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8936 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 177, 1. August 1912. Am 1. August sind 60 Jahre verflossen seit Begründung der angesehenen Firma S. Pötzelberger in Meran (Tirol), deren Buchverlag unter der Firma F. W. Ellmenreichs Verlag ausgeliefert wird. Silvester Pötzelberger, der seit 1853 die Firma Tendier L Comp, in Wien geführt hatte, seit 1858 in Gemeinschaft mit Carl Fromme, muhte 1861 seiner angegriffenen Gesundheit wegen aus dieser Firma ausscheiden und siedelte, um sich zu erholen, nach Meran über. Hier gründete er am 1. August 1862 eine Buch- Handlung unter der Firma seines Namens, der er sich aber nur wenig widmen konnte, d'a er schon vor ihrer Eröffnung das Bett hüten mußte. Er starb 1863, und seine Witwe führte das Geschäft weiter, das dann am 1. Juli 1866 von dem jetzigen Inhaber F. W. Ellmenreich übernommen wurde. Dieser stammt, wie so manche Inhaber bedeutender österreichischer Firmen, aus Norddeutschland, irren wir nicht, so ist er sogar ein Stammesgenosse Fritz Reuters, denn in Schwerin in Mecklenburg hat er seine Lehre bestanden. Er war dann in einer Wiener Buchhandlung tätig und kam mit dem Ränzel auf dem Rücken nach Meran, wo er seine Lebensarbeit finden sollte. Der junge Inhaber griff frisch an, erwarb zu der Pötzelbergerschen Handlung die Moser'sche Buchhandlung und 1879 die Stockhausensche Buchdruckerei. Rasch ging es vorwärts, Filialen wurden in Trafoi, auf der Mendola, am Carersee errichtet, die Druckerei gab die Möglichkeit, eine ganze Reihe Zeitschriften erscheinen zu lassen, ohne daß sie deshalb als Werkdruckerei für fremden Verlag Einbuße erlitt. Unablässig war Ellmenreich tätig, fand aber trotz seiner Arbeitslast im Geschäft noch Zeit, sich dem Gemeinwesen Merans nützlich zu erweisen. FastinjederVereinigung, die dem Gemeinwohl diente, hatte er Sitz und Stimme, und um das Aufblühen Merans erwarb er sich große Verdienste. Sein Kaiser belohnte sie durch Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone. Seit 1. Juli 1909 stehen ihm seine Söhne Albert und Oskar zur Seite, aber unermüdlich schafft mit ihnen der 76jährige Vater. Der österreichische Buchhandel wird es an Ehrungen und Glückwünschen für einen seiner Veteranen nicht fehlen lassen, aber auch im Reich wird man mit warmer Anteilnahme von diesem Jubiläum hören. Manche Glückwünsche werden nach der alten Stadt am Fuße des Küchelbergs gesandt werden, und gern schließen wir ihnen die unsrigen an. Ebenfalls innerhalb der fchwarzgelben Grenzpfähle domizi liert die andere der Jubelfirmen, die ostböhmische Buchhandlung von E. B. Tolman in Königgrätz. Sie wurde am 1. August 1862 von W. I. Hejoman gegründet, der aber selbst kein Fachmann war, so daß die Buchhandlung unter feiner Führung keine große Ausdehnung gewann. Erst mit dem Übergang an B. E. Tolman, 1. April 1875, beginnt der Aufschwung der Firma, die Tolman bis zu seinem Ableben mit gutem Erfolg führte: Er gliederteeine Kunst-, Musikalien- und Landkartenhandlung an, betätigte sich aber außerdem noch öffentlich in vielen Ehrenämtern. Nach feinem Tode übernahm sein Sohn Jiii das Geschäft und führt es im Geiste des Vaters weiter, gleich ihm ist auch er in einer großen Reihe kommunaler und gemeinnütziger Ämter tätig. Unsere besten Wünsche für er folgreiches, glückliches Weiterarbeiten feien ihm zu seinem Ehren tage dargebracht. «L. Bom Meichögericht. — Konkurrenzverbot. (Nach druck verboten.) — Mitglieder einer Gesellschaft pflegen oft eine Konkurrenzklausel untereinander zu vereinbaren, dergestalt, daß keinem Mitglied die Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen gestattet sein soll. Hierzu ist folgender Rechtsstreit bemerkens wert: Der Kaufmann G. war einer der Gründer und ist noch jetzt Gesellschafter der Firma B. L Co., G. m. b. H., Spitzen fabrik in G. § 21 des Gesellschaftsvertrags lautet: »Jedem Gesellschafter ist die direkte oder indirekte Beteiligung an irgendeinem Konkurrenzunternehmen nur mit Genehmigung des Aufsichtsrats erlaubt. Im Zuwiderhandlungsfalle ist eine Konventionalstrafe von 30 000 an die Gesellschaft zu zahlen«. Der Sohn des G. beteiligte sich nun mit 30 000 ^ an einem im Jahre 1910 gegründeten Konkurrenzunternehmen in Z. Die 30 000 wurden ihm von G. gewährt. Dieser hatte mehrfach vergeblich versucht, vom Aussichtsrate feiner Gefellfchaft die Genehmigung zur eigenen Beteiligung an der Gesellschaft in Z. zu erlangen. Die Firma B. L- Co. erhob nunmehr Klage gegen G. mit der Behauptung, G. habe durch die Hingabe der 30 000 ^ an seinen Sohn sowie durch sonstige indirekte und direkte Beteiligung an dem erwähnten Konkurrenzunternehmen die vereinbarte Vertragsstrafe von 30 000 ^8 verwirkt. Land gericht Zwickau und Oberlandesgericht Dresden wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin führte der 2. Zivilsenat des Reichsgerichts aus: Das Berufungsgericht hat tatsächlich fest, gestellt, der Beklagte sei in dem Konkurrenzunternehmen weder entgeltlich noch unentgeltlich tätig gewesen und habe auch seinen Sohn in seiner jetzigen Stellung nicht mit Rat oder Tat unterstützt. Die einzige Handlung, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als eine Beteiligung überhaupt in Betracht kommen kann, besteht darin, daß der Beklagte feinem Sohne Rudolf die 30 000 gegeben hat, mit denen dieser sich an dem Kon- kurrenzunternehmen beteiligt hat. In dieser Beziehung hat nun das Berufungsgericht weiter festgestellt, der Beklagte habe die 30 000 seinem Sohne Rudolf unverzinslich und ohne Ge- winnanteil als väterliche Beihilfe zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung gegen das Versprechen späterer Anrechnung auf sein Erbteil gegeben, nachdem er seinen älteren Sohn Willy mit der gleichen Summe zu dem gleichen Zwecke ausgestattet habe. Rudolf G. habe seine Beteiligung an der Gesellschaft in Z. mit Kapital bereits angeboteu, ehe er mit seinem Vater darüber gesprochen habe. Diese Beteiligung des Rudolf G. fei zwischen dem Oberjustizrat H. und dem Beklagten schon zu einer Zeit, wenn auch noch unverbindlich, besprochen worden, als dem Beklagten die Genehmigung zur eigenen Beteiligung vom Auf- sichtsrate der Klägerin noch nicht versagt gewesen sei. Die Hin gabe der 30 000 sei auch für die Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Z. nicht ursächlich gewesen; diese sei vielmehr auch ohne Kapitalbeteiligung Rudolf G.'s begründet worden. Dem Rudolf G. würde wegen seiner persönlichen Tüchtigkeit auch ohne eine Kapitalbeteiligung die Stellung eines Geschäftsführers in der Gesellschaft übertragen worden sein. Bei einem Gründungskapitale von 400 000 sei endlich der Betrag von 30 000 ^ verhältnismäßig so geringfügig, daß die Hingabe dieser 30 000 ^ noch nicht als eine die Klägerin benachteiligende Stärkung oder Unterstützung des Konkurrenz unternehmens angesehen werden könne. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände enthalte die bloße Hingabe der 30 000 ^8 an Rudolf G. noch keine unter das vereinbarte Konkurrenz verbot fallende Beteiligung des Beklagten an der Gesell schaft in Z., und von einer Vorschiebung der Person Rudolf G.'s, sowie von einer Umgehung des Konkurrenzverbots könne keine Rede sein. Bei der Auslegung der Konkurrenzklausel hat sich das Berufungsgericht von dem Grundsätze leiten lassen, daß die Vertragsbestimmung nicht bloß nach ihrem gewöhnlichen Wort sinne, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte in dem Sinne auszulegen sei, in dem sie die Parteien nach der Entstehungsgeschichte des Vertrags und mit Rücksicht auf den Zweck der Klausel, der Klägerin eine gefährliche Konkurrenz fernzuhalten, verstanden hätten. Diese den besonderen Umständen des Falles mit eingehender Begrün dung Rechnung tragende Vertragsauslegung gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß und unterliegt in tatsächlicher Hinsicht nicht der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Gegenüber der auf die besondere Sachlage gestützten Entscheidung können die Revisionsangriffe, soweit sie sich auf die allgemeine Lebens erfahrung stützen, keinen Erfolg haben. Die Revision wurde deshalb verworfen. (Aktenzeichen: II. 67/12.) Personalnachrichten. Gestorben: am 29. Juli nach kurzem schweren Leiden in fast vollendetem 75. Lebensjahre Herr Gustav Nehrkorn in Fulda. Der Verstorbene besaß die Firma seines Namens vom Jahre 1864 bis 1893 und wußte durch feine Umsicht und Tüchtigkeit dem Geschäft einen weit über die Grenzen Kurhessens hinaus gehenden guten Klang zu verschaffen. — Er ruhe in Frieden!