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8934 «Srl-nblall s. d. Dtsch». Buchyandel. Mchtamtlicher Teil. pik 177, 1. August 1912. Dazu fehlt es ihnen sowohl an der Berechtigung zum Verkauf überhaupt, als auch an der notwendigen Übersicht über das Gejamtgebiet der Jugendschriftenliteratur. Daß die Verleger auch ohne die Tätigkeit der Prüfungs ausschüsse wissen was sie wollen, klarer und deutlicher, als es ihnen eine .Abstimmung' dieser Organe lehren kann, zeigen die soeben erschienenen Schriftchen -Die Kunst im Buche des Kindes' von Georg W. Dietrich, München, und .Wie kauft man Bilderbücher?' im Verlage von Jos. Scholz, Mainz. Obwodl beide als Reklamemittel für die von den Genannten verlegten artikeln, so daß ihre Lektüre nicht nur dem an Jugendschriflen interessierten Publikum, sondern auch dem Buchhandel empfohlen werden kann.» Als ich das schrieb, lag ich noch nicht in den »Banden der Organisation und der Paragraphen des Buchhändler- börsenveretns» und war niemandem als meiner eigenen Überzeugung Untertan. Ich kann Herrn Brunckhorst, der anscheinend mit dem Wesen und den Zielen des Börsen vereins recht mystische Vorstellungen verbindet, verraten, daß ich auch heute, trotz meiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Vorstande, nicht gegen meine Überzeugung zu handeln brauche, da ich in kleinem Kreise und mit bescheidenen Mitteln damals dasselbe gewollt habe, was auch der Börsenverein als seine satzungsgemäße Aufgabe bezeichnet: »die Interessen des Deutschen Buchhandels im weitesten Um fange zu vertreten und das Wohl der Angehörigen des Deutschen Buchhandels zu pflegen und zu fördern«. Die Bindungen, denen der Redakteur eines Vereins organs naturgemäß unterliegt, sind ihrer Art nach keine anderen, als sie jedes Gemeinwesen seinen Angehörigen auferlegt, indem es ihnen ihre bestimmte Stellung anweist, ihnen Pflichten auferlegt und sie so in seine Organi sation einordnet. Was dem Einzelnen auf diese Weise an freiem Selbstbestimmungsrecht verloren geht, gewinnt er hundertfältig dadurch, daß es ihm die Möglichkeit gibt, einen größeren Kreis zu Überblicken, ihn durch die Tätigkeit der an seiner Spitze stehenden Organe bereichert und so über die engen der eigenen Kenntnis und Erkenntnis gezogenen Grenzen hinaushebt. Denn wie ganz anders nimmt sich oft eine Frage im Widerstreite vielgestaltiger Interessen aus, als sie dem Einzelnen erscheint, und wie nicht selten ist es nötig, kleine Vorteile preiszugeben, um höherstehende Interessen nicht zu gefährden oder leicht bei einander wohnende Ge danken fallen zu laßen, weil sich die Dinge hart im Raume stoßen! Dieser Kenntnis der Verhältnisse bedarf niemand mehr als der Redakteur eines Fachblattes, denn wenn auch seine Arbeit, vom Tage geschaffen, vom Tage wieder verweht wird, so kann er seiner Ausgabe doch nur dann gerecht werden, wenn er es oe,steht, den unausgesprochenen Empfindungen feiner Leser lebendigen und klaren Ausdruck zu geben. Aus diesen ewig wechselnden Stimmungen und Meinungen muß der Redakteur, dem es darauf ankommt, scrne Zeitung zu einem wirklichen Spiegelbilde der Zeit zu machen, das Bleibende von den »vorübergehenden Erscheinungen-, das Wichtige vom Unwichtigen scheiden lernen und aus feiner Kenntnis der Verhältnisse heraus eine grund sätzliche Stellungnahme zu gewinnen suchen. Ist sein Stand punkt falsch oder engherzig, so wird er ihn auf die Dauer im Widerspruche mit seinen Lesein nicht zu behaupten vermögen und daran? die Konsequenzen ziehen müssen, deren praktische Betätigung von seinem Charakter abhängt. Es ist für einen Redakteur wie für jeden anderen Menschen nicht nur keine Schande, sondern Pflicht, eine als irrig erkannte Meinung preiszugeben und dem Himmel Gelegenheit zur Freude über einen bußfertigen Sünder zu geben. Man wird aber gerade von den im öffent lichen Leben stehenden Personen verlangen können, daß für einen Gesinnungswechsel öffentliche und nicht private Inter essen maßgebend sind. Jti der journalistischen Praxis vollzieht sich ein derartiger Wechsel*nur in den seltensten Fällen schroff und ohne Über gänge; weit öfter wandelt die Entwicklung, die im Goetheschen Sinne aus Vernunft Unsinn, aus Wohltat Plage macht, nicht das Subjekt, sondern das Objekt. Ein Schul beispiel dafür ist der Kampf gegen die unsittliche Literatur. Eine Bewegung setzt ein, groß und gewaltig, getragen von den Besten unseres Volkes. Sie ist es wert, vom Buchhandel unterstützt zu werden, und obgleich diesem die Rolle des Spitzbuben angeüichtet wird, der, um die Ver folger irrezusühren, »Haltet den Dieb!- schreit, nimmt der im Börsenverein organisierte Buchhandel den Kampf gegen die Schmutzliteratur auf. Ein Beamter wird eigens dazu engagiert, um die Geschäftsstelle des B.-V. in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und den Behörden und Vereinen mit Material und Auskünften an die Hand zu gehen. In den Kreis- und Ortsvereinen herrscht nicht minder reges Leben: Ausstellungen guter billiger Bücher werden veranstaltet und Prospekte darüber herausgegeben.') Im Börsenblatt beträgt die Zahl der Artikel, Berichte und Notizen über das Kapitel »Kampf gegen die Schundliteratur« nach den Jahresregistern im Jahre 1909 63, im Jahre 1910 121, im letzten Jahre 65, wobei dutzende Mal aus das gute billige Buch als Ersatz für die Schundliteratur hingewiesen wird.") Der 1. Vorsitzende nimmt Fühlung mit den Organen unserer Rechtspflege und setzt sich mit den maßgebenden Körperschaften in Verbindung. Wenn er den Hamburger Verein nicht dazu rechnet, so wird das seine gewichtigen Gründe haben. Diesen Tatsachen gegenüber ist es direkt unverständlich, daß ein angeblicher Kenner der Verhältnisse, wie es Herr Brunckhorst sein will, den Mut hat, zu behaupten, »daß der Börsenverein deutscher Buch händler und sein Organ, das .Börsenblatt', zwar wiederholt mit ernsthaften (!) Worten gegen die Schund- und Schmutz literatur öffentlich Stellung genommen haben, daß aber in diesen Veröffentlichungen nicht ein einziges Mal auf die billigen guten Büchersammlungen als Ersatz für die Schundliteratur hingewicsen, geschweige denn den Mitgliedern des Vereins nachdrücklich empfohlen worden ist-. Ganz dieselbe Beweiskraft wohnt dem folgenden Satze inne: »Ist es nicht in demselben Sinne bezeichoend für den Börsenverein — am guten Willen zweifeln wir gar nicht —, daß er trotz seiner ausgesprochenen Stellungnahme gegen den Schund auf literarischem Gebiete nicht die Kraft hat, Verleger von offenbarer (I) Schundliteratur aus seinen Reihen auszuschließen, sondern daß er ihnen gar noch gestattet, ihre Schunderzeugniffe nach wie vor im .Börsenblatt' zur Anzeige zu bringen?» Ich glaube keine Indiskretion zu begehen, wenn ich *1 In Hamburg, dem Wohnsitze des Herrn Brunckhorst, sind allein im Dezember isos von It Sortimentern mit Unterstützung der betr. Verleger 299 vvv Prospekte über Werke Hamburgischen und anderen Verlages und 10 000 Taschen mit Verzeichnissen der billigen Sammlungen verbreitet worden (Bbl. 1909, Nr. 29S>. ") Einem »Überblick über die Tätigkeit des Börsenvereins, feine« Vorstandes und seiner Organe auf dem Gebiete der Bekämpfung der Schundliteratur« (Bbl. 1910, Nr. I«Z> ent nehme ich nachstehende Stelle: »In letzter Zeit besonders wurde hauptsächlich daraus gesehen, die vom Schmutz und Schund Bedrohten oder davon bereits Infizierten durch reichliche gute und billige Literatur, die möglichstbequenrzuerreichen ist, zu schützen und zu retten. Dazu wurden die Orts- und Kreis vereine, sowie auch viele andere Vereine herangezogen, die dem Börsenverein nahestehen, aber unabhängig sind. Zahlreiche Ver zeichnisse von Jugend- und Volksschristen sind gesammelt und gedurchsehen worden.«