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O 209, 9. September 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt 7 0 Dtschn Buchhandel 10235 stellten. Auf Antrag der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin hat nunmehr der Polizeipräsident beschlossen, beim Neudruck der Formulare eine präzisere Fassung zu wählen, damit derartigen Mißverständnissen in Zukunft vorgebeugt wird. (Aus den im Reichsamt des Innern zusammen gestellten »Nachrichten für Handel und Industrie«.) An der TodeSstätte I. PH. Palms. — Unter dieser Uber schrift wird dem »Fränkischen Kurier« (Nürnberg), geschrieben: M. Der Wanderer, der das hübsche Jnnstädtchen Braunau be sucht, um seine Sehenswürdigkeiten zu betrachten, stößt bei seinem Rundgang auch auf die »Palm-Anlage« mit dem in Haltung und Ausdruck vortrefflich gelungenen Denkmal des ersten Blutopsers politischen Zeugniszwanges in Deutschland. Der Freund der vaterländischen Geschichte wird sich mit dem Anblick des würdigen Monuments nicht zufrieden geben, sondern auch nach weiteren Palm-Erinnerungen fragen, insbesondere nach der Stätte, wo die Brust des edlen deutschen Bürgers und Helden die gallischen Kugeln trafen. Dabei kann es dem Suchenden gehen wie dem Schreiber dieser Zeilen. Ein Teil der befragten Braunauer wußte überhaupt nicht, ob Palms Todesstätte gekennzeichnet sei. Einige meinten, daß dies der Fall sei, und nach einem Dutzend haltloser Mitteilungen versicherte ein junger Mann, er kenne die Stelle genau, sei jedoch noch nicht dort gewesen, wolle mich aber hinführen, um seiner Ehrenpflicht gegenüber Palm nach zwei jähriger Anwesenheit in Braunau ebenfalls zu genügen. Wir befanden uns bereits in der Nähe der historischen Stätte, nämlich einige Minuten vor dem Stadttor an der Straße nach dem geschichtlich gleichfalls berühmten Städtchen Nied. Hier erstreckt sich links das Lager eines Steinmetzen bis unmittelbar an den Straßenkörper. Zwischen zwei mächtigen Pseudo-Akazien (Robinien) steht in einem verborgenen Winkel hinter dem Lager ein kleiner verwitterter Granitsockel und auf diesem ein vier seitiger, etwa 40 Zentimeter hoher Säulenstumpf mit der Inschrift: »Palms Ende 1806, 26. August«. Aber mein Begleiter belehrte mich sofort, daß dies nicht die eigentliche historische Stelle sei, und führte mich nun neben dem Gartenzaun des Steinmetzhauses zu einem weiter zurückstehenden Parterre häuschen, so niedrig, daß sein Blechdach mit hochgestreckter Hand erreicht werden kann. Hinter dem Häuschen und seinen wirt schaftlichen Nebenräumen breitet sich eine etwa ein halbes Tag- weik große Wiese aus, die mit zahlreichen Obstbäumen bestanden und mit einem Naturheckenzaun eingefaßt ist. In der Nordostecke des Gartens gewahrt man etwas, das auf einige Meter Ent fernung wie ein Kindergrab aussieht. Näher gekommen, erkennen wir eine halbkreisförmige Buxumzäunung und in deren Milte einen ungefähr 25 em hohen Steinsockel mit der Inschrift: »I. PH. Palm, f 26. August 1806«. Das also war der Ort, wo der rückgratfeste Mann, ein wunder bares Beispiel von Heldensinn in feiger Zeit, dem korsischen Usur pator mit seinem Tode bewies, daß Deutschland noch Männer habe, die Wahrheit und Ehre höher schätzen als Familie und Leben und vor den furchtbaren Machtmitteln eines Tyrannen nicht erschrecken. Der Platz schien mir trotz des Schmuckes einiger Blumentöpfe gegenüber seiner Bedeutung armselig, weltvergessen und verlassen. Auf dem Rückwege trat eine Frau im Arbeitsgewand aus dem Häuschen, und ich fragte sie, wem das Grundstück gehöre. Sie erwiderte, ihr und ihrem Mann; weiter, seit wann sie es be säßen. Antwort: Seit dem letzten Oktober — »Und wer hat den Blumenschmuck auf Palms Todesstätte gesetzt?« — »Wir, denn «vorher war dort alles verwildert.« — »Da sind Sie wohl damit beauftragt worden, vielleicht von der Stadt Braunau?« — »Nein, von niemand.« — »Aber warum taten Sie es denn? Wissen Sie denn etwas von diesem Palm?« — »Wir haben einmal gelesen, daß er ein bedeutender Mann gewesen sein soll, und deshalb werden wir ihm auch heute an seinem Sterbetage noch einen Kranz dazu legen.« Die Mitteilungen dieser einfachen Frau regten eine Kette von Gedanken in mir an Zunächst noch gewann die Rührung die Oberhand ob der schönen Handlungsweise dieser schlichten Menschen — Büchner ist ihr Name. Dann sagte ich mir: Was diese Leute für Palm getan haben und noch tun aus bloßer Ge mütstiefe, das zu tun wäre Pflicht des deutschen Volkes oder wenigstens des deutschen Buchhändlerstandes, vielleicht auch der Stadt Nürnberg, der Heimat Palms, oder irgendeines histo rischen Vereins, deren wir nach Hunderten in Deutschland zählen. Weiter fragte ich mich: Sollten von dem Fonds, der zur Er richtung des Palm-Monuments geschaffen wurde, nicht ein paar Märklein übrig geblieben sein, um jenen Quadratmeter Erde, worauf Palm kniend seine heroische Seele aushauchte, käuflich zu erwerben und ihn dauernd dem deutschen Volke als eine Re liquie von ebenso hohem tragisch-historischem wie symptomatischem Wert zu erhalten? Und wenn die Frage verneint werden sollte, dürften nicht die vorgenannten Korporationen etwa 100 auf bringen, ein Sümmchen, das gewiß hinreichen würde, den histo rischen Fleck dauernd für uns Deutsche zu sichern und auch einen kleinen Fußweg dahin zu schaffen, damit der Besucher nicht durch hohes Gras waten muß? Ist es ja doch überhaupt ein Wunder zu nennen, daß die Stelle in 104 Jahren noch nicht von einem der vielen Kleinhäusler, in deren Besitz sie gewesen ist, hinweg rasiert wurde, um jährlich ein paar Kilo Heu mehr von der Wiese zu ernten. Es soll auch dafür gesorgt werden, daß der Deutsche, der künftig den historischen Ort betritt, ihn nicht mit jenen gemischten Gefühlen verlassen wird wie der Verfasser dieser Zeilen. («Fränkischer Kurier«.) In Österreich verboten. — Das k. k. Kreis- als Preßgericht in Bozen hat mit dem Erkenntnisse vom 31. August 1910, Pr. 10/10, die Weiterverbreitung einer Photographie und einer Reproduktion derselben in Form einer Ansichtskarte, beide mit Nr. 2798, der Orts bezeichnung »Moos im Sextentale« und der Firmabezeich nung »Verlag Stengel L Co., Dresden« versehen, dar stellend das Werk Haideck der Sperre Sexten, nach Artikel IX des Gesetzes vom 17. Dezember 1862, R.-G -Bl. Nr. 8 ex 1863, verboten. (Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 203 vom 6. September 1910.) Paketbeförderunfl Berlin Frankfurt (Main) und Berlin- München. — Hierzu schreibt die »Vossische Zeitung« (Berlin): Die ungewöhnlich langsame Beförderung der Postpakete von Berlin nach Süddeutschland gibt den kaufmännischen Kreisen schon seit Jahren zu berechtigten Klagen Veranlassung. So kommen die in den Nachmittags- und Abendstunden in Berlin zur Post gegebenen Pakete nach Frankfurt (Main) und München in beiden Orten erst am dritten Tage vormittags zur Bestellung. Im Verkehr mit Nürnberg haben sich die Ver hältnisse, wie wir bereits mitteilen konnten, insoweit gebessert, als es durch Benutzung eines auf der Strecke Halle— Saalfeld mit unmittelbarem Anschluß nach Nürnberg eingerichteten Eilzuges — ab Halle 6 Uhr 15 Min. früh, an Nürnberg 1 Uhr 8 Min. nachmittags — sich jetzt ermöglichen läßt, sämtliche in den Nachmittags- und Abendstunden in Berlin aufgelieferten Pakete für Nürnberg so zeitig nach dem Bestimmungsort zu bringen, daß sie bereits am folgenden Tage nachmittags in die Hände der Empfänger gelangen. Eine Beschleunigung der Postbeförderung nach Frankfurt und München scheint zurzeit leider nicht in Aussicht genommen zu sein. Und doch dürfte eine solche nach unserem Dafürhalten bei richtiger Ausnutzung der vorhandenen Zugverbindungen unschwer zu erreichen sein. Weshalb wird der 7 Uhr 30 Minuten abends vom Anhalter Bahnhof abfahrende, in Frankfurt am nächsten Tage 12 Uhr 21 Minuten mittags eintreffende Zug 208 nicht zur Paketbeförderung von Berlin nach Frankfurt benutzt? In diesem Zuge läuft jetzt schon ein Bahnpost wagen, der jedoch im wesentlichen nur zur Aufnahme der Briefpost, Zeitungssöcke und Wertpakete dient. Für gewöhnliche Pakete nach Frankfurt soll der Bahnpostwagen des Zuges 208 keinen Raum bieten, und die schon wiederholt verlangte Ein stellung eines Beiwagens von Berlin nach Frankfurt in diesen Zug ist post- und eisenbahnseikig stets abgelehnt worden. Nun glauben wir aber zu wissen, daß dem Zuge 208 in Corbetha zwei Postbeiwagen von Leipzig nach Frankfurt zugeführt werden, und es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob denn die Pakete aus Leipzig vor denjenigen aus Berlin, oder die Sendungen von einem Unterwegsorte vor denjenigen 1331*