Wagner selbst sich mit der Absicht trug, den »Parsisal« mit einem reisenden Wagner-Theater in aller Welt aufzufllhren? Wie stimmt das zusammen mit dem von Bayreuth behaupteten »letzten Willen« des Meisters? Den wahren Wagner-Verehrer muß es aufs tiefste ver letzen, wenn er sieht, wie die wahre Absicht Wagners ins Gegen teil verdreht wird. Und denen, die nicht an das Märchen von Wagners »letztem Willen« glauben, wird Mangel an Pietät resp. »Merkantilismus« vorgcworfen. (Siehe Tägl. Rund schau.) Pietät ist es jedenfalls nicht, von einem letzten Willen zu sprechen, der gar nicht ausgesprochen worden ist, und dadurch das Andenken des Meisters bei einem großen Teil des Volkes zu schmälern. Pietätvoll dagegen wäre es gewesen, wenn Bayreuth schon seit 25 Jahren im Sommer mit seinen Künstlern in größeren Städten den »Parsifal« ausgesührt hätte, wie Wag ner es wollte (natürlich nur in den Jahren, in denen in Bay reuth keine Festspiele stattfanden). Pietätvoll wäre es gewesen, nicht Teile des »Parsifal« zu verkaufen, so daß man die hehren Klänge in jedem Bier- Konzert hören kann. (Merkantilismus?) Pietätvoll wäre es gewesen, die Schriften, die Wagner nicht gedruckt wissen wollte, auch nicht zu veröffentlichen. (Mer kantilismus?) Pietätvoll wäre es gewesen, wenn Siegfried Wagner den Tirigentenplatz in Bayreuth nicht eingenommen hätte, so lange es noch in Deutschland bessere Dirigenten gibt. Pietätvoll wäre es gewesen, die Festspiele stets nur mit deutschen Künstlern zu veranstalten, getreu der Mahnung des Meisters: »Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister!« Kleine Mitteilungen. »Ir. Vom Reichsgericht. Anfechtung eines Zcit- schristenverlages. (Nachdruck verboten.) — Der Geh. Regie rungsrat W. in Berlin hatte früher die von ihn, herausgegebene technische Fachzeitschrist »Die Fördertechnik« kommissionsweise von der Union in Stuttgart verlegen lassen. Nach drcivlcrtel Jahr hatte diese aber den koinniissionsweisen Verlag der Zeitschrift auf gegeben, nach der Behauptung ihrer Geschästsflihrer deshalb, weil mit dem Verlage in dieser kurzen Zeit etwa 30 000 .A zugesetzt worden seien. Lange Zeit hatte sich dann B. vergebens um einen anderweitigen Verlag bemüht, so das) die Zeitschrist eine Reihe von Monaten überhaupt nicht erschien. Im Oktober 1908 bot W. den kommissionsweise» Verlag seiner Zeitschrift der Berliner BerlagS- gescllschaft Kr. an und schloss mit dieser auch am 8. November 1908 einen Vertrag ab, wonach diese die Zeitschrift aus 5 Jahre, d. h. bis Ende 1913, cbensalls kommissionsweise verlegen sollte. W. hatte diesen Vertrag in der Hauptsache mit einem anderen Vertrage in Zusammenhang gebracht, an dessen Abschluß der Berliner Berlags- gesellschast viel gelegen war. W. sollte nämlich die Redaktion der von der Berliner Gesellschaft gleichfalls verlegten Zeitschrift »Die Turbine« übernehmen. In einem Briefe vom 5. November 1908 hatte W. der Berliner Gesellschaft geschrieben, »Die Fördertcchnik« habe jetzt sehr gute Aussichten, es sei eine Zeitschrift ohne Kon kurrenz, sie habe gut cingeschlagcn und sei jetzt über ihre Kinder krankheiten hinaus, deren Kosten schon von anderer Seite gezahlt seien. Gemeint waren damit die kostspieligen Auswendungen, die die Union slir Propaganda seiner Zeitschrift gemacht hatte. Die Berliner Gesellschaft socht im September 1910, als zwischen den Parteien Differenzen persönlicher Art entstanden waren, den Vcr- lagsvcrtrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an, indem sie geltend machte, das) sie lediglich durch den unwahren Inhalt des erhaltenen Briefes z»m Abschlüsse des BerlagsvcrtragcS bestimmt worden sei. W. bestritt, daß die Gesellschaft zur Anfechtung berech tigt sei, und klagte ans Feststellung. Beide Instanzen, Landgericht und Kammergcricht Berlin erkannten auch »ach seinem Klagcan- 1539*