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177, 3. August 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 8923 Nichtamtlicher Teil. Der XXXI. Kongretz der Xssociakioli litleraii-e et si-tistiqus interngtionsle. Kopenhagen, 21. bis 26. Juni 1St>9. (Übersetzt aus Droit ä'Lvlour, Nummer vom IS. Juli 1909, S. 90—100.> lFortsetzung zu Nr. 17S, 170 d. Bl.) Werke der angewandten Kunst. In seinem allgemeinen Bericht hatte Herr Osterrieth sich die Darstellung angelegen sein lassen, daß aus der Berliner Konferenz, wo die Werke der angewandten Kunst vom obligatorischen Schutz ausgeschlossen und der Be handlung nach Matzgabe der Landesgesetze ausgeliefert wurden, ein Mißverständnis zwischen der Mehrheit der Delegierten und der englischen Abordnung geherrscht habe; letztere hatte sich vornehmlich dem Vorschläge der deutschen Regierung widersetzt mit der Behauptung, die Mehrzahl der unter dem Ausdruck »Werke der angewandten Kunst fallenden Werke gehöre gar nicht in das Gebiet der Kunst, sondern stelle gewerbliche Schöpfungen dar, deren Schutz durch die Gesetze und Verträge betreffend gewerbliche Muster und Modelle gesichert sei. Herr Osterrieth glaubt nun die Divergenzen folgendermatzen lösen zu können: Dis Beifügung der Werke der angewandten Kunst zu den ge schützten Werken war in verschiedenen Ländern, worunter Frankreich und Deutschland zu erwähnen sind, deshalb nötig ge- worden, weil deren Rechtsprechung oder Gesetzgebung den künstlerischen Schöpfungen, die eine gewerbliche Bestimmung hatten oder einen Gebrauchsgegenstand darstellten, den Schutz versagten. Um diese Einschränkung zu beseitigen, sah man sich genötigt, den Schutz aus jedes Werk auszudehnen, das ein künstlerisches Gepräge trägt, ganz unbeschadet seiner Bestimmung; wobei man übrigens keineswegs solchen industriellen Schöpfungen, die nicht in das Gebiet der bildenden Künste gehören, den Charakter von Kunstwerken zuschreiben wollte. In England besteht nun eine solche Einschränkung nicht. Schon heute ge- statten nämlich die englischen Gesetze, beispielsweise eine aus einem Teller angebrachte Malerei oder eine zu Beleuchtungszwecken verwandte Bildhauerarbeit zu schützen, was in Deutschland vor dem neuen Gesetz von 1907 nicht der Fall war. Allerdings ist die Abgrenzung der Werke der angewandten Kunst und der gewerblichen Muster und Modelle noch bestritten. Aber bis zu dem Zeitpunkte, wo wir für den Schutz der gewerb- lichen Muster und Modelle eine internationale Regelung besitzen werden, wird diese Frage durch das Gesetz oder die Rechtsprechung eines jeden einzelnen Landes geordnet werden. Somit scheint es mir, daß die jetzige englische Gesetzgebung kein Hindernis für Großbritannien bilden sollte, die Einreihung der Werke der angewandten Kunst unter die mit obligatorischem Charakter ausgerüstete Aufzählung aufzunehmen, da ja die englischen Gerichte immer dahin urteilen könnten, ein bloß ge werbliches Muster ohne einen gewissen künstlerischen Charakter stelle Wert und ihre Bestimmung sei,» beizufügen. Der Kopenyagener Kongreß hörte nun in seiner letzten Sitzung zuerst die Verlesung des Berichtes an, den Herr E. Soleau im Jahre 1908 über den Schutz der ange wandten Kunst für den Stockholmer Kongreß der inter nationalen Vereinigung für den Schutz des gewerblichen Eigentums') ausgearbeitet hatte und der folgende These verficht: *) S. den Bericht über diesen Kongreß in den auf diese Frage bezüglichen Punkten, Droit ck'Lutsur, 1908, S. ist. Da auf diesem Gebiete den Gerichten kein ernsthaftes und sicheres Kennzeichen geboten werden kann, um gerechterweise die reine Kunst von der angewandten zu trennen oder ein Mehr oder ein Weniger von Kunst zu unterscheiden, so besteht die beste Lösung darin, die Werke der reinen Kunst und diejenigen der angewandten Kunst, welches auch immer ihr Gehalt und ihre Bestimmung sei, unter einem und demselben Gesetz, nämlich unter dem Gesetz betreffend das künstlerische Eigentum unter zubringen. Die Herren Maillard und Taillefer sprachen zuerst von der Enttäuschung, die der Beschluß der Berliner Konferenz in den beteiligten Kreisen Frankreichs verursacht hatte und die so lebhaft war, daß die französischen Vereine für den Schutz der angewandten Kunst den Behörden em pfahlen, die Übereinkunft in diesem Punkte gar nicht zu genehmigen; sie fürchten nämlich, der künftige Schutz werde geringer sein als der jetzige; ihrer Ansicht nach wäre es besser gewesen, man hätte die Werke der angewandten Kunst nicht besonders erwähnt, denn dann hätte man sie gleich wie alle Kunstwerks schützen können; jede Ausstellung von Unterscheidungsmerkmalen sei gefähr lich. Die Fassung der Lssocistiov, die von den »Werken der graphischen und plastischen Künste, unbeschadet ihres Wertes oder ihrer Bestimmung- spricht, sei noch immer die jenige, die die Gerichte am besten leite, weil sie nicht von »der Kunst» spreche und keine ästhetische Frage aufrolle. So habe denn auch nach kurzem Schwanken, das sich im Prozeß betreffend die Drucktypen zeigte, die französische Rechtsprechung das Gesetz vom 11. März 1902, das in diesem Sinne abgesaßt ist, sehr wohl zu interpretieren gewußt. Nach Herrn Osterrieth ist jeder durch einen künstle rischen Vorgang hergestellte Gegenstand, der neu ist, ein Werk, das gegen Nachbildung geschützt zu werden verdient. Es sei deshalb zu bedauern, daß Herr Köhler, einge nommen durch eine philosophische Theorie, die spitzfindige Unterscheidung zwischen Werken der reinen Kunst, die eine Weltschöpfungsidce darstellen, und den Geschmacks mustern, die eine Formgebung darstellen, aufrecht erhalten habe. Es müßte dahin gearbeitet werden, den von der Lssoeiatiov verteidigten Ideen den Sieg zu sichern, sei es, daß eine engere Union gegründet werde, sei es, daß eine Reihe von besondern Abkommen unter Verbandsländern, wie z. B. der deutsch-sranzösische Vertrag vom 8. April 1907, abgeschlossen, oder eine besondere Erklärung anläßlich des Austausches der Ratifikationsurkunden für die revidierte Berner Übereiuknust nach vorheriger Erzielung einer richtigen Auslegung in Großbritannien angenommen werde. Die in Kopenhagen beschlossene Resolution (s. I°.) spiegelt alle diese Meinungsäußerungen wieder. Die dänischen Mitglieder, die Herren Dalgas, Krog und Bings hatten ebenfalls an der Debatte teilgenommen, in diese aber ein neues Element hineingetragen. Mit Rücksicht auf den Prozeß, der sich um die nach einer Originalzeichnung des Herrn Krog hergestellte Kaffeekanne abgespielt hatte <s. vroit ä'Lutsur, 1907, S. 100; 1908, S. 4L), kannten sie den negativen Standpunkt der Gerichte ihres Landes, die einem hauptsächlich zu praktischen Zwecken bestimmten Gegenstände den Charakter eines Kunstwerkes abgcsprochen hatten, gar wohl; es war ihnen aber auch gelungen, das Urheberrechts gesetz durch die Novelle vom 28. Februar 1908 abzuändern und den vollen Schutz für die angewandte Kunst zu er langen (s. ebendaselbst, 1908, S. 29). Auch ihnen erschien der Ausdruck »Kunstwerk» trügerisch. Könnte man nun IIS8'