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6510 Börsenblatt s. 0. Ltschn. Buchhandel, Nichtamtlicher Teil. 134. 12. Juni 1908 der Verlegerrechte an einem Schriftwerk der Fall ist. Zu nächst ist es von Interesse, die Ansichten zweier der hervor ragendsten Schriftsteller zu hören, die sich mit dem Kunst schutzrecht befaßt haben. Köhler führt in seinem Buche über das Kunstwerkrecht (Stuttgart 1908) Seite 101 folgendes aus: »Auf den kunstgewerblichen Verlage sind die Grundsätze von der Übertragung des Verlagsrechtes nicht auszudehnen, denn die Anschauungen und Bräuche, die beim literarischen Ver lagsrecht zu einer solchen Durchbrechung der folgerichtigen ju ristischen Gestaltung geführt haben, treffen hier nicht zu und gewichtige Gründe sprechen dagegen, da die Vervielfältigung hier oft ganz besondere technische Schwierigkeiten findet, besonderer technischer Anstalten bedarf, oft in der Verbindung mit anderen technischen Produktionsweisen steht, weshalb die Person des Verlegers hier noch ganz anders in Betracht kommt als beim Buchhandel, bei dem die Technik ein- für allemal die gegebene Drucktechnik ist, die zwar ihre Verschiedenheiten aufweist, aber doch im allgemeinen einer bestimmten Gesamtweise folgt.« Ob Köhler hier die Verschiedenheiten in der Drucktechnik nicht etwas unterschätzt und ob er nicht vielleicht der Spezialisierungstendenz innerhalb der Buchdruckerei, die gerade im Laufe des letzten Jahrzehnts ohne jeden Zweifel sichtbare Fortschritte gemacht hat, nicht vollständig Rechnung trägt? Man wird wohl sich für berechtigt erachten dürfen, diesen Zweifeln Ausdruck zu geben, gerade dann, wenn man mit Köhler in der juristischen Beurteilung durchaus übereinstimmt. Osterrieth bemerkt in seinem Kommentar zu dem Kunstschutzgesetz (Berlin 1907) Seite 82: Die Frage der Übertragbarkeit der vom Verleger er worbenen Befugnisse richtet sich ebenfalls danach, ob das Interesse des Urhebers überwicgt, oder das geschäftliche Interesse des Verlegers. Bet Werken der höheren Kunst ist die Her stellung künstlerischer Reproduktionen eine persönliche Ver trauenssache. Hier wird der Verleger ohne Zustimmung des Urhebers die Veroielfältigungsbesugnis nicht auf andere über tragen können. Auch beim Übergang des gesamten Geschäfts oder eines Geschäftsbetriebs (Druckerei) wird der Urheber ein Einspruchsrecht haben, wenn dadurch seine künstlerischen Inter essen geschädigt werden. Die dem Wesen des Urheberrechts widersprechende Bestimmung des Z 28 des Verlagsgesetzes läßt als Ausnahmebestimmung keine Analogieanwendung zu. Anders liegt der Fall, wenn das Werk im gewerblichen Interesse des Verlegers geschaffen ist. Dann erwirbt er das Recht der be liebigen Übertragung. Ein Einspruchsrecht kann in solchen Fällen dem Urheber ausnahmsweise dann zustehen, wenn das Werk mit seinem Namen gezeichnet ist und er eine erhebliche Schädigung seiner künstlerischen Interessen zu befürchten hat. In solchen Fällen wird dem Urheber unter Umständen gegen Ersatz der Aufwendungen des Verlegers ein Rücktrittsrecht vom Vertrage gewährt werden müssen.- Die Ansichten beider Autoren stimmen nicht ganz überein, wenn auch die praktische Bedeutung der Ausnahme, die Osterrieth zulassen will, keine besonders erhebliche genannt werden kann. Zweifellos steht fest, daß die analoge Anwendung der im 8 28 des Verlagsgesetzes enthaltenen Bestimmung für den Kunstverlag ausgeschlossen ist; denn es handelt sich bei der hier in Übereinstimmung mit der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts angenommenen grundsätzlichen Übertrag barkeit der von dem Verleger durch den Verlagsvertrag er worbenen Rechte um Sonderrecht, das auf dem Boden des literarischen Verlagsverkehrs entstanden ist und nur auch in diesem Boden entstehen konnte. Sonderrecht kann aber auch nicht im Wege analoger Rechtsanwendung über sein eigent liches Geltungsgebiet ausgedehnt werden. Daher ist für Z 28 weder bei unmittelbarer, noch auch bei nur mittelbarer Anwendung außerhalb des Gebietes des für den literarischen Verlag bestimmten Verlagsgesetzes irgendwie Raum, und die Praxis des Kunstverlages wird also streng darauf achten müssen, ohne Rücksicht auf diese Sondervorschrift die Frage zu beantworten. Da an und für sich, d. h. ohne die Würdigung der Bestimmung als Sondervorschrift, die Ver suchung hierzu naheliegen würde, so ist es notwendig, die Möglichkeit für diese Verwertung des Grundsatzes des § 28 des Verlagsrechtsgesetzes gleich von Beginn der Aus legung des Kunstschutzgesetzes abzuschneiden. Ist aber die Frage ohne Rücksicht auf 8 28 zu entscheiden, so muß in Berücksichtigung des grundsätzlichen Charakters des dem Ver leger übertragenen Rechts allerdings der Ansicht Köhlers beigepflichtet werden, und zwar schlechthin, soweit sich nicht aus den Abmachungen bzw. aus dem Willensinhalt der Parteien das Gegenteil ergibt. Mit dieser Maßgabe würde auch der Auffassung Osterrieths beizupflichten sein. Der Umstand, daß das Produkt des Kunstge werbes — in der Hauptsache handelt es sich ja ledig lich um dieses — im gewerblichen Interesse des Ver legers geschaffen ist, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, daß die Parteien dem Verleger die weitere Übertragung haben gestatten wollen, er kann einen Anhaltspunkt hierfür bieten und er wird häufig diese Funktion haben, anderseits aber würde es zu weit gehen, wollte man behaupten, es müßte stets und ausnahmslos ein Schluß daraus auf das Vorhandensein der Willensübereinstimmung der Parteien in diesem Sinne gezogen werden. Aus den Ausnahmen, die Osterrieth von der Übertragbarkeit auch dann statuiert wissen will, wenn das Werk im Interesse des Verlegers geschaffen wurde, Ausnahmen, durch die die Ausnahme von der Nicht übertragbarkeit durchbrochen, so daß wieder die Regel, näm lich die Nichtübertragung hergestellt wird, ergibt sich dies ebenfalls. Es liegt auf der Hand, und auf dieses Moment wird in der Literatur, insbesondere von Osterrieth, ein besonderer Wert gelegt, daß das Persöulichkeitsmoment bei der Frage für den Kunstverlag eine ungleich erheblichere Rolle spielt, als für den literarischen Vertrag; man kann daher auch sagen, die Ausstrahlung des Persönlich keitsrechts des Urhebers des Kunstwerks ist so intensiv, daß dem gegenüber jeder andere rechtliche Gesichtspunkt zurücktritt, es muß also die Übertragbarkeit verneint werden. Ausdrücklich pflegt in den Kunstoerlagsverträgen hierüber im Verhältnis nur selten Genügendes gesagt zu werden, was nicht erstaunen kann, da bekanntlich der Inhalt der Kunstverlagsverträge nicht nur ausnahmsweise ein recht dürftiger ist und über die wichtigsten Punkte, über die sich klar zu sein für die Parteien von größter Bedeutung ist, keine Auskunft gibt. Daß die Parteien die Übertragbarkeit vereinbaren können, ist selbstverständlich; weder steht einer solchen Vereinbarung die öffentliche Ordnung entgegen, noch auch läßt sich behaupten, daß eine Abmachung dieses Inhalts gegen die guten Sitten gerichtet sei. Weil die Übertrag barkeit den Gegenstand rechtsgeschäftlicher Abmachungen bil den kann, so läßt sich auch die Bildung eines Handels gebrauchs, der die Übertragbarkeit sanktioniert, an sich nicht leugnen. Ohne Grund hat man behauptet, daß ein solcher Gebrauch von der Rechtsprechung nicht beachtet werden dürfe, weil er nicht sowohl einen Gebrauch als vielmehr einen Mißbrauch zum Inhalt habe. Gewiß gibt es Gebräuche, die nur mit Unrecht Gebräuche genannt werden, während sie in Wirklichkeit Mißbräuche sind, und denen um deswillen keine rechtliche Wirksamkeit zukommt; es kann auch zugegeben werden, daß unter Umständen ein Handelsbrauch bestehen kann, der die Übertragbarkeit dergestalt und in einem Um fange sanktionierte, daß von einem Mißbrauch gesprochen werden müßte; allein allgemein ausgesprochen, ist die obige Behauptung durchaus falsch, vielmehr muß die Rechtswirk samkeit eines solchen Handelsgebrauchs unter den allgemeinen Voraussetzungen anerkannt werden.