Volltext Seite (XML)
178, 3. August 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f, d, Dtschn. Buchhandel. 8261 daß der Verlagsbuchhandel der Bibliotheken in besonderem Maße bedürfe. Der Hinweis auf andere Länder ist durchaus hinfällig, denn wenn die Maßregel eine ungerechte ist, so wird sie da durch nicht besser, daß auch andere Staaten sie verhängt haben. Deutschland ist auf dem Gebiet des Urheber rechts und in allem, was damit zusammenhängt, von je der führende Staat gewesen. Es liegt also gar kein Grund vor, eine Einrichtung nur deshalb für besser zu halten, weil sie im Auslande besteht. Wenn einzelne deutsche Staaten dieses Überbleibsel längst überwundener Zeiten noch nicht abgeschafft haben, so ist das zwar zu bedauern, doch aber gewiß kein Grund für einen Staat, der hier mit gutem Beispiel vorangegangen ist, in das alte Unrecht zurückzufallen, das er bereits seit 40 Jahren überwunden hat. Daß die Verleger freiwillig Studienexemplare nicht ein geliefert haben, ist ganz sicher kein Grund, sie ihnen nun »kraft Gesetzes< wegzunehmen! Und warum wird eine solche freiwillige Leistung, die von keinem anderen Gewerbe ver langt wird, gerade vom Verleger erwartet? Gerade von ihm, der seiner Pflicht gegenüber dem Staat wie jeder andere Berufszweig erfüllt, der Wissenschaft aber gerade in Deutsch land in einem Umfange und mit einer Opferfreudigkeit dient, wie das in keinem anderen Lande geschieht? Für die Frage von Recht und Gerechtigkeit macht es nicht das geringste aus, ob die geplante Belastung vom Verlagsbuchhandel schwer oder leicht zu tragen ist. Aus drücklich sei aber hervorgehoben, daß sie für einzelne Verleger unzweifelhaft recht empfindlich sein und sich auf weit über 1000 ^ jährlich beziffern könnte. Die Parallele zwischen Autorrecht und Patentrecht ist eine durchaus unzutreffende. Der Schutz von Patenten und Mustern kann dem Einzelnen vom Staat immer nur auf besonderen Antrag gewährt werden, und hier liegt in jedem einzelnen Falle die unbedingte Notwendigkeit vor, von An fang an ganz genau festzulegen, worauf sich der nachgesuchte Schutz erstrecken soll. Dadurch entstehen besondere Kosten, zu deren Tragung mit vollem Recht diejenigen herangezogen werden, die diesen Schutz anrufen. Das deutsche Urheber recht kennt aber keine Förmlichkeiten mehr, an die die Gewährung des Schutzes geknüpft wäre, und aus seiner Handhabung erwachsen darum dem Staate keinerlei Kosten, die dem Verlagsbuchhandel mit Recht aufgebürdet werden könnten. Nun sagt man, die Pflichtexemplare seien eine Steuer, die in Parallele zu stellen sei den vom Produzenten ein- gezogenen Konsumsteuern, wie sie vielfach und mit dem besten Erfolg erhoben und wie sie, obgleich viel höhere Er träge bringend, von den Produzenten ohne weiteres getragen würden, so z. B. Brausteuer, Schaumweinsteuer, Zigaretten steuer und viele andere. Dagegen ist einzuwenden, daß der Verleger nur scheinbar Produzent des Buches ist, daß dieses vielmehr in Wirklichkeit vom Autor hervorgebracht wird. Niemand aber wird daran denken, die literarische Produktion oder gar die literarische Konsumtion mit einer Steuer zu belasten! Nur weil der wahre Charakter der Steuer infolge der Überschiebung auf den Verlagsbuchhandel ver schleiert ist, wird sie von einzelnen Seiten befürwortet. Würde sie als eine Auflage auf die Befriedigung geistiger Bedürfnisse auftreten, wie sie es in Wahrheit ist, so würde sie sicherlich von keiner Seite verteidigt werden. Die von dem Bericht behauptete besonders starke Be nutzung der Bibliotheken durch den Verlagsbuchhandel ist durchaus zu bestreiten. Die als Beispiel angeführten Sendungen an die Firma F. A. Brockhaus in Leipzig liegen viele Jahrzehnte zurück und sind, soviel wir wissen, seit langer Zeit nicht wiederholt worden, obgleich das Brock- Börsenblatt für d«n Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. haussche Konversationslexikon seitdem vielfache und tief greifende Umarbeitungen erfahren hat. Eine Statistik über die Berufsschichten, die die in Rede stehenden Bibliotheken be nutzen, würde unzweifelhaft ergeben, daß der Verlags buchhandel mit keinem besonders hohen Prozentsatz beteiligt ist. sondern daß die Bibliotheken in erster Linie den Ge lehrten dienen. Niemand aber denkt daran, diesen dafür eine Sondersteuer aufzuerlegen. Warum soll es also beim Verlagsbuchhandel geschehen? Dis Forderung der Pflichtexemplare erhält einen Schein von Berechtigung, wenn von ihrer Erfüllung die Sicherung des Urheberrechts abhängig gemacht wird, oder wenn durch sie die Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Bibliographie eines Landes gesichert und eine große Zentralsammlung ge schaffen werden soll, die die gesamte literarische Produktion eines Landes für die Zukunft verwahrt. Beide Gesichts punkte treffen aber für Deutschland nicht zu. Das deutsche Urheberrechtsgesetz sieht aus triftigen Gründen, deren Er örterung hier zu weit führen würde, grundsätzlich (mit be langlosen Ausnahmen) von jeder Formalität für die Sicherung des Ürheberrechts ab; die deutsche Biblio graphie steht ohne Pflichtexemplare auf einer Höhe, die in vielen anderen Ländern nicht erreicht, in keinem aber übertroffen wird, und eine Zentralbibliothek für Deutschland ist leider bisher immer noch ein unerfüllter und, wie die Verhältnisse einmal liegen, voraussichtlich un erfüllbarer Wunsch geblieben. Aber auch diese beiden Gründe würden nicht ausreichen, um die Rückkehr zu dem System der Naturalabgaben zu rechtfertigen, das von allen Kulturstaaten längst und aus guten Gründen verlassen worden ist. Außer den im Deputationsbericht angeführten Gründen ist gelegentlich der Erörterung im Landtage nur noch ein Argument hervorgetreten, nämlich die Behauptung, daß die Verleger der Welt auf ihren Kongressen die Pflichtexemplare als eine Notwendigkeit anerkannt hätten. Diese Behauptung ist unrichtig. Die Frage nach der Berechtigung der Pflicht exemplare ist nur einmal — auf dem Kongreß von London — behandelt, hier in der denkbar schärfsten Weise verurteilt und die Abschaffung der Pflichtexemplare verlangt worden. Wir glauben im Vorstehenden einwandfrei nachgewiesen zu haben, daß es nicht einen einzigen Rechtsgrund gibt, aus dem die geplante Maßregel auch nur einigermaßen gerecht fertigt werden könnte. Diesem Standpunkt sind nicht nur die sächsischen Stände im Jahre 1870 beigetreten, sondern u. W. auch alle hervorragenden Rechtslehrer, soweit sie sich zu diesem Gegenstand geäußert haben. Was endlich die gerechte Verteilung unter diejenigen anlangt, denen die Steuer auferlegt wird — eine der wesent lichsten Forderungen, die an jede Steuer zu stellen ist —, so ist einleuchtend, daß das Pflichtexemplar notwendiger weise stets eine ungerechte Verteilung mit sich bringt. Denn derjenige Verleger, der Werke zu verhältnismäßig billigem Ladenpreis in großen Auflagen druckt, wird durch diese Steuer nur sehr wenig, derjenige Verleger aber, der teure Werke in kleinen Auflagen verlegt, unter Umständen in empfindlichster Weise betroffen. Ein Ausgleich dieser im Wesen der Steuer bedingten Ungerechtigkeit ist auf keine Weise möglich, auch nicht durch Vergütung des Herstellungs- oder Buchhändlerpreises für gewisse Werke. Es sei nebenbei bemerkt, daß gerade bei teuren Werken und kleinen Auflagen der Steuerbetrag stets doppelt zu rechnen ist; denn in diesem Falle hat der Verleger nicht nur die Pflichtexemplare umsonst wegzugeben, sondern er verliert auch durch Leistung dieser Steuer ebensoviel sichere Abnehmer, als er Exemplare liefert. Nun ist freilich zuzugeben, daß vielleicht bei keiner 1078