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durchaus nicht z» behagen. Ihre Unfähigkeit zur Erziehung, Bil dung weiblicher Gcmiither, weiblicher Arbeit, Mangel an allen Kenntnissen, Unkunde aller Ockouomic waren Hehnc schon am Tage ihrer Ankunft in Göttingen sosort offenbar, und er sinnt daher bald daraus, sic wieder los zu werden. Von alle» diesen häuslichen Borfällen, erfreulichen wie trau rigen, wissen nur Heyne und Reich, nicht aber der Herausgeber der ^ Weltgeschichte und die das Werk verlegende Finna. In den zwei Zähren des für u»S feblcndcn Briefwechsels erscheinen deS Sudlers Dieze Geschichte vo» Spanien und Portugal, Goldjmilh' Geschichte von England, herausgegebe» von Schröckh, der erste Theil der Wag- ner'schen Geschichte von Polen. Vielleicht würden auch di- mit Professor Murray geknüpften Unterhandlungen zu einem gedeih- , liche» Ende geführt haben, wenn nicht der Mann schon tätige krän- kelnd und zu Ende 1775 dem Tode nahe wäre. Ein rasches Ende streicht ihn bald daraus endgültig aus der Liste der Mitarbeiter am Guthrie, und jetzt wäre wohl ernstlich zu fragen, ob Herr Wagner, der schon die polnische Geschichte licsert, nicht vielleicht auch der Mann sür die nordische, d. i. schwedische, dänische, norwegische, vielleicht auch russische Geschichte ist. Noch ein Anderes möchte Herrn Reich zur Entscheidung em- psohlcn sein. Ein junger Gelehrter in Göttingen, Herr Tiedemann, der sich in der Literatur gut umgesehen hat, ist soeben mit einem unter Heyne's Augen abgesaßtcn Werkchc» über die stoische Philo sophie zu Stande gekommen, und möchte cs nun gedruckt sehen. Doch „nicht meinen Freund, oder wenigstens ihn nicht allein, sondern den Buchhändler Herr» Reich soll ich also darum besragen, ob ein Werk dieser Art, das ich allenfalls noch durch eine Vorrede em pfehlen könnte, für seine Absichten angemessen ist und ob er den Ver lag übernehmen will. Geschickt kann es werden, wenn man es haben will." Bald darauf langt dann das Tiedemaun'schc Mannscript in Leipzig an, dessen Druck Herr Reich ganz nach seiner eigene» Be quemlichkeit einrichten mag. „Wenig Professors würden so etwas zu Markte bringen," fügt Heyne wohlgefällig bei. Und wie cs sich später UNI Erledigung der Honorarfrage handelt, so bittet der junge Autor um drei Thaler für den gedruckten Bogen. „ErmessenSie es nach Ihren Verhältnissen, wie weit Sic gehen können." Vermöchte Herr Reich aus das Honorar abschläglich dem Verfasser sünszig Thaler zu bewilligen, so wäre das sür diesen eine Wohlthat, da er es nöthig braucht und Heyne schon mit ihm in Vorschuß steht. Philipp Erasmus, dem einmal Ricmeyer scherzend schrieb: „Ihnen ist cs nichts Neues, daß Autoren Geld brauchen", bewilligte die gethanen Forderungen unbedenklich, mit weitspuriger Hand schrieb er aus Heyne's Haben das ausgemachte Honorar, aus dem Soll aber erschienen fünfzig Thaler, die mit der ersten Post nach Göttingen abgingcn. Das Werk, das in 1000 Exemplaren von Herrn Dürre gedruckt ward, erscheint in dessen nächster Michael- meßrechnung, 53>j> Bogen stark, mit I2S Thlr. 7 Gr. (der Bogen Satz und Druck zu 2 Thlr. >0 Gr ). Dem Verfasser entfiel -inGe- sammthonorar von 160l4 Thaler, dem Censor trugen seine Be mühungen 2r/z Thaler, der Herr Corrector aber erhielt 5 Gr. sür Len Bogen. Ein andres Verlagswerk, wegendessen damals Reichzeilweiscdas Hauptbuch der Firma aujschlug, waren Chandler's Reisen in Klein asien, dessen Uebersetzung der Herr Gouvernementsjecretär Boie in Hannover übernommen hatte. Doch dieser scheint ein nicht viel er freulicherer Autor als Herr Dieze, dem gegenüber es sich hauptsäch lich noch darum handelt, daß ein geleisteter Vorschuß in Gestalt von Honorar in möglichst glimpflicher Weise gerettet werde. Wenigstens läßt Boie aus Manuscript warten, und Heyne, der auch in dieser Angelegenheit thätig ist, hat davon manche Sorge. Doch auch dieses Werk wird vollendet und Herr Dürre setzt es ebenfalls zurMichaelis- messe auf seine Rechnung. 1000 Eremplare werden gedruckt, sür den Bogen Satz und Druck gelangen drei Thaler zum Ansatz, Boie empfängt für den Bogen vier Thaler. Die alles heilende Zeit, zudem das beginnende Frühjahr hatten derweil die Stimmung an der Leine wesentlich gebessert, während diese an der Pleisse einer -Besserung nicht bedurfte. Hier rüstete das junge Ehepaar zu einer Reise nach der Schweiz, gewissermaßen zur Nachfeier der Hochzeit, und wie Reich seine Absicht nach Güt tingen meldet, da wird dort die Hoffnung rege, der Hinweg zur Schweiz könnte wohl die Freunde zum Besuch nach der Alma Georgia Angusta führen. Aber auch Heyne hat Reisepläne, wenn auch nicht so wcitfliegcnde. Zwar sind seine Briese schwarz gesiegelt, aber seine Interessen drehen sich nicht mehr so ängstlich um den Kleinkram des Haushalts, der Vorhänge, Bettwäsche und Unterhemden, er wagt sich schon Weiler hinaus, er denkt daran, das Leipziger Ehepaar, so fern cs nicht nach Güttingen kommen will, wenigstens in Cassel zu begrüßen, und wie ihm Reich milthcilt, Herr Goethe sei von Wei mar aus in Leipzig gewesen, so empfindet er lebhaft den Wunsch, doch diesen Mann auch zu kennen. „Sieht er dem Bilde im Lava- ter ähnlich ? haben Sie ihn nicht gefragt, warum er zu seinem Hel den in der s1776 bei Mylius in Berlin erschienenen s Stella einen so unbedeutenden Schurken gewählt hat?" Dabei fällt Heynen noch ein, daß dieser Tage „der Wans- beckischc Asmus, Herr Claudius" in Göttingen war. „Ich hoffte einen unverdorbenen Sohn der Natur zu finden. Aber das war ein ungesitteter grober Bauerlümmcl." Solches schrieb Heyne Mitte April I77K nach Leipzig, vier zehn Tage später war wieder ein Brief bei Weidmanns Erben und Reich eingetroffen, und auf dem bemerkte dann das Haupt der Firma mit schwerer Hand, was außer den verlangten Ueberzügen, Bett tücher» und Gardinen noch an Büchern der Ostermesic dem Gevatter nach Gütungen zu senden sei. Vor allem glänzt da der zweite Band von Lavater's physiognomischen Fragmenten, der wieder einige Schamröthc aus Heyne's Wangen Hervorruf!. Noch hat Reich mit der Gattin seine Schweizerreise nicht ange treten, da fährt Heyne hinüber nach Gotha, wohin er von Herrn Lega tionsrath Götter und einer andern bcfreundetcnFamiliedringendein- geladcnist. Nur ungern kommtcr diesenMahnungcn, denen sichGöt- linger Freunde anschließen, nach, und er glaubt, nicht viel Gewinn an Heiterkeit und Ausmunlerung von dieser Ausflucht heimbringen zu können. Aber er irrt. Wie er nach acht Tagen wieder nach Hause zu- rückgckehrl ist, kann er nach Leipzig melde», wie er viele und ange nehme Zerstreuungen gehabt hat und hoffen darf, daß auch seiner Gesundheit daraus Gewinn erwachsen sei. In diesen Wochen, welche den Abschluß der Meßarbeitcn brin gen, fährt dann Reich mit der Gattin von Leipzig ab, der Schweiz zu. Unterwegs — wo bleibt ungewiß — trifft sich das Ehepaar mit Heyne, und elfteres nimmt auf den Weg den Auftrag des Ge vatters mit, sich nach einer Erzieherin sür die Tochter Therese und ihre jüngere Schwester, Rcich's Pathin, umzuschen. Ende August sind dann die Gatten wieder glücklich zurückgekehrl und ein Brief Heyne's gibt der Freude darüber eineu erfreulichen Ausdruck. „Mich hat Ihr Glück, liebster Reich", schreibt der Göttinger, „mehr erfreut, als ich Ihnen sagen kann. Es ist natürlich, daß ich in meiner Lage mehr herzlichen Antheil an eines Freundes Wohl nehmen kann, als ein vom Glücke trunkener Freund am meiuigen." Der trüben Stimmung, die hier, indem sich Heyne mit Reich vergleicht, durchschimmert, folgt in den nächsten Monaten ein glück licher Umschlag. Heeren erzählt von einer Begegnung, die I. G. Zimmermann noch in dem Sommer desselben Jahres mit Reich in Pyrmont gehabt, von der bedrängten häuslichen Lage des gemeiu- 324*