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7870 Nichtamtlicher Teil. oR 219. 20. September 1904. die Drohung vom Käufer als ein Übel empfunden wird, als Erpressung zu bestrafen sein. Denn der Verläufer erstrebt einen Vermögensoorteil, auf den er -noch keinen rechtlichen Anspruch» hat. Also ist mit der Anwendung dieses Z weder den wirtschaftlichen Verhältnissen gedient, noch ent spricht sie dem allgemeinen Rechtsbewußtsein.» Liefmann wendet sich nun.der Frage zu. die für die rechtliche Beurteilung der Verlegererkiärung von Bedeutung ist. ob es überhaupt ein begründetes Recht gebe, des Käufers, zu kaufen von wem er will, oder des Verläufers, an wen er will, und ob dieses »Recht» nicht durch Verein barungen beschränkt werden könne. Stz 1 und 7 der Ge werbeordnung können als Grundlage eines solchen Rechtes nicht in Betracht kommen. -Der Umstand, daß der Käufer die Auswahl unter verschiedenen Verkäufern hat, ist kein irgendwie festgelegtes Recht desselben, sondern eine rein wirtschaftliche Tatsache, die Folge des Umstands, daß mehrere Personen in dem betreffenden Gebiete sich demselben Gewerbe zugewandt haben. Nur die gesetzliche Möglichkeit dazu hält die Rechtsordnung durch das Prinzip der Ge werbefreiheit allen Wirtschaftssubjekten offen, sie hindert aber niemanden, sei es durch wirtschaftliche Maßnahmen. Nieder konkurrieren, Aufkäufen, sei es durch Vereinbarungen, diesen Zustand, d. i. den der Konkurrenz, aufzuheben oder zu be schränken. Geschieht dies, so entfällt damit zugleich jene wirtschaftliche Tatsache, daß der Käufer unter den Verkäufern die Auswahl hat.« Aber selbst bei Annahme des Vorhandenseins eines solchen -Rechts- des Käufers, »zu kaufen von wem er will.- wäre doch mit diesem -Recht- weder strafrechtlich noch zivil- rechtlich etwas anzufangen-, da ein solches Recht unbedingt durch Vereinbarung der Beteiligten aufgehoben werden könne, wolle man nicht eine »übermäßige Hemmung des wirtschaft lichen Lebens- herbeiführen und »die Verwirklichung einer ungeheuren Anzahl prioatwirtschaftlich und volkswirtschaft lich nützlichen Zwecke überhaupt» hindern. Liefmann belegt dies durch zahlreiche Beispiele und hält es überhaupt für zweifelhaft, »ob ein strafrechtliches Vorgehen im Falle der Exklusionsverträge dem allgemeinen Rechtsbewußtsein und den wirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht-. Einem Recht der Käufer, zu kaufen, oder auch nicht zu kaufen, von wem sie wollen, müßte ein Recht der Verkäufer, zu verkaufen oder nicht zu verkaufen, an wen sie wollen, entsprechen, ebenso das Recht, darüber Vereinbarungen zu treffen. Ver bieten kann man die Exklusionsverträge allgemein nicht: »das Wirtschaftsleben bedarf ihrer als eines der wichtigsten Organis ationsmittel.« Liefmann kommt also genau zu demselben Ergebnis, das ich in meinem Aufsatz: »Die Verlegererklärung und die Rechtsprechung- zu erreichen versucht habe, nämlich zu dem Nachweis, daß weder eine zivilrechtliche noch eine strafrecht liche Norm besteht, die den einzelnen oder eine Per sonenmehrheit zwingt, ihre Ware an jeden abzu geben. der zur Zahlung des Preises bereit ist, eben sowenig ein Gesetz, das den einzelnen oder eine Personenmehrheit verhindert, die Bedingungen zu stellen, unter denen sie ihre Waren abgeben wollen, und daß die dieser entgegenstehende Anschauung des Reichsgerichts rechtlich unhaltbar und wirtschaftlich schäd lich ist. Die »Kontradiktorischen Verhandlungen- haben am 11.. 12. und 13. April 1904 stattgefunden. Ob der Akademische Schutzverein mit besonderen Hoffnungen oder Be fürchtungen diesen Tagen entgegengesehen hat, ist mir nicht bekannt, daß bei dem Buchhandel weder die einen noch die andern vorwogen, darf wohl gesagt werden. Vielmehr war hier und da eine gewisse naive Neugier vorhanden, was denn nun aus den Verhandlungen für Erleuchtungen hervor gehen würden, und ob diese Verhandlungen zwischen den streitenden Gruppen imstande sein würden, einen Weg zu weisen, wie die Schäden zu beheben seien, die die Akademiker an dem Buchhandel herausgefunden hatten, wie die Organi sation zu bessern sei, die Bücher zwar angegriffen hatte, ohne aber den Weg zu zeigen, wie sie geeigneter zu machen sei. um die Erfüllung ihrer Aufgabe, die Verbreitung der geistigen Apostel, ihre Sendung in alle Welt, zu gewähr leisten. Die Frage, die zur Berufung dieser Versammlung den Anstoß und die ihr den Namen gegeben hat, die Frage, ob der Börsenverein ein Kartell sei. stand wohl bei Regierung, Akademikern. Bibliothekaren, ebenso wie bei den Buchhändlern erst in zweiter Linie, wenn auch nicht versäumt werden durfte, die Gelegenheit zu benutzen, auch hierüber zur Klarheit zu kommen. Die Hauptsache blieb aber, einmal in aller Öffentlichkeit, Mann gegen Mann. Buchhandel und seine Gegner zu Worte kommen zu lassen, die Organisation des Buchhandels und die Leistungen dieser Organisation, die Tätigkeit des Sortiments und seine Ent stehung. die Leistungen des Verlags und seine Stellung zu den Autoren, die Wirkungen des Kommissionsgeschäfts auf den Büchervertrieb. die Kosten der Buchherstellung und des Bücheroertriebs, die Möglichkeit eines Vertriebs durch direktes Arbeiten des Verlags mit dem Publikum, die teilweise Aus schaltung des Sortiments und die dadurch bewirkte Kosten ersparung zu besprechen und festzustellen. Die Verhandlungen haben also stattgefunden, und es waren zu ihnen Einladungen einmal an Persönlichkeiten erfolgt, die das Reichsamt selbst bestimmt hatte, dann an die von dem Akademischen Schutz verein. endlich an die von dem Börsenverein als Sach verständige vorgeschlagenen Personen. Im ganzen waren 71 Herren dieser Einladung gefolgt, während 11 ihr Aus bleiben entschuldigt hatten. Es war also ein ganzes lite rarisches Parlament versammelt, zu dessen Leitung ein ganz außerordentliches Geschick erforderlich war, um so mehr, als die Versammelten wohl zu großem Teil aus redegewandten und auch redefrohen Personen bestanden, und die Gefahr vor handen war. daß die Reden sich ins Uferlose verirrten, ohne greifbare Ergebnisse zu zeitigen. Daß die Annahme einer ge wissen Redefroheit keine unberechtigte ist. ergibt sich aus dem Umfang der Verhandlungen, die im Reichsanzeiger 57 dreispaltige Seiten in großem Folioformat füllen, während der Abdruck in 8".. den ich diesen Betrachtungen zu grunde lege, 28 Bogen füllt. Die Leitung der Verhand lungen lag in den bewährten Händen des Geheimen Regie rungsrats vr. van der Borght, und damit war die Gewähr gegeben, daß die Schwierigkeiten, die ich oben angedeutet habe, überwunden werden würden. Daß dies der Fall ge wesen ist, und von den Teilnehmern an den Verhandlungen auch anerkannt worden ist. bewies der lebhafte Beifall, den der Dank, den Or. Eduard Brockhaus dem Leiter am Schluß der Verhandlungen spendete, gefunden hat. Den Eingeladenen war zur Orientierung ein ausführ licher »Bericht über die zwischen der Wissenschaft und dem Buchhandel entstandenen Meinungsverschiedenheiten- zuge gangen. der den Regierungsrat vr. Voelcker zum Verfasser hat und der in objektiver Weise die Streitpunkte erörtert. Diesem Bericht war ein Fragebogen beigefügt, der den Be sprechungen zugrunde gelegt wurde. Diese Fragen lauteten: 1. Bestehende Gliederung des Buchhandels und seiner Organisationen (Kartell). 2. Bestehende Organisationen der Bllcherkäufer (Akademischer Schutzverein. Verein deutscher Bibliothekare). 3. Wirkungen der bisherigen Organisation und Gliederung des Buchhandels in bezug auf: