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8264 Börsenblatt f. d. DIschn. Buchhandel. Sprechsaal. ^ 178, 3. August 1908. Jetzt wäre es im Interesse des Ortsbuchhandels zweifelsohne erwünscht gewesen, wenn diese kleine Schriftenniederlage sich an eine am Platz befindliche Buchhandlung angeschlossen hätte und gewissermaßen als Filiale weitergeführt worden wäre, wie es vielenorts auch geschahl Aber ich frage alle begeisterten »Vereinslcute«, welcher Couleur auch immer: ist es zu verwundern, daß hie und da ein Vereins leiter im Zeichen der Gewerbefreiheit der Versuchung er legen ist, seinem geliebten Verein diese auf der Linie seiner Missionsaufgabe liegende und daneben gar noch etwas Gewinn bringende Arbeit zu erhalten? Kam nun hinzu, daß an dem betreffenden Ort kein Buchhändler war, der ein ausgesprochen christliches Interesse bekundete, oder aber stand der am Platz be findliche christliche Buchhändler einer dem Verein entgegen gesetzten kirchlichen Richtung nahe, so ist es zum mindesten erklärlich, wenn man sich nicht entschließen konnte, die Schriften niederlage einer Buchhandlung zu übertragen, mit der man sich nicht in innerer Harmonie befand. Dienten diese -christlichen Schriftenniederlagen« zunächst mehr den engeren Vereinskreisen, so wurden im Laufe der Zeit auch Vereinsbuchhandlungen mit von vornherein umfassenderen Auf gaben aus folgenden Gesichtspunkten ins Leben gerufen: »Den Dienst der Inneren Mission im Volk durch das Mittel der Presse zu unterstützen«, erkannte bereits Wichern als eine der vorzüglichsten Aufgaben der Inneren Mission. Je größere Be deutung Presse und Literatur nun in unserem Volksleben erlangten, desto brennender wurde diese Frage für die Organe der Inneren Mission. Anderseits wuchs das Werk der Inneren Mission je länger je mehr; es entstanden Landes- und Provinzialverbände, die verschiedenen Richtungen, Schattierungen, »Denominationen» rc. schufen sich straffere Organisationen, kurz: Fortschritt, Entwicklung überall, nur auf literarischem Gebiet sollen — nach Herrn Cludius — die von alters her überkommenen christlichen Organi sationen vollständig ausreichen, um den Anforderungen einer neuen Zeit zu genügen! Zahlreiche tatkräftige, junge christliche Buchhändler, aus den altbewährten christlichen Häusern hervorgegangen, waren anderer Ansicht. Sie paßten sich den Verhältnissen an und gründeten von sich aus christliche Spezialbuchhandlungen. Daneben er kannten aber auch die Leiter jener großen Verbände den Vorzug einer buchhändlerisch organisierten Schriftenverbreitung und machten auf Grund der bestehenden Gewerbefreiheit den Versuch, im engsten Anschluß an ihren Provinzial- oder Landesverein die Schriftenverbreitung buchhändlerisch zu organisieren, da sie nur dann in der Lage zu sein glaubten, den Schriftenvertrieb ihren Wünschen und den Grundsätzen des Vereins entsprechend zu gestalten. Keinesfalls stand im allgemeinen der Wunsch, Geld zu verdienen, im Vordergrund, ja vielenorts brachte der Verein für den Schristenvertrieb erhebliche Opfer (Traktatoerbreitung, Kolportage rc.). Wenn nun tatkräftige Leiter auch dieser Vereinsbuchhand lungen im Laufe der Zeit suchten, ihre Unkosten und, wo möglich, etwas darüber, durch Hebung des Umsatzes in gewissen Grenzen etnzubringen, so ist das erklärlich und nach meiner Überzeugung in keiner Weise anfechtbar. Daß aber durch diese Vereinsbuchhandlungen der Sortimenter, insonderheit der selbständige christliche Sortimenter aus seinem Besitzstand verdrängt wird, wie Herr Cludius meint, kann in dieser Verallgemeinerung ebensowenig behauptet werden. Ich wenigstens habe noch nichts davon gehört, daß seit Be gründung der ersten Vereinsbuchhandlung der Sortimenter, auch der christlichen, weniger geworden wären! Ich behaupte im Gegen teil, daß die Innere Mission durch Begründung von Vereinsbuch handlungen zahlreichen christlichen Buchhändlern zu selbständiger Existenz verholfen und ihnen ein Erwerbsfeld geschaffen hat. Es läßt sich an der Hand der Wallmann'schen Liste leicht Nach weisen, wieviele solcher Vcreinsbuchhandlungen im Laufe der Zeit in das Eigentum eines tüchtigen Buchhändlers übergegangen sind, nachdem der betreffende Verein vielleicht mit großen Opfern sie eingerichtet und jahrelang aufrecht erhalten hat. Daß durch diese Dezentralisation des christlichen Schriftenvertriebs einige der alten großen Unternehmungen in Mitleidenschaft gezogen wurden, war nicht zu verhindern. Ist das vom sozialen Gesichtspunkt aus aber zu beklagen, wenn dafür so und so vielen Buchhändlern die Möglichkeit zu gewinnbringender, selbständiger Tätigkeit ge geben wurde? Kaum eine der alten christlichen Buchhandlungen ist von dieser Entwicklung vielleicht mehr betroffen worden, als die Agentur des Rauhen Hauses, die im Lause der Zeit fast alle die zahlreichen kleinen Prioat-Schriftenniederlagen, die sie ver sorgte, eingehen sah, weil in der betreffenden Stadt oder Gegend christliche Spezialbuchhandlungen sich auftaten. Sollte man darüber nun jammern und wehklagen? Man zog vor, sich den Verhält nissen anzupassen, und erlebte, daß ein Vielfaches von dem, was früher auf direktem Wege und durch Prtvatvermittlung abgesetzt wurde, nunmehr auf weit angenehmere Weise durch Vermittlung des christlichen und allgemeinen Sortiments Verbreitung findet. Leidet aber nun durch die Entstehung der zahlreichen christ lichen Speztalsortimente wirklich der Absatz von christlicher Literatur bei denjenigen allgemeinen Sortimentern, die überhaupt je Interesse dafür bekundet haben? Wenn man zuverlässige statistische Erhebungen hierüber aus stellen könnte, so glaube ich gewiß, daß im großen und ganzen sich unsere Erfahrung in bezug auf den Absatz christlicher Verlags artikel auch sonst bestätigen würde, daß nämlich das allgemeine Sortiment trotz Entstehung der christlichen Spezialgeschäfte noch immer ein weites Absatzgebiet für christliche Literatur hat, und das ganz einfach darum, weil einerseits der Konsum durch die intensive Arbeit der Inneren Mission enorm gesteigert worden ist und anderseits die gebildeten Käuferkreise, wie ich glaube, in der Mehrzahl »ihrer Buchhandlung- treu bleiben, während die schlichten christlichen Volkskreise, aus denen sich hauptsächlich die Käufer der Vereinsbuchhandlungen zu sammensetzen, auch früher niemals Kunden des allge meinen Sortiments gewesen sind. Ich bin am Schluß. — Es liegt mir fern, gewisse Ubelstände, die sich hie und da im Verhältnis des christlichen zum Gesamt buchhandel herausgebildet haben, leugnen zu wollen; mir lag nur daran, festzustellen, daß wohl Einzelne hie und da durch die Konkurrenz zu leiden haben, daß im allgemeinen die Gefahr aber nicht so groß ist, wie sie in der Hitze des Gefechts dar gestellt wird, und ferner, daß kaum jemand ernster ge willt sein kann, allen Auswüchsen entgcgenzutreten, als gerade die -Führer der Inneren Mission«. Das haben die Verhandlungen des »Verbandes evangelischer Buchhändler» mit den Vertretern der Inneren Mission auf dem 34. Kongreß der Inneren Mission in Essen bewiesen; das bezeugt vor allem die mit großer Genugtuung begrüßte Einsetzung einer gemischten Kommission, bestehend aus Vertretern des Zentralausschusses für Innere Mission und einer Reihe von angesehenen christlichen Sortiments- und Verlagsbuchhändlern, deren Aufgabe es sein wird, in gemeinsamer Arbeit solche Mißstände zu bekämpfen und vor allem wirklich überflüssige Gründungen nach Möglichkeit zu verhindern. Hamburg, den 30. Juli 1908. Ernst Fischer, Leiter der Agentur des Rauhen Hauses. Neues von der Stahel'schen Verlagsanftalt. Die Stahel'sche Verlagsanstalt lieferte mir am 29. Januar 190? 2 Gemeinnützige polytechnische Monatsschrift 1907 Nr. 1 pro komplett L 4 ^ ord., 2 80 bar. Die Lieferung der Fort setzung erfolgte bis Heft 6, das am 9. August 1907 bei mir ein ging. Die noch fälligen Hefte 7 bis 12 konnte ich bisher nicht erhalten, obwohl ich sie gewiß sechsmal auf die verschiedenste Art und Weise reklamierte. Genau wie in den auf den Schreibkalender bezüglichen Fällen ignoriert auch hier die Firma alle Reklamationen, obwohl sie ganz ohne Zweifel rechtlich verpflichtet ist, die fehlenden Hefte nachzuliefern oder den Betrag zurückzuerstatten. Ich werde diesen schweren Fall geschäftlicher Rücksichtslosigkeit selbstverständlich nicht ohne weiteres hinnehmen und meinen Rechtsanwalt mit der weiteren Verfolgung betrauen. Sollte noch eine oder die andere Firma in der gleichen Angelegenheit mit Stahel zu tun haben, so bitte ich mir das behufs gemeinsamen Vorgehens mitzuteilen. Erlangen, 22. Juli 1908. Theodor Krisch e.